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Das Auge ist eines der wichtigsten Organe zur Wahrnehmung der Umwelt. Komplexe und faszinierende Abläufe in unserem Kopf machen es möglich, dass wir sehen. Dabei ist jeder Mensch im Laufe seines Lebens mit dem Thema Augengesundheit konfrontiert. Während manche Kinder schon in den ersten Lebensjahren schielen, sind bereits im Schulalter bis zur Hälfte der Kinder kurzsichtig. Die Anzahl ist den letzten Jahren stetig angestiegen, bedingt durch einen zu kurzen Abstand beim Lesen (insbesondere am Smartphone). Später wird jeder Mensch alterssichtig und erkrankt früher oder später im Rahmen des normalen Alterungsprozesses an einem Grauen Star. Dieses Buch erklärt und veranschaulicht den Aufbau und die Funktionen des Auges und schildert Erkrankungen im Auge wie beispielsweise eine Hornhautverkrümmung. Oft gestellte Fragen wie „Was sind Dioptrien?“, „Warum wird jeder Mensch alterssichtig?“ oder "Brille, Linsen oder Laser?" werden von dem Augenarzt-Duo beantwortet. Neben neuesten Erkenntnissen aus der Forschung, Therapieoptionen der häufigsten Augenerkrankungen und dem Einfluss von Allgemeinerkrankungen wie zu hohem Blutdruck oder Zucker, lockern „kuriose“ Geschichten aus dem augenärztlichen Alltag den fachlichen Inhalt auf. Begleitende, sowohl klassisch medizinische, als auch metaphorische Illustrationen ergänzen und veranschaulichen den Text.
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Seitenzahl: 164
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Wir danken unseren Familien, besonders Christa und Camillo.
VORWORT
WIE DAS SEHEN FUNKTIONIERT – EINE REISE DURCH UNSER AUGE UND DAS NACHTLEBEN
DER AUFBAU DES AUGES – KLEIN, ABER OHO
RÄUMLICHES UND BEWEGUNGSSEHEN
Das Sehen im Raum
Sehen in Bewegung
SCHWARZ-WEISS-BUNT
Hell-Dunkel-Sehen
Farbsehen
FEHLSICHTIGKEITEN – PFEILSCHARFES ADLERAUGE ODER BLINDES HUHN
Kurzsichtigkeit
Weitsichtigkeit
Alterssichtigkeit
Die Entstehung der Brille
Was Brillen und Kontaktlinsen unterscheidet
Laser oder Kunstlinsen — endlich keine Brille mehr!
GRAUER STAR — TRÜBES SEHEN WIE DURCH MILCHGLAS
ZU VIEL DRUCK TUT SELTEN GUT – DER GRÜNE STAR
MAKULADEGENERATION ODER DIE GESTÖRTE MÜLLENTSORGUNG
MOUCHES VOLANTES – LÄSTIGE MÜCKEN, DIE NICHT DA SIND (UND WAS SIE MIT EINER NETZHAUTABLÖSUNG ZU TUN HABEN)
WARUM DIE AUGEN TRÄNEN, WENN SIE TROCKEN SIND – TRÄNENWEGE UND DIE TRÄNENPRODUKTION
Das trockene Auge
HAGELKORN, GERSTENKORN, GRIESKORN – SIND WIR HIER IM REFORMHAUS?
ENTZÜNDUNGEN ODER DIE SCHWESTERLICH GETEILTEN PARTYLINSEN
Bindehautentzündung — rote Augen durch Keime, Pollen oder Fremdkörper
Hornhautentzündung und die richtige Aufbewahrung von Kontaktlinsen
MIGRÄNE IM AUGE UND WAS ALICE IM WUNDERLAND DAMIT ZU HAT
DIE SONNE UND DAS AUGE – VON GLETSCHERTOUREN, LAMELLENBRILLEN UND SURFER-AUGEN
VERLETZUNGEN, VERÄTZUNGEN UND SPEIENDE KOBRAS
GEFÄSSE UND EINE REANIMATION FÜR DAS AUGE
HÄNGENDE AUGENLIDER – „NUR“ EIN KOSMETISCHES PROBLEM?
DIE ENTWICKLUNG DES SEHENS – UND WAS DABEI SCHIEFGEHEN KANN
TIPPS ZUR AUGENGESUNDHEIT
QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Ein Verwandter, der namentlich nicht näher genannt werden möchte, erzählte uns, er habe sich früher öfters Orangensaft in die Augen gespritzt, um seine Augengesundheit mit Vitaminen zu fördern. Während uns schon vorher im medizinischen Alltag aufgefallen war, wie wenig über das Auge eigentlich bekannt ist, so war uns spätestens nach dieser Geschichte klar: Wir schreiben ein Buch. Aber das Auge ist für ein so kleines Organ auch wirklich komplex! Auch uns rauchten im Medizinstudium über den Augenbüchern die Köpfe.
Kein Wunder also, dass die meisten Menschen ohne medizinischen Bezug kaum eine Vorstellung davon haben, wie das Auge genau aufgebaut ist, woraus es besteht und wie es funktioniert. Dadurch entstehen viele Fragen und auch Unsicherheiten. Unser Anliegen ist es, mit diesem Buch das Auge – so komplex es auch sein mag – möglichst verständlich zu erklären. Dabei geht es einerseits um grundsätzliche Fragen wie „Warum können wir eigentlich sehen?“ oder „Wie entsteht die Augenfarbe?“ und andererseits um Themen wie Brille, Hornhautverkrümmung oder Grauer Star, die vor allem Betroffene interessieren. Diese Information von Betroffenen ist uns besonders wichtig, denn nur aufgeklärte und informierte Patienten können selbstbestimmte und bewusste Entscheidungen treffen. Zudem können, wenn ein tieferes Verständnis besteht, die Zusammenarbeit und der Therapieerfolg positiv beeinflusst werden. Auch die Prävention spielt in der Augenheilkunde eine wichtige Rolle: Wenn ein Bewusstsein für bestimmte Risikofaktoren besteht (wie das Alter beim Grünen Star), können durch proaktives Handeln Spätschäden verhindert werden. Das Buch ist aber nicht nur für (mögliche) Patienten gedacht, sondern für jeden, der sich für das Thema Auge und seine faszinierend komplexe Funktionsweise interessiert. Gemeinsam schrieben wir dazu die Texte in diesem Buch, ohne allerdings das gesamte Spektrum der Augenerkrankungen abzuhandeln – das hätte leider den Rahmen gesprengt. Wir haben uns auf die häufigsten und wichtigsten Themen zur Augengesundheit konzentriert. Solche Texte können schon mal langatmig und kompliziert sein, manchmal muss man auch nochmals drüberlesen, um das Geschriebene genau zu verstehen. Deshalb erstellte Barbara, die neben Medizin auch an der Zürcher Hochschule der Künste studiert hat, zusätzlich erklärende, klassisch-medizinische, aber auch auflockernde metaphorische Illustrationen. Also – Augen auf und viel Spaß bei der Lektüre!
Mal ehrlich, wer hat sich schon – mehr als einen flüchtigen Gedanken lang – gefragt, wie das Sehen funktioniert? Wir müssen gestehen, wir uns vor unserer medizinischen Ausbildung kaum einmal. Eher haben wir die Tatsache, sehen zu können, als selbstverständlich angesehen. Als etwas, das einfach da ist, so wie das Herz, das schlägt. Je mehr wir uns aber damit beschäftigt haben, desto faszinierter waren wir. Uns eröffnete sich eine erstaunliche und auch sehr komplexe Maschinerie, die dabei abläuft: wie aus einzelnen Lichtstrahlen ein detailliertes und hoch verarbeitetes dreidimensionales Bild wird. Gespannt? Machen wir eine kleine Entdeckungsreise und folgen einem Lichtstrahl auf seinem Weg quer durch das Auge bis hin zum wahrgenommenen Bild.
Vereinfacht erklärt ist Licht eine elektromagnetische Welle, genauso wie Röntgenstrahlen oder Funksignale, mit denen Radio und Fernsehen übertragen werden. Das Auge sieht nicht im Bereich von allen Wellenlängen, sondern nur in einem gewissen Spektrum, nämlich von Blau bis Rot – genau wie bei einem Regenbogen. Strahlen mit Wellenlängen, die ober- oder unterhalb dieses Bereiches liegen, können wir nicht sehen, deshalb ist auch ultraviolettes Licht für uns nicht sichtbar. Es führt beim Menschen nur zu einem Sonnenbrand. Bei den Tieren ist das anders, so sehen Bienen für uns einfarbige Blüten in bunten Farbmustern. Allerdings können sie kein Rot wahrnehmen, sehen also unseren Sonnenbrand nicht.
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Wir sehen Objekte nur, weil sie je nach Farbe bzw. Licht unterschiedlich stark reflektieren. Ohne diese Reflexion wären sie tiefschwarz.
Nun geht es aber los mit unserer Reise: Lassen wir unsere Fantasie schweifen und begleiten wir einen Lichtstrahl einen Abend lang durch das Nachtleben in den Club „Das Auge“. Unser Lichtstrahl ist schon ganz aufgeregt. Er muss einen guten Moment erwischen, um es zwischen zwei Wimpernschlägen durch das offene Auge zu schaffen: Timing ist alles. Stellen wir uns die sich öffnenden und schließenden Augenlider als U-Bah n-Türen vor. Mit einem Hechtsprung hat er es in die letzte Bahn geschafft – Glück gehabt! Als Erstes geht es durch die vorderste Schicht des Auges, die Hornhaut. Dort wird der Lichtstrahl zusammen mit anderen Lichtstrahlen gebündelt und anschließend weitergelenkt. Ähnlich wie die Wartenden in einer Schlange vor dem Club. Dieses Prinzip der Bündelung und Umlenkung von Lichtstrahlen wird Brechung genannt.
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Nach demselben Prinzip der Brechung funktionieren auch Brillengläser, Lupen und Fernrohre. Man kann sie auch bei anderen durchsichtigen Materialien beobachten: Ein Strohhalm in einem Glas Wasser sieht aus, als wäre er an der Wasseroberfläche durchgeschnitten und verschoben.
Hinter der Hornhaut trifft der Lichtstrahl auf die Pupille. Sie ist die Blende und der Türsteher des Auges: „Du kommst rein, du nicht, du nur alleine, nicht alle zusammen.“ Bei hellem Licht ist der Türsteher besonders streng , und die Pupille ist eng. Es werden nur wenige Lichtstrahlen durchgelassen, gerade so viele, wie nötig sind, um bei guten Lichtverhältnissen zu sehen oder eben zu feiern.
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Ein angenehmer Nebeneffekt einer engen Pupille ist eine hohe Tiefenschärfe. Deshalb sehen wir bei hellem Licht besonders gut und scharf.
Im Dunkeln hingegen wird die Pupille weit, damit möglichst viele Lichtstrahlen durchkommen und man auch in der Nacht einigermaßen gut sieht. Der Türsteher ist großzügiger und vergrößert den Eingang. Er lässt bis zu dreißi gmal mehr Lichtstrahlen durch , und die Party kann losgehen. So kommt nun allerdings auch der schon volltrunkene Kumpel hinein, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann – das Streulicht.
„Wow, ich habe es geschafft!“, denkt sich der Lichtstrahl, als er die Pupille passiert hat. Allerdings hat er sich zu früh gefreut: Dahinter wartet schon die Linse. Stellen wir sie uns als weitere Schleuse in Form einer Verkaufsstelle für die Eintrittskarten vor. Hier wird geregelt, wer in welchen Bereich des Clubs kommt. Die Linse bricht und bündelt das Licht nun noch einmal und leitet es weiter zur Netzhaut, den hinteren Bereich des Clubs. Der Lichtstrahl hat Glück, es gibt noch Karten für den VIP-Bereich, und er hat auch noch genügend Geld für ein solches Ticket dabei. Für seinen Kumpel, das Streulicht, reicht es leider nicht mehr, er hat sein halbes Geld schon ausgegeben und kann sich nur mehr einen normalen Eintritt leisten. Der Lichtstrahl hingegen wird direkt weitergeleitet in den VIP-Bereich der Netzhaut, die Makula. Sie ist der Ort des schärfsten Sehens mit besonders vielen Photorezeptoren – sehr wichtigen Leuten sozusagen. Hier wird das, was der Lichtstrahl an Informationen mitgebracht hat, interessiert aufgenommen und über Nervenzellen an das Gehirn weitergeleitet. Es wird analysiert, berechnet, verstärkt und ausgeblendet. Das Networking läuft.
Aber nicht nur in der Makula, sondern in der gesamten Netzhaut wimmelt es vor Photorezeptoren. (Einzig der sogenannte blinde Fleck bildet eine Ausnahme, aber dazu mehr im nächsten Kapitel). Sie sind die Sinneszellen der Netzhaut, die sich ihre Arbeit teilen. Es gibt Jobsharing je nach Kompetenz: Zapfen sind für das Farbsehen zuständig, Stäbchen für das Hell-Dunkel- bzw. Dämmerungssehen. Am Ende haben die Photorezeptoren eine eigenartige Struktur, die bei den Stäbchen wie eine Münzrolle aussieht, bei den Zapfen wie ein länglich halbierter Tannenbaum. Darin wird das Sehpigment gelagert, ein Eiweiß, welches die Umwandlung von Licht in ein für das Gehirn verständliches Signal vermittelt. Es verändert dabei seine Form und löst eine Kaskade an biochemischen Vorgängen aus, und ein elektrisches Signal entsteht. Dabei „bleicht“ das Sehpigment aus und verliert seine Farbe.
Aber zurück zu unserem Lichtstrahl – er hat sich inzwischen auf die Tanzfläche gewagt und schwingt die Hüften. Und plötzlich, zwischen all den Zapfen und Stäbchen sieht er sie – seine Traumfrau. Soll er sie ansprechen? Werden sie sich verstehen? Schließlich ist er ein Lichtstrahl und sie ein Photorezeptor. Während er noch überlegt, lächelt sie ihm schon zu. Wow! Es ist nicht nur ein Gefühl, als wäre er vom Blitz getroffen worden. Tatsächlich laufen innerhalb von Millisekunden mehrere biochemische Reaktionen ab, wenn Lichtstrahlen auf das Sehpigment der Photorezeptoren treffen. Ein elektrisches Signal entsteht. Dieses wird in der Netzhaut weiterverarbeitet und über Nervenfasern an das Gehirn weitergeleitet. Dazu verlassen die Nervenfasern gemeinsam als Sehnerv das Auge. Er hat eine Isolierschicht, die Myelinscheide, die eine besonders schnelle Übertragung der elektrischen Signale ermöglicht.
Auf diesem Weg nach oben zum Gehirn liegt eine wichtige Station, die Sehnervenkreuzung. Wir können sie uns als eine Art Tauschstation vorstellen, an der sich die beiden Sehnerven des linken und des rechten Auges treffen. Lassen wir das Disco-Beispiel außen vor und nehmen an, jeder Sehnerv hat einen Apfel und eine Birne mitgebracht, die hier ausgetauscht werden. Nach dem Tauschhandel hat ein Sehnerv nur noch Äpfel, der andere nur noch Birnen – man könnte sagen, das passt nun besser zusammen. Genauso ist es im Auge: Alles, was man links der Mitte des jeweiligen Gesichtsfeldes sieht (in der Abbildung der Apfel) fällt auf die rechte Hälfte der Netzhaut und wird an die rechte Hirnhälfte weitergeleitet. Und umgekehrt gelangen alle Sehinformationen aus der rechten Hälfte des Gesichtsfeldes (Birne) weiter in den linken Teil des Gehirns. So werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Seheindrücke beider Augen auch zusammenpassen und später ein einheitliches Bild entsteht, hier sinnbildlich als Obstkorb mit beidem, Äpfeln und Birnen, dargestellt.
Anschließend ziehen die Nervenfasern im Gehirn weiter in den seitlichen Kniehöcker (ja, die alten Anatomen waren sehr fantasievoll bei der Namensfindung), wo durch neuronale Verschaltungen nochmals eine Bildbearbeitung stattfindet. Von dort aus geht es dann in das eigentliche Sehzentrum im Gehirn, die Sehrinde. Sie ist Teil der Großhirnrinde, in der etwa 30 Prozent der Nervenzellen für visuelle Aufgaben verantwortlich sind. Dazu gehören unter anderem die Gestaltwahrnehmung, das Bewegungssehen, das räumliche Sehen, das Kontrast- und das Farbsehen.
Stellen wir uns das Gehirn als große Schwester des Photorezeptors vor, die in der Wohnung über dem Club wohnt und schon im Bett liegt. Immer wieder wird sie aufgeweckt, weil ihr Handy vibriert und sie Nachrichten von ihrer Schwester erhält. Auch wenn nicht alle Nachrichten einfach zu entziffern sind, so hat das Gehirn nun doch genug Informationen bekommen, um sich ein Bild zu machen. Ein Bild darüber, wie der Abend im Club gelaufen ist.
Licht wird in der Hornhaut und der Linse gebrochen, gebündelt und zur Netzhaut geleitet. Trifft es dort auf die Photorezeptoren, so wird es in ein elektrisches Signal umgewandelt, das über die Sehnerven ans Gehirn weitergeleitet wird. Im Gehirn entsteht durch viele verschiedene Verschaltungen und Verarbeitungsschritte das gesehene Bild.
Na, brummt dir der Kopf nach unserem Besuch im Nachtclub? Dann haben wir leider keine guten Nachrichten: Gleich wird dein Kopf noch etwas stärker rauchen, denn wir müssen uns den Aufbau des Auges im Detail anschauen. Das kann mitunter etwas schwierig und langatmig sein, ist aber unerlässlich für das Verständnis. Also los!
So wie wir es kennen, ist das Auge nach dem Gehirn das komplexeste Organ unseres Körpers. Seit seiner Entstehung vor etwa 550 Millionen Jahren hat es eine riesige Entwicklung durchlaufen: War es damals noch eine sehr einfache und primitive Anlage, so ist es heute hochkomplex konstruiert. Das Auge ist verschachtelt aufgebaut, besteht ähnlich wie eine Babuschka-Puppe aus mehreren Schichten und unterschiedlich großen Teilen. Welche diese genau sind, siehst du in der folgenden Abbildung.
Der Augapfel an sich ist ungefähr 24 Millimeter lang und wiegt 6-8 Gramm, etwa so viel wie eine 1-Euro-Münze. Er ist rund und wird von einer festen, weißen Haut, der Lederhaut, ummantelt. Sie ist das, was wir als „das Weiße“ im Auge wahrnehmen. Darum herum liegt eine weitere Schicht, die allerdings durchsichtig ist – die Bindehaut. Sie sehen wir nur, wenn sie gereizt oder entzündet ist, dann färbt sie sich nämlich sehr schnell rot und schmerzt.
Wir können nur ein Sechstel unseres Auges sehen, der Rest liegt wie in eine Nische eingebettet in der Augenhöhle des Schädelknochens. Nach außen geschützt wird das Auge von den Augenlidern und den Wimpern. Sie wehren Schmutz und Fremdkörper ab und verteilen beim Blinzeln wie ein Scheibenwischer den Tränenfilm über die Augenoberfläche. Die Tränen selbst enthalten entzündungshemmende Abwehrstoffe und befeuchten das Auge. Sie sind aus drei Schichten aufgebaut: einem wässrigen Teil aus der Tränendrüse, einem schleimigen Teil aus der Bindehaut und einem öligen Anteil aus den Meibom-Drüsen. Das sind kleine Drüsen, die im Ober- und Unterlid liegen. Wenn sich hier Sekret anstaut, können sie leicht verstopfen und sich entzünden, dann entsteht ein Gerstenkorn (S. →).
Wenn wir uns das Auge von der Seite anschauen, sehen wir, dass in der Mitte der Lidspalte eine durchsichtige Schicht liegt – die Hornhaut. Sie enthält keine Gefäße, die sie versorgen, sondern wird von außen durch die Tränenflüssigkeit und innen durch das Kammerwasser ernährt.
Da die Hornhaut an vorderster Front steht, kann sie leicht verletzt werden, besonders das Epithel, die oberste Schicht, ist schnell zerkratzt. Stellen wir uns vor, in der Warteschlange vor dem Club kommt es zu einer Schlägerei – da sind Verletzungen vorprogrammiert. Da die Hornhaut von vielen feinen Nerven durchzogen ist, sind Kratzer sehr schmerzhaft. Diese Empfindlichkeit ist sehr sinnvoll, denn sie sorgt dafür, dass das Auge reflexhaft zugekniffen wird und sich so vor weiteren Verletzungen schützt. Neben diesem Schutz hat die Hornhaut aber noch eine weitere wichtige Aufgabe, nämlich die Brechung von Licht. Wie du vorher gelesen hast, bedeutet Brechung, dass beim Durchqueren eines Lichtstrahles durch zwei unterschiedlich dichte Medien seine Richtung geändert und er umgelenkt wird. In der Hornhaut entsteht der Brechungseffekt durch ihre Krümmung und durch die Schnittstelle von Luft zu Tränenfilm. Dadurch wird das einfallende Licht in der Hornhaut gebündelt und zur Linse geleitet. Dort wird das Licht dann nochmals gebrochen und gebündelt zur Netzhaut gelenkt. Wir erinnern uns an die Sammlung und Weiterleitung der Wartenden vor dem Club und an der Ticketkasse. Dieser Weg der Lichtstrahlen durch das Auge wird als Sehachse bezeichnet. Sie ist genau die Route, die unser Lichtstrahl in der vorherigen Geschichte durch den Club genommen hat.
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Die Hornhaut hat mit 43 Dioptrien die höchste Brechkraft im Auge. Zum Vergleich — eine normale Lesebrille hat zwischen 1,5 und 2,5 Dioptrien. Mehr Informationen zur Einheit Dioptrie findest du auf den Seiten 79 und 82.
Hinter der Hornhaut liegt die Iris, auch Regenbogenhaut genannt. Sie ist der Teil des Auges, den wir als Augenfarbe wahrnehmen. Ob unsere Augen blau, grün, grau oder braun sind, hängt davon ab, wie viel Melanin, sprich Pigment, die Iris enthält. Helle Augen haben weniger Pigment, dunklere mehr. Weil so mehr Licht ins Auge kommt, sind helle Augen leichter geblendet als dunkle. Hier kann eine Sonnenbrille Abhilfe schaffen.
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Grün ist weltweit die seltenste Augenfarbe, Braun die häufigste. Bei Menschen mit Albinismus schauen die Augen rot aus, weil die Iris so wenig Pigment enthält, dass die Gefäße der Netzhaut durchscheinen.
Es gibt Menschen, die links und rechts zwei unterschiedliche Augenfarben haben. Diese seltene Besonderheit wird als Heterochromie bezeichnet. Eine bekannte Vertreterin ist die Schauspielerin Kate Bosworth.
Welche Augenfarbe wir bekommen, hängt davon ab, wie verschiedene Gene miteinander kombiniert werden. Es sind verschiedenste Varianten möglich und zwei Eltern mit braunen Augen können durchaus ein blauäugiges Kind bekommen, ohne dass es sich dabei um ein Kuckuckskind handelt. Die meisten Babys kaukasischer Abstammung werden mit blauen Augen geboren, Neugeborene afrikanischer, hispanischer oder asiatischer Herkunft hingegen haben meistens braune Augen. Der populäre Mythos, dass alle Babys bei ihrer Geburt blaue Augen haben, stimmt also nicht. Die endgültige Augenfarbe festigt sich im Laufe der ersten 1,5 Lebensjahre. Laut einer Studie kommt es allerdings bei 10-20 Prozent der Kinder noch bis zum sechsten Lebensjahr zu Farbveränderungen, bei 10-15 Prozent der Kaukasier sogar noch bis zum Erwachsenenalter.
Schön und gut – aber die Iris hat nicht nur ein ansprechendes Äußeres, sondern auch wichtige immunologische Funktionen. Sie vermittelt im Auge die Abwehrreaktion des Immunsystems. Eine Entzündung der Iris selbst kann auf verschiedene Infektions- oder Autoimmunkrankheiten wie Rheuma oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen hinweisen.
Die Öffnung in der Mitte der Iris ist die Pupille. Ihre Aufgabe ist es zu regulieren, wie viel Licht ins Auge gelangt. Wir erinnern uns an den Türsteher. Im Hellen ist die Pupille klein, um das Auge vor zu viel Licht zu schützen. Im Dunkeln ist sie größer, damit wieder mehr Licht ins Auge kommt und man auch bei schlechter Beleuchtung gut sieht. Dieser ausgeklügelte Mechanismus wird vom autonomen Nervensystem gesteuert. Dieses hat zwei Anteile, die sich wie Gegenspieler verhalten – der Sympathikus und der Parasympathikus. Klingt nach einem freundlichen Zeitgenossen und seinem bösen Gegenspieler. Tatsächlich ist es aber so, dass uns beide, wenn zur richtigen Zeit aktiv, eine große Hilfe sein können und sich perfekt ergänzen. Der Sympathikus arbeitet, wenn wir in Stresssituationen sind und unter Strom stehen. Unser Körper reagiert dabei so, als wären wir auf der Flucht – die Pupillen werden groß, um möglichst viel zu sehen, das Herz schlägt wie wild, und unsere Bronchien werden weit, um viel und gut Luft zu bekommen. Im entspannten Zustand ist der Parasympathikus aktiv, und der Körper wird in den Ruhemodus heruntergefahren – die Pupille wird enger, das Herz schlägt langsamer, und unser Körper hat nun Zeit für andere Stoffwechselvorgänge wie die Verdauung. Auf der Flucht wäre das ja eher ungünstig.
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Das autonome Nervensystem wird auch durch Medikamente und Drogen beeinflusst. Heroin oder Morphium führen zu einer kleineren Pupille, da sie den Parasympathikus aktivieren. Kokain und Ecstasy aktivieren den Sympathikus, und die Pupillen werden weit.
Na, bist du etwa auch schon im Ruhemodus bei diesen zugegebenermaßen etwas trockenen anatomischen Fakten? Kein Problem, gönn dir eine kleine Pause, und wenn du bereit bist, geht es weiter zur Linse.
Die Linse ist eine klare Struktur hinter der Pupille, die aus dichtem Gewebe besteht. Ihre Durchsichtigkeit ist wichtig, damit die einfallenden Lichtstrahlen sie durchdringen können. Die Linse hat keine Nerven oder Gefäße und muss deshalb von außen ernährt werden. Die Aufgabe des Nährstofflieferanten übernimmt das Kammerwasser, welches die Linse umspült. Ihren Aufbau kann man sich wie