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Seitenzahl: 457
VON
Dr. WILHELM KOBELT,
ARZT IN SCHWANHEIM AM MAIN.
Mit IX lithographirten Tafeln.
Aus den Jahrbüchern des Nassauischen Vereins für Naturkunde, Jahrg. XXV u. XXVI.
Wiesbaden.
Julius Niedner,
Verlagshandlung.
1871.
Die Weichthierfauna unseres Vereinsgebietes, obwohl literarisch besser bedacht, als die vieler anderer deutschen Bezirke, ist noch weit davon entfernt, ganz erforscht zu sein; vielmehr ist der grösste Theil von Nassau in malacologischer Beziehung noch eine vollständige terra incognita. Es muss dies Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass in keinem Zweige der Naturgeschichte die Ausbeutung einer bestimmten Gegend so verhältnissmässig rasch und leicht möglich ist, wie in der Conchyliologie, während dieselbe doch andererseits auch nach Jahre langem Studium immer Neues und Interessantes bietet und nie zum vollständigen Abschluss kommen lässt, also für den Dilettanten, der sich wissenschaftlich beschäftigen will, ganz besonders geeignet ist. Der Hauptgrund für die Vernachlässigung dieses Zweigs der Naturgeschichte scheint mir in dem Mangel billiger und dabei doch ausreichender literarischer Hilfsmittel zu liegen. Während es genug gute Bücher über die deutschen Pflanzen, Käfer und Schmetterlinge gibt, fehlt es noch ganz an einer Molluskenfauna von Mitteldeutschland mit guten Abbildungen und Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse; wer die Conchylien seiner nächsten Umgebung studiren will, ist auf dieselben kostspieligen Hilfsmittel angewiesen, wie der, welcher die Mollusken von ganz Europa und selbst des Auslandes zu seinem Studium macht.
Diese Erwägung veranlasste mich, nicht, wie es ursprünglich mein Plan war, nur die über verschiedene Gegenden unseres Vereinsgebietes veröffentlichten Arbeiten, durch meine eigenen mehrjährigen Beobachtungen und die Fundortsangaben zuverlässiger Freunde vermehrt zu einem Verzeichniss der Conchylien des gesammten Nassau zu verschmelzen, sondern auch durch Beigabe ausführlicher Beschreibungen und eine möglichst vollständige Zusammenstellung alles dessen, was über inneren Bau, Entwicklung und Lebensweise bekannt ist, eine Grundlage zu bieten, von der aus der Anfänger die Fauna seiner Gegend studiren und sich die Fähigkeit zu eigenen Beobachtungen und Untersuchungen erwerben kann.
Der Vorstand des nassauischen Vereins für Naturkunde billigte meinen Plan und machte es mir möglich, auf neun Tafeln Abbildungen unserer sämmtlichen Schnecken, mit Ausnahme der Nacktschnecken, zu geben.
Für die Form des Werkes im Grossen und Ganzen diente mir die zweite Auflage der Fauna von Siebenbürgen von E. A. Bielz zum Vorbild; doch glaubte ich die lateinischen Diagnosen, deren Inhalt ja doch in den deutschen Beschreibungen wiederholt wird, füglich weglassen zu können und habe lieber den anatomischen Verhältnissen und der Lebensweise mehr Raum gegönnt. Die Beschreibungen sind in der Regel fast wörtlich die Rossmässlers; es kann eben nur eine richtige Beschreibung geben, und da es unmöglich ist, bessere als die Rossmässler’schen zu geben, so hätte der Versuch dazu nur zu einer Verschlechterung oder im günstigsten Falle zu einer mühsamen Umschreibung führen können. Auch eine Anzahl Abbildungen sind aus der Iconographie oder aus den Clausiliengruppen von Schmidt copirt; doch sind dies nur Arten, die überall gleich sind und deren Abbildungen ganz unseren nassauischen Formen entsprechen, oder solche, deren Ausführung meine technische Fertigkeit überstieg, wie bei den Clausilien und Pupen. Die sämmtlichen Wassermollusken mit Ausnahme einiger Planorben und der nach Baudon copirten Pisidien, sowie der grössere Theil der Heliceen, sind Originalabbildungen, theils von meiner Frau, theils von mir gezeichnet. Die Abbildungen der Vitrinen verdanke ich meinem Freunde Dr. Carl Koch.
Ich verkenne nicht, dass meine Arbeit nur mit Unrecht eine Fauna von Nassau genannt werden kann, während sie doch nur einzelne Theile desselben umfasst; ich hoffe aber, dass sie den Anstoss zu einer regeren Beschäftigung mit unseren Mollusken gibt, und dass es dadurch in nicht zu ferner Zeit möglich sein wird, an eine wirklich umfassende und erschöpfende Fauna von Nassau zu gehen. Ich bitte desshalb diejenigen Mitglieder unseres Vereins, welche Lust haben, sich mit der Fauna ihrer Umgegend zu beschäftigen, dringend, sich mit mir in Verbindung zu setzen; ich bin gern bereit, ihnen durch Mittheilung von Exemplaren unserer nassauischen Arten und durch Bestimmung der gefundenen Arten das Studium zu erleichtern.
Es liegt mir noch die angenehme Pflicht ob, den zahlreichen Freunden, welche mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, meinen herzlichsten Dank abzustatten, besonders den Herrn Professor Kirschbaum, Hofrath Lehr und Conservator Römer in Wiesbaden, D. F. Heynemann, Dr. Carl Koch, Dickin und Dr. Noll in Frankfurt, Trapp auf der Obermühle bei Giessen und Ickrath in Schwanheim, die mir ihre Beobachtungen freundlichst zur Veröffentlichung mittheilten, und den Herrn Professor Dunker in Marburg, Professor Sandberger in Würzburg und Ed. von Martens in Berlin, welche mich in anderer Weise mit Rath und That unterstützten. Herrn Dr. Carl Koch bin ich noch ganz besonders verbunden für die Freundlichkeit, mit welcher er mir die auf Nassau bezüglichen Theile seiner noch ungedruckten Arbeit über die Vitrinen, nebst den dazu gehörigen Originalabbildungen überliess.
Schwanheim a/Main, 12. Juni 1870.
Dr. W. Kobelt.
Wenn wir die vorliegende Arbeit eine Fauna von Nassau nennen, wollen wir damit durchaus nicht sagen, dass wir gesonnen sind, uns ängstlich innerhalb der Gränzen des ehemaligen Herzogthums Nassau zu halten; auch die etwas weiteren des Regierungsbezirks Wiesbaden respectiren wir nicht überall, obschon sie sich besser den natürlichen Verhältnissen anpassen; wir nehmen vor allem das linke Rheinufer mit der reichen Fauna der Sümpfe und Haiden von Mombach, das Lahnthal von Marburg bis Wetzlar und den oberen Theil der Mainebene bis nach Hanau hinauf hinzu, und wo sichere Fundorte seltener Arten aus nicht zu weiter Entfernung bekannt sind, stehen wir nicht an, auch diese anzuführen.
Unser Gebiet enthält somit ein ziemliches Stück Rheingebiet, das Rheinthal mit seinen kleinen Seitenthälchen zwischen Mainz und Coblenz, das untere Mainthal nebst der Wetterau, dem Gebiete der Nidda, und ganz besonders das Thal der Lahn bis zu ihrer Quelle hinauf. Der Taunus, der Westerwald, die letzten Ausläufer des rheinisch-westphälischen Schiefergebirges und der südliche Theil des Vogelsberges machen seinen grössten Theil zu einem reich abwechselnden Hügellande, in dem alle Arten von Boden vertreten sind. Dem entsprechend ist auch die Weichthierfauna eine sehr reiche, und nur wenige der bis jetzt in Mitteldeutschland aufgefundenen Arten werden bei uns vermisst. Ueber ihre Vertheilung im Verhältniss zur Bodenbeschaffenheit reden wir ausführlich später.
Der erste Naturforscher, welcher die einheimischen Conchylien des Herzogthums Nassau einer genaueren Beachtung würdigte, war der auch sonst in vielfacher Beziehung um die Erforschung von Nassau hochverdiente Dr. C. Thomae; im Jahre 1841 veröffentlichte er mit einem Doublettencatalog des Landesmuseums ein Verzeichniss der in der Umgegend von Wiesbaden gefundenen Binnenconchylien, und 1849 liess er im vierten Bande der Jahrbücher des nassauischen Vereins für Naturkunde S. 206–226 ein ausführliches „Verzeichniss der im Herzogthum Nassau, insbesondere in der Umgegend von Wiesbaden lebenden Weichthiere“ erscheinen, welches besonders die Gegenden des Rheinthals, des unteren Lahnthals und den Südabhang des Taunus umfasst und sehr zahlreiche, meist sehr genaue Fundortsangaben enthält. Es werden darin 64 Land-, 30 Süsswasserschnecken und 16 Muscheln angeführt.
Zwei Jahre später veröffentlichten die Herren Fridolin Sandberger in Weilburg und Carl Koch in Dillenburg in dem siebenten Band der Jahrbücher S. 276–282 „Beiträge zur Kenntniss der Mollusken des oberen Lahn- und Dillgebietes“. Es berücksichtigt diese Arbeit besonders die Umgebungen von Weilburg und von Dillenburg und enthält 55 Arten Landschnecken, 17 Süsswasserschnecken und 9 Muscheln; 8 davon sind bei Thomae nicht angeführt. In unmittelbarem Anschluss daran folgt dann noch ein Nachtrag zu dem Thomae’schen Verzeichniss von Dr. Frid. Sandberger, meist auf die genauen Nachsuchungen des Conservators Römer gegründet und einige Berichtigungen, zahlreiche neue Fundorte und acht für Nassau neue Arten enthaltend. Einen ferneren Nachtrag lieferte derselbe für die Jahre 1851–52 im achten Heft der nassauischen Jahrbücher, Abth. II. pag. 163, ebenfalls wieder neue Fundorte und 12 für Nassau neue Arten enthaltend, von denen freilich die meisten auf Najadeen entfallen und wohl wieder zu streichen sind.
Die Angaben dieser beiden Verzeichnisse, mit einigen neuen Fundorten vermehrt und revidirt von dem Herrn Apotheker Scholtz aus Jatroschin in Russland, finden wir wieder in der 1861 in Wetzlar erschienenen Badeschrift von Dr. L. Spengler: „Der Kurgast in Ems“; es werden daselbst im Ganzen 45 Arten aus der Umgegend von Ems erwähnt und einige davon durch Holzschnitte, die freilich sehr viel zu wünschen übrig lassen, veranschaulicht.
Endlich ist noch eine neueste Arbeit von Dr. G. Servain zu nennen: Malacologie des Environs d’Ems et de la vallée de la Lahn, eine Aufzählung der von ihm im August 1869 in der Umgebung von Ems gesammelten Conchylien. Ausser den von Spengler angeführten Arten finden wir noch vier Bourguignat’sche Arten oder besser Un-Arten: Limax xanthius, Zonites subnitens, Dutaillyanus, Balia Rayana und Ancylus gibbosus, sowie Anodonta Rossmässleriana Dupuy. Der Autor möge uns verzeihen, wenn wir diese, nur einem Franzosen de la nouvelle école unterscheidbaren Species vorläufig auf sich beruhen lassen.
Getrennt von der Literatur über die nassauische Fauna war bisher die über die Gegend von Frankfurt und Hanau. Hier begegnen wir schon früher conchyliologischen Forschungen. Schon 1814 veröffentlichte der um die Erforschung der Wetterau hochverdiente G. Gärtner in Hanau einen „Versuch einer systematischen Beschreibung der in der Wetterau bis jetzt entdeckten Conchylien“ in den Annalen der Wetterauischen Gesellschaft III. Heft 2. pag. 281–318; es enthält diese Arbeit bereits 60 Species.
Eine Aufzählung der im Gebiete von Frankfurt vorkommenden Mollusken veröffentlichte 1827 Herr Römer-Büchner in seinem „Verzeichniss der Steine und Thiere, welche in dem Gebiet der freien Stadt Frankfurt und deren nächsten Umgebung gefunden werden“, S. 63–67. Es enthält dasselbe 39 Land- und 38 Süsswassermollusken, ist aber sehr flüchtig und ungenau und ohne alle Kritik geschrieben, so dass seine Angaben nur mit Vorsicht aufzunehmen sind.
Zuverlässiger und reichhaltiger ist die im Jahresbericht der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde 1847–50 auf Seite 41–73 enthaltene Arbeit von Oscar Speyer „Systematisches Verzeichniss der in der Provinz Hanau und nächster Umgebung vorkommenden Land- und Süsswasserconchylien“. Die Frankfurter Angaben beruhen darin grossentheils auf den Beobachtungen des verstorbenen Schöffen C. von Heyden. Daran schliessen sich als Anhang neue Fundortsangaben aus der Wetterau, der Umgebung von Gelnhausen etc. von D. F. Heynemann.
Seit dem Anfange dieses Decenniums herrscht ein regeres Leben in der naturwissenschaftlichen Ausbeutung der Umgegend von Frankfurt, an dem die Malacologie nicht wenig Antheil nimmt. Insbesondere sind es die Arbeiten von D. F. Heynemann über die Nacktschnecken, veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der Malacozoologischen Blätter, durch welche zuerst die unbeschalten Weichthiere Nassaus, die bis dahin nur ganz oberflächlich behandelt worden waren, einer genaueren Untersuchung unterzogen wurden, welche unsere Fauna nicht unerheblich bereicherte.
Fernere Mittheilungen über die Mollusken des unteren Maingebietes finden wir in der Inauguraldissertation von Dr. C. Noll, „Der Main in seinem unteren Laufe“, Frankfurt 1866. Es werden darin besonders die im Main und an seinen Ufern lebenden Arten besprochen, sowie die im Geniste angeschwemmt vorkommenden, zusammen 24 Arten Land- und 22 Süsswassermollusken.
Die neueste hierher gehörende Arbeit ist der von D. F. Heynemann in dem neunten Jahresberichte des Offenbacher Vereins für Naturkunde veröffentlichte Vortrag „Die Molluskenfauna Frankfurts“, weniger eine Aufzählung der einzelnen Arten und ihrer Fundorte, als eine Schilderung des Gesammtbildes der Fauna mit zahlreichen interessanten Beobachtungen und Bemerkungen. Im Ganzen werden 110 Arten aufgeführt, nämlich 69 Landschnecken, 26 Süsswasserschnecken und 15 Muscheln.
Zerstreute Fundortsangaben finden sich ausserdem noch an verschiedenen Stellen, bei Schröter, Carl Pfeiffer, Rossmässler, in den Malacozoologischen Blättern, im Zoologischen Garten etc. Eine Zusammenstellung derselben durch Ed. von Martens findet sich im ersten Jahrgang des Nachrichtsblattes der deutschen malacozoologischen Gesellschaft Nro. 8 und 9, und ein Nachtrag dazu von Heynemann in Nro. 13.
Die übrigen Punkte unseres Gebietes sind in der Literatur noch gar nicht vertreten und noch sehr mangelhaft untersucht; es gilt diess besonders auch von den Umgebungen der Universitäten Giessen und Marburg. Auch das Gränzgebiet nach Süden hin, die in der Provinz Starkenburg gelegenen Theile der Rheinebene und der Odenwald, sind noch kaum untersucht. Nur über die nächste Umgebung von Darmstadt finden wir in Nro. 3 des Nachrichtsblattes von 1870 eine Aufzählung der dort gesammelten Arten von Hugo Ickrath.
Ausser den genannten Conchyliologen haben noch die Herren Hofrath Lehr und Conservator Römer in Wiesbaden, Dickin in Frankfurt und Trapp in Biedenkopf, jetzt auf der Obermühle am Dünsberg, die Faunen einzelner Gebiete von Nassau gesammelt und mir mündlich oder schriftlich zur Benutzung gütigst mitgetheilt. Auch den Herren Professor Dunker in Marburg und Leuckart in Giessen, jetzt in Leipzig, bin ich für manche Beobachtung verpflichtet.
Die Weichthiere, Mollusca oder Malacozoa, bilden eine der grossen Unterabtheilungen im Reiche der Thiere ohne inneres Scelett, eine Stellung, die ihnen schon Aristoteles anwies. Freilich galt im Mittelalter mehr das System des Plinius, der alles, was im Wasser lebt, Fische, Muscheln, Krebse etc., als Wasserthiere, Aquatilia, zusammenfasste und demgemäss wurden die Landschnecken entweder bei den Würmern oder mit diesen als Anhang bei den Insecten abgehandelt. Nur Gesner unterscheidet die Pisces und die Aquatilia und handelt auch die Landnacktschnecken bei den Wasserthieren ab. — Schon Wotten 1552, Aldrovandi 1605, Jonston 1632 und Ray 1693 kehren aber darin zu Aristoteles zurück, dass sie die Thiere in blutführende und blutleere, unseren Wirbelthieren und Wirbellosen entsprechend, eintheilen und die Mollusca als eigene Abtheilung behandeln.
Linné rechnete sie zu seiner sechsten, so viel Ungleichartiges umfassenden Classe, den Würmern. Durch Cuvier erhielten sie endlich die ihnen gebührende Stellung als gleichberechtigte Abtheilung neben den Gliederthieren und Strahlthieren, und in dieser Stellung sind sie seitdem auch geblieben.
Im Allgemeinen finden wir bei allen Mollusken, mögen sie nun einen vom übrigen Körper abgesetzten Kopf mit Sinnesorganen besitzen oder nicht, ein mehr oder minder vollständig entwickeltes Gefässsystem, das aus Schlag- und Blutadern besteht, zwischen denen aber fast immer Lücken in Gestalt wandungsloser Räume, Lacunen, sich finden, und das ein Herz — bei einer Abtheilung auch mehrere — zur Bewegung des Blutes besitzt; — ein Nervensystem aus einzelnen Nervenknoten bestehend, die durch Fäden verbunden, aber nirgends zu einem Rückenstrang zusammengereiht sind; — Athmungsorgane, je nach der Lebensweise für Luft- oder Wasserathmung eingerichtet; — stark entwickelte Verdauungsorgane, die bei allen Kopfträgern mehr oder minder entwickelte Fresswerkzeuge, bei allen Mund, Magen, Darmcanal und After zeigen; — einen sehr complicirt gebauten Fortpflanzungsapparat, der meistens beide Geschlechter in einem Individuum vereinigt, doch so, dass zur Befruchtung Begattung mit anderen Individuen nöthig ist; — mehr oder minder entwickelte Sinnesorgane, die sich allerdings bei unseren Kopflosen auf Tastapparate und Gehörorgane reduciren, während bei den Kopfträgern noch Augen und sehr wahrscheinlich auch Organe für Geruch und Geschmack hinzukommen; — und endlich Fortbewegungsorgane, welche, meist in der Mittellinie, selten paarig seitlich angebracht, nur einigen der niedersten, nur im Meere lebenden Formen, und auch diesen nur in ihren späteren Entwicklungsstadien, fehlen, aber bei vielen Muscheln stark verkümmert sind.
Die Körperbedeckung besteht bei allen Weichthieren aus einer musculösen Haut, welche den ganzen Körper einschliesst; sie zeigt meistens eine faltenförmige Verlängerung, welche einen grösseren oder kleineren Theil des Körpers mantelartig einschliesst und desshalb auch Mantel (Pallium) genannt wird. In dem Raum zwischen Mantel und Körper liegen bei vielen Mollusken die Athmungsorgane. Bei fast allen Arten sondert der Mantel, zuweilen in seiner Substanz, noch häufiger auf der äusseren Fläche, einen kalkhaltigen Schleim ab, aus dem sich das Gehäuse bildet. Dieses Gehäuse (Cochlea oder Concha) besteht aus kohlensaurem Kalk in Form von Arragonit oder Kalkspath, mit einer, freilich geringen Beimengung einer organischen Substanz, Muschelleim oder Conchiolin, die bei den Schnecken 1%, bei den Muscheln etwa 2–4% der Masse ausmacht. Bei den sogenannten nackten Schnecken liegt das Gehäuse, oder wenigstens ein aus Kalkkörnern gebildetes Rudiment desselben innerhalb des Mantels, bei den Gehäuseschnecken dagegen wird es, wenigstens sobald sie das Ei verlassen haben, frei getragen; einige Arten umhüllen es aber auch später noch mit einem Fortsatz des Mantels. Die äussere Schale ist dann mit einer organischen Oberhaut (Epidermis) überzogen, welche vor Ablagerung der Schale gebildet wird und diese vor dem Einfluss von Luft und Wasser schützt.
Da man im Anfang nur die Gehäuse, als den am meisten in die Augen fallenden und am leichtesten aufzubewahrenden Theil der Weichthiere, beachtete, ist es natürlich, dass auch die ersten Eintheilungsversuche nur die Gehäuse berücksichtigten. Bis auf Cuvier galt im Allgemeinen die alte Eintheilung des Aristoteles in einschalige und zweischalige, oder Schnecken und Muscheln, denen man meist noch die unnatürliche dritte Categorie der vielschaligen beifügte, welche Aristoteles nicht hat und bessere Systematiker schon frühe verwarfen. Poli und Cuvier dagegen gründeten auf die Thiere und besonders auf deren Fortbewegungsorgane die noch jetzt geltende Eintheilung. Andere fügten noch fernere Untergattungen hinzu, und jetzt nimmt man ziemlich allgemein sechs, mitunter auch sieben Gruppen an, die Cephalopoden, Pteropoden, Heteropoden, Gastropoden, Pelecypoden und Brachiopoden, zu denen dann noch in neuester Zeit als siebente Unterabtheilung die Meerzähne als Solenoconchae kommen. Von diesen Gruppen leben die drei ersten, die sechste und die siebente nur im Meer, und es kommen für uns also nur zwei in Betracht, die Bauchfüsser, Gastropoden, mit einschaligem Gehäuse oder nackt, und die Beilfüsser, Pelecypoden, auch Blattkiemer, Lamellibranchiata (Cuvier), oder Muschelthiere, Conchifera (Lamarck) genannt, mit zweischaligem Gehäuse. Erstere nennen wir Schnecken, letztere Muscheln.
Der Bau dieser beiden Gruppen ist so durchaus verschieden, dass wir jede für sich allein betrachten müssen. Der Hauptunterschied der Thiere besteht darin, dass die Schnecken einen mehr oder weniger deutlich abgesetzten Kopf mit Sinnesorganen und einen Fuss mit breiter, zum Kriechen eingerichteter Sohle haben, während den Muscheln der Kopf als formell gesonderter Abschnitt ganz fehlt und ihr Fuss beilförmig zusammengedrückt oder cylindrisch oder ganz verkümmert ist.
Wo finden wir Mollusken?
Die Mollusken des süssen Wassers sind so ziemlich überall verbreitet; es dürfte kaum ein Bach zu finden sein, in dem nicht Schnecken oder Muscheln vorkämen, selbst in warmen Quellen finden sich hier und da Schnecken, z. B. Bithynia thermalis in den Bädern von Lucca, Hydrobia aponensis in den Quellen von Abano. Im Allgemeinen sind schnellfliessende, kalte Gebirgsbäche mit steinigem Grund viel ärmer, als langsam fliessende oder gar die reich mit Pflanzen bewachsenen stehenden Gewässer der Ebene. Während jene nur einige Unionen und 2–3 Limnäen und Ancylus enthalten, liefern uns die Gewässer der norddeutschen Ebene 78 Arten; manche Gattungen, z. B. Physa und Paludina, und die grossen Planorben, scheinen sich, wenigstens in unserem Gebiete, nie in’s Gebirge zu versteigen, während Hydrobia nur dem gebirgigen Theile desselben angehört.
Die ergiebigsten Fundorte für Süsswasserconchylien sind stehende Gewässer mit schlammigem, aber nicht moorigem Grund, Gräben, Flussbuchten, verwachsene Teiche und ganz besonders die durch Stromregulirungen abgeschnittenen Altwasser, die oft förmlich von Limnaea, Planorbis, Physa, Valvata, Bithynia, Paludina, Cyclas, Pisidium, Anodonta, Unio wimmeln. Auch in Tümpeln, die von allen anderen isolirt ohne äusseren Ab- und Zufluss mitten im Felde liegen, findet man nicht selten Schnecken; wie sie dorthin gekommen, ist mitunter schwer begreiflich. Früher nahm man zur Entstehung durch Urzeugung seine Zuflucht, aber in neuerer Zeit, wo man lieber beobachtet als philosophirt, hat man gelernt, es auf andere Weise zu erklären. Heynemann hat an einer aus Mexico stammenden Wasserwanze ein Pisidium fest anhängend gefunden; hier ist also die Möglichkeit einer Uebertragung auf weite Strecken hin durch Insecten direct nachgewiesen. In ähnlicher Weise kann es jedenfalls auch durch Vögel geschehen, besonders durch die oft stundenlang unbeweglich im Wasser stehenden Reiher. Endlich ist es mir durchaus nicht unwahrscheinlich, dass kleine Muscheln und selbst gedeckelte Wasserschnecken mitunter, wenn lebendig verschluckt, den Darmcanal unverdaut passiren und so verpflanzt werden können.
In solchen Gewässern sucht man am besten, wenn der Sonnenschein die seichten Uferstrecken recht durchwärmt hat; es sammeln sich dann die Weichthiere oft in grossen Mengen an der Sonnenseite, um die Wärme zu geniessen. Ausserdem sucht man die Wasserpflanzen ab und fischt den Schlamm des Bodens mit einem feinmaschigen, an einen Stock geschraubten Netz aus. Kleine Arten erhält man mitunter in grosser Menge durch die Larven der Köcherfliegen, Phryganeen, die, im Wasser lebend, sich aus Steinen, Holzstückchen u. dergl., an schneckenreichen Localitäten aber auch aus den Gehäusen kleiner Planorben, Limnäen, Valvaten, Pisidien und Ancylus lacustris Röhren bauen, was dem Sammler natürlich viele Mühe spart. Mitunter findet man sogar noch lebende Schnecken an den Röhren. Wo man keine Schnecken an den Phryganeengehäusen findet, braucht man auf Ausbeute an kleineren Schnecken nicht zu hoffen.
Muscheln sucht man am besten im seichten Wasser mit der Hand vom Ufer oder von einem Kahn aus. Als Anhalt dienen dabei die Furchen, welche sie im Schlamm des Bodens ziehen: am einen Ende derselben steckt die Muschel. Will man in tieferem, undurchsichtigem Wasser fischen, so thut man gut, den Boden erst tüchtig mit einem Rechen aufzulockern, ehe man mit dem Netz sucht, da die Muscheln sonst zu fest stecken. Reiche Ausbeute macht man, wenn ein Teich oder ein Mühlgraben abgelassen wird; es sind das Festtage für den Schneckensammler wie für den Käfersammler, der dabei seine Ernte an Wasserkäfern hält.
Die Mainmuscheln kann man sehr bequem erhalten, da die Thiere an vielen Orten zum Mästen der Schweine verwandt werden. Besonders in der Umgegend von Schwanheim findet man ganze Haufen frischer, vollkommen sauber ausgeleerter und unversehrter Schalen, und kann sich in aller Bequemlichkeit die interessantesten Formen herauslesen.
Auch am Rande der Gewässer ist eine reiche Ausbeute zu machen. Auf dem Boden und an Wasserpflanzen kriechen die Bernsteinschnecken umher, unter Steinen, Holz u. dergl. finden sich viele Hyalinen, kleine Helices, Pupen und Carychien; auch eine Nacktschnecke, der kleine Limax brunneus, entfernt sich nicht weit vom Wasser. Man kann sich, wie an allen schneckenreichen Localitäten, das Sammeln sehr erleichtern, wenn man an passenden Stellen alte halbfaule Holzstücke, Steine u. dergl. auslegt; bei trockenem Wetter sammeln sich die Schnecken der ganzen Umgegend darunter und können dann einfach in die Schachtel gekehrt werden. Auch Rohrhalme und selbst Glasröhrchen kann man mit Erfolg auslegen. Nach Dumont und Mortillet kann man namentlich den Limax durch Auslegen von Knochen, deren Gelatine ihn anzieht, leicht bekommen.
Viele kleine Arten, die man sonst nur mit Mühe einzeln erhält, kann man bequem und in Menge, aber freilich immer nur leer finden, wenn man im Frühjahr unmittelbar nach der ersten Fluth das von den Bächen und Flüssen angeschwemmte Geniste durchsucht. Man nimmt sich eine grössere Quantität mit nach Hause, wobei man berücksichtigen muss, dass die grösste Anzahl der leeren, schwimmenden Gehäuse sich immer auf der Oberfläche der Genisthaufen findet; dann sucht man zunächst die grösseren Arten aus und entfernt gleichzeitig die grösseren Holzstückchen, Rohrhalme u. dergl., den feineren Rest siebt man dann durch und durchsucht das Durchgesiebte in kleinen Portionen auf weissem Papier. Die kleinen Vertigo, Pupa muscorum, Hel. costata und ganz besonders Cionella acicula, die sonst nicht leicht zu bekommen ist, erhält man dann in grosser Menge. Genaueres über die im Geniste vorkommenden Schneckenarten folgt am Schlusse.
Beim Sammeln von Landschnecken müssen wir vor Allem bedenken, dass alle Schnecken mehr oder weniger die Feuchtigkeit lieben. Nur wenige Arten leben an trockenen Stellen und dann meist gesellig, z. B. Helix ericetorum, candidula, costulata, Bulimus detritus und tridens, Pupa frumentum; aber auch diese sind bei Regen munterer und sitzen bei trocknem Wetter wenigstens den Tag über unbeweglich. Im Uebrigen ist es schwer, hier bestimmte Regeln aufzustellen; ich muss für das Genauere auf den speciellen Theil verweisen. Immer ist unter sonst gleichen Bedingungen Kalkboden reicher an Schnecken, als kalkarmer, weil es den Thieren dort viel leichter ist, den zum Bau ihrer Schalen nöthigen Kalk aufzunehmen.
Wo man in kalkarmen Gegenden auffallend viel Schnecken beisammen findet, ist fast immer Kalk in der Nähe, sei es als unterirdisches Kalklager, das den Quellen einen grösseren Kalkgehalt mittheilt, sei es als Mörtel an alten Mauern und Ruinen. Besonders die Ruinen sind immer reiche Fundgruben für Schnecken, die hier ausser dem Kalk in den Trümmerhaufen auch sichere Verstecke und genügenden Schutz vor Sommerhitze und Winterkälte finden. Sehr häufig findet man an solchen Punkten Schnecken, die auf weit und breit in der Gegend nicht mehr vorkommen, z. B. Claus. lineolata und Pupa doliolum auf den Schlossruinen des Taunus, Amalia marginata auf denen des rheinischen Schiefergebirgs. Ja, man kann behaupten, dass fast ohne Ausnahme alle isolirt vorkommenden, in der Fauna einer Gegend wie fremd dastehenden Arten an solche Fundorte gebunden sind.[1]
Andere reiche Localitäten sind Hecken und bewachsene Raine. Unsere grösseren Helixarten, pomatia, hortensis, nemoralis, fruticum finden sich mit Vorliebe an solchen Stellen.
Der Hauptfundort für den Sammler bleibt immer der Laubwald, besonders der Buchenwald, wenn er nicht zu trocken ist und genug Unterholz hat. Auf den Randgebüschen und unter denselben, im feuchten Moos und auf und unter der Bodendecke treiben sich eine Menge kleiner Arten herum, und stundenlang kann man, an einer Stelle liegend, Laub und Moos durchwühlen und immer neue Beute machen. Auch an den Stämmen sind Arten von Helix, Bulimus, Clausilia und Limax mitunter in Menge zu finden. Waldreiche Gegenden sind nie ganz arm an Schnecken, wenn sie nicht rein aus Nadelholz bestehen, das, ausser vielleicht an den Küsten des Mittelmeeres (Hel. Homeyeri) von den Schnecken fast ganz gemieden wird. — Feuchte quellige Stellen in Buchenwäldern, besonders die Anfänge der Waldthälchen, sind fast immer sehr reich an Schnecken. Man sucht hier zunächst die Unterseite der Steine und das Gras in deren nächster Umgebung ab und nimmt dann von dem feuchten Laub am besten eine tüchtige Portion mit nach Hause, um es dort zu trocknen und bequem auszulesen. Auslegen von faulem Holz und Steinen rentirt auch hier sehr gut. — Ueberhaupt muss man es sich zum Gesetz machen, auf Excursionen jeden halbwegs grossen Stein umzudrehen, da man unter ihnen meistens die reichste Ausbeute macht.
Seibert in Eberbach empfiehlt in Nro. 6 des Nachrichtsblattes für 1870 mit Recht, den Boden der halb ausgetrockneten Wiesengräben zur Zeit der Heuernte zu untersuchen. Auch hier kann man das Moos ausstechen und mit nach Hause nehmen, um es dort in aller Bequemlichkeit zu durchsuchen.
Was nun die Tageszeit anbelangt, so sind bei trockenem Wetter die Schnecken fast nur zu finden, so lange der Thau im Grase liegt, und wenn man eine reiche Ernte von Nacktschnecken halten will, muss man Abends nach Sonnenuntergang oder in den ersten Tagesstunden gehen. Man findet dann oft Schnecken in Masse an Stellen, an denen man sonst nie eine einzige gesehen hat. Bei feuchtem, regnerischem Wetter und bedecktem Himmel bleiben die Schnecken auch bei Tag ausser ihrem Versteck. Im Allgemeinen kann man mit Rossmässler annehmen, dass, je trockner das Wetter, desto näher am Boden oder desto tiefer unter der Bodendecke die Schnecken sich aufhalten.
Noch viel grösser ist natürlich der Einfluss der Jahreszeit. Man findet freilich Schnecken zu allen Jahreszeiten, wenn nicht der Boden ganz fest gefroren ist, und die Daudebardien, Vitrinen und Cionella acicula findet man sogar vorzugsweise im Herbst und im ersten Frühjahr, selbst unter dem schmelzenden Schnee. Die meisten Schnecken aber lieben die Wärme, und wenn man sie nicht in ihren Winterquartieren aufsuchen will, muss man mit dem Sammeln warten bis nach dem ersten tüchtigen warmen Frühlingsregen, der sie aus dem Winterschlafe weckt. Die Wasserschnecken erscheinen nur, wenn das Wasser nicht zu kalt ist; sonst verbergen sie sich, wie auch die Muscheln, im Schlamm. — Im Frühjahr findet man sehr häufig unausgewachsene Gehäuse, oder solche, welche bei der Ueberwinterung gelitten haben, denn auch am lebenden Thiere verwittern die Gehäuse, wie man sich besonders an den Campyläen und Clausilien des Hochgebirgs, aber auch schon an unseren Schnecken überzeugen kann. Ich erinnere mich z. B. kaum jemals im Frühjahr ein glänzendes, unverwittertes Exemplar von Clausilia laminata in der Umgegend von Biedenkopf gefunden zu haben, während sie doch im Herbst vollständig durchsichtig und rein waren, und auch an den überwinterten Helix nemoralis sah man meistens Spuren des Winters. Die beste Zeit zum Sammeln ist desshalb im Nachsommer und im ersten Herbst; auch die Wasserschnecken findet man dann meistens ausgewachsen.
Die zum Sammeln nöthigen Instrumente sind äusserst einfach. Ein paar Schachteln von Holz oder Blech, ein paar Gläser mit weiter Oeffnung oder starke Glasröhren genügen zur Aufbewahrung. Ich führe gewöhnlich ein blechernes, zum Umhängen eingerichtetes Gefäss, in das oben im Deckel eine 1″ weite, durch einen Kork verschliessbare und nach beiden Seiten vorragende Blechröhre eingesetzt ist. Zweckmässig sind auch eine Anzahl flacher Blechschachteln von gleicher Grösse, die man zu einer Rolle zusammenpacken kann, so dass sie in der Umhängetasche nur wenig Raum einnehmen. Complicirtere Apparate sind durchaus unnöthig. Nur einige sehr zarte Arten, wie Daudebardia, Vitrina und die Nacktschnecken müssen vorsichtiger behandelt werden, wenn man sie lebend nach Hause bringen will, besonders bei trockenem Wetter. Man thut dann die kleinen Arten am besten in Glasröhren, die man oben und unten gut verkorkt, die grösseren in eine gut schliessende Blechschachtel mit etwas lebendem Moos, das aber nicht zu feucht sein darf. Wasserschnecken bleiben in Gläsern ohne Wasser sehr lange am Leben, während sie im Wasser rasch absterben; man nimmt sie also am besten trocken mit. Nur bei den gedeckelten Kiemenathmern thut man gut, eine Portion feuchter Wasserlinsen beizugeben.
Um die ganz kleinen Schnecken, die in Moder und Mulm leben und mit den Fingern nicht gut erfasst werden können, zu sammeln, nimmt man am zweckmässigsten ein weithalsiges Glas, dessen Kork mit einer Federspule durchbohrt ist; mit dem freien Ende derselben kann man dann die Schneckchen aufschöpfen und sie gleich in das Glas hinabrollen lassen.
Was man nicht lebend nach Hause bringen will, kann man gleich lebend in ein Glas mit Spiritus werfen, das man um den Hals hängt, wie Käfersammler zu thun pflegen.
Zum Suchen auf dem Lande gebraucht man zweckmässig einen kleinen, starken Handrechen, den man des bequemen Unterbringens halber auch zum Anschrauben einrichtet; es schont die Finger sehr, wenn man damit, statt mit ihnen, die Bodendecke aufkratzt. Auch ein paar gute Handschuhe sind an dicht mit Brennesseln bewachsenen Stellen von entschiedenem Werthe.
Für die Wasserjagd braucht man ein starkes Netz aus einem dichtmaschigen Zeug, das man an einen starken Stock anschrauben kann; des Rostes wegen ist eine Vorrichtung zum Anstecken auch durchaus nicht unpraktisch. E. A. Bielz empfiehlt statt des Netzes ein Drahtsieb mit 2″ hohem Rande aus starkem Leinen, mit dem es an dem Draht befestigt ist; man kann es dann in trockenem Zustande wie einen Klapphut zusammenlegen und in die Tasche stecken.
Derbe, möglichst wasserdichte Stiefeln und Kleider, auf deren Reinerhaltung man nicht zu sehr zu sehen braucht, erklärt Rossmässler nicht mit Unrecht für Haupterfordernisse zu einer erfolgreichen Excursion.
Hat man nun seine Ausbeute von einer Excursion glücklich nach Hause gebracht, so beginnt die Hauptarbeit, das Reinigen der Gehäuse und das Entfernen der Thiere aus denselben. Nur die mit den Thieren gesammelten Gehäuse haben noch den vollständigen Glanz; leere sind schon nach wenigen Tagen verwittert und verblichen, was besonders hervortritt, sobald sie trocken werden. Man muss desshalb, wo es möglich ist, immer nur lebende sammeln. Die Schnecken sind in ihrem Gehäuse durch einen sehnigen Bandstreifen angewachsen; um denselben abzulösen und zugleich die Schnecken zu tödten, wirft man sie in siedendes Wasser und lässt sie darin, bis es sich soweit abgekühlt hat, dass man die Schnecken bequem mit den Fingern herausholen kann. Dann fasst man das Thier mit einer gekrümmten Nadel oder einem Drahthäkchen und zieht es vorsichtig heraus. Bei vielen Arten reisst sehr gerne der hintere Theil des Thieres, welcher die Leber enthält, ab, besonders wenn man es zu früh aus dem Wasser genommen hat. Solche Exemplare legt man an einen kühlen, schattigen Ort in’s Freie; Käfer und Fliegenlarven besorgen die Reinigung dann sehr rasch und gründlich, und der Speckkäfer mit seinen Verwandten, der Schrecken der Insectensammler, wird in den Conchyliensammlungen gern geduldet. Bei vielen Helices mit gezahnter Mündung und bei den Pupen ist man von vornherein auf dieses Verfahren angewiesen, Clausilien lassen sich fast gar nicht aus dem Gehäuse entfernen, und der Schliessapparat sperrt auch nach dem Tode noch den Insecten den Zugang; diese lässt man einfach eintrocknen. Die Wasserschnecken sind alle sehr leicht zu reinigen, selbst die dünnen, vielgewundenen Planorben und die zerbrechlichen Physen.
Die Muscheln sind nicht durch ein Band, sondern durch ihre Schliessmuskel an den Schalen befestigt. Man tödtet sie durch siedendes Wasser, muss sie aber darin kochen lassen, damit das Wasser im Innern der Schalen auch genügend erhitzt wird. Sobald das Thier todt ist, klaffen die Schalen; man löst dann mit einem stumpfen Falzbein die Muskeln von ihren Ansatzstellen und nimmt das Thier heraus.
Die ungedeckelten Schnecken sind dann zum Aufbewahren fertig; bei den gedeckelten löst man den Deckel, der meist für die Bestimmung sehr wichtig ist, vom Fusse ab, bestreicht seine Unterseite mit etwas Gummi und klebt ihn auf ein Bäuschchen Baumwolle, das man in die Mündung gesteckt hat.
Viele Wasserschnecken sind mit einer mehr oder weniger fest aufsitzenden Schmutzkruste überzogen, die sich nur durch scharfes Bürsten mit einer weichen Zahnbürste und Seifenwasser entfernen lässt. Bei den sehr zerbrechlichen Arten, besonders den Limnäen, thut man gut, die Reinigung noch am lebenden Thiere vorzunehmen, da dann das Gehäuse weniger leicht zerbricht. Immer kann es aber nichts schaden, wenn man auch ein ungereinigtes Exemplar von jedem Fundort in die Sammlung legt, denn die Schmutzkruste zeigt nicht selten charakteristische Eigenthümlichkeiten.
Auch die Muscheln bedürfen stets einer sehr gründlichen Reinigung und ihre wahre Farbe kommt nicht selten erst heraus, wenn man sie mit starkem Essig oder einer schwachen Mineralsäure überstreicht. Um den charakteristischen Ueberzug zu erhalten, kann man sich begnügen, eine Schale zu putzen. Nach dem Reinigen drückt man die beiden Schalen zusammen und wickelt einen Faden darum, um sie in dieser Lage zu halten, bis sie trocken sind. Um auch das Innere jederzeit betrachten zu können, durchschneidet man das Schlossband mit einem scharfen Messer. Der Sicherheit halber pflege ich dann beide Klappen am Vorderrande mit einem Papierstreifen zu verbinden und Namen und Fundort in’s Innere zu schreiben.
Ueber die Art der Aufstellung und Aufbewahrung in der Sammlung kann man keine Vorschriften machen; es muss sich da Jeder selbst seinen Weg suchen und die für ihn zweckmässigste Art der Aufstellung selbst herausprobiren. Man thut gut, alle kleineren Arten aufzukleben, und Namen und Fundort auf die Rückseite des Streifens zu schreiben; passirt dann einmal ein Unglück und wird eine Schublade voll durcheinander geworfen, so kann man sie leicht wieder auseinander lesen. — Eins kann man aber dem angehenden Sammler nicht dringend genug an’s Herz legen, nämlich von Anfang an gleich seine Conchylien sorgfältig nach den Fundorten getrennt zu halten, denn es ist sehr unangenehm, wenn man bei einer Revision einmal eine interessante Varietät oder selbst eine neue Art unter anderen findet und dann nicht mehr weiss, woher sie stammt. Ich glaube kaum, dass ich der Einzige bin, der schliesslich im Aerger seine früher gesammelten Sachen sämmtlich wegwarf und von Neuem anfing.
Es ist nicht zu verkennen, dass das Aufbewahren der Gehäuse nur ein Nothbehelf ist, da es leider noch kein Mittel gibt, die für unsre Wissenschaft viel wichtigeren Thiere bequem und mit Beibehaltung ihrer Form aufzubewahren. Sie halten sich nur in Weingeist und schrumpfen darin schnell zu einer formlosen Masse ein oder ziehen sich ganz in ihr Gehäuse zurück. Will man die Thiere aufbewahren, — und für unsre Nacktschnecken gibt es ja kein anderes Mittel, sie unseren Sammlungen einzuverleiben, so muss man sie in kaltem Wasser ersticken, allerdings ein etwas grausames Verfahren. Die Thiere kriechen dann möglichst weit aus dem Gehäuse, aber sie schwellen unnatürlich an und ziehen die Fühler halb ein. Doch habe ich im Museum zu Leipzig Präparate, von Herrn Nitsche angefertigt, gesehen, die ganz die natürliche Gestalt bewahrten; dieselben wurden alsbald nach dem Tode mit Nadeln auf einer Wachsplatte in natürlicher Stellung befestigt, die Fühler ausgestreckt etc., und dann in starkem Weingeist gehärtet. Ich muss gestehen, dass mich diese Präparate, die sich in Nichts von dem Thiere im lebenden Zustande unterschieden, im höchsten Grade überraschten. Immerhin bleibt es aber für einen Privatmann eine ziemlich kostspielige Sache. — Man darf hier nicht vergessen, die Thiere nach einigen Tagen aus dem Spiritus herauszunehmen, von dem anklebenden Schleim zu reinigen und dann in frischen Spiritus zu legen; versäumt man es, so sehen die Schnecken schmutzig aus und der Spiritus wird rasch trüb.
Um die Lebensweise der Mollusken beobachten zu können, muss man dieselben lebend aufbewahren und züchten, was bei einiger Aufmerksamkeit durchaus nicht schwierig ist. Am einfachsten ist die Zucht der Wasserschnecken und Muscheln: die jetzt als Zimmerzierde so beliebten Aquarien sind das bequemste Mittel, um sie lebend zu beobachten; sie verlangen darin gar keine weitere Pflege und vermehren sich sehr stark, vorausgesetzt, dass man nicht gleichzeitig auch Fische darin hält. Als Futter scheinen die meisten Arten Wasserschnecken Wasserlinsen, Ceratophyllum und Hydrocharis zu lieben; doch sind es eigentlich nur Limnaea stagnalis, Planorbis corneus und marginatus, welche frische Pflanzen abfressen; die anderen halten sich mehr an die abgestorbenen Blattreste und an Algen und die sogen. Priestley’sche Materie; bringt man eine mit Algen bedeckte Limnäe aus der Freiheit in’s Aquarium, so kommen die übrigen Schnecken sofort herbei und weiden sie förmlich ab. Im Winter kann man auch Brodkrumen und selbst Fleischstückchen füttern. — Die Muscheln bedürfen ausser den im Wasser suspendirten organischen Theilchen und vielleicht den microscopischen Algen gar keiner Nahrung; ich habe alle unsere Arten, Unio, Anodonta, Cyclas, Pisidium und selbst Tichogonia Jahre lang im Aquarium gehabt, ohne mich weiter um sie zu kümmern. Doch darf man die Pflanzen darin nicht zu üppig werden lassen; im Frühjahr 1870 brachte ich einige Exemplare Hottonia palustris in mein Aquarium, die sich sehr rasch vermehrten und einen dichten Rasen bildeten; in Folge davon gingen sämmtliche Muscheln, die zum Theil schon 1½ Jahre darin gelebt, binnen wenigen Tagen zu Grunde. Uebereinstimmend damit findet man in stark bewachsenen Gewässern selten Muscheln.
Etwas vorsichtiger muss man bei der Zucht der Landschnecken sein, da man hier einerseits zu grosse Nässe, andererseits zu grosse Trockenheit zu vermeiden hat. Rossmässler empfiehlt zur Zucht grosse Gläser, die man unten abschneidet und mit einem groben Drahtsieb zubindet; man füllt sie bis zu einem Drittel mit Erde und Laub, unter die man ein paar Kalksteine legt, und stellt das Ganze in einen irdenen Untersatz, von welchem aus man die Feuchtigkeit regulirt. Ebenso gut kann man aber auch eine irdene Blumenscherbe nehmen, die man mit einer Glasplatte zudeckt. Auch in Terrarien und, wie Seibert im Nachrichtsblatt 1870 bemerkt, auf dem Felsen von Aquarien, kann man mit dem besten Erfolg Schnecken züchten. Man muss nur immer besonders darauf achten, dass kein Schimmel entsteht.
Als Futter verwendet man am besten dünne Scheibchen Obst, Gemüse, Rüben, Salat, Bohnen und Gurken; namentlich die letzteren werden sehr begierig von ihnen gefressen und Cyclostoma elegans wollte in der Gefangenschaft gar kein anderes Futter anrühren. Die Daudebardien, Vitrinen und mehrere Nacktschnecken muss man mit lebenden Schnecken oder rohem Fleisch füttern. Im Winter stellt man sie in ein frostfreies Zimmer und gibt ihnen durchaus kein Wasser; im Sommer stellt man sie am besten an einen schattigen Ort im Garten.
Sorgt man dafür, dass der Untersatz immer etwas Wasser bekommt, dass die Zahl der Exemplare in einem Topf nicht zu gross wird, und dass kein schimmeliges Futter liegen bleibt, so kann man Jahre hindurch immer neue Generationen züchten, wie es die Herren Mühlenpfordt in Hannover, Sporleder in Rheden, Sterr in Donaustauf u. andere mit dem besten Erfolge gethan haben.
Auch im Freien kann man ganz gut Schnecken züchten, indem man durch einen Drahtkorb ihr Entweichen verhindert; man muss aber vorsichtig sein, denn manche Arten, namentlich Nacktschnecken, graben sich mit grosser Geschicklichkeit unter der Wand durch und entfliehen. Dagegen hat es seine Schwierigkeit, sie im Freien an Orten, wo sie sonst nicht vorkommen, zu acclimatisiren, auch wenn man in der Wahl der Localitäten und der Zeit noch so vorsichtig ist und grosse Massen aussetzt. Andererseits kommen wieder Verschleppungen unter den anscheinend ungünstigsten Umständen nicht selten vor.
Um ein Conchyl mit wenig Worten genau und treffend zu beschreiben, ist es nöthig, jeden einzelnen Theil des Gehäuses mit einem bestimmten Namen zu belegen und auch für die verschiedenen Formen bestimmte Ausdrücke ein für allemal zu wählen. Es ist diess natürlich von allem Anfang an geschehen und so ist nach und nach eine bestimmte Kunstsprache entstanden, welche namentlich von Rossmässler, L. Pfeiffer u. A. ausgebildet worden ist. Wir wollen, um Anfängern das Verständniss der späteren Beschreibungen zu erleichtern, die wichtigsten Kunstausdrücke hier kurz mittheilen. Doch können wir, da wir die Beschreibungen nur deutsch, ohne die gebräuchlichsten lateinischen Diagnosen geben, die lateinischen Kunstausdrücke in den meisten Fällen füglich übergehen.
Man unterscheidet zunächst das einschalige Schneckenhaus, Testa, von der zweischaligen Muschel, Concha. An dem Schneckenhaus haben wir die Spitze, die verschiedenen Windungen oder Umgänge, und die untere Oeffnung oder Mündung. Die feine Haut, welche die Aussenfläche des Gehäuses überkleidet und hauptsächlich die Farben enthält, nennt man die Oberhaut, Epidermis. Die Linie, in welcher die einzelnen Windungen zusammenstossen, nennt man die Naht, Sutura; die gerade Linie dagegen, um welche die Windungen herum gewunden sind, bezeichnet man als Spindel, Columella. An der Unterseite des Gehäuses sehen wir oft ein Loch, dadurch entstanden, dass die verschiedenen Windungen sich hier nicht berühren, die Spindel also gewissermassen einen hohlen Kegel bildet, in den man hineinsehen kann; man nennt dieses Loch den Nabel, Umbilicus, und unterscheidet, da seine Beschaffenheit für die Bestimmung sehr wichtig ist, verschiedene Abstufungen in der Weite desselben; man nennt ein Gehäuse genabelt, wenn die Oeffnung ziemlich weit ist, wie bei Helix obvoluta, durchbohrt, wenn sie eng ist, wie bei Helix sericea, geritzt, wenn sie nur in einem mehr oder weniger vertieften Ritz besteht, wie bei den Clausilien. Wird der Nabel von dem der Spindel zunächst liegenden Theile des Mündungsrandes ganz oder zum Theil überdeckt, so nennt man das Gehäuse bedeckt — genabelt, oder — durchbohrt. Der Nabel kann ausserdem noch ganz- oder halbdurchgängig, weit, perspectivisch u. dergl. sein.
An der Mündung unterscheidet man den freien Rand des Gehäuses, den Mundsaum, und den zwischen beiden Enden desselben befindlichen Theil des letzten oder vorletzten Umganges, die Mündungswand. Auf beiden stehen nicht selten Vorsprünge, die man, je nach der Gestalt, als Zähne, Falten und Lamellen bezeichnet; häufig ist der Mundsaum auch innen mit einer Wulst, der Lippe, belegt. — Der Mundsaum besteht aus einem Innen- oder Spindelrand und einem Aussenrand, ersterer die von der Spindel, letzterer die von der Naht entspringende Hälfte, die in der Mitte ohne Gränze in einander übergehen. Je nachdem die Ansatzstellen mehr oder weniger entfernt von einander liegen, nennt man sie entfernt oder genähert, und verbunden, wenn sie durch eine linienförmige Lippe auf der Mündungswand mit einander verbunden sind. Tritt der Mundsaum ringsum deutlich vom Gehäuse los, wie bei Helix lapicida, so nennt man ihn gelöst.
Den von aussen sichtbaren inneren Theil des Gehäuses nennt man den Schlund, den weiter nach oben gelegenen Theil desselben speciell den Gaumen; ihnen entspricht auf der Aussenseite der Nacken. Diese Gegenden sind besonders bei der Beschreibung der Clausilien und Pupen von Wichtigkeit.
Die Windungen können stielrund, niedergedrückt, d. h. breiter als hoch, und umgekehrt zusammengedrückt, d. h. höher als breit, sein, oder bauchig, aufgetrieben oder kantig; sind sie so niedergedrückt, dass sie einen scharfen Rand bilden, so nennt man sie gekielt und den Rand selbst den Kiel, Carina.
Viele Schnecken haben einen an ihrem Fusse befestigten Deckel, Operculum, mit welchem sie das Gehäuse schliessen können; derselbe ist kalkig, hornartig oder knorpelig, spiralig oder concentrisch gestreift, und entweder endständig, wenn er gerade an den Mündungsrand anschliesst, oder eingesenkt, wenn er erst weiter innen die Oeffnung verschliesst.
Die Schnecken, welche keinen solchen Deckel besitzen, verschliessen ihr Gehäuse, wenigstens im Winter, mitunter auch im Sommer bei grosser Trockenheit, durch einen zeitweiligen Deckel, den Winterdeckel, Epiphragma; manche auch durch mehrere hintereinander; derselbe kann kalkig, lederartig oder häutig sein.
Was die Richtung der Windungen anbelangt, so unterscheidet man rechts gewundene und links gewundene Gehäuse. Man erkennt die Windungsrichtung am bequemsten, wenn man das Gehäuse aufrecht, mit der Spitze nach oben und der Mündung nach dem Beschauer zu betrachtet; bei den links gewundenen steht dann die Mündung nach links, bei den rechts gewundenen nach rechts von der Spindel.
Bei den Muscheln unterscheidet man zunächst eine rechte und eine linke Schale. Welches die rechte und welches die linke Schale sei, darüber ist früher sehr viel gestritten worden; in neuerer Zeit ist man aber nach dem Vorgang von Nilsson und Rossmässler so ziemlich darüber einig, die Schale die rechte zu nennen, welche zur Rechten liegt, wenn man die Muschel mit den Wirbeln nach oben so aufstellt, dass das Schlossband nach dem Beschauer zu gerichtet ist. Den Schalenumfang zerfällt man in vier Theile, den Ober- oder Rückenrand, an welchem die Wirbel und das Schlossband liegen, und gegenüber den Unterrand, den Hinterrand, der von den Wirbeln aus auf derselben Seite liegt, wie das Schlossband, und gegenüber den Vorderrand.
Auf jeder Schale sehen wir einen vorgetriebenen Punkt, den Wirbel oder Buckel; die beiden Wirbel liegen immer einander genau gegenüber und nahe am Oberrand. Theilt eine durch sie hindurch gehende Linie die Muschel in zwei ganz oder doch annähernd gleiche Theile, so nennt man dieselbe gleichseitig, im anderen Falle, der bei unseren meisten Muscheln vorkommt, ungleichseitig. Den Raum unmittelbar vor und zwischen den Wirbeln nennt man das Schildchen (Areola, Lunula), den hinter den Wirbeln bis zum Anfange des Hinterrandes den Schild (Area). In diesem Raume liegt ein starkes, zähes Band, das die beiden Schalen verbindet und durch seine Elasticität ihr Aufklappen bewirkt, das Schlossband. Der unmittelbar unter demselben liegende Theil des Oberrandes ist meist mit ineinandergreifenden Zähnen oder Leisten versehen, die beim Oeffnen der Schalen ein Auseinanderweichen verhindern; man nennt die ganze Vorrichtung das Schloss.
Im Innern der Schale sieht man zwei mehr oder minder deutliche Gruben oder Eindrücke, in welchen beim lebenden Thiere die Schliessmuskeln angeheftet sind; man nennt sie den vorderen und den hinteren Muskeleindruck. Von dem einen zum anderen läuft parallel mit dem Unterrande eine vertiefte Linie, der Manteleindruck.
Was sonst noch in den Beschreibungen von Kunstausdrücken vorkommt, bedarf keiner weiteren Erklärung. Nur noch ein paar Worte über die Benennung der Schnecken und Muscheln. Wie es bei den kleinen, dem Volke nicht auffallenden Thieren natürlich ist, haben nur wenige einen gebräuchlichen deutschen Namen und die deutschen Namen, die man ihnen in den Büchern gibt, sind zum Theil geradezu komisch, z. B. Schnirkelschnecke für Helix, Frassschnecke für Bulimus. Die wichtigsten sind desshalb die wissenschaftlichen, lateinischen Namen. Nach dem System des grossen Schweden Linné bestehen dieselben immer aus zwei Namen, der erste bezeichnet die Gattung, der zweite die Art. Dazu kommt aber noch ein dritter Name; es sind nämlich unter denselben Namen nicht selten ganz verschiedene Sachen beschrieben worden; was z. B. O. F. MüllerHelix sericea nennt, ist etwas ganz Anderes, als was Draparnaud mit diesem Namen bezeichnet. Um nun die Irrthümer zu verhüten, setzt man hinter den Namen der Art noch den des Schriftstellers, der dieselbe zuerst beschrieben, wie z. B. Helix sericeaDraparnaud, Bulimus obscurusMüller.
Wir haben zwar schon im ersten Capitel die speciell auf die nassauische Fauna bezüglichen Arbeiten aufgeführt; da aber die wenigsten Sammler sich ganz auf Nassau beschränken werden und beim Conchyliensammeln ebensogut und vielleicht mehr als von anderen Zweigen der Naturwissenschaft das Wort gilt: „Beim Essen kommt der Appetit“, so dürfte es nicht überflüssig sein, die wichtigsten, auf Deutschlands Conchylienfauna bezüglichen Arbeiten hier anzuführen. Es sind:
O. F. Müller, Vermium terrestrium et fluviatilium seu Animalium infusoriorum, helminthicorum et testaceorum non marinorum succincta historia. Havniae et Lipsiae 1773 und 1774. Zwei Bände. Die Mollusken werden im zweiten Bande abgehandelt.
Carl Pfeiffer, Naturgeschichte deutscher Land- und Süsswassermollusken. Weimar 1821–28. Drei Abtheilungen, jede mit 8 colorirten Tafeln, gute Abbildungen deutscher Binnenconchylien enthaltend, aber im Text etwas veraltet.
E. A. Rossmässler, Iconographie der Land- und Süsswassermollusken Europas. Leipzig 1835–59. Drei Bände mit ausgezeichneten Abbildungen fast aller europäischen Binnenconchylien, für jeden Conchyliologen unentbehrlich, aber leider sehr theuer (col. 25 Thlr.) und vergriffen.
Dr. L. Pfeiffer, Monographia Heliceorum viventium. Leipzig 1847–69. Mit den Supplementen bis jetzt 6 Bände, die kurze lateinische Beschreibung aller bekannten Heliceen enthaltend, aber ohne Abbildungen.
Albers, Johann Christian, die Heliceen nach natürlicher Verwandtschaft systematisch geordnet. Zweite Ausgabe, besorgt von Ed. von Martens. Berlin 1860. Enthält ein natürliches System der Heliceen mit Beschreibung der Gattungen und Untergattungen und Aufzählung der Arten und ihres Vaterlandes. Zum Ordnen der Sammlung unentbehrlich.
Adolf Schmidt, Die kritischen Gruppen der europäischen Clausilien. Abth. 1. Leipzig 1857.
Adolf Schmidt, System der europäischen Clausilien und ihrer nächsten Verwandten. Cassel 1868.
Bronn, Die Classen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. III, die Weichthiere, fortgesetzt von Keferstein. Leipzig und Heidelberg 1862–66. Eine äusserst reichhaltige und sorgfältige Zusammenstellung alles dessen, was über Bau, Entwicklung und Lebensweise der Weichthiere bekannt ist, zum genaueren Studium der anatomischen Verhältnisse unentbehrlich.
Hartmann, Erd- und Süsswassergasteropoden der Schweiz, St. Gallen 1840–44; nicht systematisch und unvollständig, aber gute Abbildungen und zahlreiche interessante Bemerkungen auch über deutsche Arten, ihre Abänderungen, Missbildungen etc. enthaltend.
Sturm, Deutschlands Fauna in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibung. Abtheilung VI, die Würmer. 8 Hefte, 1803–1829. Enthält die meisten deutschen Mollusken in oft sehr guten Abbildungen und ist antiquarisch mitunter sehr billig zu haben.
Fr. H. Troschel, de Limnaeaceis seu de Gasteropodis pulmonatis, quae nostris in aquis vivunt. Berolini 1834. Eine kleine gute Monographie von Limnaeus, Physa und Planorbis, namentlich auch auf Anatomie und Lebensweise eingehend.
Ein billiges, blos die deutschen Mollusken umfassendes Handbuch zum Gebrauch für den Anfänger fehlt leider noch immer, und ebenso mangelt es noch sehr an gründlichen deutschen Arbeiten über die Süsswasserschnecken, insbesondere die Limnäen, Planorben, Valvaten, Cyclas und Pisidien. Doch ist bei dem regen, wissenschaftlichen Leben, das gegenwärtig unter den deutschen Malacologen herrscht, eine baldige gründliche Bearbeitung dieser Gattungen mit Sicherheit zu hoffen.
Von Zeitschriften kommen für den deutschen Sammler noch in Betracht:
Zeitschrift für Malacozoologie, herausgegeben von Menke und Pfeiffer, 10 Jahrgänge von 1844–53, Cassel bei Theodor Fischer, und deren Fortsetzung
Malacozoologische Blätter, herausgegeben von Dr. L. Pfeiffer, in demselben Verlage erscheinend. Endlich das
Nachrichtsblatt der deutschen malacozoologischen Gesellschaft, begonnen 1869, unter Mitwirkung von D. F. Heynemann redigirt von Dr. W. Kobelt. In Commission bei Sauerländer in Frankfurt.
In unseren Gegenden erreicht die Anzahl der Schnecken nicht leicht jenen hohen Grad, der sie dem Ackerbau und der Gärtnerei lästig oder selbst verderblich macht. Nur die gemeine nackte Ackerschnecke, Limax agrestis, wird in warmen, nassen Jahren durch ihre Gefrässigkeit und ihre starke Vermehrung schädlich, und hier und da hört man die Besitzer von Treibhäusern klagen, dass ihnen Schnecken die Blumenblätter zerfressen. Unsere Schnecken ziehen mit geringen Ausnahmen modernde Pflanzenstoffe den frischen und unbebaute Stellen den angebauten vor. Die Wasserschnecken thun selbstverständlich keinen Schaden, nutzen vielmehr durch raschere Beseitigung der verwesenden Vegetabilien.
Auch der directe Nutzen für den Menschen ist bei uns sehr unbedeutend. Unsere einzige essbare Schnecke, die Weinbergsschnecke, wird, soviel mir bekannt, in Nassau höchstens hier und da von einzelnen Individuen gegessen; Schneckengärten und Mästereien, wie auf der schwäbischen Alp und in der Schweiz, existiren in Nassau nicht. Auch von der früher viel häufigeren Benutzung der grossen Nacktschnecken zu arzneilichen Zwecken kommen höchstens noch einzelne Fälle vor. Wichtiger dagegen sind für die Anwohner des Mains die Anodonten und Unionen, die in zahlloser Menge seine seichten Stellen bewohnen. Sie werden, sobald das Wasser hinreichend gefallen und nicht mehr zu kalt ist, in Masse gesammelt und die Thiere gekocht zum Mästen der Schweine verwendet; diese werden davon sehr fett, nehmen aber bei ausschliesslicher Muschelnahrung leicht einen thranigen Geschmack an.
Vielen Thieren dienen die Schnecken als willkommene Nahrung; Dachs, Fuchs und Igel verschmähen sie durchaus nicht; ebenso die meisten Vögel; Krähen, Dohlen und Raubvögel stellen besonders den Muscheln nach, tragen sie oft weit vom Wasser hinweg und öffnen sie mit einem tüchtigen Schnabelhieb auf oder vor den einen Wirbel; doch glaube ich, dass die Krähen sich mehr an die halbtodten oder frisch gestorbenen Muscheln halten, die man nach den Frühjahrsfluthen sehr häufig am Ufer und zwischen den Steinen der Strombauten findet, denn sehr viele Schalen, die ich im Grase 20–30 Schritt vom Ufer fand, waren vollkommen unverletzt. Auch Reiher, Enten u. s. w. verzehren sehr viele Schnecken und Muscheln; Brot fand im Magen einer Ente Anodonten von 3 Ctm. Länge. — Die Amphibien sind den Schnecken gegenüber auch keine Kostverächter; Frösche und Kröten stellen namentlich den Nacktschnecken nach, und die Kröten werden ja in manchen Gärtnereien ausschliesslich zu diesem Zweck gehalten. Eine Eidechse, die ich im Terrarium hielt, frass binnen sehr kurzer Zeit eine ganze Anzahl frisch ausgekrochener Helix nemoralis. Die Wassersalamander fressen mit Vorliebe Hydrobien und Pisidien; ich habe bei Biedenkopf mehrmals ihren Darmcanal ganz mit der dort sehr häufigen Hydrobia Dunkeri angefüllt gefunden.
Auch unter den Insecten haben die Schnecken manche Feinde. Die grossen Laufkäfer verzehren manche Nacktschnecke, scheinen aber den Gehäuseschnecken nicht viel anhaben zu können. Die Larve eines anderen Käfers, des Drilus flavescens, tödtet dagegen das Thier und verpuppt sich, nachdem sie es aufgefressen, in seinem Gehäuse; namentlich Helix incarnata scheint ihren Angriffen ausgesetzt zu sein. — Den Wasserraubkäfern habe ich oft zugesehen, wie sie, auf dem Gehäuse einer Limnäe sitzend, dem Thiere auflauerten und es angriffen, sobald sein Kopf ausserhalb des Gehäuses erschien, und aus der Anzahl der leeren Gehäuse, die ich um diese Zeit im Aquarium fand, konnte ich ersehen, dass die Angriffe nicht immer resultatlos blieben.
Auch verschiedene Blutegel, namentlich die der Gattung Clepsine angehörigen flachen Arten, tödten manche Schnecke.
Gefährliche Feinde sind auch die Schnecken selbst. Die Daudebardien leben ganz, die Vitrinen und manche Limacinen grossentheils von anderen Schnecken, aber auch Pflanzenfresser scheuen sich gar nicht, gelegentlich eine kleinere Schnecke zu verschlucken. So habe ich Limnaea stagnalis ihre eigenen Jungen sammt und sonders aufzehren sehen, und an Landschnecken hat man ähnliche Beobachtungen gemacht.
Die Schnecken dienen einer ganzen Anzahl von Schmarotzern zur Wohnung. Auf der Aussenseite leben einige Milben; auf den Nacktschnecken, besonders den Arionarten, lebt Acarus Limacum; sie läuft sehr rasch auf dem Körper herum und zur Athemöffnung aus und ein. Heynemann beobachtete sie nur selten auf den Nacktschnecken des Frankfurter Gebiets, dagegen in Menge auf Westerwälder Exemplaren von Arion empiricorum, bis zu 100 auf einem. In ähnlicher Weise schmarotzt eine andere Milbe, Limnochares Anodontae, auf und in den Muscheln.