Fear Street 2 - Tödlicher Tratsch - R.L. Stine - E-Book

Fear Street 2 - Tödlicher Tratsch E-Book

R.L. Stine

5,0

Beschreibung

Holly ist furchtbar neugierig. Und sie kann kein Geheimnis für sich behalten. Das weiß ganz Shadyside. Am Abend nach der Party im Haus von Meis Eltern belauscht Holly ein Gespräch zwischen Mei und ihrem Freund Noah. Haben die beiden wirklich vor, jemanden zu ermorden? Noch bevor Holly den neuesten Klatsch und Tratsch weitererzählen kann, geschieht etwas Entsetzliches ... Der Horror-Klassiker endlich auch als eBook! Mit dem Grauen in der Fear Street sorgt Bestsellerautor R. L. Stine für ordentlich Gänsehaut und bietet reichlich Grusel-Spaß für Leser ab 12 Jahren. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!

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1

„Ratet mal, was ich gerade gehört habe!“, rief Holly Silva aufgeregt schon von Weitem, als sie durch die Eingangshalle der Shadyside Highschool angelaufen kam.

Miriam Maryles und Ruth Carver wechselten wissende Blicke. Jetzt war wieder mal der neueste Klatsch fällig. Die Glocke zum Schulschluss hatte geläutet, und sie standen an ihren Spinden und verstauten darin ihre Bücher fürs Wochenende.

Holly kam atemlos auf sie zugestürmt, ihre dunklen Haare flogen wild hin und her, und ihr stahlblauer Schal flatterte hinter ihr drein.

„Die Klatsch-und-Tratsch-Königin legt wieder mal einen Auftritt hin!“, flüsterte Ruth Miriam etwas griesgrämig zu, als Holly bei ihnen ankam.

Miriam sah Holly mit einem fröhlichen Grinsen an. „Na los – spuck’s schon aus!“

Miriam hatte nichts lieber, als von Holly brühwarm die neuesten Gerüchte berichtet zu bekommen. Ruth dagegen stand Hollys Getratsche immer ein bisschen skeptisch und abweisend gegenüber.

„Das wundert mich nicht“, ging es Miriam durch den Kopf. Ihre beiden besten Freundinnen waren in jeder Beziehung einfach zu verschieden.

Ruth war schüchtern und zurückhaltend, mal abgesehen von ihrem Hang zu sarkastischen Bemerkungen, die sie ab und zu zielsicher abschoss. Da sie nach außen hin völlig ruhig und gelassen wirkte, war die Wirkung bei Leuten, die sie noch nicht so gut kannten, umso verblüffender. Holly dagegen hatte ein übersprudelndes Temperament, ging für ihr Leben gern auf Partys und legte sich immer mächtig ins Zeug, um die Leute zum Lachen zu bringen.

Ruth benutzte nie Schminke und ließ ihre langen blonden Haare einfach lose herabhängen. Holly wiederum brachte Stunden mit ihrem „Aussehen“ zu. Sie hatte lange dunkle Haare, ließ sich Dauerwellen machen und zog sich immer nach dem letzten Schrei an. Dabei war ihr leuchtend blauer Schal nicht wegzudenken, den sie immer trug, denn sie behauptete steif und fest, er bringe ihr Glück.

Miriam wünschte sich so manches Mal, die beiden würden ein bisschen besser miteinander auskommen, aber bei aller Kritik mochte sie jede so, wie sie war, und hatte sie trotzdem beide sehr gern. Sie konnte mit ihnen viel lachen, sie waren aufmerksame Zuhörerinnen, kurzum, sie waren so richtig gute Freundinnen.

„Was hast du denn diesmal Interessantes aufgeschnappt?“, fragte Miriam sie ganz gespannt.

Holly beugte sich mit verschwörerischer Miene ganz nah zu ihr. „Da kommst du nie drauf!“

„Was ist es denn? Nun rück doch endlich heraus mit der Sprache“, drängte Miriam sie.

„Mei Kamata hat mir eben gebeichtet, dass sie in den letzten zwei Wochen Riesenzoff mit ihrer Mutter gehabt hat!“ Holly riss ihre blitzenden Augen noch weiter auf. „Ja, sie spielt sogar mit dem Gedanken, von zu Hause auszureißen!“

„Unglaublich!“, rief Miriam halb entsetzt, halb fasziniert. Das war ja wirklich mehr als interessant. Immerhin waren Mei Kamata und sie schon seit einer Ewigkeit miteinander befreundet. Außerdem stammte Mei aus einer der wohlhabendsten Familien von ganz Shadyside, und wenn sie ihr Vorhaben wahr machte, würde das für einiges Aufsehen sorgen.

„Reich sein heißt eben noch lange nicht, auch glücklich zu sein“, dachte Miriam.

„Aber das ist noch längst nicht das Beste daran“, fuhr Holly fort, die sie gern noch ein bisschen länger auf die Folter gespannt hätte, es aber auch nicht erwarten konnte, ihre Neuigkeit loszuwerden. „Ratet mal, worüber sie sich gestritten haben? Ob ihr’s glaubt oder nicht – über Noah!“

„Du machst Witze!“, rief Miriam erstaunt aus. „Ich dachte, Meis Eltern sähen die Sache mit Noah ganz locker.“

Holly schüttelte entschieden den Kopf. „Sie sind beide Ärzte, Miriam, vergiss das nicht. Sie machen ganz schön Druck, dass Mei viel für die Schule tut, und sie legen großen Wert darauf, dass sie einen guten Abschluss macht. Allein schon deswegen finden sie Noah eine Zumutung!“

Miriam konnte dem nur zustimmen. Noah Brennan war einer der berüchtigtsten Schüler in der Oberstufe der Shadyside Highschool. Er war ein ziemlich wilder und unberechenbarer Typ. Seine schwarzen Haare hatte er sich schulterlang wachsen lassen, und in einem Ohr trug er meist zwei Ohrstecker. Er war schlank und muskulös und ziemlich eingebildet.

Miriam ging Gesprächen mit Noah lieber aus dem Weg, weil er einen ständig von oben bis unten musterte, statt zuzuhören. Auch die meisten Jungen mieden ihn. Wahrscheinlich fühlten sie sich in seiner Anwesenheit eingeschüchtert, nahm Miriam an, so großspurig, wie er immer tat. Bei den Mädchen war er Gesprächsthema Nummer eins, und sie tuschelten dauernd über ihn, die Lehrer dagegen beobachteten ihn mit Argusaugen.

„Er gehört wahrscheinlich genau zu der Sorte Jungs, die Eltern fürchten“, dachte Miriam und war in Gedanken bei Meis Eltern.

„Wenn Mei sowieso schon mit ihrer Mutter im Clinch liegt“, sagte Ruth, „dann ist Noah Brennan wirklich genau der richtige Typ, um sie restlos auf die Palme zu bringen. Es muss Mrs.Kamata doch in den Wahnsinn treiben, dass ihre Tochter sich ausgerechnet mit Noah angefreundet hat!“

Miriam konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, denn Ruth schien ihre Gedanken gelesen zu haben und brachte die Sache wieder mal auf den Punkt.

„Was glaubt ihr wohl, wie es jetzt weitergehen wird?“, fragte Holly und wartete gespannt auf Miriams und Ruths Reaktion.

„Mit solchen Sachen kennst du dich doch am allerbesten aus, Holly!“, neckte Miriam sie.

Holly dachte eine Weile nach, und ihre Augen funkelten. „Tja, also …“

„Weiter, Holly“, sagte Ruth. „Was gibt’s sonst noch für Neuigkeiten?“

„Ach, sieh mal einer an! Und ich hab immer gedacht, du kannst Klatsch und Tratsch auf den Tod nicht leiden, Ruth“, sagte Holly mit einem fröhlichen Lachen.

Ruth zuckte leicht zusammen. Es schien, als wäre bei ihr plötzlich der Groschen gefallen und sie hätte erst jetzt gemerkt, was sie da eben gesagt hatte. „Das stimmt ja auch. Ich bin eben nur … neugierig“, murmelte sie verlegen.

Miriam war froh, dass Ruth sich mal für etwas anderes als für Bücher interessierte. Vielleicht färbten Holly und sie ja doch noch ein bisschen auf sie ab.

„Das ist wirklich längst überfällig“, dachte Miriam ungeduldig. „Was könnten wir drei für einen Spaß haben, wenn Ruth endlich mal ein bisschen mehr aus sich herausginge!“

Miriam konnte all die Male schon gar nicht mehr zählen, die sie Ruth auf Partys mitgeschleppt und mit Jungen zu verkuppeln versucht hatte. Heute war wieder mal so eine Gelegenheit, denn sie hatte ihren Cousin Patrick überredet, Ruth auf Meis Party zu begleiten. Sie hatte sich das ausgedacht, weil sie fand, die beiden würden ein nettes Pärchen abgeben.

Aber Ruth hatte sich – wie schon so oft – mit Händen und Füßen gewehrt, bevor sie schließlich doch klein beigegeben hatte und einverstanden gewesen war. Miriam konnte einfach nicht verstehen, warum Ruth in dieser Beziehung so schüchtern war.

„Ich für meinen Teil gehe davon aus, dass Mei und Noah sich trennen werden“, sagte Holly schließlich entschieden und kam damit Miriam zuvor, die durch Hollys Bemerkung wieder zurück in die Gegenwart gebracht wurde.

„Nie und nimmer!“, sagte Miriam mit Nachdruck. „Mei ist völlig verrückt nach Noah. Auf gar keinen Fall wird sie hingehen und ihm einfach den Laufpass geben, bloß weil ihre Mutter es so will.“

Holly seufzte schwer. „Man sollte trotzdem nie so schnell die Hoffnung aufgeben, stimmt’s oder hab ich recht?“

„Du bist doch nicht etwa immer noch hinter Noah her?“, rief Ruth völlig entgeistert. „Und was ist mit Gary?“

Miriam zog eine Augenbraue hoch. Das war eine gute Frage. Holly war seit ungefähr einem Monat mit Gary Foster zusammen – und sie beide, Ruth und Miriam, waren davon ausgegangen, dass Holly ihre alte Schwärmerei für Noah nun endlich aufgegeben hatte.

„Aber da haben wir uns offensichtlich getäuscht“, dachte Miriam erstaunt. Sie warf Ruth einen schnellen Blick zu.

Gary wohnte Tür an Tür mit Ruth, und die beiden waren quasi zusammen aufgewachsen. Miriam war bewusst, dass Ruth im Gegensatz zu Holly in Gary so etwas wie einen Bruder sah. Es amüsierte sie jedes Mal, wenn sie mitbekam, dass Ruth wie ein Schießhund auf ihn aufpasste.

Holly zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Sicher, du hast ja recht, Ruth. Gary ist wirklich ganz nett. Weiß der Kuckuck, was ich an Noah finde, aber er spukt mir nun mal dauernd im Kopf herum.“

„Sieh dich nicht um“, zischte Miriam warnend und sah über Hollys Schulter. „Wenn man vom Teufel spricht … Da kommt er gerade!“

„Oh nein!“, seufzte Holly und schüttelte nervös ihren krausen Pony. „Wie sehe ich aus?“

Miriam stöhnte genervt, weil sie dieses Spielchen bei Holly nur zu gut kannte. „Du siehst prima aus!“

Ruth schaute Holly mit finsterem Blick an und sagte vorwurfsvoll: „Ich versteh einfach nicht, was du an Noah findest. Er ist ein absoluter Blödmann. Zwischen dir und Gary läuft es doch bestens.“

„Welcher Gary?“, fragte Holly ungerührt und musste über Ruths fassungsloses Gesicht lachen. „Ich mach doch bloß Spaß, Ruth. Krieg dich wieder ein!“

Miriam entging jedoch nicht, wie Holly Noah anstarrte, der durch die Eingangshalle ging und genau auf sie zusteuerte. Mit jedem Schritt, den er näher kam, wurde Hollys Gesichtsausdruck hoffnungsvoller.

In diesem Moment konnte Miriam sich nur zu gut in sie hineinversetzen. Sie erinnerte sich lebhaft an dieses Gefühl, das einen überfiel, wenn der Junge, für den man schwärmte, auftauchte. Eine Mischung aus Hoffnung, Anspannung und zitternden Knien. Wochenlang war es ihr bei Jed Holman so gegangen, bis sie sich endlich, endlich verabredet hatten.

Miriam bemerkte, dass Noah seine üblichen zerschlissenen Jeans, ein schwarzes T-Shirt und die abgewetzte Bomberjacke aus Leder anhatte. Seine Haare waren zottelig, aber Miriam hatte den Eindruck, dass er viel Zeit darauf verwendet hatte, um sie so lässig hinzubekommen.

„Hey, Holly!“, rief Noah gut gelaunt mit seiner rauen, tiefen Stimme.

Hollys Grinsen wurde immer breiter. „Hi, Noah. Hübscher Ohrring.“

Noah fingerte geistesabwesend an seinem Pfeil-Ohrring aus Silber herum. „Warum muss er bloß immer so gelangweilt tun?“, fragte sich Miriam, die das aufregte.

„Ja, er ist neu“, meinte Noah lässig.

„Na, gibt’s irgendwas Besonderes?“, sagte Holly und versuchte, so gelassen wie möglich zu klingen. Doch sie fuhr sich ständig mit einer Hand durch die dunklen Locken und befeuchtete nervös ihre Lippen.

Miriam, die Hollys Verhalten aufmerksam beobachtet hatte, zuckte erschrocken zusammen, als Ruth ihr plötzlich einen unsanften Stoß in die Rippen verpasste und mit dem Kinn in Richtung Tür deutete.

„Da kommt Mei!“, flüsterte Ruth ihr angespannt zu.

Miriam wirbelte herum. Mei Kamata mit ihren glänzenden schwarzen Haaren, die auf und ab wippten, kam durch die Eingangshalle auf sie zustolziert. Sie trug einen schwarzen Minirock und darüber ein dickes blaues Baumwoll-Sweatshirt. Miriam hatte es von Anfang an eingeleuchtet, warum es jemanden wie Noah zu Mei hinzog. Sie sah wirklich klasse aus, das musste man ihr lassen.

Noahs knallharte Art, die er nach außen hin an den Tag legte, und Meis Ruhe und Gelassenheit machten sie tatsächlich zu einem seltsamen Gespann. Aber Miriam musste zugeben, dass sie bei aller Verschiedenheit ein tolles Paar abgaben.

Mei kam entschlossenen Schrittes und scheinbar cool auf sie zumarschiert.

Miriam ahnte, was sich in diesem Moment in Mei abspielte. Unter Garantie bekam sie genau mit, wie Holly Silva mit ihrem Freund flirtete, als wäre nichts dabei!

„Holly, lass uns gehen“, mischte Miriam sich ein und zog sie fest am Ärmel.

Doch Holly schüttelte sie einfach ab. Also beschloss Miriam, wenn sie drei sich schon nicht verkrümelten, auf Mei zuzugehen.

„Hi, Mei!“, rief sie ihr betont munter entgegen. „Deine Eltern werden die Party heute Abend doch nicht wieder verderben? Oder haben sie vor, die ganze Zeit dabei zu sein und sich als Aufpasser aufzuspielen wie neulich?“

„Ich kann sie schließlich nicht rauswerfen“, antwortete Mei und schaute mit eisigem Blick zu Noah und Holly.

Miriam sah, wie sich Noah beim Klang von Meis Stimme umdrehte und ein zärtliches Lächeln seine Lippen umspielte. „Endlich ist sie da“, murmelte er etwas abwesend vor sich hin und sagte zu Mei gewandt: „Können wir jetzt gehen?“

Er wandte sich von Holly ab und legte seinen Arm um Meis schlanke Taille. Mei grinste triumphierend und schüttelte ihre glänzenden Haare Holly geradewegs ins Gesicht.

Miriam zuckte zusammen. Noah hatte, kaum dass Mei auf der Bildfläche aufgetaucht war, Holly überhaupt nicht mehr beachtet – und das musste ihr wehtun. Hollys Verletztheit und Beschämung wegen dieser Blamage waren förmlich zu spüren.

„Ja, gehen wir“, sagte Mei und umarmte ihn sanft. Dann drehte sie sich noch einmal zu den dreien um. „Also dann – bis heute Abend auf meiner Party.“

Miriam und Ruth lächelten zaghaft und winkten ihnen kurz nach. Holly dagegen tat nichts von beidem. Verkrampft und mit zusammengebissenen Zähnen stand sie da und starrte Noah und Mei hinterher, die Hand in Hand durch die Eingangshalle liefen.

„Klasse, was?“, sagte Mei zu Noah, gerade eben laut genug, damit sie es alle hören konnten. „Meine Eltern sind nicht vor sechs zu Hause!“

„Super!“, antwortete Noah mit einem anzüglichen Lachen.

Miriam drehte sich um und erblickte Holly, die mit bleichem Gesicht an ihrem Spind lehnte. Die Niederlage stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihre grünen Augen schossen Pfeile auf Meis Rücken ab.

„Es tut mir leid für dich, Holly“, sagte Miriam leise zu ihr.

„Die zwei werden sich so schnell nicht trennen“, fügte Ruth ein bisschen giftig hinzu.

„Erzähl mir doch lieber mal was Neues!“, murmelte Holly grimmig und verdrehte die Augen.

„Moment mal!“, zischte Ruth zurück. „Du hast ’nen tollen Typen wie Gary – und denkst an nichts anderes als an diesen Idioten!“

„Gary nett zu finden heißt ja noch lange nicht, dass Noah ein Idiot ist!“, hielt Holly dagegen.

„Ach, jetzt mach doch kein Drama daraus. Wir sehen es nun mal beide so“, sagte Miriam zu Holly.

„Ich versteh dich einfach nicht, was Noah angeht“, brummte Ruth. Mit einem Schaudern sah sie dem entschwindenden Pärchen nach. „Er ist ein widerlicher Typ. Bei dem krieg ich das kalte Grausen!“

„Ich nicht“, antwortete Holly verträumt. Ihre Augen waren immer noch auf Noah gerichtet, der mit Mei inzwischen bei der Eingangstür angelangt war. Ihr Blick war so ernst und intensiv, fast tranceähnlich, dass Miriam langsam anfing, sich Sorgen zu machen. Sie hatte das ungute Gefühl, dass Holly sich in diese Sache viel zu sehr reinsteigerte.

„Bau nicht irgendwelche Luftschlösser“, sagte Miriam warnend zu ihrer Freundin. „Noah scheint wirklich ein ganz schwieriger Typ zu sein.“

„Ja, gib’s auf, Holly“, sagte auch Ruth mit Nachdruck, während sie das letzte Buch verstaute und ihren Spind abschloss. „Er wird nie und nimmer mit Mei Schluss machen.“

„Das werden wir ja sehen“, flüsterte Holly, die endlich aufhörte, ihm nachzustarren, und jetzt wieder ausgelassen lachte. „Vielleicht schon heute Abend auf Meis Party!“

Ruth blickte Holly mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick an.

„Was soll das denn nun wieder heißen?“, fragte Miriam sie verdutzt.

Holly zuckte die Achseln. „So was soll’s geben – dass ein Mädchen Schluss macht mit ihrem Freund! Und die Gründe dafür können völlig absurd sein.“

„Was hast du dir nun schon wieder ausgedacht?“, fragte Miriam verunsichert nach.

Wieder zuckte Holly mit einem seltsamen Lächeln auf dem Gesicht die Achseln.

„Holly“, schimpfte Miriam mit ihr. „Du wirst mir langsam unheimlich. Was hast du vor?“

Holly lächelte. „Na ja, wenn Mei Noah bei etwas erwischt, was er besser nicht tun sollte, würde sie doch garantiert durchdrehen, hab ich recht, Miriam? Du warst mit ihr befreundet, schon lange bevor Noah aufgekreuzt ist. Du kennst sie doch am besten von uns allen.“

„Komm schon, Holly“, sagte Miriam empört. „So eine bist du doch nicht!“

„Tja“, erklärte Holly mit einem merkwürdigen Unterton, „aus Liebe stellt man eben die verrücktesten Sachen an!“

„Du wolltest wohl sagen, dämliche Sachen“, murmelte Ruth wütend. Sie warf sich ihren Rucksack über die Schulter und sah Holly unverblümt an. „Verdammt dämliche Sachen!“

„Krieg dich wieder ein, Ruth! Ich werde Gary schon nicht wehtun. Aber du weißt genau, dass es Noah ist, an dem mir im Grunde meines Herzens etwas liegt!“

„Und Gary kriegt kurzerhand den Laufpass!“

Holly sah Ruth in die Augen, erwiderte aber nichts auf ihre Bemerkung.

„Ich verschwinde“, sagte Ruth fest und marschierte Richtung Tür.

„He, Ruth!“, rief Miriam ihr nach.

Ruth drehte sich um.

„Wir gehen heute Abend aber doch auf jeden Fall zusammen zur Party, oder?“

Ruth nickte. „Ruf mich an, wenn du zu Hause bist.“

Miriam seufzte, als sie Ruth zur Tür hinaus verschwinden sah. Sie wünschte sich, nicht immer die Schiedsrichterin bei Ruth und Holly spielen zu müssen.

„Es tut mir leid, dass ich so gemein war, Miriam“, sagte Holly mit einem Seufzer. „Aber du kannst dir einfach nicht vorstellen, wie verrückt ich nach Noah bin.“

„O doch, das kann ich sehr wohl.“

„Ich kann einfach nichts dagegen tun“, stöhnte Holly ergeben.

„Aber mach gefälligst keine blöden Sachen auf der Party heute Abend, Holly“, warnte Miriam sie. „Du weißt, dass Mei keinen Spaß versteht, wenn es um Noah geht. Sie ist total in ihn verknallt.“

„Das ist ja das Problem!“, rief Holly unglücklich. „Mir geht es doch genauso!“

„Ach komm, gib’s zu. Du bist doch nur so hinter ihm her, weil er vergeben ist und du ihn nicht haben kannst!“

Holly starrte sie mit stechendem Blick an. Es war der kälteste Blick, den Miriam sich jemals von ihrer Freundin eingehandelt hatte.

Miriam trat erschrocken einen Schritt zurück.

Sofort wurde Hollys Ausdruck wieder normal. Trotzdem lief Miriam ein Schauder über den Rücken.

Ihre beste Freundin war anscheinend kurz davor durchzudrehen.

„Verzeih mir. Aber es tut einfach schrecklich weh, Miriam“, seufzte Holly. „Um Noah zu bekommen, würde ich einfach alles tun.“

Miriam musterte sie skeptisch. „Alles?“

Holly nickte, und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Ja, alles!“

Wieder lief Miriam ein kalter Schauder über den Rücken.

Was hatte Holly auf der Party vor? Was führte sie im Schilde?

2

„Ich würde ja zu gern wissen, wo du bloß immer den ganzen Klatsch herhast!“, sagte Miriam lachend zu Holly, als sie durch die Eingangshalle zum Haupteingang der Schule schlenderten. Holly fuhr Miriam nach der Schule fast jeden Tag mit dem Auto nach Hause, denn beide wohnten in der Fear Street. Diese Fahrt gehörte für Miriam mit zu den schönsten Momenten des Tages.

Holly lachte und warf sich ihren blauen Schal über die Schulter. „Eine gute Reporterin verrät niemals ihre Quellen!“

Miriam gab ihr einen Stups. „Du bist aber keine Reporterin!“, rief sie. „Wenn du mich fragst, bist du eher ein wandelndes Revolverblatt!“

Holly blieb abrupt stehen und zeigte einen Seitengang hinunter. „Ist das nicht Jed?“

Miriam drehte sich um und erblickte ihren Freund, der am Trinkwasserbrunnen vor dem Umkleideraum der Jungen stand. Jed Holman wischte sich gerade über den Mund und trat ein Stück beiseite. Dann ließ er etwas in seine Sporttasche fallen und zog hastig den Reißverschluss zu.

„Ja“, sagte Miriam und strahlte, weil sie sich freute, ihn zu sehen. Dann rief sie in seine Richtung: „Jed!“

Auf Miriams Ruf hin fuhr Jed wie von der Tarantel gestochen herum.

„Bin gleich wieder da, Holly“, sagte Miriam. „Ich muss nur kurz was mit ihm bereden.“

„Nur zu“, erwiderte Holly und scheuchte sie hin. „Ich warte hier solange.“

Im Laufschritt stürmte Miriam auf den großen, muskulösen Kapitän der Basketballmannschaft der Shadyside Tigers zu. Es war für beide das letzte Jahr an der Schule, und seit Anfang dieses Schuljahrs ging Miriam mit Jed. Jetzt war es Februar.

Sie war total verschossen in Jed. Er war das Wichtigste in ihrem Leben – deswegen hatte sie auch Verständnis für eine Beziehung wie die zwischen Mei und Noah. Jed war einfach toll, er war intelligent, athletisch gebaut, sah gut aus …

Für Miriam war er immer der Traumtyp schlechthin gewesen.

Doch das hatte sich in den letzten paar Wochen gewaltig geändert.

Den Jed, in den Miriam sich verliebt hatte, gab es anscheinend nicht mehr. In letzter Zeit war er immer öfter düsterer Stimmung, und er bekam plötzlich und völlig unberechenbar Tobsuchtsanfälle. Seit die Basketball-Ausscheidungsspiele angefangen hatten, war Jed total verändert.

„Hi“, begrüßte sie ihn und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, den er kaum erwiderte. „Was ist los?“