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Eine Party in der unheimlichen Fear-Street-Villa? Terry und seine Freundin Niki sind begeistert! Merkwürdig bloß, dass Justine ausgerechnet sie eingeladen hat. Aber nicht nur die Gästeliste macht die beiden misstrauisch. Auch die Partyspiele, die Justine sich ausgedacht hat, sind ganz schön schauerlich. Terry und Niki ahnen nicht, dass Justine eine uralte Rechnung offen hat ... Der Horror-Klassiker endlich auch als eBook! Mit dem Grauen in der Fear Street sorgt Bestsellerautor R. L. Stine für ordentlich Gänsehaut und bietet reichlich Grusel-Spaß für Leser ab 12 Jahren. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!
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Seitenzahl: 192
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1
Der Grabstein zeichnete sich grau gegen das helle Mondlicht ab. Seine Kanten waren zu bizarren Formen verwittert, und dicke Moospolster bedeckten die eingemeißelten Worte auf seiner Oberfläche – nur die unterste Zeile war deutlich zu lesen:
GESTORBEN AM 31. OKTOBER 1884
Terry Ryan wollte möglichst schnell an dem alten Grabmal vorbeigehen, aber seine Freundin, Niki Meyer, zog an seiner Hand, um ihn zurückzuhalten. „Schau doch mal, Terry“, flüsterte sie. „Der Mensch, der in diesem Grab liegt, ist genau heute vor über hundert Jahren gestorben.“
Niki trat ein Stück näher. Ihre Taschenlampe warf einen schwachen gelben Lichtstrahl auf den verwitterten Grabstein. Terry fröstelte und zog sich sein Jackett enger um die Schultern. Das Heulen des Windes, der über den Friedhof fegte, klang wie das Gejammer eines Wesens, das schon lange tot war. Irgendwo ganz in der Nähe kratzte etwas mit unheimlichen, rasselnden Geräuschen über Stein.
„Ich kann’s einfach nicht fassen, dass ich mich mitten in der Nacht auf dem Fear-Street-Friedhof rumtreibe“, dachte Terry. Er griff nach Nikis Hand und drückte sie sanft. Als sie sich zu ihm herumdrehte, glänzten ihre schönen dunklen Augen vor Aufregung. In dem roten Abendkleid und dem schwarzen Cape sah sie aus wie eine mittelalterliche Prinzessin.
„Ich würde zu gerne wissen, wer all diese Leute gewesen sind“, sagte Niki nachdenklich und zeigte auf die verwitterten Grabsteine.
„Wahrscheinlich die ersten Siedler, die sich in Shadyside niedergelassen haben“, meinte Terry. „Auf diesem Friedhof ist jedenfalls schon seit Ewigkeiten niemand mehr begraben worden.“
„Es ist ziemlich unheimlich hier“, fand Niki. „Aber irgendwie auch schön. Was glaubst du – wie sind wohl all die Gruselgeschichten über Friedhöfe entstanden? Du weißt schon, über lebende Tote, die wieder aus ihren Gräbern kommen und so.“
„Das sind doch nur Geschichten“, schnaubte Terry abfällig. „Komm, lass uns jetzt gehen!“
Der Wind blies inzwischen in heftigen Böen, und Terry bemerkte, dass Niki in ihrem dünnen Cape fröstelte. Sie gingen weiter, und Terry bog in einen schmalen, unkrautüberwucherten Weg ein, der zwischen den alten Gräbern hindurchführte. Bei jedem Schritt knackte der Boden unter ihren Füßen – ein Geräusch, das an brechende Knochen erinnerte. Der Wind fegte kreischend über sie hinweg und zerrte an den Zweigen der alten Bäume. Terry warf einen Blick zu Niki hinüber. Ihre Augen glänzten noch immer vor Aufregung.
„Der heulende Wind macht ihr überhaupt nichts aus“, dachte Terry. Niki war nämlich seit einem Unfall in der zweiten Klasse fast taub. Aber sie sprach so deutlich und konnte so gut von den Lippen ablesen, dass die meisten Leute gar nicht merkten, dass sie eine Behinderung hatte.
Niki selbst tat niemals so, als wäre sie anders als ihre Freunde oder Mitschüler, und sie erwartete keine Sonderbehandlung. Ganz im Gegenteil – sie war immer bereit für ein Abenteuer.
Aber war sie auch bereit für das, was sie heute Abend erwartete?
Sie hatten inzwischen fast das Ende der Abkürzung erreicht, die zum hinteren Teil des Friedhofs führte. Hinter der steinernen Friedhofsmauer konnte Terry schon die Umrisse der alten Cameron-Villa erkennen. Die riesigen Bäume rund um das Haus wiegten sich in dem starken Wind. Aus dieser Entfernung sah es fast so aus, als schwankte das eindrucksvolle Gebäude leicht hin und her.
Das hölzerne Tor in der Friedhofsmauer hing schief in seinen Angeln und stand ein Stück offen. Unbewusst beschleunigte Terry seine Schritte. Wieder zog Niki an seiner Hand. „Ich habe irgendwo dort hinten meine Maske verloren“, sagte sie entschuldigend. „Es dauert bestimmt nicht lange, sie zu holen.“
Niki leuchtete mit der Taschenlampe vor sich auf den Boden und eilte den Weg, den sie gekommen waren, zurück. „Nicht so schnell!“, rief Terry ihr hinterher, aber dann fiel ihm ein, dass sie ihn ja gar nicht hören konnte. Sie duckte sich hinter den Grabstein, den sie eben noch untersucht hatte. „Ich hab sie!“, triumphierte sie.
Terry rutschte auf einem moosbedeckten Stein aus, als er Niki folgen wollte. Aber er rappelte sich sofort wieder auf und lief blitzschnell auf den Grabstein zu. Selbst wenn die unheimlichen Schauergeschichten über den Friedhof nicht stimmten, wollte er Niki unter keinen Umständen so lange aus den Augen lassen. Er hatte sie schon fast erreicht, als plötzlich ein gellender Schrei die Luft zerriss.
„Niki!“, rief Terry und stürzte mit klopfendem Herzen hinter den Grabstein. Dort entdeckte er seine Freundin, die gerade seelenruhig den Schmutz von ihrer schwarzen Seidenmaske abklopfte. „Was ist denn los?“, fragte sie erstaunt, als sie sein Gesicht sah.
„Ich habe einen …“ In diesem Moment ertönte noch einmal der markerschütternde Schrei. „Da ist es wieder“, stieß Terry hervor. Er legte schützend seinen Arm um Niki und hielt sie ganz fest.
Der furchtbare Aufschrei war aus Richtung des Friedhofstors gekommen. Terry überlegte, ob es nicht besser wäre, den Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren. Aber dann mussten sie außen um den Friedhof herumlaufen, und das würde zu lange dauern. Außerdem wollte er so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Mit der Taschenlampe in der einen Hand, den anderen Arm um Niki gelegt, ging Terry vorsichtig in Richtung Friedhofstor. Sie hatten es schon fast erreicht, als plötzlich eine große, dunkle Gestalt direkt vor ihnen auf den Weg sprang.
Niki schrie erschrocken auf und presste sich enger an Terry.
Ein Wesen aus einem Albtraum versperrte ihnen den Weg. Die schwarze Kleidung hing in Fetzen an ihm herab. Das Gesicht dieses Monstrums – oder das, was davon übrig war – schien langsam zu verwesen. Und das Fleisch an seinen Händen schälte sich bereits an einigen Stellen von den Knochen.
„Das bilde ich mir bestimmt nur ein“, dachte Terry voller Entsetzen. „So was gibt’s in Wirklichkeit doch gar nicht.“
Mit zitternden Händen schob er Niki hinter sich und hob drohend die Taschenlampe. „Ob man einen Zombie wohl verletzen kann?“, schoss es ihm durch den Kopf.
Aber bevor er das herausfinden konnte, griff die grausige Gestalt plötzlich nach oben. Sie zerrte heftig an ihrem Kopf und entblößte im nächsten Moment das grinsende Gesicht von Murphy Carter. Terry brauchte ein paar Sekunden, bis ihm klar wurde, dass der furchtbare Kopf nur eine Maske gewesen war.
„Reingelegt!“, rief Murphy triumphierend. „Mann, ihr beiden habt euch ja echt zu Tode erschrocken! Ihr hättet mal eure Gesichter sehen sollen!“
„Das haben wir doch mit Absicht gemacht“, flunkerte Terry und hoffte, dass seine Stimme nicht zitterte. „Wir wussten natürlich die ganze Zeit, dass du das warst.“
„Na klar“, schnaubte Murphy. „Und meine Oma ist die Königin von England.“ Er grinste Niki an und machte dann mit einem der Handschuhe, die aussahen wie eine verwesende Hand, eine auffordernde Geste. „Na los. Lasst uns gehen“, sagte er. „Wir wollen doch nicht zu spät zu dieser Party kommen.“
2
Zwei Wochen früher
Gelegentlich hatte Terry das dumme Gefühl, dass er versuchte, einfach zu viele Dinge auf einmal zu machen. Und manchmal war er sich dessen sogar ganz sicher. Allein in dieser Woche musste er neben seinen normalen Hausaufgaben und seinem Job nach der Schule noch ein Bioprojekt abgeben und eine Sitzung der Schülervertretung leiten. Außerdem hatte er seiner kleinen Schwester versprochen, ihr das Fahrradfahren beizubringen.
Terry war so in Gedanken versunken, dass er die Zahlenkombination an seinem Spind zweimal drehen musste, bevor sich die Tür öffnen ließ. Im nächsten Moment fiel ihm siedend heiß wieder ein, dass er schon seit Längerem vorhatte, seinen Spind endlich einmal gründlich auszumisten.
Es war kaum zu glauben, wie viel Gerümpel in diesen schmalen Schrank passte. Vorsichtig begann er, sein Schuljackett, seinen Tennisschläger, ein halbes Dutzend Bücher und die Proben für sein Bioprojekt beiseitezuschieben. „Es muss hier irgendwo sein“, murmelte er vor sich hin. „Ich weiß genau, dass es hier ist.“
„Was suchst du denn da?“, fragte eine Stimme hinter ihm. Terry fuhr erschrocken herum und entdeckte Trisha McCormick. Trisha war ein kleines, ziemlich pummeliges Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, die wild von ihrem Kopf abstanden und kaum zu bändigen waren. Und außerdem war sie der freundlichste und begeisterungsfähigste Mensch, den Terry kannte.
„Hallo, Trisha“, begrüßte er sie. „Was hast du gesagt?“
„Mit wem hast du da eben gerade gesprochen?“, wunderte sich Trisha.
„Äh … mit mir selbst“, gab Terry zu. „Ich bin nämlich ein verdammt guter Zuhörer, weißt du?“
„Entschuldige“, sagte Trisha und kicherte. „Ich wollte dich nicht belauschen.“
„Ich hab nur nach meinem Mittagessen gesucht“, erklärte Terry. „Ah! Da ist es ja!“ Mit triumphierendem Gesicht zog er eine zerknitterte braune Papiertüte aus dem ganzen Durcheinander. Doch dann musste er zu seiner Bestürzung feststellen, dass die eine Seite der Tüte völlig durchgeweicht war. Seufzend schob er den anderen Kram zurück in den Spind und schlug die Tür zu. Dabei flatterte ein Stück Papier zu Boden.
„Was ist denn das?“, erkundigte sich Trisha interessiert.
„Keine Ahnung“, erwiderte Terry achselzuckend. Er hob das Papier auf und betrachtete es. Es war ein einfacher weißer Briefumschlag mit einem dunklen Rand. Auf der Vorderseite stand in verschnörkelten Buchstaben sein Name: Terry Ryan.
„Würdest du mein Brot mal kurz halten?“, bat er Trisha und öffnete dann neugierig den Umschlag. Er enthielt eine steife weiße Karte mit dem Bild eines Sargs darauf. Darunter stand: Reserviert für dich.
„Ein Sarg?“, murmelte Terry verdutzt und begann, zu lachen. „Was soll denn das sein – etwa Werbung für ein Bestattungsunternehmen?“
„Dreh die Karte mal um“, meinte Trisha nur.
Terry tat, was sie gesagt hatte, und stellte fest, dass die Rückseite beschrieben war. „Hey!“, rief er überrascht.
„Es ist eine Einladung zu Justine Camerons Halloweenparty, nicht wahr?“, platzte Trisha heraus.
„Stimmt“, antwortete Terry verblüfft. „Woher weißt du das?“
„Ich habe ebenfalls eine bekommen. So wie jeder andere an dieser Schule wahrscheinlich auch. Aber lies doch mal, was da steht. Es ist ziemlich merkwürdig.“
„Ich möchte dich zu meiner Halloweenparty einladen, die die ganze Nacht dauern wird. Verkleidung ist Pflicht“, las Terry laut. „Hey, die ganze Nacht! Das ist ja stark! Was soll denn daran merkwürdig sein?“
„Lies weiter!“, drängte Trisha.
„Es gibt besondere Überraschungen, Tanz und Spiele. Also, ich verstehe wirklich nicht, was …“
„Hast du schon gesehen, wo die Party stattfindet?“, fragte Trisha.
„Komm am Freitagabend, dem 31.Oktober, um acht Uhr zur Cameron-Villa“, las Terry weiter vor. „Na und?“
„Damit ist die alte Villa der Camerons gemeint“, sagte Trisha eindringlich. „Das große Haus hinter dem Friedhof in der Fear Street.“
„Du willst mich wohl auf den Arm nehmen! Wie soll man denn da eine Party feiern? Der alte Kasten steht doch schon seit Jahren leer“, meinte Terry ungläubig.
„Justine und ihr Onkel wohnen jetzt dort“, informierte ihn Trisha. „Sie renovieren das ganze Haus. Ich weiß das, weil die Firma meines Vaters die Elektroarbeiten macht.“
„Ging nicht mal das Gerücht um, dass es in dem Haus spukt?“, fragte Terry neugierig.
„Angeblich spukt es überall in der Fear Street“, meinte Trisha trocken und drückte ihm seine zerknautschte Tüte wieder in die Hand.
„Danke“, murmelte Terry. Während er und Trisha zur Cafeteria gingen, fielen ihm einige der Geschichten wieder ein, die er über die Fear Street gehört hatte. In den meisten der schönen, alten Häuser lebten völlig normale Leute, aber einige andere Gebäude in der Straße waren schon seit Jahren unbewohnt. Man munkelte, dass dort böse Geister umgingen. In der Fear Street waren furchtbare Dinge geschehen. Mehrere Menschen waren hier ermordet worden und andere auf mysteriöse Weise verschwunden. Das Cameron-Haus schien der perfekte Ort für eine Halloweenparty zu sein.
„Was glaubst du? Warum hat Justine uns wohl eingeladen?“, fragte Trisha, als sie die Tür der Cafeteria erreicht hatten.
Terry zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung“, meinte er. „Ich kenne sie ja nicht mal. Ich weiß nur, wie sie aussieht.“
„Aber das weiß schließlich jeder in der Schule“, dachte Terry. Justine war das hübscheste Mädchen der Highschool – und vielleicht sogar in ganz Shadyside. Das fanden selbst die Mädchen. Sie war groß und schlank und sah mit ihren langen blonden Haaren und den jadegrünen Augen wie ein Fotomodell aus. Justine war Austauschschülerin und noch nicht lange an der Highschool von Shadyside. Bis jetzt hatte kaum jemand sie näher kennengelernt, obwohl es schon fast alle Jungen versucht hatten.
Terry wollte Trisha gerade noch ein bisschen über Justine ausquetschen, als er Niki entdeckte, die an einem Tisch nahe der Tür saß. Er verabschiedete sich schnell und rutschte auf den Stuhl gegenüber von Niki, damit sie seine Worte von den Lippen ablesen konnte. „Hallo, Krümel“, lächelte er und benutzte den liebevollen Spitznamen, den er ihr gegeben hatte.
„Hallo, Terry“, antwortete Niki und strahlte ihn an. Terry fühlte sich plötzlich wie der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt. Das ging ihm immer so, wenn er in Nikis Nähe war. Sie waren jetzt seit einem halben Jahr zusammen, und er konnte sein Glück immer noch nicht ganz fassen. Niki war vielleicht nicht das hübscheste oder klügste Mädchen in Shadyside, aber auf jeden Fall das außergewöhnlichste.
Wenn sie einen Raum betrat, fühlten sich schlagartig alle ein bisschen glücklicher. Und wenn sie lächelte und sich dabei ihre gleichmäßigen weißen Zähne gegen ihre glatte, olivfarbene Haut abhoben, hatte man das Gefühl, dass die Sonne aufging.
„Was hast du denn heute noch so vor?“, fragte Niki ihn.
„Nichts Besonderes“, sagte Terry. „Aber schau dir das mal an.“ Er reichte ihr die Einladung.
„Ich habe auch eine bekommen“, meinte Niki.
„Wahrscheinlich hat jeder in der Schule eine gekriegt“, vermutete Terry.
„Das glaube ich nicht.“ Niki schüttelte den Kopf. „In meiner Klasse bin ich die Einzige. Und außerdem ist keine von meinen Freundinnen eingeladen worden – nicht mal Jade oder Deena.“
„Ich möchte wirklich gerne wissen, warum sie ausgerechnet uns eingeladen hat“, sagte Terry nachdenklich. „Ich kenne sie doch nicht mal. Du etwa?“
„Nicht sehr gut“, musste Niki zugeben. „Sie ist in meinem Gymnastikkurs, und ich habe schon mal mit ihr Basketball gespielt. Aber wir haben kaum miteinander gesprochen.“
Terry öffnete seine Tüte und stellte fest, dass die Feuchtigkeit von seinem Sandwich stammte. Es war mit Hackbraten und Tomaten belegt und leider völlig zerdrückt.
„Uäh!“, stöhnte er und starrte angewidert auf die klebrige Bescherung.
„Hier – du kannst die Hälfte von meinem haben“, bot Niki ihm an. Sie aß immer das Gleiche: ein Sandwich mit Erdnussbutter und Bananen und dazu Selleriestangen und Möhren.
„Danke, nicht nötig“, winkte Terry ab. „Ich hol mir vielleicht noch einen Hotdog aus dem Automaten.“
„Ich kann’s einfach nicht fassen, was du für einen Mist in dich reinstopfst“, meinte Niki kopfschüttelnd. „Iss doch wenigstens ein paar Möhren.“
Terry nahm sich eine und begann, zu kauen.
„Als was gehst du eigentlich?“, fragte Niki.
„Was?“
„Na ja, zu Justines Party. Es ist schließlich ein Kostümfest, oder hast du das vergessen?“
„Mmh, ich weiß noch nicht“, äußerte Terry unschlüssig. „Vielleicht sollten wir überhaupt nicht hingehen. Keiner von unseren Freunden ist eingeladen. Und wir kennen Justine doch gar nicht richtig …“
„Na und?“, schnaubte Niki. „Ich liebe Kostümfeste. Und außerdem war ich noch nie auf einer Party in der Fear Street.“
„Stimmt. Es wäre auf jeden Fall eine Premiere“, gab Terry zu.
„Dann ist es also abgemacht“, sagte Niki schnell. „Außerdem würde ich Justine wirklich gerne näher kennenlernen.“
„Wie ist sie denn so in Gymnastik?“, fragte Terry.
„Justine ist die Beste im ganzen Kurs“, seufzte Niki. „Sie ist wirklich in absoluter Topform. Ich habe sie mal gefragt, wie sie das macht, und sie erzählte mir, dass sie mit Gewichten trainiert.“
Terry stieß einen leisen Pfiff aus. „Wow!“, staunte er. „Kein Wunder, dass sie so …“ Schnell verschluckte er den Rest des Satzes.
„Dass sie so was?“, hakte Niki nach. Sie hatte ein gefährliches Glitzern in den Augen.
„So – na ja … ach, du weißt schon“, sagte Terry und unterdrückte ein Grinsen. Er warf Niki einen prüfenden Blick zu, um herauszufinden, ob sie ernsthaft böse war oder ob sie ihn nur aufziehen wollte.
„So – gut gebaut ist?“, schlug Niki vor.
„Ja, genau“, meinte Terry.
Niki musste lachen. „Ihr Jungens seid doch alle gleich“, kicherte sie. „Mich würde übrigens mal interessieren, auf wen Justine ein Auge geworfen hat. Bestimmt lädt sie ihn auch zur Party ein.“
Für den Rest des Tages wurde in der Schule über nichts anderes als Justine und ihre Party gesprochen. Obwohl nicht besonders viele Leute eingeladen waren, hatte jeder davon gehört.
Kurz bevor es zur letzten Stunde klingelte, hielt Lisa Blume Terry im Flur auf. Lisa war Redaktionsassistentin bei der Schülerzeitung und wusste normalerweise über alles Bescheid, was an der Highschool so lief. Sie bezeichnete sich selbst gerne als Reporterin, war aber in Wirklichkeit nur eine schreckliche Klatschtante.
„Ich habe gehört, dass du zu Justines Party eingeladen bist“, sagte sie zu Terry. „Warum hat sie eigentlich ausgerechnet dich gefragt?“
„Ich habe keinen blassen Schimmer“, erwiderte Terry. „Du bist doch die Reporterin – vielleicht kannst du es mir sagen.“
„Meine Theorie ist, dass sie ein paar Leute besser kennenlernen möchte“, plapperte Lisa los. „Aber sie hat sich bis jetzt geschämt, weil man sich so furchtbare Dinge über das Haus erzählt, in dem sie lebt.“
„Was meinst du damit?“
„Ach, das weißt du nicht?“, meinte Lisa erstaunt. „Die letzten Besitzer der Cameron-Villa sind vor Jahren bei einem Unfall getötet worden. Man sagt, dass seitdem niemand mehr in diesem Haus leben kann, weil ihre Geister dort umgehen.“
„Nette Geschichte. Aber wenn das stimmt, warum wohnt Justine dann dort?“, fragte Terry skeptisch.
Lisa zuckte mit den Achseln. „Meine Tante hat mir erzählt, dass Justine eine entfernte Cousine der früheren Besitzer ist. Ihr Onkel hat das Haus geerbt und beschlossen, es wieder herzurichten.“
„Sie lebt mit ihrem Onkel in der Villa?“
„Er ist ihr Vormund“, erklärte Lisa und nickte. „Ich nehme an, ihre Eltern sind tot oder geschieden oder irgendwas in der Art. Angeblich haben Justine und ihr Onkel schon überall in Amerika und sogar in Europa gelebt.“
Terry wusste, dass Lisas Informationen normalerweise stimmten, aber sie enthielten keinen Hinweis darauf, was Justine von ihm und Niki wollte. Er zerbrach sich in seinem Biologiekurs immer noch den Kopf darüber, als sich Ricky Schorr auf den Platz neben ihm fallen ließ.
Ricky war ein ziemlich unsympathischer Typ, der anderen gerne üble Streiche spielte. Manche Leute hielten ihn für den größten Idioten der ganzen Schule. Wie üblich war sein dichtes schwarzes Haar ungekämmt, und wie üblich trug er ein geschmackloses T-Shirt, das jeder andere höchstens als Putzlappen benutzt hätte. Dieses Exemplar war voller Orangensaftflecken und trug die Aufschrift: Küss mich, ich bin ein Prinz.
„Hallo, Schorr“, begrüßte ihn Terry.
„Hi, Terry“, sagte Ricky und legte eine zerknitterte Papiertüte auf den Labortisch, der zwischen ihnen stand. „Ich habe gehört, dass du und Niki zu Justines Party eingeladen seid.“
„Stimmt“, meinte Terry.
„Ich übrigens auch“, fügte Ricky hinzu.
„Was? Im Ernst?“ Terry war total überrascht. Er konnte sich schon nicht vorstellen, warum Justine ihn und Niki ausgesucht hatte, aber dass sie Ricky und Trisha eingeladen hatte, war noch merkwürdiger. Sie hatten alle überhaupt nichts miteinander zu tun.
„Ich frage mich, wer noch kommt“, überlegte Ricky. „Hast du vielleicht was gehört?“
„Nee“, erwiderte Terry gedehnt. „Wie läuft’s denn eigentlich so mit deinem Bioprojekt?“, fragte er schnell und versuchte krampfhaft, das Thema zu wechseln.
„Ich bin schon so gut wie fertig“, meinte Ricky wegwerfend. „Genauer gesagt, habe ich es hier drin.“ Er zeigte auf die große Papiertüte.
Terry starrte die Tüte ungläubig an. Irgendetwas klopfte von innen dagegen, und dann begann sie, sich langsam über den Tisch zu bewegen. „Ich sag’s dir ja nur ungern“, bemerkte er trocken, „aber dein Bioprojekt macht offenbar einen Fluchtversuch.“
Ricky öffnete die Tüte. Sofort sprang ein kleiner grüner Frosch heraus und hüpfte über den Tisch. Terry griff geistesgegenwärtig zu und hielt ihn angewidert in den Händen. „Das ist dein Bioprojekt, Schorr?“, fragte er verblüfft. „Ein Frosch?“
„Das ist doch noch längst nicht alles“, verteidigte sich Ricky und sah richtig beleidigt aus. Er griff in die Papiertüte und holte ein Glas mit Schraubverschluss heraus, das mit schmutzig trübem Wasser gefüllt war.
„Ich führe nämlich eine Untersuchung über Metamorphose durch“, erklärte er großspurig. „Und hier drin habe ich einige Kaulquappen.“
Terry warf einen skeptischen Blick auf das Glas. „Ich würde eher sagen, du hattest Kaulquappen. Diese hier bewegen sich jedenfalls nicht mehr.“
„Gib mal her“, drängte Ricky und riss ihm das Gefäß aus der Hand. Er betrachtete es eingehend von allen Seiten. Dann schüttelte er das Glas. „Ich hätte wohl doch besser ein paar Löcher in den Deckel machen sollen“, meinte er schließlich. „Tja, so ist das Leben, was? Heute noch quicklebendig und morgen schon schleimig und widerlich. Was soll’s – ich kann mir schließlich jederzeit neue aus dem Teich holen.“ Terry reichte ihm den Frosch, und Ricky schob ihn zusammen mit dem Glas mit den toten Kaulquappen zurück in die Tüte.
„Wirklich ein tolles Projekt, Schorr!“, sagte Terry ironisch.
„Nenn mich doch einfach MrWunderbar“, schlug Ricky bescheiden vor.
„Ich würde ja zu gerne wissen, wer noch zu dieser Party eingeladen ist“, nahm Ricky das Thema nach einer Weile wieder auf.
„Ich weiß es nicht“, knurrte Terry gereizt. „Bis auf Trisha McCormick kenne ich keine anderen Gäste.“
„Murphy Carter“, ergänzte Ricky mit triumphierendem Gesicht.
Das war der erste Name auf der Liste, der Terry irgendwie sinnvoll vorkam. Murphy war einer der beliebtesten Footballspieler des Schulteams und wurde zu jeder Party eingeladen. Mit den anderen Gästen hatte er allerdings überhaupt nichts gemeinsam.
Terry wollte Ricky gerade weiter ausquetschen, als MrRothrock, der Biolehrer, in die Klasse stürmte. Er legte sofort mit einem Vortrag über Genetik los, und für den Rest der Stunde dachte Terry keine Sekunde mehr an die Party. Aber als er nach der Schule nach draußen ging, um sich mit Niki zu treffen, kam er an einer Gruppe von Leuten vorbei, die sich auf den Eingangsstufen versammelt hatte. Mittendrin stand Lisa Blume, die den anderen etwas erzählte. Niki holte ihn auf dem Bürgersteig ein und fasste ihn am Ellbogen.
„Hallo, Terry“, begrüßte sie ihn. „Wie war dein Tag?“
„Ziemlich merkwürdig“, sagte Terry ganz ehrlich. „Und wie war’s bei dir?“
„Auch ganz schön komisch. Ich bin mir fast vorgekommen wie eine Berühmtheit, nur weil ich eine Einladung zu dieser Party bekommen habe.“
„Welchen Weg möchtest du am liebsten nach Hause gehen?“, fragte Terry.
„Ich glaube, den … Warte mal kurz“, unterbrach sich Niki. „Lisa liest gerade eine Liste vor.“ Sie warf einen Blick zur Treppe hinüber. Offenbar als Ausgleich für ihre Taubheit hatte Niki eine enorme Sehkraft. Sie konnte quer durch einen Raum jemandem von den Lippen ablesen. „Lisa hat herausgefunden, wer alles zu der Party kommt“, erzählte Niki. „Es sind neun Leute …“
„Nur neun?“, wunderte sich Terry.
„Das hat sie jedenfalls gerade gesagt. Du und ich, Trisha, Ricky Schorr, Murphy Carter, Angela Martiner, Les Whittle, David Sommers und – Alex Beale.“
„Alex? Na, das ist ja wunderbar“, murmelte Terry sarkastisch. Jahrelang waren er und Alex die besten Freunde gewesen. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten miteinander Tennis gespielt und waren sogar zusammen mit Mädchen ausgegangen – bis Niki sich letztes Jahr von Alex getrennt hatte und mit Terry zusammengekommen war. Alex war offenbar immer noch nicht über die Trennung hinweg, und Terry fragte sich manchmal, ob Niki nicht doch noch Gefühle für Alex hatte.