Фауст. Трагедия = Faust. Eine Tragödie - Иоганн Вольфганг фон Гёте - E-Book

Фауст. Трагедия = Faust. Eine Tragödie E-Book

Иоганн Вольфганг фон Гёте

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Beschreibung

Средневековый алхимик и чернокнижник доктор Фауст продал душу дьяволу в погоне за знаниями и удовольствиями – таков сюжет немецкой легенды, которую Гёте положил в основу трагедии «Фауст». Его трагедия – о силе человеческого духа, стремлении постигнуть тайны мироздания, ошибках на жизненном пути, сомнениях и неустанных поисках вопреки всем трудностям. Гёте создал многогранное произведение, в котором переплетаются Античность, Средневековье и Новое время, сталкиваются разные взгляды на место человека в мире, ведутся споры о развитии искусства, поднимаются философские и религиозные вопросы, поэтому каждый найдет в «Фаусте» то, что будет ему интересно. В настоящем издании представлен перевод Н. А. Холодковского, отмеченный Пушкинской премией, в сопровождении утонченных иллюстраций австрийского художника Франца Ксавье Симма. Для удобства чтения каждая строфа на русском языке расположена напротив соответствующей строфы на немецком. Параллельный текст позволит без труда сравнивать текст оригинала с переводом, обращать внимание на трудности, с которым сталкивался переводчик, и отмечать наиболее точно переведенные фрагменты. Лента ляссе, утонченное оформление и обложка с серебряным тиснением добавляют книге изысканность и привлекательность. Ее можно приобрести не только для своей коллекции, но и в качестве подарка дорогим и близким людям.

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Иоганн Вольфганг фон Гёте Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie

Johann Wolfgang von Goethe

Faust. Eine Tragödie

* * *

© ООО «Издательство АСТ», 2022

Faust Eine Tragödie

Zueignung

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten?Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttertVom Zauberhauch der euren Zug umwittert.Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,Und manche liebe Schatten steigen auf;Gleich einer alten, halbverklungnen Sage,Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf;Der Schmerz wird neu, es wiederholt die KlageDes Lebens labyrinthisch irren Lauf,Und nennt die Guten, die, um schöne StundenVom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.Sie hören nicht die folgenden Gesänge,Die Seelen, denen ich die ersten sang,Zerstoben ist das freundliche Gedränge,Verklungen ach! der erste Wiederklang.Mein Leid ertönt der unbekannten Menge,Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang,Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.Und mich ergreift ein längst entwöhntes SehnenNach jenem stillen, ernsten Geisterreich,Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen,Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich,Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen,Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich;Was ich besitze seh’ ich wie im weiten,Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten.

Vorspiel auf dem Theater

Director, Theaterdichter, Lustige Person.

Director
Ihr beyden die ihr mir so oft,In Noth und Trübsal, beygestanden,Sagt was ihr wohl, in deutschen Landen,Von unsrer Unternehmung hofft?Ich wünschte sehr der Menge zu behagen,Besonders weil sie lebt und leben läßt.Die Pfosten sind, die Breter aufgeschlagen,Und jedermann erwartet sich ein Fest.Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen,Gelassen da und möchten gern erstaunen.Ich weiß wie man den Geist des Volks versöhnt;Doch so verlegen bin ich nie gewesen;Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,Allein sie haben schrecklich viel gelesen.Wie machen wir’s? daß alles frisch und neuUnd mit Bedeutung auch gefällig sey.Denn freylich mag ich gern die Menge sehen,Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt,Und mit gewaltig wiederholten Wehen,Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt;Bey hellem Tage, schon vor Vieren,Mit Stößen sich bis an die Kasse fichtUnd, wie in Hungersnoth um Brot an Beckerthüren,Um ein Billet sich fast die Hälse bricht.Dieß Wunder wirkt auf so verschiedne LeuteDer Dichter nur; mein Freund, o! thu es heute.
Dichter
O sprich mir nicht von jener bunten Menge,Bey deren Anblick uns der Geist entflieht.Verhülle mir das wogende Gedränge,Das wider Willen uns zum Strudel zieht.Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,Wo nur dem Dichter reine Freude blüht;Wo Lieb’ und Freundschaft unsres Herzens SegenMit Götterhand erschaffen und erpflegen.Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen,Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.Oft wenn es erst durch Jahre durchgedrungenErscheint es in vollendeter Gestalt.Was glänzt ist für den Augenblick geboren,Das Aechte bleibt der Nachwelt unverloren.
Lustige Person
Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte.Gesetzt daß ich von Nachwelt reden wollte,Wer machte denn der Mitwelt Spaß?Den will sie doch und soll ihn haben.Die Gegenwart von einem braven KnabenIst, dächt’ ich, immer auch schon was.Wer sich behaglich mitzutheilen weiß,Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;Er wünscht sich einen großen Kreis,Um ihn gewisser zu erschüttern.Drum seyd nur brav und zeigt euch musterhaft,Laßt Phantasie, mit allen ihren Chören,Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.
Director
Besonders aber laßt genug geschehn!Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.Wird vieles vor den Augen abgesponnen,So daß die Menge staunend gaffen kann,Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen,Ihr seyd ein vielgeliebter Mann.Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen,Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!Solch ein Ragout es muß euch glücken;Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht,Das Publikum wird es euch doch zerpflücken.
Dichter
Ihr fühlet nicht wie schlecht ein solches Handwerk sey!Wie wenig das den ächten Künstler zieme!Der saubern Herren PfuschereyIst, merk’ ich, schon bey euch Maxime.
Director
Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt;Ein Mann, der recht zu wirken denkt,Muß auf das beste Werkzeug halten.Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu spalten,Und seht nur hin für wen ihr schreibt!Wenn diesen Langeweile treibt,Kommt jener satt vom übertischten Mahle,Und, was das allerschlimmste bleibt,Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;Die Damen geben sich und ihren Putz zum bestenUnd spielen ohne Gage mit.Was träumet ihr auf eurer Dichter-Höhe?Was macht ein volles Haus euch froh?Beseht die Gönner in der Nähe!Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.Was plagt ihr armen Thoren viel,Zu solchem Zweck, die holden Musen?Ich sag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr,So könnt ihr euch vom Ziele nie verirren,Sucht nur die Menschen zu verwirren,Sie zu befriedigen ist schwer —Was fällt euch an? Entzückung oder Schmerzen?
Dichter
Geh hin und such dir einen andern Knecht!Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,Um deinetwillen freventlich verscherzen!Wodurch bewegt er alle Herzen?Wodurch besiegt er jedes Element?Ist es der Einklang nicht? der aus dem Busen dringt,Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt.Wenn die Natur des Fadens ew’ge Länge,Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,Wenn aller Wesen unharmon’sche MengeVerdrießlich durch einander klingt;Wer theilt die fließend immer gleiche ReiheBelebend ab, daß sie sich rythmisch regt?Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe?Wo es in herrlichen Accorden schlägt,Wer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüthen?Das Abendroth im ernsten Sinne glühn?Wer schüttet alle schönen FrühlingsblütenAuf der Geliebten Pfade hin?Wer flicht die unbedeutend grünen BlätterZum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?Des Menschen Kraft im Dichter offenbart.
Lustige Person
So braucht sie denn die schönen KräfteUnd treibt die dicht’rischen Geschäfte,Wie man ein Liebesabenteuer treibt.Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibtUnd nach und nach wird man verflochten;Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,Man ist entzückt, nun kommt der Schmerzheran,Und eh man sich’s versieht ist’s eben einRoman.Laßt uns auch so ein Schauspiel geben!Greift nur hinein ins volle Menschenleben!Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt,Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant.In bunten Bildern wenig Klarheit,Viel Irrthum und ein Fünkchen Wahrheit,So wird der beste Trank gebraut,Der alle Welt erquickt und auferbaut.Dann sammelt sich der Jugend schönsteBlüteVor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,Dann sauget jedes zärtliche GemütheAus eurem Werk sich melanchol’scheNahrung;Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt,Ein jeder sieht was er im Herzen trägt.Noch sind sie gleich bereit zu weinen und zu lachen,Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,Ein Werdender wird immer dankbar seyn.
Dichter
So gieb mir auch die Zeiten wieder,Da ich noch selbst im Werden war,Da sich ein Quell gedrängter LiederUnunterbrochen neu gebar,Da Nebel mir die Welt verhüllten,Die Knospe Wunder noch versprach,Da ich die tausend Blumen brach,Die alle Thäler reichlich füllten.Ich hatte nichts und doch genug,Den Drang nach Wahrheit und dieLust am Trug.Gieb ungebändigt jene Triebe,Das tiefe schmerzenvolle Glück,Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,Gieb meine Jugend mir zurück!
Lustige Person
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfallsWenn dich in Schlachten Feinde drängen,Wenn mit Gewalt an deinen HalsSich allerliebste Mädchen hängen,Wenn fern des schnellen Laufes KranzVom schwer erreichten Ziele winket,Wenn nach dem heftgen WirbeltanzDie Nächte schmausend man vertrinket.Doch ins bekannte SaitenspielMit Muth und Anmuth einzugreifen,Nach einem selbgesteckten ZielMit holdem Irren hinzuschweifen,Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,Und wir verehren euch darum nicht minder.Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
Director
Der Worte sind genug gewechselt,Laßt mich auch endlich Thaten sehn;Indeß ihr Complimente drechselt,Kann etwas nützliches geschehn.Was hilft es viel von Stimmung reden?Dem Zaudernden erscheint sie nie.Gebt ihr euch einmal für Poeten,So kommandirt die Poesie.Euch ist bekannt was wir bedürfen,Wir wollen stark Getränke schlürfen;Nun braut mir unverzüglich dran!Was heute nicht geschieht, ist Morgen nicht gethan,Und keinen Tag soll man verpassen,Das Mögliche soll der EntschlußBeherzt sogleich beym Schopfe fassen,Er will es dann nicht fahren lassen,Und wirket weiter, weil er muß.Ihr wißt, auf unsern deutschen BühnenProbirt ein jeder was er mag;Drum schonet mir an diesem TagProspecte nicht und nicht Maschinen.Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,Die Sterne dürfet ihr verschwenden;An Wasser, Feuer, Felsenwänden,An Thier und Vögeln fehlt es nicht.So schreitet in dem engen BreterhausDen ganzen Kreis der Schöpfung aus,Und wandelt, mit bedächtger Schnelle,Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle.

Prolog im Himmel

Der Herr, die himmlischen Heerscharen, nachher Mephistopheles. Die drey Erzengel treten vor.

Raphael
Die Sonne tönt, nach alter Weise,In Brudersphären Wettgesang,Und ihre vorgeschriebne ReiseVollendet sie mit Donnergang.Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,Wenn keiner sie ergründen mag.Die unbegreiflich hohen WerkeSind herrlich wie am ersten Tag.
Gabriel
Und schnell und unbegreiflich schnelleDreht sich umher der Erde Pracht;Es wechselt Paradieses-HelleMit tiefer schauervoller Nacht;Es schäumt das Meer in breiten FlüssenAm tiefen Grund der Felsen auf,Und Fels und Meer wird fortgerissenIn ewig schnellem Sphärenlauf.
Michael
Und Stürme brausen um die WetteVom Meer aufs Land vom Land aufs Meer,Und bilden wüthend eine KetteDer tiefsten Wirkung rings umher.Da flammt ein blitzendes VerheerenDem Pfade vor des Donnerschlags.Doch deine Boten, Herr, verehrenDas sanfte Wandeln deines Tags.
Zu Drey
Der Anblick giebt den Engeln StärkeDa keiner dich ergründen mag,Und alle deine hohen WerkeSind herrlich wie am ersten Tag.
Mephistopheles
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahstUnd fragst wie alles sich bey uns befinde,Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;So siehst du mich auch unter dem Gesinde.Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;Mein Pathos brächte dich gewiß zum lachen,Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,Ich sehe nur wie sich die Menschen plagen.Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.Ein wenig besser würd’ er leben,Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;Er nennts Vernunft und braucht’s alleinNur thierischer als jedes Thier zu seyn.Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,Wie eine der langbeinigen Cicaden,Die immer fliegt und fliegend springtUnd gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;Und läg’ er nur noch immer in dem Grase!In jeden Quark begräbt er seine Nase.
Der Herr
Hast du mir weiter nichts zu sagen?Kommst du nur immer anzuklagen?Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
Mephistopheles
Nein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht.Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.
Der Herr
Kennst du den Faust?
Mephistopheles
Den Doctor?
Der Herr
Meinen Knecht!
Mephistopheles
Fürwahr! er dient euch auf besondre Weise.Nicht irdisch ist des Thoren Trank noch Speise.Ihn treibt die Gährung in die Ferne,Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,Und von der Erde jede höchste Lust,Und alle Näh’ und alle FerneBefriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Der Herr
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;So werd’ ich ihn bald in die Klarheit führen.Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,Daß Blüt’ und Frucht die künft’gen Jahre zieren.
Mephistopheles
Was wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren!Wenn ihr mir die Erlaubniß gebtIhn meine Straße sacht zu führen.
Der Herr
So lang’ er auf der Erde lebt,So lange sey dir’s nicht verboten.Es irrt der Mensch so lang er strebt.
Mephistopheles
Da dank’ ich euch; denn mit den TodtenHab’ ich mich niemals gern befangen.An meisten lieb’ ich mir die vollen frischen Wangen.Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
Der Herr
Nun gut, es sey dir überlassen!Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen,Auf deinem Wege mit herab,Und steh’ beschämt, wenn du bekennen mußt:Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange,Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Mephistopheles
Schon gut! nur dauert es nicht lange.Mir ist für meine Wette gar nicht bange.Wenn ich zu meinem Zweck gelange,Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust.Staub soll er fressen, und mit Lust,Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.
Der Herr
Du darfst auch da nur frey erscheinen;Ich habe deines gleichen nie gehaßt.Von allen Geistern die verneinenIst mir der Schalk am wenigsten zur Last.Des Menschen Thätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu,Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen.Doch ihr, die ächten Göttersöhne,Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken,Und was in schwankender Erscheinung schwebt,Befestiget mit dauernden Gedanken.

Der Himmel schließt, die Erzengel vertheilen sich.

Mephistopheles
allein.
Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern,Und hüte mich mit ihm zu brechen.Es ist gar hübsch von einem großen HerrnSo menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Erster Theil

Nacht

In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

Faust
Habe nun, ach! Philosophie,Juristerey und Medicin,Und leider auch Theologie!Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.Da steh’ ich nun, ich armer Thor!Und bin so klug als wie zuvor;Heiße Magister, heiße Doctor gar,Und ziehe schon an die zehen Jahr,Herauf, herab und quer und krumm,Meine Schüler an der Nase herum —Und sehe, daß wir nichts wissen können!Das will mir schier das Herz verbrennen.Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen,Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel —Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,Die Menschen zu bessern und zu bekehren.Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.Es möchte kein Hund so länger leben!Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,Ob mir durch Geistes Kraft und MundNicht manch Geheimniß würde kund;Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;Daß ich erkenne, was die WeltIm Innersten zusammenhält,Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.O sähst du, voller Mondenschein,Zum letztenmal auf meine Pein,Den ich so manche MitternachtAn diesem Pult herangewacht:Dann über Büchern und Papier,Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!Ach! könnt’ ich doch auf Berges-Höh’n,In deinem lieben Lichte gehn,Um Bergeshöle mit Geistern schweben,Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,Von allem Wissensqualm entladen,In deinem Thau gesund mich baden!Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!Wo selbst das liebe HimmelslichtTrüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.Beschränkt mit diesem Bücherhauf,Den Würme nagen, Staub bedeckt,Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,Ein angeraucht Papier umsteckt;Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,Mit Instrumenten vollgepfropft,Urväter Hausrath drein gestopft —Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!Und fragst du noch, warum dein HerzSich bang’ in deinem Busen klemmt?Warum ein unerklärter SchmerzDir alle Lebensregung hemmt?Statt der lebendigen Natur,Da Gott die Menschen schuf hinein,Umgiebt in Rauch und Moder nurDich Thiergeripp’ und Todtenbein.Flieh! auf! hinaus ins weite Land!Und dieß geheimnißvolle Buch,Von Nostradamus eigner Hand,Ist dir es nicht Geleit genug?Erkennest dann der Sterne Lauf,Und wenn Natur dich unterweist,Dann geht die Seelenkraft dir auf,Wie spricht ein Geist zum andern Geist.Umsonst, daß trocknes Sinnen hierDie heil’gen Zeichen dir erklärt,Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,Antwortet mir, wenn ihr mich hört!

Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.

Ha! welche Wonne fließt in diesem BlickAuf einmal mir durch alle meine Sinnen!Ich fühle junges, heil’ges LebensglückNeuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?Die mir das innre Toben stillen,Das arme Herz mit Freude füllen,Und mit geheimnißvollem Trieb,Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!Ich schau’ in diesen reinen ZügenDie wirkende Natur vor meiner Seele liegen.Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:«Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;«Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!«Auf bade, Schüler, unverdrossen,«Die ird’sche Brust im Morgenroth!«

Er beschaut das Zeichen.

Wie alles sich zum Ganzen webt,Eins in dem andern wirkt und lebt!Wie Himmelskräfte auf und nieder steigenUnd sich die goldnen Eimer reichen!Mit segenduftenden SchwingenVom Himmel durch die Erde dringen,Harmonisch all’ das All durchklingen!Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,An denen Himmel und Erde hängt,Dahin die welke Brust sich drängt —Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?

Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.

Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!Du, Geist der Erde, bist mir näher;Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,Mit Stürmen mich herumzuschlagen,Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,Es wölkt sich über mir —Der Mond verbirgt sein Licht —Die Lampe schwindet!Es dampft! – Es zucken rothe StrahlenMir um das Haupt – Es wehtEin Schauer vom Gewölb’ herabUnd faßt mich an!Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist.Enthülle dich!Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!Zu neuen GefühlenAll’ meine Sinnen sich erwühlen!Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!

Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.

Geist
Wer ruft mir?
Faust abgewendet
Schreckliches Gesicht!
Geist
Du hast mich mächtig angezogen,An meiner Sphäre lang’ gesogen,Und nun —
Faust
Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Geist
Du flehst erathmend mich zu schauen,Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,Da bin ich! – Welch erbärmlich GrauenFaßt Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf,Und trug und hegte; die mit FreudebebenErschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.Wo bist du, Faust? deß Stimme mir erklang,Der sich an mich mit allen Kräften drang?Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert,In allen Lebenstiefen zittert,Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Faust
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen!
Geist
In Lebensfluthen, im ThatensturmWall’ ich auf und ab,Webe hin und her!Geburt und Grab,Ein ewiges Meer,Ein wechselnd Weben,Ein glühend Leben,So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Faust
Der du die weite Welt umschweifst,Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!
Geist
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,Nicht mir!

Verschwindet.

Faust zusammenstürzend
Nicht dir!Wem denn?Ich Ebenbild der Gottheit!Und nicht einmal dir!

Es klopft.

O Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus —Es wird mein schönstes Glück zu nichte!Daß diese Fülle der GesichteDer trockne Schleicher stören muß!

Wagner im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.

Wagner
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,Denn heut zu Tage wirkt das viel.Ich hab’ es öfters rühmen hören,Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Faust
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
Faust
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’snicht erjagen,Wenn es nicht aus der Seele dringt,Und mit urkräftigem BehagenDie Herzen aller Hörer zwingt.Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,Braut ein Ragout von andrer Schmaus,Und blas’t die kümmerlichen FlammenAus eurem Aschenhäufchen ’raus!Bewund’rung von Kindern und Affen,Wenn euch darnach der Gaumen steht;Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,Wenn es euch nicht von Herzen geht.
Wagner
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust
Such’ Er den redlichen Gewinn!Sey er kein schellenlauter Thor!Es trägt Verstand und rechter SinnMit wenig Kunst sich selber vor;Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,Ist’s nöthig Worten nachzujagen?Ja, eure Reden, die so blinkend sind,In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,Sind unerquicklich wie der Nebelwind,Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Wagner
Ach Gott! die Kunst ist lang;Und kurz ist unser Leben.Mir wird, bey meinem kritischen Bestreben,Doch oft um Kopf und Busen bang’.Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,Durch die man zu den Quellen steigt!Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,Muß wohl ein armer Teufel sterben.
Faust
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?Erquickung hast du nicht gewonnen,Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Wagner
Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust
O ja, bis an die Sterne weit!Mein Freund, die Zeiten der VergangenheitSind uns ein Buch mit sieben Siegeln.Was ihr den Geist der Zeiten heißt,Das ist im Grund der Herren eigner Geist,In dem die Zeiten sich bespiegeln.Da ist’s dann wahrlich oft ein Jammer!Man läuft euch bey dem ersten Blick davon.Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!
Wagner
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust
Ja was man so erkennen heißt!Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?Die wenigen, die was davon erkannt,Die thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,Wir müssen’s dießmal unterbrechen.
Wagner
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.Doch Morgen, als am ersten Ostertage,Erlaubt mir ein’ und andre Frage.Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen,Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.

ab.

Faust allein
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,Der immerfort an schalem Zeuge klebt,Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!Darf eine solche Menschenstimme hier,Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.Du rissest mich von der Verzweiflung los,Die mir die Sinne schon zerstören wollte.Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schonGanz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,Und abgestreift den Erdensohn;Ich, mehr als Cherub, dessen freye KraftSchon durch die Adern der Natur zu fließenUnd, schaffend, Götterleben zu genießenSich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.In jenem sel’gen AugenblickeIch fühlte mich so klein, so groß,Du stießest grausam mich zurücke,Ins ungewisse Menschenloos.Wer lehret mich? was soll ich meiden?Soll ich gehorchen jenem Drang?Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,Sie hemmen unsres Lebens Gang.Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.Die uns das Leben gaben, herrliche GefühleErstarren in dem irdischen Gewühle.Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug,Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,Dort wirket sie geheime Schmerzen,Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;Du bebst vor allem was nicht trifft,Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;Den, wie er sich im Staube nährend lebt,Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,Aus hundert Fächern, mir verenget;Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,In dieser Mottenwelt mich dränget?Hier soll ich finden was mir fehlt?Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,Daß überall die Menschen sich gequält,Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? —Was grinsest du mir hohler Schädel her?Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.Ihr Instrumente freylich, spottet mein,Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.Geheimnißvoll am lichten TagLäßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.Du alte Rolle, du wirst angeraucht,So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!Was du ererbt von deinen Vätern hastErwirb es, um es zu besitzen.Was man nicht nützt ist eine schwere Last,Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?Warum wird mir auf einmal lieblich helle?Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.Ich grüße dich, du einzige Phiole!Die ich mit Andacht nun herunterhole,In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,Erweise deinem Meister deine Gunst!Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,An mich heran! Ich fühle mich bereitAuf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?Ja, kehre nur der holden ErdensonneEntschlossen deinen Rücken zu!Vermesse dich die Pforten aufzureißen,Vor denen jeder gern vorüber schleicht.Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen,Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,Nach jenem Durchgang hinzustreben,Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließenUnd, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.Nun komm herab, krystallne reine Schaale!Hervor aus deinem alten Futterale,An die ich viele Jahre nicht gedacht.Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,Erheitertest die ernsten Gäste,Wenn einer dich dem andern zugebracht.Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.Den ich bereitet, den ich wähle,Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!

Er setzt die Schaale an den Mund.

Glockenklang und Chorgesang.

Chor der Engel
Christ ist erstanden!Freude dem Sterblichen,Den die verderblichen,Schleichenden, erblichenMängel umwanden.
Faust
Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton,Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?Verkündiget ihr dumpfen Glocken schonDes Osterfestes erste Feyerstunde?Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,Gewißheit einem neuen Bunde.
Chor der Weiber
Mit SpezereyenHatten wir ihn gepflegt,Wir seine TreuenHatten ihn hingelegt;Tücher und BindenReinlich umwanden wir,Ach! und wir findenChrist nicht mehr hier.
Chor der Engel
Christ ist erstanden!Selig der Liebende,Der die Betrübende,Heilsam’ und übendePrüfung bestanden.
Faust
Was sucht ihr, mächtig und gelind,Ihr Himmelstöne mich am Staube?Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der GlaubeDas Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,Woher die holde Nachricht tönt;Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe KußAuf mich herab, in ernster Sabathstille;Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,Und ein Gebet war brünstiger Genuß;Ein unbegreiflich holdes SehnenTrieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,Und unter tausend heißen Thränen,Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,Der Frühlingsfeyer freyes Glück;Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,Vom letzten, ernsten Schritt zurück.O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
Chor der Jünger
Hat der BegrabeneSchon sich nach oben,Lebend Erhabene,Herrlich erhoben;Ist er in WerdelustSchaffender Freude nah;Ach! an der Erde Brust,Sind wir zum Leide da.Ließ er die SeinenSchmachtend uns hier zurück;Ach! wir beweinenMeister dein Glück!
Chor der Engel
Christ ist erstanden,Aus der Verwesung Schoos.Reißet von BandenFreudig euch los!Thätig ihn preisenden,Liebe beweisenden,Brüderlich speisenden,Predigend reisenden,Wonne verheißendenEuch ist der Meister nah’,Euch ist er da!

Vor dem Thor

Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.

Einige Handwerksbursche
Warum denn dort hinaus?
Andre
Wir gehn hinaus auf’s Jägerhaus.
Die Ersten
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.
Ein Handwerksbursch
Ich rath’ euch nach dem Wasserhof zu gehn.
Zweyter
Der Weg dahin ist gar nicht schön.
Die Zweyten
Was thust denn du?
Ein Dritter
Ich gehe mit den andern.
Vierter
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihrDie schönsten Mädchen und das beste Bier,Und Händel von der ersten Sorte.
Fünfter
Du überlustiger Gesell,Juckt dich zum drittenmal das Fell?Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
Dienstmädchen
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.
Andre
Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln stehen.
Erste
Das ist für mich kein großes Glück;Er wird an deiner Seite gehen,Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.Was gehn mich deine Freuden an!
Andre
Heut ist er sicher nicht allein,Der Krauskopf, sagt er, würde bey ihm seyn.
Schüler
Blitz wie die wackern Dirnen schreiten!Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.Ein starkes Bier, ein beizender Toback,Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.
Bürgermädchen
Da sieh mir nur die schönen Knaben!Es ist wahrhaftig eine Schmach,Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,Und laufen diesen Mägden nach!
Zweyter Schüler zum ersten
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwey,Sie sind gar niedlich angezogen,’s ist meine Nachbarin dabey;Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.Sie gehen ihren stillen SchrittUnd nehmen uns doch auch am Ende mit.
Erster
Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.Geschwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren.Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,Wird Sontags dich am besten caressiren.
Bürger
Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.Und für die Stadt was thut denn er?Wird es nicht alle Tage schlimmer?Gehorchen soll man mehr als immer,Und zahlen mehr als je vorher.
Bettler singt
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,So wohlgeputzt und backenroth,Belieb’ es euch mich anzuschauen,Und seht und mildert meine Noth!Laßt hier mich nicht vergebens leyern!Nur der ist froh, der geben mag.Ein Tag den alle Menschen feyern,Er sey für mich ein Aerndetag.
Andrer Bürger
Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey,Wenn hinten, weit, in der Türkey,Die Völker auf einander schlagen.Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen ausUnd sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;Dann kehrt man Abends froh nach Haus,Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.
Dritter Bürger
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,Sie mögen sich die Köpfe spalten,Mag alles durch einander gehn;Doch nur zu Hause bleib’s beym Alten.
Alte zu den Bürgermädchen
Ey! wie geputzt! das schöne junge Blut!Wer soll sich nicht in euch vergaffen? —Nur nicht so stolz! es ist schon gut!Und was ihr wünscht das wüßt’ ich wohl zu schaffen.
Bürgermädchen
Agathe fort! ich nehme mich in AchtMit solchen Hexen öffentlich zu gehen;Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,Den künftgen Liebsten leiblich sehen.
Die Andre
Mir zeigte sie ihn im Krystall,Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,Allein mir will er nicht begegnen.
Soldaten
Burgen mit hohenMauern und Zinnen,Mädchen mit stolzenHöhnenden SinnenMöcht’ ich gewinnen!Kühn ist das Mühen,Herrlich der Lohn!Und die TrompeteLassen wir werben,Wie zu der Freude,So zum Verderben.Das ist ein Stürmen!Das ist ein Leben!Mädchen und BurgenMüssen sich geben.Kühn ist das Mühen,Herrlich der Lohn!Und die SoldatenZiehen davon.

Faust und Wagner.

Faust
Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;Der alte Winter, in seiner Schwäche,Zog sich in rauhe Berge zurück.Von dorther sendet er, fliehend, nurOhnmächtige Schauer körnigen EisesIn Streifen über die grünende Flur;Aber die Sonne duldet kein Weißes,Ueberall regt sich Bildung und Streben,Alles will sie mit Farben beleben;Doch an Blumen fehlts im Revier,Sie nimmt geputzte Menschen dafür.Kehre dich um, von diesen HöhenNach der Stadt zurück zu sehen.Aus dem hohlen finstren ThorDringt ein buntes Gewimmel hervor.Jeder sonnt sich heute so gern.Sie feyern die Auferstehung des Herrn,Denn sie sind selber auferstanden,Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,Aus der Straßen quetschender Enge,Aus der Kirchen ehrwürdiger NachtSind sie alle ans Licht gebracht.Sieh nur sieh! wie behend sich die MengeDurch die Gärten und Felder zerschlägt,Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,So manchen lustigen Nachen bewegt,Und, bis zum Sinken überladenEntfernt sich dieser letzte Kahn.Selbst von des Berges fernen PfadenBlinken uns farbige Kleider an.Ich höre schon des Dorfs Getümmel,Hier ist des Volkes wahrer Himmel,Zufrieden jauchzet groß und klein:Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.
Wagner
Mit euch, Herr Doctor, zu spazierenIst ehrenvoll und ist Gewinn;Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,Ist mir ein gar verhaßter Klang;Sie toben wie vom bösen Geist getriebenUnd nennen’s Freude, nennen’s Gesang.
Bauern

unter der Linde. Tanz und Gesang.

Der Schafer putzte sich zum Tanz,Mit bunter Jacke, Band und Kranz,Schmuck war er angezogen.Schon um die Linde war es vollUnd alles tanzte schon wie toll.Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!So ging der Fiedelbogen.Er druckte hastig sich heran,Da stieß er an ein Madchen an,Mit seinem Ellenbogen;Die frische Dirne kehrt sich umUnd sagte: nun das find’ ich dummJuchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Seyd nicht so ungezogen.Doch hurtig in dem Kreise ging’s,Sie tanzten rechts sie tanzten linksUnd alle Röcke flogen.Sie wurden roth, sie wurden warmUnd ruhten athmend Arm in Arm,Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Und Hüft’ an Ellenbogen.Und thu mir doch nicht so vertraut!Wie mancher hat nicht seine BrautBelogen und betrogen!Er schmeichelte sie doch bey Seit’Und von der Linde scholl es weit:Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Geschrei und Fiedelbogen.
Alter Bauer
Herr Doctor, das ist schön von euch,Daß ihr uns heute nicht verschmäht,Und unter dieses Volksgedräng’,Als ein so Hochgelahrter, geht.So nehmet auch den schönsten Krug,Den wir mit frischem Trunk gefüllt,Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,Daß er nicht nur den Durst euch stillt;Die Zahl der Tropfen, die er hegt,Sey euren Tagen zugelegt.
Faust
Ich nehme den Erquickungs-Trank,Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.

Alter Bauer
Fürwahr es ist sehr wohl gethan,Daß ihr am frohen Tag erscheint;Habt ihr es vormals doch mit unsAn bösen Tagen gut gemeynt!Gar mancher steht lebendig hier,Den euer Vater noch zuletztDer heißen Fieberwuth entriß,Als er der Seuche Ziel gesetzt.Auch damals ihr, ein junger Mann,Ihr gingt in jedes Krankenhaus,Gar manche Leiche trug man fort,Ihr aber kamt gesund heraus,Bestandet manche harte Proben;Dem Helfer half der Helfer droben.
Alle
Gesundheit dem bewährten Mann,Daß er noch lange helfen kann!
Faust
Vor jenem droben steht gebückt,Der helfen lehrt und Hülfe schickt.

Er geht mit Wagnern weiter.

Wagner
Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!Bey der Verehrung dieser Menge haben!O! glücklich! wer von seinen GabenSolch einen Vortheil ziehen kann.Der Vater zeigt dich seinem Knaben,Ein jeder fragt und drängt und eilt,Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.Du gehst, in Reihen stehen sie,Die Mützen fliegen in die Höh’;Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,Als käm’ das Venerabile.
Faust
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.Hier saß ich oft gedankenvoll alleinUnd quälte mich mit Beten und mit Fasten.An Hoffnung reich, im Glauben fest,Mit Thränen, Seufzen, HänderingenDacht’ ich das Ende jener PestVom Herrn des Himmels zu erzwingen.Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.O könntest du in meinem Innern lesen,Wie wenig Vater und SohnSolch eines Ruhmes werth gewesen!Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,Der über die Natur und ihre heilgen Kreise,In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,Mit grillenhafter Mühe sann.Der, in Gesellschaft von Adepten,Sich in die schwarze Küche schloß,Und, nach unendlichen Recepten,Das Widrige zusammengoß.Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer,Im lauen Bad, der Lilie vermähltUnd beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,Aus einem Brautgemach ins andere gequält.Erschien darauf, mit bunten Farben,Die junge Königin im Glas,Hier war die Arzeney, die Patienten starben,Und niemand fragte: wer genas?So haben wir, mit höllischen Latwergen,In diesen Thälern, diesen Bergen,Weit schlimmer als die Pest getobt.Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,Sie welkten hin, ich muß erlebenDaß man die frechen Mörder lobt.
Wagner
Wie könnt ihr euch darum betrüben!Thut nicht ein braver Mann genug;Die Kunst, die man ihm übertrug,Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,So wirst du gern von ihm empfangen;Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
Faust
O! glücklich! wer noch hoffen kannAus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen.Was man nicht weiß das eben brauchte man,Und was man weiß kann man nicht brauchen.Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!Betrachte wie, in Abendsonne-Glut,Die grünumgebnen Hütten schimmern.Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,Ihr nach und immer nach zu streben.Ich säh’ im ewigen AbendstrahlDie stille Welt zu meinen Füßen,Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,Den Silberbach in goldne Ströme fließen.Nicht hemmte dann den göttergleichen LaufDer wilde Berg mit allen seinen Schluchten;Schon thut das Meer sich mit erwärmten BuchtenVor den erstaunten Augen auf.Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;Allein der neue Trieb erwacht,Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leichtKein körperlicher Flügel sich gesellen.Doch ist es jedem eingeboren,Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,Wenn über uns, im blauen Raum verloren,Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;Wenn über schroffen FichtenhöhenDer Adler ausgebreitet schwebt,Und über Flächen, über Seen,Der Kranich nach der Heimat strebt.
Wagner
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!Da werden Winternächte hold und schön,Ein selig Leben wärmet alle Glieder,Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
Faust
Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,O lerne nie den andern kennen!Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,Die eine will sich von der andern trennen;Die eine hält, in derber Liebeslust,Sich an die Welt, mit klammernden Organen;Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust,Zu den Gefilden hoher Ahnen.O giebt es Geister in der Luft,Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,So steiget nieder aus dem goldnen DuftUnd führt mich weg, zu neuem buntem Leben!Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!Und trüg’ er mich in fremde Länder,Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder,Nicht feil um einen Königsmantel seyn.
Wagner
Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet,Dem Menschen tausendfältige Gefahr,Von allen Enden her, bereitet.Von Norden dringt der scharfe GeisterzahnAuf dich herbey, mit pfeilgespitzten Zungen;Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,Und nähren sich von deinen Lungen;Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,Und lispeln englisch, wenn sie lügen.Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!Am Abend schätzt man erst das Haus. —Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?
Faust
Siehst du den schwarzen Hund durch Saatund Stoppel streifen?
Wagner
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
Faust
Betracht’ ihn recht! für was hältst du das Thier?
Wagner
Für einen Pudel, der auf seine WeiseSich auf der Spur des Herren plagt.
Faust
Bemerkst du, wie in weitem SchneckenkreiseEr um uns her und immer näher jagt?Und irr’ ich nicht, so zieht ein FeuerstrudelAuf seinen Pfaden hinterdrein.
Wagner
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel,Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn.
Faust
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen,Zu künft’gem Band, um unsre Füße zieht.
Wagner
Ich seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,Weil er, statt seines Herrn, zwey Unbekannte sieht.
Faust
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
Wagner
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,Er wedelt. Alles Hunde Brauch.
Faust
Geselle dich zu uns! Komm hier!
Wagner
Es ist ein pudelnärrisch Thier.Du stehest still, er wartet auf;Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;Verliere was, er wird es bringen,Nach deinem Stock ins Wasser springen.
Faust
Du hast wohl recht, ich finde nicht die SpurVon einem Geist, und alles ist Dressur.
Wagner
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,Wird selbst ein weiser Mann gewogen.Ja deine Gunst verdient er ganz und garEr, der Studenten trefflicher Scolar.

Sie gehen in das Stadt-Thor.

Studirzimmer

Faust mit dem Pudel hereintretend.

Faust
Verlassen hab’ ich Feld und Auen,Die eine tiefe Nacht bedeckt,Mit ahndungsvollem heil’gem GrauenIn uns die bessre Seele weckt.Entschlafen sind nun wilde Triebe,Mit jedem ungestümen Thun;Es reget sich die Menschenliebe,Die Liebe Gottes regt sich nun.Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!An der Schwelle was schnoperst du hier?Lege dich hinter den Ofen nieder,Mein bestes Kissen geb’ ich dir.Wie du draußen auf dem bergigen Wege,Durch Rennen und Springen, ergetzt uns hast,So nimm nun auch von mir die Pflege,Als ein willkommner stiller Gast.Ach wenn in unsrer engen ZelleDie Lampe freundlich wieder brennt,Dann wird’s in unserm Busen helle,Im Herzen, das sich selber kennt.Vernunft fängt wieder an zu sprechen,Und Hoffnung wieder an zu blühn,Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,Ach! nach des Lebens Quelle hin.Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen,Will der thierische Laut nicht passen.Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnenWas sie nicht verstehn,Daß sie vor dem Guten und Schönen,Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;Will es der Hund, wie sie, beknurrenAber ach! schon fühl’ ich, bey dem besten Willen,Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.Aber warum muß der Strom so bald versiegen,Und wir wieder im Durste liegen?Davon hab’ ich so viel Erfahrung.Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,Wir lernen das Ueberirdische schätzen,Wir sehnen uns nach Offenbarung,Die nirgends würd’ger und schöner brennt,Als in dem neuen Testament.Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen,Mit redlichem Gefühl einmalDas heilige OriginalIn mein geliebtes Deutsch zu übertragen.

Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.

Geschrieben steht: „im Anfang war das Wort!”Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,Ich muß es anders übersetzen,Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.Bedenke wohl die erste Zeile,Daß deine Feder sich nicht übereile!Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.Mir hilft der Geist! auf einmal seh’ ich RathUnd schreibe getrost: im Anfang war die That!Soll ich mit dir das Zimmer theilen,Pudel, so laß das Heulen,So laß das Bellen!Solch einen störenden GesellenMag ich nicht in der Nähe leiden.Einer von uns beydenMuß die Zelle meiden.Ungern heb’ ich das Gastrecht auf,Die Thür’ ist offen, hast freyen Lauf.Aber was muß ich sehen!Kann das natürlich geschehen?Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?Wie wird mein Pudel lang und breit!Er hebt sich mit Gewalt,Das ist nicht eines Hundes Gestalt!Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus!Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.O! du bist mir gewiß!Für solche halbe HöllenbrutIst Salomonis Schlüssel gut.
Geister auf dem Gange
Drinnen gefangen ist einer!Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!Wie im Eisen der Fuchs,Zagt ein alter Höllenluchs.Aber gebt Acht!Schwebet hin, schwebet wieder,Auf und nieder,Und er hat sich losgemacht.Könnt ihr ihm nützen,Laßt ihn nicht sitzen!Denn er that uns allenSchon viel zu Gefallen.
Faust
Erst zu begegnen dem Thiere,Brauch’ ich den Spruch der Viere:Salamander soll glühen,Undene sich winden,Silphe verschwinden,Kobold sich mühen.Wer sie nicht kennteDie Elemente,Ihre KraftUnd Eigenschaft,Wäre kein MeisterUeber die Geister.Verschwind’ in FlammenSalamander!Rauschend fließe zusammenUndene!Leucht’ in Meteoren-SchöneSilphe!Bring’ häußliche HülfeIncubus! incubus!Tritt hervor und mache den Schluß.Keines der ViereSteckt in dem Thiere.Es liegt ganz ruhig und grins’t mich an,Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan.Du sollst mich hörenStärker beschwören.Bist du GeselleEin Flüchtling der Hölle?So sieh dies Zeichen!Dem sie sich beugenDie schwarzen Schaaren.Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.Verworfnes Wesen!Kannst du ihn lesen?Den nie entsprossnen,Unausgesprochnen,Durch alle Himmel gegossnen,Freventlich durchstochnen.Hinter den Ofen gebanntSchwillt es wie ein Elephant,Den ganzen Raum füllt es an,Es will zum Nebel zerfließen.Steige nicht zur Decke hinan!Lege dich zu des Meisters Füßen!Du siehst daß ich nicht vergebens drohe.Ich versenge dich mit heiliger Lohe!Erwarte nichtDas dreymal glühende Licht!Erwarte nichtDie stärkste von meinen Künsten!

Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.

Mephistopheles
Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
Faust
Das also war des Pudels Kern!Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.
Mephistopheles
Ich salutire den gelehrten Herrn!Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
Faust
Wie nennst du dich?
Mephistopheles
Die Frage scheint mir klein,Für einen der das Wort so sehr verachtet,Der, weit entfernt von allem Schein,Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
Faust
Bey euch, ihr Herrn, kann man das WesenGewöhnlich aus dem Namen lesen,Wo es sich allzudeutlich weis’t,Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.Nun gut wer bist du denn?
Mephistopheles
Ein Theil von jener Kraft,Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Faust
Was ist mit diesem Räthselwort gemeynt?
Mephistopheles
Ich bin der Geist der stets verneint!Und das mit Recht; denn alles was entstehtIst werth daß es zu Grunde geht;Drum besser wär’s daß nichts entstünde.So ist denn alles was ihr Sünde,Zerstörung, kurz das Böse nennt,Mein eigentliches Element.
Faust
Du nennst dich einen Theil, und stehst doch ganz vor mir?
Mephistopheles
Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir.Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,Gewöhnlich für ein Ganzes hält;Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war,Ein Theil der Finsterniß, die sich das Licht gebar,Das stolze Licht, das nun der Mutter NachtDen alten Rang, den Raum ihr streitig macht,Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt,Verhaftet an den Körpern klebt.Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange,So, hoff’ ich, dauert es nicht langeUnd mit den Körpern wird’s zu Grunde gehn.
Faust
Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten!Du kannst im Großen nichts vernichtenUnd fängst es nun im Kleinen an.
Mephistopheles
Und freylich ist nicht viel damit gethan.Was sich dem Nichts entgegenstellt,Das Etwas, diese plumpe Welt,So viel als ich schon unternommenIch wußte nicht ihr beyzukommen,Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand,Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menschenbrut,Dem ist nun gar nichts anzuhaben,Wie viele hab’ ich schon begraben!Und immer zirkulirt ein neues, frisches Blut.So geht es fort, man möchte rasend werden!Der Luft, dem Wasser, wie der ErdenEntwinden tausend Keime sich,Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten;Ich hätte nichts apart’s für mich.
Faust
So setzest du der ewig regen,Der heilsam schaffenden GewaltDie kalte Teufelsfaust entgegen,Die sich vergebens tückisch ballt!Was anders suche zu beginnenDes Chaos wunderlicher Sohn!
Mephistopheles
Wir wollen wirklich uns besinnen,Die nächstenmale mehr davon!Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen?
Faust
Ich sehe nicht warum du fragst.Ich habe jetzt dich kennen lernen,Besuche nun mich wie du magst.Hier ist das Fenster, hier die Thüre,Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
Mephistopheles
Gesteh’ ichs nur! daß ich hinausspaziereVerbietet mir ein kleines Hinderniß,Der Drudenfuß auf eurer Schwelle —
Faust
Das Pentagramma macht dir Pein?Ey sage mir, du Sohn der Hölle,Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?Wie ward ein solcher Geist betrogen?
Mephistopheles
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen;Der eine Winkel, der nach außen zu,Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
Faust
Das hat der Zufall gut getroffen!Und mein Gefangner wärst denn du?Das ist von ohngefähr gelungen!
Mephistopheles
Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen,Die Sache sieht jetzt anders aus;Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
Faust
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
Mephistopheles
’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.Das erste steht uns frey, beym zweyten sind wir Knechte.
Faust
Die Hölle selbst hat ihre Rechte?Das find’ ich gut, da ließe sich ein Packt,Und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen?
Mephistopheles
Was man verspricht, das sollst du rein genießen,Dir wird davon nichts abgezwackt.Doch das ist nicht so kurz zu fassen,Und wir besprechen das zunächst;Doch jetzo bitt’ ich, hoch und höchst,Für diesesmal mich zu entlassen.
Faust
So bleibe doch noch einen Augenblick,Um mir erst gute Mähr zu sagen.
Mephistopheles
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück,Dann magst du nach Belieben fragen.
Faust
Ich habe dir nicht nachgestellt,Bist du doch selbst ins Garn gegangen.Den Teufel halte wer ihn hält!Er wird ihn nicht sobald zum zweytenmale fangen.
Mephistopheles
Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereitDir zur Gesellschaft hier zu bleiben;Doch mit Bedingniß, dir die Zeit,Durch meine Künste, würdig zu vertreiben.
Faust
Ich seh’ es gern, das steht dir frey;Nur daß die Kunst gefällig sey!
Mephistopheles
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,In dieser Stunde mehr gewinnen,Als in des Jahres Einerley.Was dir die zarten Geister singen,Die schönen Bilder die sie bringen,Sind nicht ein leeres Zauberspiel.Auch dein Geruch wird sich ergetzen,Dann wirst du deinen Gaumen letzen,Und dann entzückt sich dein Gefühl.Bereitung braucht es nicht voran,Beysammen sind wir, fanget an!
Geister
Schwindet ihr dunkelnWölbungen droben!Reizender schaue,Freundlich, der blaueAether herein!Wären die dunkelnWolken zerronnen!Sternelein funkeln,Mildere SonnenScheinen darein.Himmlischer SöhneGeistige Schöne,Schwankende BeugungSchwebet vorüber.Sehnende NeigungFolget hinüber;Und der GewänderFlatternde BänderDecken die Länder,Decken die Laube,Wo sich für’s Leben,Tief in Gedanken,Liebende geben.Laube bey Laube!Sprossende Ranken!Lastende TraubeStürzt in’s BehälterDrängender Kelter,Stürzen in BächenSchäumende Weine,Rieseln durch reine,Edle Gesteine,Lassen die HöhenHinter sich liegen,Breiten zu SeenSich ums GenügenGrünender Hügel.Und das GeflügelSchlürfet sich Wonne,Flieget der Sonne,Flieget den hellenInseln entgegen,Die sich auf WellenGauklend bewegen;Wo wir in ChörenJauchzende hören,Ueber den AuenTanzende schauen,Die sich im FreyenAlle zerstreuen.Einige glimmenUeber die Höhen,Andere schwimmenUeber die Seen,Andere schweben;Alle zum Leben,Alle zur FerneLiebender SterneSeliger Huld.
Mephistopheles
Er schläft! So recht, ihr luft’gen, zarten Jungen!Ihr habt ihn treulich eingesungen!Für dies Concert bin ich in eurer Schuld.Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu halten!Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspaltenBedarf ich eines Rattenzahns.Nicht lange brauch’ ich zu beschwören,Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.Der Herr der Ratten und der Mäuse,Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse,Befiehlt dir dich hervor zu wagenUnd diese Schwelle zu benagen,So wie er sie mit Oel betupft —Da kommst du schon hervorgehupft!Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,Sie sitzt ganz vornen an der Kante.Noch einen Biß, so ist’s geschehn. —Nun Fauste träume fort, bis wir uns wiedersehn.
Faust erwachend
Bin ich denn abermals betrogen?Verschwindet so der geisterreiche Drang?Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,Und daß ein Pudel mir entsprang.

Studirzimmer

Faust. Mephistopheles.

Faust
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Mephistopheles
Ich bin’s.
Faust
Herein!
Mephistopheles
Du mußt es dreymal sagen.
Faust
Herein denn!
Mephistopheles
So gefällst du mir.Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;Denn dir die Grillen zu verjagenBin ich, als edler Junker, hier,In rothem goldverbrämten Kleide,Das Mäntelchen von starrer Seide,Die Hahnenfeder auf dem Hut,Mit einem langen, spitzen Degen,Und rathe nun dir, kurz und gut,Dergleichen gleichfalls anzulegen;Damit du, losgebunden, frey,Erfahrest was das Leben sey.
Faust
In jedem Kleide werd’ ich wohl die PeinDes engen Erdelebens fühlen.Ich bin zu alt, um nur zu spielen,Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.Was kann die Welt mir wohl gewähren?Entbehren sollst du! sollst entbehren!Das ist der ewige Gesang,Der jedem an die Ohren klingt,Den, unser ganzes Leben lang,Uns heiser jede Stunde singt.Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf,Ich möchte bittre Thränen weinen,Den Tag zu sehn, der mir in seinem LaufNicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,Der selbst die Ahndung jeder LustMit eigensinnigem Krittel mindert,Die Schöpfung meiner regen BrustMit tausend Lebensfratzen hindert.Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,Mich ängstlich auf das Lager strecken,Auch da wird keine Rast geschenkt,Mich werden wilde Träume schrecken.Der Gott, der mir im Busen wohnt,Kann tief mein Innerstes erregen,Der über allen meinen Kräften thront,Er kann nach außen nichts bewegen;Und so ist mir das Daseyn eine Last,Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
Mephistopheles
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
Faust
O seelig der! dem er im SiegesglanzeDie blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,Den er, nach rasch durchras’tem Tanze,In eines Mädchens Armen findet.O wär’ ich vor des hohen Geistes KraftEntzückt, entseelt dahin gesunken!
Mephistopheles
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
Faust
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.
Mephistopheles
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
Faust
Wenn aus dem schrecklichen GewühleEin süß bekannter Ton mich zog,Den Rest von kindlichem GefühleMit Anklang froher Zeit betrog;So fluch’ ich allem was die SeeleMit Lock- und Gaukelwerk umspannt,Und sie in diese TrauerhöleMit Blend- und Schmeichelkräften bannt!Verflucht voraus die hohe Meinung,Womit der Geist sich selbst umfängt!Verflucht das Blenden der Erscheinung,Die sich an unsre Sinne drängt!