7,99 €
Spare Zeit und verzichte auf lästige Recherche! In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Buch komplett gelesen zu haben. Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert. Inhalt: - Schnellübersicht - Autor: Leben und Werk - ausführliche Inhaltsangabe - Aufbau - Personenkonstellationen - Sachliche und sprachliche Erläuterungen - Stil und Sprache - Interpretationsansätze - 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung Layout: - Randspalten mit Schlüsselbegriffen - übersichtliche Schaubilder NEU: vierfarbiges Layout Das Tragödie Faust I ist das Hauptwerk Goethes und zugleich der Gipfelpunkt der Weimarer Klassik. Faust ist ein Gelehrter, der mit seinem Leben und Wissen unzufrieden ist und darum einen Pakt mit dem Teufel (Mephisto) schließt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 205
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 21
Textanalyse und Interpretation zu
Johann Wolfgang von Goethe
Faust I
Rüdiger Bernhardt
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Um mit verschiedenen Ausgaben arbeiten zu können, wird nach Versen zitiert, die bei allen Faust-Ausgaben ausgewiesen sind. Textgrundlagen dieser Erläuterung sind der Band des Hamburger Lesehefte Verlags: Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Erster Teil. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2010 (29. Hamburger Leseheft) und die Reclam-Ausgabe: Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Erster Teil. Stuttgart: Reclam, durchgesehene Ausgabe 2012.
Über den Autor dieser Erläuterung:Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt.
1. Auflage 2022
978-3-8044-7083-5
© 2022 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Sven Lehmann als Mephisto, Regine Zimmermann als Gretchen und Ingo Hülsmann als Faust am Deutschen Theater Berlin, 2004 © picture-alliance / ZB | Claudia Esch-Kenkel
Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.
Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).
Verknüpfungen zu Textstellen innerhalb des Textes (Querverweise) Querverweise, z. B. „s. S. 26 f.“, können durch Tippen auf den Verweis aufgerufen werden. Verwenden Sie die „Zurück“-Funktion Ihres ePub-Readers, um wieder zum Ursprung des Querverweises zu gelangen.
Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet werden durch eine Webadresse gekennzeichnet, z.B. www.wikipedia.de. Tippen Sie auf die Webadresse und Sie werden direkt zu der Internetseite geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt. Hinweis: Bitte beachten Sie, dass Webadressen nach Erscheinen dieses ePubs gegebenenfalls nicht mehr aufrufbar sind!
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Johann Wolfgang von Goethe: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Vom Vorabend der Französischen Revolution 1789 bis zur Julirevolution 1830
Bürgerlicher Macht- und Wissenschaftsanspruch
Veränderungen in der Ästhetik
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Aristotelisches Drama und Shakespeare’sche Szenenfolge
Vergleich der Fassungen
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Figurenkonstellation
Hauptfiguren
Faust
Mephistopheles
Margarete (Gretchen)
Nebenfiguren
Valentin
Marthe Schwerdtlein
Wagner
Der Herr
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
3.7 Interpretationsansätze
Das Faustische und der Widerspruch
Dialektik und Ironie
Faust und Gretchen – das Thema des Kindesmordes
Formale Aspekte
3.8 Schlüsselszenenanalyse
4. Rezeptionsgeschichte
Reaktionen bis zum „Ende der Kunstperiode“
Nachahmungen und Parodien
Faust-Rezeption in den Weltkriegen
Faust-Rezeption nach 1945
Verschwörungstheorien und Legenden
Faust heute
5. Materialien
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 **
Aufgabe 3 **
Aufgabe 4 ***
Aufgabe 5 **
Aufgabe 6 ***
Lernskizzen und Schaubilder
Literatur
Zitierte Ausgaben
Werkausgaben und Primärliteratur
Lernhilfen und Kommentare für Schüler
Sekundärliteratur
Verfilmungen
Damit sich alle Leser:innen in diesem Band sofort zurechtfinden und das für sie Interessante entdecken, folgt eine Übersicht.
Im 2. Kapitel wird Johann Wolfgang von Goethes Leben beschrieben und auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:
Goethe lebte von 1749 bis 1832 vorwiegend in Weimar, der Hauptstadt des kleinen Herzogtums (seit 1815 Großherzogtums) Sachsen-Weimar-Eisenach.
Goethe kam 1775 nach Weimar; er brachte Textentwürfe zum Faust mit. Es war der Vorabend der Französischen Revolution von 1789, mit der sich Europa prinzipiell veränderte und die geistige Bewegung der Aufklärung politisch wirksam wurde.
Im Faust schlägt sich die Entwicklung bürgerlichen Denkens, verbunden mit der Entwicklung moderner Wissenschaften, die Alchemie und Zauberei verdrängten, nieder; sie werden begleitet durch ästhetische Entwicklungen.
Im 3. Kapitel finden die Leser:innen eine Textanalyse und -interpretation.
Der historische Faust, ein Zeitgenosse Luthers, gehört zu den interessantesten Gestalten der europäischen Kulturgeschichte und steht am Beginn der Moderne; Goethe fand zahlreiche literarische Verarbeitungen des Themas vor.
Der Tragödie erster Teil gehen eine Zueignung, das Vorspiel auf dem Theater und der Prolog im Himmel voraus, deren wesentliches Ergebnis die Wette um Faust zwischen dem Herrn und Mephisto ist. In 25 Szenen (Urfaust 21 Szenen) wird der das Wissen seiner Zeit beherrschende Faust auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Erlebnissen begleitet. Um seine Ziele zu erreichen, die mit menschlichen Mitteln nicht zu erreichen sind, geht er mit Mephistopheles, dem Gegenspieler Gottes, einen höllischen Pakt ein, der ihm alles verspricht bis zu dem Augenblick, in dem Faust einer Erfüllung Dauer verleihen will. Dann verfällt seine Seele dem Teufel (Gelehrten-Drama). Mephisto hat allerdings nur die Angebote einer kleinen Welt zu bieten, zu der auch Gretchen gehört (Gretchen-Drama). Faust verliebt sich in das Mädchen und verführt sie; Gretchen wird schwanger und als Kindesmörderin verurteilt (Motiv des Sturm und Drang). Faust entflieht mit Mephisto.
Die Szenen spielen am Übergang vom Mittelalter zu Renaissance, Humanismus und Neuzeit; der historische Faust hat zwischen 1480 und 1540 gelebt. Schauplätze sind Fausts gotische Studierstube, Leipzig, der Harz und eine mittelalterliche Stadt mit Dom.
Die Hauptpersonen sind:
Heinrich Faust:
Mann in den besten Jahren
Gelehrter, der nach letzten Erkenntnissen strebt
Mephistopheles:
teuflischer Widerpart zu Gott
Verkörperung des Widerspruchs
Verführer und Begleiter Fausts
Margarete, genannt „Gretchen“:
vierzehnjähriges bürgerliches Mädchen
von Faust als Geliebte begehrt und verführt
wird zur Kindesmörderin.
Valentin:
Soldat
auf Tugend und Ehre bedachter spießiger Bruder Margaretes
Marthe Schwerdtlein:
Margaretes Nachbarin mit kupplerischen Veranlagungen
Wagner:
Famulus (Assistent) Fausts
sammelnder und ordnender Wissenschaftler
rational-fortschrittsgläubig
teils als trockener Typ satirisch gebrochen
Prosa und Vers
zahlreiche Versformen (v. a. Knittelvers, Madrigalvers bzw. Faustvers, Blankvers)
Das Faustische und der Widerspruch als Frage nach dem Schöpferischen und seinen Grenzen
Die Dialektik und das Ziel: die philosophische Dimension des Stoffes
Fausts Niederlage und Erlösung als Beziehung von Wissen und Glauben
Formale Aspekte: Literatursatire statt Sozialkritik
Reaktionen bis zum „Ende der Kunstperiode“
Nachahmungen und Parodien
Johann Wolfgang von Goethe
(1749–1832)© picture alliance / CPA Media Co. Ltd
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1749
28. August Frankfurt a. M.
Johann Wolfgang Goethe wird als Sohn des Kaiserlichen Rates Dr. jur. Johann Kaspar Goethe, Sohn eines Schneiders, und Katharina Elisabeth, geb. Textor, Tochter des Schultheißen, in Frankfurt am Main, im Haus „Zu den drei Leiern“ am Großen Hirschgraben geboren. Die Familie ist wohlhabend; der Reichtum stammt vom Großvater.
1750
Frankfurt a. M.
Schwester Cornelia Friederike Christiana Goethe geboren.
1
1753
Frankfurt a. M.
Der Vater schenkt den Kindern zu Weihnachten ein Puppentheater. Goethe schrieb das Geschenk später der Großmutter zu, um den Ruf des Vaters zu schädigen.
4
1759–1763
Frankfurt a. M.
Während der französischen Besetzung Frankfurts besucht Goethe das französische Theater.
10–14
1765
Leipzig
Goethe studiert die Rechte, hört aber auch Vorlesungen zur Literatur und lernt Gellert und Gottsched kennen. – Liebe zu Käthchen Schönkopf, der Tochter eines Zinngießers.
16
1768
Frankfurt a. M.
Goethe kehrt nach einem Blutsturz nach Hause zurück. Er verkehrt im pietistischen Kreis der Susanna Katharina von Klettenberg und liest Wieland, Shakespeare u. a.
19
1770
Straßburg
Er setzt sein Rechtsstudium fort und schließt es als Lizentiat der Rechte ab. Er lernt Herder und Dichter des Sturm und Drang (Jung-Stilling, Heinrich Leopold Wagner, Jakob Michael Reinhold Lenz) kennen. Im Straßburger Kreis werden ihm Pindar, Homer, die englische Dichtung, voran Shakespeare und Ossian, nahegebracht. Herder weist ihn auf Hamann und die Volkspoesie hin. Er begeistert sich für das gotische Straßburger Münster.
21
Sesenheim (Sessenheim)
Kurz vor dem 15. Oktober: Besuch bei Friederike Brion. Er verliebt sich in die Pfarrerstochter von Sesenheim, Mai – Juni in Sesenheim, am 7. August 1771 ohne Erklärung Abschied.
1771
Straßburg
Frühling, Sommer: Goethe sammelt Volksballaden, einer Anregung Herders folgend.
22
Frankfurt a. M.
14. Oktober: Goethe hält zu Hause seine berühmte Rede Zum Schäkespears Tag. Prozess gegen die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt.
1772
Wetzlar Frankfurt a. M.
Goethe als Praktikant am Reichskammergericht; verliebt sich in Charlotte Buff. Der Selbstmord des Studienkollegen Jerusalem (30. Oktober 1772) geht in den Roman Die Leiden des jungen Werther ein. Rückkehr nach Hause.
23
1774
Frankfurt a. M.
Knebel vermittelt Goethes Bekanntschaft mit dem Erbprinzen Karl August von Weimar.
25
1775
Frankfurt a. M.
Liebe und Verlobung mit Lili Schönemann, brieflich sich äußernde Liebe zur Gräfin Auguste von Stolberg, die er nie sehen wird.
26
Schweiz Weimar
Erste Reise in die Schweiz. Abreise am 30. 10., nachdem Karl August am 3. 9. die Regierung angetreten hat, Ankunft am 7. 11.
1776
Weimar
Geheimer Legationsrat mit Sitz und Stimme im Geheimen Conseil, tritt am 25. Juni in den Staatsdienst. Beziehung zu Charlotte von Stein.
27
1777
Harz
Erste Harzreise, der 1783 bis 1789 weitere folgen. Nachklang im Faust: Walpurgisnacht.
28
1779
Weimar
Übernahme weiterer Aufgaben, u. a. Kriegskommission. Er wird zum Geheimen Rat ernannt. Erste Aufführung der Iphigenie auf Tauris (Prosafassung).
30
Schweiz
Zweite Reise.
1781
Weimar
Naturwissenschaftliche Studien.
32
1782
Weimar
Goethe wird geadelt. Sein Vater stirbt.
33
1784
Weimar
Goethe entdeckt den Zwischenkieferknochen beim Menschen.
35
1786
Karlsbad Italien
Sommer in Karlsbad. Heimlich flieht er von dort nach Italien. Goethe kommt am 29. Oktober in Rom an. Italienische Reise, 1815 Titel der Beschreibung dieser Reise.
37
1788
Weimar
Rückkehr, lernt Christiane Vulpius kennen und lebt von nun an zum Entsetzen des Weimarer Adels mit ihr zusammen.
39
1789
Weimar
Sohn August geboren, stirbt 1830 in Rom und wird dort beerdigt.
40
1790
Italien
Zwischen März und Juni die zweite Italienreise. Nach Schlesien in der Begleitung Karl Augusts, der als General in Preußens Diensten steht.
41
1791
Weimar
1791–1817 Direktor des Hoftheaters, Materialsammlung zur Farbenlehre.
42
1792–1793
Frankreich
Feldzug. Teilnahme an der Belagerung von Mainz.
43–44
1794
Weimar, Jena
Beginn der Freundschaft und des Briefwechsels mit Schiller. Einfluss Schillers auf wesentliche Werke, z. B. Wilhelm Meisters Lehrjahre.
45
1797
Schweiz
Dritte Reise.
48
1799
Weimar
Im Dezember siedelt Schiller von Jena nach Weimar über.
50
1803
Weimar
Friedrich Wilhelm Riemer wird Hauslehrer von Goethes Sohn und Goethes Sekretär und heiratet 1814 Christianes Gesellschafterin Caroline Ulrich, die seit 1809 in Goethes Haus wohnt und die der Dichter liebt.
53
1805
Weimar
9. Mai: Tod Schillers. Freundschaft mit Zelter.
55
1806
Jena
Schlacht bei Jena und Auerstädt: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation geht unter. Die Franzosen plündern Weimar, Goethes Haus bleibt dank des Einsatzes von Christiane verschont. Am 19. Oktober lässt sich Goethe mit Christiane trauen.
57
1807
Weimar
Liebe zu Minna Herzlieb.
58
1814
Rhein und Main
Reisen. Liebe zu Marianne von Willemer.
65
1816
Weimar
6. Juni: Tod Christianes.
67
1823
Weimar
Johann Peter Eckermann besucht Goethe. Er wird Mitarbeiter und Nachfolger Riemers. Reise nach Marienbad und Eger. Verliebt sich in Ulrike von Levetzow.
74
1828
Weimar
Der Großherzog Karl August stirbt.
79
1832
Weimar
22. März: Tod Goethes in seinem 83. Lebensjahr.
82
Zusammenfassung
Grundlegende politische und gesellschaftliche Wandlungen nach 1770:
Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg entsteht ein bürgerlicher Staat (Unabhängigkeitserklärung 1776).
In Frankreich bereitet sich die Revolution von 1789 vor, die Europa grundsätzlich von einer höfisch-aristokratischen in eine bürgerliche Gesellschaft verändert und 1806, während der Napoleonischen Kriege, zum Zusammenbruch Preußens führt.
Zeit der Ablösung der politischen Feudalstruktur und eines orthodoxen Christentums durch eine auf Wissenschaft orientierte bürgerliche Entwicklung; Abkehr von einem religiös-metaphysischen Weltbild und Vordringen aufklärerischen Denkens und der kritischen Vernunft. Von England aus Beginn einer industriellen Revolution.
Deutschland ist in Kleinstaaten zersplittert, dadurch wirtschaftlich rückständig, und hat kein politisches, ökonomisches und kulturelles Zentrum.
Künstlerisch-ästhetisch wird das Literaturverständnis, das bisher weitgehend von Aristoteles und dem französischen Klassizismus bestimmt wurde, durch die Rezeption der Dramen Shakespeares erweitert und führt zu einer neuen Dramenform, die zur offenen Form tendiert und epische Elemente bekommt. Neubestimmung des Verhältnisses zur Antike.
Die Entstehungszeit des Faust-Komplexes reicht von 1770 bis 1832, zu ihm gehören Urfaust, Faust. Ein Fragment, Faust. Eine Tragödie mit Der Tragödie Erster Teil und Der Tragödie Zweiter Teil. Goethe begann mit der Arbeit während der deutschen Sturm-und-Drang-Zeit, die eine Zuspitzung aufklärerischen Denkens bedeutete. Zum einen verwirklichten sich die aufklärerischen Ideen Westeuropas im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg: Sie führten nicht nur zum Sieg über die Kolonialmächte, sondern zur Gründung eines bürgerlichen Staates (Unabhängigkeitserklärung der 13 Vereinigten Staaten, 4. Juli 1776), der die Ideen der französischen Aufklärung (Rousseau), insbesondere die Menschenrechte, zu verwirklichen antrat. Zum anderen war es der Vorabend der bürgerlichen Französischen Revolution von 1789. Europa wurde durch die Aufklärung und die durch sie entwickelte kritische Vernunft auf die geistigen und politischen Veränderungen vorbereitet. „Vernunft“ war eine zentrale Kategorie im 18. Jahrhundert und bedeutete, mit Hilfe des analytischen Denkens zu Ideen vorzustoßen, die eine neue Qualität im Weltverständnis des Menschen und im Umgang miteinander hervorbrachten. Dagegen galt der „Verstand“ als jenes Maß von Urteilskraft und Intelligenz, „durch dessen Hilfe jeder Mensch mit den gewöhnlichen Angelegenheiten der Gesellschaft fertig wird“[1].
Im Zentrum des aufklärerischen Denkens standen die Menschenrechte. Erste Anregungen gab der englische Materialist Thomas Hobbes (1588 –1679). Ihre Präzisierung geschah durch den deutschen Philosophen und Aufklärer Samuel von Pufendorf (1632 –1694), der dem Menschen höchste Würde zubilligte, weil er eine Seele habe, die durch den Verstand geprägt werde. Damit löste Pufendorf ihn aus göttlicher Abhängigkeit und gab ihm eine eigene unantastbare Würde. Genaue Bestimmungen der Menschenrechte nahmen Jean-Jacques Rousseau (1712 –1778) und Immanuel Kant (1724 –1804) vor. Nach Rousseau waren alle Menschen von Natur aus frei und gleich und durch Vernunft gut, so sollte auch der Staat eingerichtet werden. Nach Kant war die Freiheit das grundlegende Menschenrecht, von dem aus alle anderen abgeleitet würden. Kants Begriff der Freiheit verband sich unlösbar mit Vernunft und der Einsicht in die Notwendigkeit: „Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die, von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.“[2] In dem Spannungsfeld von Aufklärung, Vernunft und Öffentlichkeit und mit Rücksicht auf die Beziehung der Menschen untereinander waren freie Entscheidungen möglich. In Faust schlugen sich diese Ideen konzentriert in Fausts Monolog zum Osterspaziergang nieder (V. 903 – 940), der zu den zuletzt geschriebenen Szenen gehört. Goethes Protagonist beschreibt darin im Bilde der auferstehenden Natur auch die sich befreienden, aus feudal beengter Struktur und kirchlicher Vorherrschaft („aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht“) auferstehenden Menschen, die ihr Menschsein bejubeln.
Trotz dieser Entwicklung muss mitgedacht werden, dass der größte Teil der Bevölkerung am Ende des 18. Jahrhunderts sozial entrechtet und ungebildet war, an Zauberei und Teufel glaubte und nicht mehr als notdürftig sein Leben fristete. Zu diesem Kreis gehörten auch die meisten Kindesmörderinnen, die verführt und verlassen und dadurch der sozialen Ausgrenzung überlassen wurden.
Die Arbeit an Der Tragödie Zweiter Teil wurde abgeschlossen, als die französische Arbeiterklasse in der Zeit der Julirevolution 1830 zum ersten Male Forderungen anmeldete. Geistig umfasste der Gesamtkomplex Faust die Zeit von Aufklärung und Sturm und Drang bis zu den utopischen Sozialisten im Umfeld Saint-Simons. Goethe hatte die französische Zeitung Le Globe abonniert; was er darin an Gedankengut des utopischen Sozialismus fand, floss in die Arbeit am 5. Akt in Faust II ein. Mit Faust stimmte Goethe überein, möglichst viel Wissen zu erwerben; mit Faust quälte ihn, dass dieses Wissen ihm nicht die gewünschten Antworten gab.
Entstanden die Szenen des Urfaust noch in der Zeit, als Friedrichs II. von Preußen (1712–1786) Macht auf dem Höhepunkt war, so erschien Faust. Eine Tragödie zur Ostermesse 1808. Europa hatte sich grundlegend verändert: Das Preußen Friedrichs II. war 1806 vernichtet worden, Napoleon war Kaiser. Die Französische Revolution von 1789 und ihre Folgen hatten Europa prinzipiell verändert. Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil entstand parallel zu der Neuordnung Europas nach der Französischen Revolution von 1789, die einschneidende soziale Veränderungen brachte. Dabei war die deutsche Intelligenz von der französischen Aufklärung inspiriert worden und entwarf in Anbetracht der zurückgebliebenen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland Ideen für eine nationale Bildung und Erziehung durch Kunst. Letztlich gehörte zu diesem Programm auch die Ansiedlung großer Handlungsteile des Faust in der universitären Bildung (Gelehrten-Handlung). Intellektuelle und Künstler orientierten sich an der Ablösung feudaler Strukturen durch den Einfluss des Bürgertums. Dazu gehörte die Suche nach Traditionen und Vorbildern, denen man die Zukunftsvorstellungen und das Fortschrittsdenken auflegen konnte. Ein solches Vorbild war der vagabundierende Arzt und Alchimist Johann Faust (um 1480–1540), um den sich nach seinem Tod zahlreiche Legenden rankten. In Goethes Faust sind Spuren zu finden. Heinrich Heine beschrieb, was Faust für die deutsche Geschichte bedeutete: Faust lebte, so Heine in der Romantischen Schule, „zur Zeit, wo man anfing, gegen die strenge Kirchenautorität zu predigen und selbstständig zu forschen: – so dass mit Faust die mittelalterliche Glaubensperiode aufhört und die moderne kritische Wissenschaftsperiode anfängt.“[3] Goethes Tragödie entstand parallel zu weitreichenden weltgeschichtlichen Ereignissen und verarbeitete diese.
Mit Goethes Sturm-und-Drang-Werken, auch dem Faust, wurde der allgemein gültige Regelkanon des klassizistischen französischen Theaters außer Kraft gesetzt. Zum Namenstag William Shakespeares (1564 –1616) hatte Goethe am 14. 10. 1771 Freunde zu einer Feier ins elterliche Haus eingeladen, für die er seine Rede Zum Schäkespears Tag schrieb. Sie ist eine der ersten und wichtigsten Schriften des Sturm und Drang und bereitete Faust vor. Wenn Goethe aus Shakespeares Werken ableitete, alles in der Welt drehe sich um den geheimen Punkt, in dem „das Eigentümliche unsres Ichs, die prätendierte Freiheit unsres Willens, mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt“[4], so hatte er das ideelle Zentrum seines Faust, wenn auch in abstrakter Weise, beschrieben.
Die aristotelische Dreieinheit (Ort, Zeit, Handlung) erfährt Veränderungen, die ihre scharf umrissenen dramaturgischen Inhalte ins Welthaltige ausweitet. Goethe fand für seine Einheit des Orts, der Zeit und der Handlung eine Erklärung des Faust als Welt- und Zeittheater: Die Einheit des Ortes und der Handlung sei durch die Menschheitsgeschichte gegeben, „vom Untergange Trojas bis auf die Zerstörung Missolunghis“[5], die Einheit der Zeit durch die „Fülle der Zeiten, da es denn jetzt seine volle dreitausend Jahre spielt“.[6] Mit dem Schwinden des Sturm und Drang, durch Goethes Eintritt in feudale Herrschaftsverhältnisse und nach seiner Italien-Reise stellte er aus den aristotelischen Formen und dem Theater Shakespeares eine neue Qualität her, die zum klassischen Drama führte. Die dramaturgischen Bestimmungen bekamen im Faust inhaltliche Orientierungen wie Natur, Originalität und Ursprünglichkeit.
Zusammenfassung
Goethes Faust. Der Tragödie Erster Teil ist ein geistiges und poetisches Sammelbecken:
In ihm treffen sich Ideen, Pläne und Werke des Dichters aus der Zeit vor 1775, also vor dem Aufenthalt in Weimar. Die Handlung des Faust spielt zur gleichen Zeit wie Götz von Berlichingen (Regierungszeit Maximilians I.: 1493 –1519). Zwischen Faust und Hanswursts Hochzeit gibt es sprachliche Entsprechungen u. a.
Im Faust wirken sich persönliche Erlebnisse Goethes aus der Studienzeit, aus der juristischen Tätigkeit in Wetzlar und Frankfurt a. M. und aus den Beziehungen zu Herder und den Dichtern des Sturm und Drang aus, die auch in frühen Werken Goethes nachwirken (Gedichte, Werther u. a.). Das Schuldgefühl Goethes gegenüber Friederike Brion schlägt sich in der Beziehung Fausts zu Gretchen nieder. Fausts Unzufriedenheit am universitären Leben ist ein Abbild dessen, was Goethe besonders in Leipzig erlebt hatte. Die Gretchen-Handlung geht auf das Schicksal Susanna Margaretha Brandts zurück, deren Prozess Goethe als „prominenter Zeuge“[7] verfolgte. Ob Goethe den Fall der Catharina Maria Flindt ebenfalls im Kopf hatte, die, wegen Kindesmords zum Tode verurteilt, von ihrem Geliebten aus dem Gefängnis befreit wurde, sich aber freiwillig und ihrem Gewissen folgend der Hinrichtung stellte, ist ungewiss.[8] Kindesmord war ein bevorzugtes Thema des Sturm und Drang.
Die deutsche Aristokratie lebte mit und in französischer Kultur; hinzu kam der Einfluss der katholischen Kirche mit lateinischer Sprache, Dichtung und Gelehrtenwesen. Der Griff mehrerer Dichter (Lessing, Goethe, Klinger usw.) zum deutschen Faust-Stoff war darauf eine Reaktion.
Aus dem Umkreis des Urfaust stammt die Farce Hanswursts Hochzeit[9], die Fragment geblieben ist. Schon die Gattungsbezeichnung „Ein mikrokosmisches Drama“ ist ein Gegensatz zu Fausts Beschwörung des Makrokosmos („Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmos.“ Vor V. 430). Mephisto rät Faust, um seine übertriebenen Wünsche zu realisieren, einen Dichter, einen „Herrn Mikrokosmus“ (V. 1802) zu engagieren. Die monologischen Eröffnungen beider Stücke verhalten sich zueinander wie Vorlage und Parodie in Form und Inhalt:
Faust
Hanswursts Hochzeit
Form (Knittelvers):
Hab nun, ach! die Philosophei
Hab ich endlich mit allem Fleiß
Inhalt:
Faust erzieht seine Studenten
Kilian Brustfleck erzieht sein Mündel Hanswurst
Faust ist erfolglos (nichts wissen können)
Hanswurst ist weiterhin tölpisch schlüfflich (bedeutet: ungesittet, roh)
Gesucht wird von Faust und Kilian:
was die Welt/Im Innersten zusammenhält
Das Muster aller künft’gen Welten
das Erlebnis des Makrokosmos
das Erlebnis des Mikrokosmos
Die teils obszöne und drastische Bildhaftigkeit findet ihre gemilderte Entsprechung in den Szenen Hexenküche und Walpurgisnacht samt der Paralipomena der Satansszenen im Faust. Im Faust werden bestimmte Wörter immer noch nicht gedruckt, in der Farce stehen sie in aller Deutlichkeit.[10]
Ursprünglich war Goethes Faust ein Stück des Sturm und Drang. In ihm fand man den Geist des Titanismus, aus dem man die Symbole seines Denkens bezog (in ihren Zielen sind sich der Titan Prometheus und Faust ähnlich). Darin liegt aber eines der Probleme Fausts, an dem er ohne teuflische Hilfe gescheitert wäre: Er stellt Ansprüche wie ein Titan, möchte „Ebenbild der Gottheit“ (V. 516) sein, hält aber der Begegnung mit übermenschlichen Geistern, wie dem Erdgeist, nicht stand und muss erkennen, dass er „nicht einmal“ (V. 517) ihm gleicht; am Ende der Begegnung sieht man Faust „zusammenstürzend“ (vor V. 514). – Der Stoff fand bei Lessing und unter den Stürmern und Drängern viele Freunde. Nicht nur Goethe beschäftigte sich mit dem Thema, sondern auch Jakob Michael Reinhold Lenz, Friedrich (Maler) Müller, Friedrich Maximilian Klinger und andere.[11]
Zusammenfassung
1770
Beginn der Beschäftigung mit dem Faust-Stoff, vielleicht schon 1768.
1773
Arbeit am Urfaust, 1775 Lesungen vor den Herzoginnen. Text erhalten geblieben durch eine Abschrift des Hoffräuleins Luise von Göchhausen, erst 1887 entdeckt.
1790
Faust. Ein Fragment erscheint im 7. Band von Goethes Schriften.
1794
Schiller drängt auf Weiterarbeit, 1797 Goethe nimmt das auf und entwirft ein Schema.
1806
Abschluss von Faust. Eine Tragödie, 1808 erscheint Faust. Der Tragödie Erster Teil im 8. Band der dreizehnbändigen Cotta’schen Ausgabe der Werke.
Manche Literaturwissenschaftler nehmen ohne entsprechenden Nachweis an, Goethe habe schon vor 1770 über den Faust nachgedacht. Allerdings habe er sich dem Stoff da unter völlig anderem Vorsatz genähert: Die Grenzen des Christentums hatte er für sich so weit gedehnt, dass sie kaum noch erkennbar waren. Er hätte sich „ein Stück vorgestellt, das mit der Erlösung nicht nur Fausts, sondern auch des Teufels und aller Bewohner der Hölle endete“[12]. 1770 in Straßburg fand Goethe durch die Bekanntschaft mit dem Puppenspiel vom Dr. Faust, zu dem Marlowes tragische Geschichte des furchtbaren Lebens und Todes des Doktor Faust gesunken war, Interesse an der Gestalt, wie er in Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit schrieb: „Die bedeutende Puppenspielfabel des andern (Faust, R. B.) klang und summte gar vieltönig in mir wider. Auch ich hatte mich in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit desselben hingewiesen worden.“[13] Allerdings ist „dieser irreführendsten aller Autobiografien“[14] nicht zu vertrauen.
Der historische Faust gehört zu den interessantesten Gestalten der neueren europäischen Kulturgeschichte. Er hat gelebt; Dokumente, darunter ein Zauberbuch Fausts[15], belegen das. Aber sowohl seine Herkunft als auch sein Ende sind legendär. Etwa 50 Jahre nach seinem Tod erschien mit dem Volksbuch von Doktor Faust eine Biografie, die mehr die Legende des berüchtigten Schwarzkünstlers als die tatsächlichen Fakten eines beweglichen Humanisten bediente, der keine Grenzen, weder die von der Kirche, noch die von der Natur gesetzten, anerkannte. Im Gegensatz zu Goethe sollte das Volksbuch eine Warnschrift sein und am Exempel Fausts die vernichtenden Folgen eines Teufelsbündnisses zeigen. Etwa 1588 schrieb der Engländer Christopher Marlowe