Fear Street 25 - Spiegelbild der Rache - R.L. Stine - E-Book

Fear Street 25 - Spiegelbild der Rache E-Book

R.L. Stine

3,9

Beschreibung

Dein größter Feind bist du! Hope muss fliehen: Auf dem Campus wurden zwei Jungen grausam ermordet, und sie steht unter Tatverdacht. Nur ihre drei besten Freunde halten fest zu ihr: Darryl, Jasmin und Angel. Zusammen verstecken sie sich in dem verlassenen Haus einer alten Studentenverbindung. Und das, obwohl Hope genau weiß, wer der wahre Täter ist. Aber als das Morden weitergeht, wenn auch sie ihn nicht aufhalten kann ... Der Horror-Klassiker endlich auch als eBook! Mit dem Grauen in der Fear Street sorgt Bestsellerautor R. L. Stine für ordentlich Gänsehaut und bietet reichlich Grusel-Spaß für Leser ab 12 Jahren. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!

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1

Hope

Ich packte das kalte Metallgeländer der Feuertreppe und näherte mich vorsichtig dem offenen Fenster meines Zimmers im Studentenwohnheim. Dicht an die Backsteinmauer gepresst, war ich bereit, mich sofort zu verstecken, falls jemand aus meinem Zimmer schauen sollte.

Die Polizei war dort drinnen. Zwei noch ziemlich jung aussehende Polizisten, die sich nachdenklich das Kinn rieben und den Kopf schüttelten.

Die drei Mädchen aus Zimmer 13a, das meinem schräg gegenüber lag, hatten sich ebenfalls in den winzigen Raum gequetscht. Melanie, Margie und Mary. Die drei Ms.

Ich hatte diese drei hochnäsigen Schnüfflerinnen noch nie leiden können. So versnobt und eingebildet. So perfekt. Sie taten immer so, als seien sie die Königinnen des Ivy State College. Als ich jetzt ihr Gespräch mit der Polizei belauschte, merkte ich, wie sehr ich sie hasste.

Von meinem Platz auf der Feuertreppe aus konnte ich jedes Wort verstehen.

Sie fütterten die Polizei mit Lügen über mich und meine beiden Mitbewohnerinnen Jasmin und Angel, die links und rechts neben mir auf der Feuertreppe hockten. Genau wie ich lauschten sie den Stimmen in unserem Zimmer. Ihre Augen waren ungläubig aufgerissen – und voller Angst.

„Hope hat keine Mitbewohnerinnen“, sagte Melanie gerade. „Ich habe noch nie von irgendwelchen Mädchen namens Eden, Jasmin oder Angel gehört.“

Bei diesen Worten entfuhr mir ein unterdrückter Schluchzer. Ich wich ein Stück zurück und presste mich noch fester an die Ziegelwand. Hoffentlich hatte mich keiner gehört.

„Arme Eden“, dachte ich. „Meine arme Mitbewohnerin.“ Darryl hatte sie ermordet.

Ich schauderte, als die schreckliche Szene vor meinem inneren Auge ablief. Darryl, der wieder mal einen seiner furchtbaren Wutanfälle hatte und völlig außer Kontrolle war. Er hatte Eden hochgehoben und sie mit voller Wucht über sein angewinkeltes Knie geschmettert. Hatte ihr das Genick gebrochen, so, wie man eine Erbsenschote knackt. Und dann hatte er sie aus dem Fenster geschleudert.

Aus dem Fenster, durch das ich gerade in unser altes Zimmer spähte.

Darryl hatte Eden getötet. Und nun war die Polizei hier und hörte sich Melanies Lügen an.

„Ich habe öfter mitbekommen, dass Hope Selbstgespräche geführt hat“, drang ihre Stimme nach draußen. „Sie schien ständig innerlich mit sich zu kämpfen. Ich habe mir ernsthaft Sorgen um sie gemacht.“

Melanie stand mit dem Rücken zum Fenster. Sie musste nur zwei Schritte zurücktreten, dann war sie nahe genug, dass ich sie packen könnte.

Nichts hätte ich lieber getan. Für all die Lügen, die sie über uns erzählte, hätte ich sie am liebsten erwürgt. Dafür, dass sie der Polizei weismachen wollte, dass Eden, Jasmin und Angel nie hier gewesen wären.

Was redete sie denn da? Jasmin und Angel saßen genau neben mir. Und ich wusste, dass Darryl ebenfalls in der Nähe war. Die Bullen brauchten nur ihren Kopf aus dem Fenster strecken, um uns zu sehen.

„Was ist eigentlich mit diesem Darryl?“, hörte ich einen der Polizisten fragen. „Wir haben gehört, dass er unten im Erdgeschoss wohnen soll.“

„In diesem Studentenwohnheim gibt es keine Jungen“, antwortete Mary.

Mary. Miss Schwimmchampion. Sie und Melanie fanden es ja sooo cool, im Schwimmteam des College zu sein.

„Warum steckt ihr nicht einfach eure Köpfe in den Pool und lasst sie dort?“, dachte ich. „Warum trinkt ihr nicht das gechlorte Wasser und verreckt?“

Bittere, schreckliche Gedanken.

Aber wieso erzählten sie auch der Polizei, ich sei krank?

„Vielleicht haben wir es tatsächlich mit einer Verrückten zu tun“, sagte der Polizist.

„Schon möglich“, erwiderte sein Partner, den ich nur teilweise sehen konnte. Er kritzelte wie wild in einem kleinen Notizblock herum. „Die Frage ist doch vor allem – hat Hope die beiden Jungen aufgeschlitzt? Die zwei Studenten, die auf dem Campus ermordet wurden, sind jedenfalls keine Einbildung, sondern ganz real.“

Ich hörte Mary und Margie seufzen. „Das ist alles so … so unglaublich“, stieß Mary hervor.

Bu-hu. Blöde Heulsuse!

Natürlich wusste ich, wer die beiden Typen ermordet hatte. Darryl war es. Als er mal wieder einen seiner Wutanfälle hatte. Er konnte es noch nie leiden, wenn andere Jungen mir zu nahe kamen.

Das machte ihn wahnsinnig. Und das meine ich wortwörtlich.

„Darryl ist derjenige, der verrückt ist“, dachte ich unglücklich. „Über ihn solltet ihr euch da drinnen unterhalten.“

Der arme Kerl. Ich liebte ihn so sehr. Schon seit der Highschool. Darryl war der einzige Junge, dem wirklich etwas an mir lag.

Aber diesmal war er zu weit gegangen. Er hatte zwei Studenten ermordet. Hatte sie regelrecht wie ein Stück Fleisch zerhackt. Und dann hatte er die arme Eden umgebracht.

Ja, er war definitiv zu weit gegangen.

Mir war klar, dass ich wegen Darryl etwas unternehmen musste. Sosehr ich ihn auch liebte, er musste aus meinem Leben verschwinden.

Ich hörte, wie Margie drinnen im Zimmer zu einem der Polizisten sagte: „Ich wusste, dass Hope verrückt ist.“

„Aber ist sie auch eine Mörderin?“, rief Melanie.

Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sich eine blaue Uniform aufs Fenster zubewegte.

Höchste Zeit zu verschwinden.

„Sie werden uns nicht kriegen, stimmt’s, Mädels?“, sagte ich flüsternd.

Angel und Jasmin schüttelten die Köpfe.

„Nein“, flüsterte Darryl mir ins Ohr. Ich wusste, dass er in der Nähe war. Dass er bei mir war.

„Lasst uns abhauen“, sagte ich leise. Ich umklammerte das Geländer der Feuerleiter und zog mich vorsichtig vom Fenster zurück.

Dummerweise blieb ich dabei mit dem Schuh an einer Treppenstufe hängen. Es gab ein dumpfes, metallisches Geräusch.

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Hatten sie das gehört?

Ja.

Aus dem Zimmer drang ein schriller Schrei.

Dann rief einer der Polizisten: „Da ist sie! Auf der Feuerleiter! Hinterher!“

Ich rutschte mit der Hand vom Geländer ab. In meiner Panik verlor ich das Gleichgewicht.

„Bewegt euch!“, befahl ich den anderen. „Na los, macht schon! Rennt!“

Zu spät.

Mit weit aufgerissenen Augen und zusammengebissenen Zähnen stürmte einer der beiden Polizisten zum Fenster. Blitzschnell schlang er die Arme um meine Taille und rief: „Ich hab sie!“

2

Als sich seine Arme um mich schlossen, stieß ich einen frustrierten Seufzer aus. „Verdammt, erwischt!“ Meine Schultern sanken herab und die Knie gaben unter mir nach.

„Du müsstest wenigstens versuchen wegzulaufen“, sagte ich mir, aber vergeblich. Als ich den Kopf drehte, sah ich Jasmin und Angel die wackeligen Metallstufen hinunterflitzen. Sie waren bereits zwei, drei Stockwerke unter mir.

Ich wusste, dass ich versuchen sollte, mich zu befreien. Aber ich fühlte mich auf einmal ganz ängstlich und verwirrt.

Warum passierte das alles? Warum passierte mir das? Ich hatte doch niemanden getötet.

„Darryl“, flehte ich im Stillen.

„Darryl, bitte – hilf mir!“

Kaum hatte ich an ihn gedacht, tauchte er neben mir auf.

Seine blassblauen Augen waren groß vor Wut. Lange dunkle Haarsträhnen fielen ihm wirr ins Gesicht.

Mit einer Hand strich er sich das Haar zurück. Die andere schoss blitzschnell auf die Kehle des Polizisten zu.

Ich sah, wie Darryls Finger sich um den dünnen Hals legten. Die Haut des Mannes begann sich zu röten, als Darryl fester zupackte. Und ihm die Luft abdrückte.

Der Polizist riss mit einem erstickten Gurgeln den Mund auf. Sein Griff um meine Taille löste sich. Es schien, als würde er im nächsten Moment rücklings ins Zimmer stürzen.

Ich wirbelte herum. Ganz benommen und mit wild klopfendem Herzen.

Dann begann ich zu rennen. Das kalte Geländer glitt unter meiner Hand dahin, als ich die Feuertreppe hinunterstürzte. Meine Beine waren so schwer und meine Schuhe klapperten lautstark auf den Metallstufen.

Kling … klang … klong … wie dumpfes Glockengeläut.

Ich hörte wütende Rufe über mir, aber ich blickte nicht auf.

Die Feuertreppe erzitterte unter dem Gewicht schwerer Schritte. Die mit Efeu bewachsene Backsteinwand verschwamm zu einem Gewirr aus Rot und Grün, als ich bei einer scharfen Wendung beinahe stolperte. Im letzten Moment hielt ich mich am Geländer fest und lief weiter.

Hastete immer weiter nach unten. Folgte Jasmin und Angel.

„Darryl – bist du hinter mir?“, rief ich. Meine Stimme klang piepsig und erstickt. Mir war klar, dass er mich bei dem Geklapper der Metalltreppe, den schweren Schritten und den wütenden Rufen gar nicht hören konnte.

„Bist du da? Bist du auch entkommen?“, rief ich trotzdem noch einmal.

„Bleib sofort stehen!“, schrie jemand. Dicht über meinem Kopf. So dicht …

Ich dachte nicht darüber nach. Ich nahm es mir nicht vor. Ich wusste nicht einmal, dass ich es im nächsten Moment tun würde.

Aus heiterem Himmel blieb ich stehen und packte das Geländer.

Ich schwang mein Bein hinüber und wünschte in diesem Moment, ich wäre nicht so schwer und pummelig. Nicht so ein Walross. Wünschte mir sehnlichst, ich wäre so schlank und zierlich, wie meine Mutter es immer gewollt hatte. So schlank, so zierlich und so anmutig wie Angel.

Aber ich schaffte es, mich rüberzuziehen. Mit einem lauten Stöhnen wälzte ich mich über das Geländer. Und sprang von der Feuertreppe.

Beide Hände über den Kopf gestreckt, stürzte ich in die Tiefe.

Wie weit war es bis nach unten?

Ich wusste es nicht. Ich hatte nicht hinuntergesehen, bevor ich gesprungen war.

Ich stürzte eine Ewigkeit. Vielleicht waren es auch nur ein oder zwei Sekunden.

Und ich starb, bevor ich den Boden berührte.

3

Nein, ich starb natürlich nicht.

Aber der Gedanke ging mir durch den Kopf. Bis zu dem Moment, als ich auf dem Boden aufkam. Hart. Und mit beiden Füßen.

Ein furchtbarer Schmerz durchzuckte meinen Knöchel und schoss durch meinen Körper.

Meine Beine gaben unter mir nach und ich fiel auf das reifüberzogene Gras. Der Schmerz breitete sich überall aus. Es tat so weh, dass ich es regelrecht hören konnte. Es kam mir vor, als wäre ich von wütenden Bienen eingehüllt, die mir einen schmerzhaften Stich nach dem anderen verpassten.

Aber immerhin war ich noch am Leben. Ich holte tief Luft und wartete darauf, dass der brennende Schmerz nachließ.

Und dann rannte ich weiter. Ohne auf das dumpfe Pochen in meinem Knöchel zu achten. Rannte neben Jasmin und Angel her.

Ob uns die Leute anstarrten, als wir über das „Dreieck“, die große grasbewachsene Fläche in der Mitte des Unigeländes, flitzten?

Keine Ahnung. Ich hielt den Kopf gesenkt und horchte auf das Geräusch rennender Schritte hinter mir. Lauschte auf die wütenden Rufe der beiden Polizisten.

Und stürmte dahin wie ein Pferd mit Scheuklappen.

Ich überquerte die Pine Street und raste an den Läden auf der Elm Street vorbei. Als ich über die Straße lief, ohne auf den Verkehr zu achten, ertönte ein durchdringendes Hupen.

Ich hörte, wie der Fahrer lauthals fluchte. Aber ich drehte mich nicht um und wurde auch nicht langsamer.

Im nächsten Moment stieß ich mit einem Mann zusammen, der zwei Einkaufstüten auf dem Arm trug. Er schrie protestierend auf und versuchte, seine Tüten nicht fallen zu lassen.

„Hey, was hast du es denn so eilig?“, rief er mir hinterher.

Ich rannte an der kleinen Post vorbei und bog in den schmalen Weg neben dem alten, schäbigen Uni-Kino The Ivy ein. Zwei Teenies von der Highschool lehnten eng umschlungen an der Tür des Hinterausgangs und knutschten.

Als ich an ihnen vorbeiraste, sah ich aus dem Augenwinkel für einen Moment ihre erschrockenen Mienen.

Die kleine Gasse führte auf die viel befahrene Vermont Avenue. Ich bremste aus vollem Lauf ab und entging dadurch in letzter Sekunde dem Zusammenstoß mit zwei Mädchen auf Fahrrädern. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und trabte an einer Reihe alter, heruntergekommener Häuser entlang.

Niemand folgte mir. Niemand war mehr hinter mir her.

Ich hatte die Polizisten abgehängt. War in die Freiheit gesprungen.

Hatte ich das wirklich getan? War ich tatsächlich von der Feuertreppe an der Rückwand des Studentenwohnheims gehüpft?

Wie hatte ich nur den Mut dafür aufgebracht?

„Was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte Angel atemlos. Das blonde Haar hing ihr wild ins Gesicht.

„Wo sollen wir hin?“ In ihrer lilafarbenen Strickjacke hatten sich einige Blätter verfangen, aber sie schien es nicht einmal zu bemerken.

Jasmin musste sich ganz schön anstrengen, um mit uns Schritt zu halten, und hielt sich beim Laufen die Seite. „Wir müssen reden“, stieß sie hervor. „Warum rennen wir eigentlich weg? Wir haben doch gar nichts getan.“

„Hey, warte, Hope“, drängte auch Angel. Sie packte mich am Arm und zwang mich stehen zu bleiben. „Jasmin hat recht. Wir müssen reden.“

Ich wirbelte herum, um die Straße hinter mir abzuchecken. Zwei Jungen in Sweatshirts mit dem Logo des Footballteams des Ivy College fuhren auf Inlineskates an uns vorbei. Einer von ihnen musterte mich mit ausdrucksloser Miene.

„Niemand verfolgt uns mehr“, berichtete Jasmin. „Die sind wir los.“

Ich ließ meinen Blick die Straße auf und ab wandern. Die mächtigen alten Bäume hatten zum größten Teil ihre Blätter schon verloren. Dahinter ragten die großen schindelgedeckten Backsteingebäude der Fraternity Row auf.

In diesen alten Häusern lebten Hunderte Mitglieder aller möglichen Studentenverbindungen. Ich hatte mich immer gefragt, wie es wohl dort drinnen aussah, war aber noch nie in eins von ihnen eingeladen worden.

Inzwischen wirkten einige der früher so prächtigen Gebäude schäbig und heruntergekommen. Die Studentenverbindungen waren nicht mehr so beliebt wie früher und außerdem konnten sich viele Studenten die Mitgliedschaft gar nicht leisten.

Mehrere Gebäude hatte man in Studentenwohnungen umgewandelt. Ein paar waren mit Brettern vernagelt und standen leer. Vor einem großen Haus mit weißen Säulen auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Schild mit der Aufschrift: ZUVERKAUFEN.

Aus dem offenen Fenster des Wohnheimes einer Studentenverbindung, das durch eine hohe Hecke davon getrennt war, dröhnte laute Musik. Der Klang riss mich aus meinen Gedanken.

„Warum sind wir weggelaufen?“, stieß Angel keuchend hervor. „Wir hätten doch einfach dableiben und den Polizisten von Darryl erzählen können.“

„Quatsch!“, erwiderte ich scharf. „Du hast doch gehört, was sie dort im Zimmer gesagt haben. Sie halten mich für verrückt.“

„Aber, Hope …“, wollte Angel protestieren.

„Meinst du, sie hätten mir auch nur ein Wort geglaubt?“, unterbrach ich sie. „Melanie und ihre Freundinnen haben sie überzeugt. Du hast doch alles mitbekommen, Angel. Ich hätte keine Chance gehabt, ihnen alles zu erklären.“

„Hope hat recht“, schaltete sich jetzt auch Jasmin ein und zog ihren viel zu großen Pullover zurecht. Dann zupfte sie die Blätter von Angels Strickjacke. „Uns ist gar nichts anderes übrig geblieben. Wir mussten abhauen.“

„Sie halten mich für eine Mörderin“, sagte ich kopfschüttelnd. „Könnt ihr euch das vorstellen? Sie denken allen Ernstes, dass ich diese beiden Jungen getötet habe. Dass ich eine wahnsinnige Killerin bin. Jedenfalls glauben diese drei Mädchen das. Und die Polizisten haben sie auch davon überzeugt.“

Ich stöhnte empört auf. „Ich konnte nicht länger dort stehen und mir das anhören“, sagte ich zu meinen Freundinnen. „Das … das war einfach zu viel!“

Meine Stimme versagte. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Schnell wandte ich mich ab, damit Angel und Jasmin es nicht sahen.

Ich weiß auch nicht warum. Aber gerade jetzt wollte ich nicht schwach erscheinen.

Schließlich verließen die beiden sich trotz allem auf mich.

Sie waren mir gefolgt. Waren mit mir weggerannt. Und sie waren die ganze Zeit bei mir geblieben.

Ich wollte sie nicht enttäuschen.

Eden lebte nicht mehr und Darryl war völlig außer Kontrolle.

Angel und Jasmin waren die einzigen echten Freunde, die mir geblieben waren.

Ich legte einen Arm um Angels und einen Arm um Jasmins Schulter. „Lasst uns gehen“, sagte ich. „Ich weiß, wo wir hinkönnen.“

Wir brauchten einen Ort, wo die Polizei uns nicht finden würde, bis wir herausgefunden hatten, was wir tun wollten. Außerdem musste ich mich vor Darryl verstecken. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass er mich überall finden würde.

Während wir die Vermont Avenue entlanggingen, hielt ich mich im Schatten der Hecken, die die Straße säumten. Ein Kleinbus, randvoll mit Jungen irgendeiner Studentenverbindung, fuhr vorbei. Einer von ihnen rief mir etwas zu und winkte. Die anderen lachten.

Ich drehte mich nicht um, sondern ging einfach weiter.

Kurz darauf kam ich an einem der alten Häuser vorbei, das zu einzelnen Apartments umgebaut worden war. Ein Pärchen stand eng umschlungen in der Eingangstür und küsste sich.

Ich schaute weg. Bei ihrem Anblick musste ich an Darryl und mich denken.

„Wie konntest du mir das bloß antun, Darryl?“, dachte ich bitter, während ich die Straße überquerte. „Du bist mir so wichtig. Und wir waren uns so nah. Schon immer. Seit … seit der Highschool.

Wie konntest du unser Leben so zerstören?“

Ich holte tief Luft und vertrieb Darryl aus meinen Gedanken. Jetzt war keine Zeit für Selbstmitleid. Darin konnte ich immer noch baden, wenn wir unser Versteck erreicht hatten.

Wir überquerten die Straße und kamen an einem verlassenen Parkplatz vorbei. Die kahlen Bäume erzitterten in der leichten Brise. Irgendwer hatte ein Paar blaue Boxershorts hoch oben über einen Ast gehängt. Wahrscheinlich das Überbleibsel irgendeiner wilden Verbindungsparty.

Hinter dem leeren Parkplatz stand das Haus, das ich gesucht hatte. Ein großes zweistöckiges Gebäude aus rotem Backstein, fast verborgen hinter einer wilden Hecke aus immergrünen Büschen.