Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - Alfred Bekker - E-Book

Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Mal romantisch, mal spannend, mal heiter mal besinnlich - so sind die Geschichten, die in diesem Band zusammengetragen wurden. Aber unterhaltend sind sie immer! Ideale Strand-Lektüre! (699) Dieses Buch enthält folgende Geschichten: Rowena Crane: Sie wollte keinen Bodyguard Konrad Carisi: Isabella oder der Schatz im Klavier Sandy Palmer: Liebeswirren am Nordseestrand A.F. Morland: Mit dir dem siebten Himmel nah A.F. Morland: Die Patientin, die ihr Kind verschenkte A.F.Morland: Dr. Kayser und das Mädchen Monika Wolf G. Rahn: Liebe verzeiht jeden Trick Alfred Bekker: Der verhexte Süßstoff Eva Joachimsen: Das Unschuldslamm Alfred Bekker: Guten Appetit! Alfred Bekker: Verbündete A. F. Morland: Liebe hautnah Hendrik M. Bekker: Gefangener Hendrik M. Bekker: Der Ring, der Wünsche erfüllt Eva Joachimsen: Ich will aus Liebe heiraten Alfred Bekker: Die Schwester des Unglücks Anna Martach: Wir brauchen keinen neuen Papi Alfred Bekker: Der Fisch Glenn Stirling: Eine Liebe - ein ganzes Leben lang

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Alfred Bekker, Konrad Carisi, Sandy Palmer, A. F. Morland, Glenn Stirling, Wolf G. Rahn, Eva Joachimsen, Hendrik M. Bekker, Anna Martach

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Inhaltsverzeichnis

Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren

Copyright

Sie wollte keinen Bodyguard Roman von Rowena Crane

Isabella oder der Schatz im Klavier

Liebeswirren am Nordseestrand

Mit dir dem siebten Himmel nah

Die Patientin, die ihr Kind verschenkte

Dr. Kayser und das Mädchen Monika

Liebe verzeiht jeden Trick

Der verhexte Süßstoff

Guten Appetit!

Verbündete

Liebe hautnah

Gefangener

Der Ring, der Wünsche erfüllt

Ich will aus Liebe heiraten

Die Schwester des Unglücks

​Wir brauchen keinen neuen Papi

Der Fisch

Eine Liebe - ein ganzes Leben lang

Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren

Alfred Bekker, Konrad Carisi, Sandy Palmer, A. F. Morland, Glenn Stirling, Wolf G. Rahn, Eva Joachimsen, Hendrik M. Bekker, Anna Martach

Mal romantisch, mal spannend, mal heiter mal besinnlich - so sind die Geschichten, die in diesem Band zusammengetragen wurden. Aber unterhaltend sind sie immer! Ideale Strand-Lektüre!

Dieses Buch enthält folgende Geschichten:

Rowena Crane: Sie wollte keinen Bodyguard

Konrad Carisi: Isabella oder der Schatz im Klavier

Sandy Palmer: Liebeswirren am Nordseestrand

A.F. Morland: Mit dir dem siebten Himmel nah

A.F. Morland: Die Patientin, die ihr Kind verschenkte

A.F.Morland: Dr. Kayser und das Mädchen Monika

Wolf G. Rahn: Liebe verzeiht jeden Trick

Alfred Bekker: Der verhexte Süßstoff

Eva Joachimsen: Das Unschuldslamm

Alfred Bekker: Guten Appetit!

Alfred Bekker: Verbündete

A. F. Morland: Liebe hautnah

Hendrik M. Bekker: Gefangener

Hendrik M. Bekker: Der Ring, der Wünsche erfüllt

Eva Joachimsen: Ich will aus Liebe heiraten

Alfred Bekker: Die Schwester des Unglücks

Anna Martach: Wir brauchen keinen neuen Papi

Alfred Bekker: Der Fisch

Glenn Stirling: Eine Liebe - ein ganzes Leben lang

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Sie wollte keinen Bodyguard Roman von Rowena Crane

Der Umfang dieses Buchs entspricht 132 Taschenbuchseiten.

Susann ist nach dem tragischen Tod ihrer Eltern die Alleinerbin der Firma. Ihr Onkel ist nicht im Testament bedacht worden, was er nicht hinnehmen will. Doch Susann ist nicht gewillt, auf seine unverschämten Forderungen einzugehen. Als er sie dann körperlich bedroht, befolgt Susann den Rat von Jonas Hofman, dem langjährigen Freund ihrer Eltern, für eine Weile die Stadt zu verlassen und begibt sich für ein paar Wochen ins Strandhaus an der französischen Küste.

Auf dem Nachbargrundstück taucht nach ein paar Tagen ein sehr attraktiver Fremder auf. Doch Susann ist misstrauisch, denn ihr Onkel könnte ihn geschickt haben, um seine Drohungen wahr zu machen ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© Cover: Rowena Crane

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

Jeden Abend ging Susann vom Strandhaus den steilen Weg hinunter zum schmalen Strand. Jeden Abend ging sie nahe ans Wasser und sah hinaus auf das Meer. Aber sie achtete darauf, dass das salzige Nass sie nicht berührte. Sie hasste das Meer, sie hasste den Wind. In ihr hatte sich das dumpfe Gefühl breitgemacht, es könnte sie ansaugen und sie dann verschlingen, damit sie das gleiche Schicksal ereilt wie ihre Eltern, die seit einem Monat nicht mehr unter den Lebenden weilten.

Sie waren bei herrlichem Wetter mit ihrer Yacht aufs Meer hinausgefahren. Beide wollten wieder einmal ein paar Meilen von der Küste entfernt an ihr entlang schippern. Doch plötzlich war Wind aufgekommen, der sich in kurzer Zeit zu einem Sturm entwickelt hat. Man erklärte der Tochter, dass ihre Eltern wohl nicht mehr in der Lage waren, rechtzeitig zurückkehren. Man nahm an, dass die riesige Wellen die Yacht zum Kentern gebracht hatten.

Auf Grund des abgesetzten Notrufes hatte man sich auf die Suche gemacht. Es wurden nur Teile der Yacht einen Tag später geortet. Taucher suchten nach den Eltern. Der Hubschrauber, der viele Stunden lang ein großes Gebiet abflogen hatte, kehrte erfolglos zurück. Die Taucher fanden weitere Teile des Bootes und bargen sie. Da einige Brandstellen aufwiesen, meinte man, dass die Yacht an die Klippen geworfen worden war und der Aufprall zu einer Explosion geführt hatte. Die Suche wurde dann eingestellt. Der Vater und die Mutter blieben verschollen, was mehrere Tage groß in der Presse zu lesen war.

Während dieser ganzen Zeit der Suche hatte die Tochter bangend, aber immer noch hoffend, auf der Terrasse des geräumigen Strandhauses gestanden und gewartet, dass man ihre Eltern gesund zu ihr brachte. Doch diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllt.

Nun war sie seit ein paar Tagen wieder hier im Strandhaus. Die Beerdigung ihrer Eltern war der reinste Horror für Sie gewesen, denn es wurden zwei leere Särge zu Grabe getragen. Auch nach einer Woche waren die Körper ihrer Eltern nicht an Land gespült worden. Man machte Susann keine Hoffnung, dass das noch geschehen könnte.

Und dann kam ihr Onkel Thomas, der noch vor der Beerdigung sie bedrängte, die Leitung der Firma ihm zu überlassen. Nach der Trauerfeier ging er wiederholt auf sie zu, so dass sie ihn wütend zurechtwies und ihm die Tür zeigte, aus der er verschwinden sollte.

Onkel Thomas war der jüngere Bruder ihres verschollenen Vaters. Er war ein Mann, der ausschweifend lebte und das Geld nur so zum Fenster rausschmiss. Ihr Vater hätte ihm niemals die Leitung überlassen, denn sein Bruder hätte alles, was er aufgebaut und geschaffen hatte, zerstört. Und das in kürzester Zeit. Wahrscheinlich hätte er die Firma mit allem Drumherum dem Meistbietenden verkauft, nur um sein ausschweifendes Leben weiter finanzieren zu können. Ihr Vater hatte einmal sogar den Verdacht geäußert, dass sein Bruder in Casinos sein Geld verspielte, denn er war einmal zu ihm gekommen, um sich eine größere Summe zu borgen, was ihr Vater ihm verweigert hat.

Susann war nach der Beerdigung jeden Tag in der Firma gewesen und hatte sich mit Jonas, der rechten Hand ihres Vaters, verständigt. Er sollte ihr alles Notwendige zeigen, damit sie in der Zukunft das Werk ihres Vaters weiterführen konnte. Jonas Hofman und ihr Vater waren schon seit ihrer Schulzeit Freunde. Zwischenzeitlich hatten sie sich mal aus den Augen verloren und zufällig wiedergetroffen. So blieb es nicht aus, dass jeder von ihnen berichtete, was er in den letzten Jahren getan hatte. Irgendwie kam es, dass ihr Vater seinem Freund anbot, in seiner Firma mit ihm zusammenzuarbeiten. Ein halbes Jahr später trat er dann die Stelle an. Und er hatte es nie bereut. Für Susann war Jonas der Onkel, den sie sich statt Onkel Thomas gewünscht hätte.

Es kam dann in den nächsten Tagen sogar soweit, dass sie ihrem Onkel Hausverbot erteilte, als er sich erneut erdreistet hat, sie zu bedrängen, ihm die Leitung oder zumindest erst einmal einen Posten im Aufsichtsrat zu übergeben, denn der wäre ja jetzt frei, wo sein Bruder nicht mehr unter den Lebenden weilte – wie er es selbstsicher und ungehobelt gegenüber Susann äußerte.

Jonas stand ihr zur Seite und rief den Sicherheitsdienst, der ihren Onkel dann hinausgeleitete.

„Das wirst du bereuen, du habgieriges Miststück!“, hatte er noch gerufen. „Er war mein Bruder. Da steht mir nach seinem Tod auch ein Erbteil zu!“

„Der spinnt doch“, meinte Jonas. „Dem steht nicht mal der Dreck unter dem Fingernagel zu.“

„Er war auch nicht zur Testamentseröffnung geladen. Wahrscheinlich wartet er immer noch, dass man ihm eine Einladung übergibt. Da wird er warten müssen, bis er alt und grau ist“, stöhnte Susann, denn es zerrte an ihren Nerven, dass ihr Onkel keine Ruhe gab.

„Der wird noch Ärger machen“, vermutete Jonas.

„Ja, kann sein“, seufzte sie. „Doch wie schaffe ich das, dass der sich fern von mir hält?“

„Du brauchst einen Bodyguard“, schlug Jonas vor. Dieser Vorschlag hörte sich jedoch mehr wie eine Order an.

Susann sah den Freund ihres Vaters nun ablehnend an.

„Bestimmt nicht! Ich würde mich ja auf Schritt und Tritt verfolgt fühlen, und meine Privatsphäre wäre dahin.“

Jonas musste schmunzeln, wurde aber gleich wieder ernst, denn er sorgte sich um Susann. Sie war vor allem für ihn wie eine Tochter. Eigene Kinder zu bekommen, war ihm auch in seiner zweiten Ehe nicht vergönnt.

„Wenigstens für ein paar Monate, Susann“, redete er auf sie ein, „bis Thomas sich beruhigt oder eine andere Einnahmequelle gefunden hat.“

Susann schüttelte den Kopf und meinte nachdenklich: „Und wenn wir ihm – sagen wir mal – 100 000 Euro geben ...“

„Bist du von Sinnen?“ Jonas sah sie verärgert an. „Denk nach, Mädchen! Der wird nie Ruhe geben. Wenn du erst einmal damit anfängst, wird er dreister werden und immer mehr verlangen.“

Susann seufzte. „Ja, du hast recht. War ein dummer Gedanke von mir“, gab sie zu. „Wie du schon sagtest: Er ist den Dreck unterm Fingernagel nicht wert.“

2

Zwei Wochen blieb Susann an der Seite von Jonas und leitete mit ihm die Kosmetik-Firma in Belgien. Während dieser Zeit kam es zweimal zu einem Zwischenfall mit ihrem Onkel. Das eine Mal lauerte er sie auf, als sie vom Firmenparkplatz zum Firmengebäude ging. Er sprang zwischen zwei parkende Wagen hervor und riss grob an ihrem Arm, so dass sie gegen ihn flog. Vor Schreck schrie sie laut auf.

„Halt‘s Maul, Susann! Ich will meinen Anteil. Oder setz mich in der Firma ein! Du bist doch viel zu blöd, so ein großes Unternehmen zu leiten“, zischte er.

„Lass mich sofort los!“, verlangte Susann, nun wütend.

Doch er hielt sie weiter grob fest.

„Du solltest dich schnell entscheiden.“

„Warum sollte ich das tun? Es bleibt, wie es ist. Und damit Ende der Diskussion!“, antwortete sie mit fester Stimme.

„Susann, ich warne dich!“, knurrte er drohend.

Doch plötzlich ließ er sie los und lief zu seinem Wagen, startete ihn und fuhr mit quietschenden Reifen weg. Susann sah sich um, um den Grund zu finden, warum er sich so eilig entfernt hatte. Sie entdeckte auch gleich zwei Sicherheitskräfte, die zu ihr gelaufen kamen.

„Frau Sanders, sind Sie von dem Mann belästigt worden?“

„Dieser Mann ist Thomas Sanders, dem ein Hausverbot ausgesprochen wurde. Ich frage mich, wie der durch die Schranke kommen konnte. Ich kann mich nicht erinnern, dass er eine neue Zugangsberechtigung von mir oder Monsieur erhalten hat“, sagte sie ziemlich erregt und rieb sich an ihrem noch schmerzenden Arm.

„Wir werden das sofort überprüfen“, meinte der eine pflichtbewusst.

„Das erwarte ich auch. Und informieren Sie mich sofort!“, verlangte sie.

Es dauerte auch nicht lange, da bekam sie die Information. Ihr Onkel hatte sich eine Zugangskarte „besorgt“. Ein Mitarbeiter meldete den Verlust seiner Karte. Und die hatte der Onkel.

Der Mitarbeiter war nach der Arbeit in einer Kneipe gewesen und hatte dort etwas gegessen und zwei Bier getrunken, wie er den Sicherheitsleuten berichtete. Am nächsten Morgen, als er sie benutzen wollte, war die Karte weg. Er hatte bereits eine neue bekommen, aber es war durch eine Nachlässigkeit eines Verantwortlichen des Personalmanagements versäumt worden, die alte Karte zu sperren. Nach dem Vergleich der Zeiten stellte man daraufhin fest, dass der Onkel bereits auf dem Gelände gewesen war, um Susann aufzulauern.

Das zweite Mal trat dieser hinter dem wuchtigen und dicht belaubten Busch hervor, der neben der Haustür ihres Elternhauses stand, als sie gerade die Tür öffnen wollte, um ins Haus zu gelangen.

„Hallo, Susann! Hast du es dir überlegt?“, sprach er sie an.

Susann spielte die Unwissende und fragte: „Was soll ich mir überlegt haben?“

„Stell dich nicht dumm!“, zischte er sie an, was sie aber nicht zu beeindrucken schien, denn sie konterte sogleich: „Ich erinnere mich, dass du gesagt hattest, ich sei blöd. Also ...“

„Lass uns ins Haus gehen, damit wir darüber reden können!“, schlug er nun seinerseits mit einem freundlicheren Ton ihr gegenüber vor.

Susann musterte ihn für einen Wimpernschlag, der ihr reichte, um festzustellen, dass das mehr als nur ein Fehler sein würde, wenn sie dieser Aufforderung nachkam.

„Vergiss es! Es gibt da nichts zu bereden. Jonas und ich leiten die Firma. Papa hat dich nicht gewollt. Und das aus gutem Grund, wie du es selbst weißt. Wir brauchen und wollen dich jetzt nicht und in der Zukunft auch nicht. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!“, ließ sie ihn mit harter Konsequenz in der Stimme wissen.

Daraufhin wurden seine Augen schmal. Wütend sah er seine Nichte an.

„Dann sag mir wenigstens, wann die Testamentseröffnung ist. Schließlich will ich die nicht verpassen.“

„Oh, hattest du keine Einladung erhalten?“, fragte sie zuckersüß. „Ah, stimmt ja. Und ich weiß auch, warum. Meine Eltern hatten es so verfügt. Wie war noch einmal der Wortlaut? Ach ja – so ähnlich jedenfalls: ,Wir verfügen Folgendes: Mein Bruder, Thomas Sanders, erhält keinen Anspruch auf unser Privatvermögen sowie auf das Vermögen der Firma. Alles geht auf unsere Tochter Susann Sanders über.‘ Du kannst gerne beim Anwalt nachfragen. Der sagt dir dann auch noch den Grund, den meine Eltern angegeben hatten. Das Testament ist unanfechtbar! Nur zur Information. Und jetzt verschwinde endlich und lass mich in Ruhe!“

Als ihr Onkel das hörte, ging er einen Schritt auf sie zu. Dabei ging eine rapide Veränderung in ihm vor. In seinen Augen sah Susann plötzlich einen unbändigen Zorn glimmen, und sein Gesicht glich einer Fratze. Automatisch wich sie einen Schritt zurück, denn er riss seine Arme hoch und zielte mit den Händen auf ihren Hals, als wenn er vorhätte, sie zu würgen - was er dann auch tat. In dem Moment, als ihr Onkel seine Hände um ihren Hals legte und sie zu würgen begann, fragte plötzlich jemand vom Gehsteig: „He, Susann, alles in Ordnung?“

Sofort wich Thomas einen Schritt zurück und ließ von ihr ab.

„Ich komme zu meinem Geld. Verlass dich drauf! Ich bin der letzte Sanders ...“ Mit einem falschen Lächeln sah er sie an. Doch die Wut glimmte immer noch in seinem Gesicht. Dann drehte er sich um und ging, als sei nichts gewesen.

Susann stand immer noch wie versteinert da. Der Rufer, der ihren Onkel an sein Vorhaben gehindert hatte, sah ihm kopfschüttelnd nach und ging dann zu ihr. Es war ihr Nachbar, der das Geschehen beobachtet und zur rechten Zeit eingegriffen hatte.

„Das war doch dein Onkel. Was ist dem denn über die Leber gelaufen? Man, es sah aus, als wollte er dir an die Gurgel gehen.“

„Er ist mordswütend, weil er nichts von meinen Eltern erbt“, krächzte sie und schluckte dann, denn der Schreck steckte ihr tief in den Gliedern.

„Komm mit zu uns und trink mal was!“ Er fasste sanft an ihren Arm und zog sie mit zu sich ins Haus. Susann ließ es zu. Dabei schwirrte ihr immerzu im Kopf herum, was ihr Onkel zu ihr gesagt hatte: „Ich komme zu meinem Geld. Verlass dich drauf! Ich bin der letzte Sanders ...“

War das eine Drohung? Will er ihren Tod?

Ja, dann würde er alles erben. Das musste sie verhindern – unbedingt und so schnell wie möglich. Gleich morgen wollte sie mit Jonas darüber reden.

3

Jonas war entsetzt, als Susann ihm erzählte, was ihr am Vorabend passiert war. Diesmal verlangte er mit Nachdruck, dass Susann sich einen Bodyguard nehmen sollte. Aber auch diesmal lehnte sie das rigoros ab.

„Das war nicht einfach nur eine daher gesagte Drohung, Susann. Er ist versessen darauf, an das Geld deiner Eltern zu kommen. Egal mit welchen Mitteln. Vielleicht steckt er gerade mal wieder in der Klemme, und es macht ihm jemand Feuer unter dem Hintern. Da schreckt so mancher auch nicht vor einem Mord zurück“, warnte er sie trotzdem. Doch Susann wollte davon nichts hören.

Aber auch Jonas Hofman wollte das so nicht auf sich beruhen lassen ...

Noch am gleichen Tag machte Susann einen Termin mit dem Anwalt. Jonas begleitete sie. Der Anwalt setzte ein Testament für Susann auf. Sicher ist sicher, sagte sie sich. Alles, was die Firma betraf, sollten, falls ihr wirklich etwas zustoßen sollte, Jonas und seine Frau bekommen. Das Privatvermögen, das beträchtlich war, sollte dann der Kinderkrebshilfe zukommen.

Am nächsten Vormittag, als Jonas und Susann im Büro saßen, sagte er wieder einmal zu ihr: „Susann, du musst eine Pause machen. Trauere um deine Eltern! Hier kannst du es nicht. Und komm mir nicht damit: Die Arbeit lenkt mich ab. Das tut sie vielleicht am Tag, aber nicht nachts. Du siehst müde und abgespannt aus. Abgenommen hast du auch. Also, als dein Freund verordne ich dir mindestens drei Wochen eine Auszeit. Und ...“

Susann versuchte zum wiederholten Mal, sich dagegen aufzulehnen, doch er legte ihr diesmal seinen Zeigefinger auf den Mund und schüttelte den Kopf. „… keine Widerrede!“ Dann nahm er den Finger von ihr weg und musterte sie ernst.

„Ist das wirklich der Grund? Oder schlägst du mir das vor, weil du Angst hast, Onkel Thomas könnte mir was antun?“, fragte sie missmutig.

„Das ist ebenso ein Grund“, gab er zu.

Susann schwieg eine Weile. Ja, sie schlief sehr schlecht. Appetit hatte sie auch nicht. Irgendwie fühlte sie sich auch schlapp und ohne die notwendige Energie, die sie eigentlich für die Leitung einer so großen Firma benötigte.

„Aber ich kann dich das hier doch nicht allein machen lassen“, wandte sie müde ein.

„Ich kann ja deinen Onkel um Hilfe bitten ...“, warf er mit einem verschmitzten Grinsen ein.

Susann erkannte sofort, dass er sie nur necken wollte. Ihr war schon klar, dass er das für mehrere Wochen auch allein hinbekam. Das hatte er schon mehrmals bewiesen.

„Untersteh dich!“, entgegnete sie. „Ich weiß ja, dass du das hinbekommst.“

„Na also! Dann steht deiner Auszeit nichts im Wege.“

Susann stimmte jetzt zu seiner Überraschung zu. Eigentlich hatte er viel mehr Widerspruch von ihr erwartet.

„Aber wenn es wichtig ist und du mich brauchen solltest, informierst du mich sofort. Das musst du mir versprechen“, verlangte sie.

„Das mache ich“, versprach er. „Und – hast du schon eine Idee, wo du deine Auszeit verbringen willst?“

„Ich werde zum Strandhaus fahren“, entschied sie.

Zuerst hatte Jonas noch einige Bedenken. Doch dann meinte er: „Gut. Wann, meinst du, willst du los?“

„Am Wochenende. Ich will das hier noch abarbeiten. Außerdem haben wir morgen einen Termin mit den Produktentwicklern, und am Nachmittag ist die Aufsichtsratssitzung. Da will ich nicht fehlen.“

„In Ordnung. Dann lass uns mal was tun, damit der Rubel weiter rollt“, meinte Jonas lachend, hatte aber schon einen anderen Gedanken im Kopf, den er gewillt war, umzusetzen.

4

Jonas hatte es sich nicht nehmen lassen, Susann am Wochenende zum Flughafen zu bringen. Natürlich tat er das nicht ohne Grund. Er wollte sichergehen, dass sie dort auch heil ankam. Die Sache mit ihrem Onkel machte ihm mehr Sorgen, als er zugeben würde. So, wie der sich ihr gegenüber aufgeführt und sich geäußert hatte, da traute er dem jede Schandtat zu.

Jonas wartete, bis Susann ins Gate ging, um in ihren Flieger einzusteigen. Eine Viertelstunde später war er auch schon in der Luft. Erst dann verließ er den Flughafen und fuhr zu seiner Frau nach Hause.

Als Susann auf ihrem Zielflughafen ankam, stand Martin, der sie freundlich begrüßte, mit der schwarzen Limousine, die ihr Vater vorher gefahren hatte, bereit. Erst zögerte sie noch, einzusteigen, doch dann überwand sie sich und ließ sich von ihm zum Strandhaus fahren.

Martin und seine Frau Rosalia waren von ihrem Vater angestellt worden, um sich um das Strandhaus zu kümmern. Manchmal hatten ihre Eltern Martin auch gebeten, den Chauffeur zu spielen.

Stille umfing sie, als sie das Haus betrat. Alles war am selben Platz, nichts hatte sich geändert.

Und trotzdem fehlte etwas - das Wichtigste: ihre Eltern!

Nun saß Susann wieder im warmen Sand und starrte auf das ruhige Mittelmeer. Niemand sah ihre Tränen, die ihr heiß über die Wangen liefen. Niemand sah ihren Kummer, den sie in sich trug.

Susann war nun allein. Ihre Eltern tot.

Was soll ich jetzt nur ohne euch tun?, fragte sie sich immer wieder. Ach, Paps! Warum seid ihr nicht im Strandhaus geblieben? Ihr hättet euch doch einen schönen Tag auf der Terrasse machen können, hättet - wie sonst auch - im Pool eure Bahnen schwimmen können.

„Ich hasse dich, du verfluchtes Meer!“, sagte sie verbittert, obwohl ihr klar war, dass das Meer keine Schuld traf.

Susann wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und stand auf. Ohne noch einen Blick auf das Meer zu werfen, ging sie zurück zum Haus, das jetzt still und leer auf sie wartete.

Dieses schöne Gebäude war auf der Anhöhe einer dieser wunderschönen Fjorde errichtet worden. Viel Glas war auf der Seite, die zum Meer zeigte, verarbeitet worden. So hatte man immer einen wundervollen Ausblick auf das weite Meer.

Während Susann die eingehauenen Stufen hochstieg, sah sie kurz zu dem anderen Strandhaus, das sich etwas weiter entfernt von ihrem befand. Dazwischen wurde alles noch von der Natur beherrscht. Sie wusste, dass das Haus mit dem Grundstück zum Verkauf stand. Die Besitzer hatten dafür keine Verwendung mehr, da sie schon ziemlich betagt waren. Mit ausschlaggebend war wohl auch der Umstand, dass der Zugang zum Strand ziemlich steil war. Steiler als der, den Susann zu gehen hatte, wenn sie hier herunter wollte. Die Stufen waren uneben geworden, zum Teil auch weggebrochen. Und das Geländer fehlte. Die Nochbesitzer waren nicht mehr gewillt, dort zu investieren. Das wollten sie dem neuen Besitzer überlassen.

Als Susann oben ankam, hörte sie, wie jemand in der Küche hantierte. Sogleich fiel ihr ein, dass das nur Rosalia sein konnte.

„Hallo, Rosalia“, grüßte Susann die kleine Frau, deren Haare bereits ein paar silberne Strähnen zierten. „Ist Martin auch hier?“

„Nein, er will morgen nach dem Rechten sehen“, antwortete Rosalia und musterte die junge Frau. „Ich bin nur hier, um zu sehen, ob ich für dich etwas tun kann. Benötigst du noch etwas?“

Susann schüttelte den Kopf.

„Aber du musst essen, bist ja schon spindeldürr“, tadelte Rosalia.

Susann winkte ab.

„So schlimm ist das nun wirklich nicht. Ich esse doch, wenn ich Hunger bekomme.“

„Ihr jungen Dinger versündigt euch an euren Körper selbst. Man muss doch was auf den Rippen und der Mann was zum Greifen haben“, meinte Rosalia. „Außerdem – zu wenig essen und trinken schadet der Gesundheit.“

Susann seufzte, denn sie gab der kleinen, etwas rundlichen Frau ja recht. Aber wenn sie nun mal keinen Hunger verspürte, sie keinen Appetit auf etwas hatte – reinquälen, nein, dazu konnte sie sich nicht überwinden. Und einen Mann an ihrer Seite – dafür fehlte ihr gerade die richtige Vorstellung.

„Ich habe dir einen Teller Paella mit Hühnchenfleisch in den Kühlschrank gestellt“, zwinkerte sie Susann zu, denn sie wusste, dass die junge Frau vor dem Unglück ihrer Eltern dieses Gericht niemals verschmäht hätte.

„Oh, danke!“ Doch das hörte sich nicht wirklich begeistert an. Rosalia sagte aber nichts dazu. Es wäre auch sinnlos gewesen. Dafür teilte sie ihr eine Neuigkeit mit.

„Hast du es schon gehört? Das Strandhaus, das zum Verkauf stand, hat einen neuen Besitzer.“

„Ach wirklich? Das ging aber schnell“, entgegnete Susann. Es interessierte sie eigentlich nicht, aber sie tat Rosalia den Gefallen und ging auf das Thema ein. „Ist es wieder ein Ehepaar?“

„Hm, man erzählt, dass es ein junger und gut aussehender Mann gekauft hat. Er ist allein dort. Jedenfalls hat noch keiner etwas von einer Frau erwähnt.“

„Vielleicht kommt sie noch“, vermutete Susann.

„Ja, vielleicht. Aber es ist doch merkwürdig, dass der sofort den Vertrag unterschrieben haben soll, ohne vorher das ganze Anwesen in Augenschein zu nehmen. Das macht man doch so. Oder etwa nicht? Könnte doch passieren, dass man die Katze im Sack kauft. Und wenn man den dann öffnet, springt sie einem wütend ins Gesicht, zerkratzt es und verschwindet auf Nimmerwiedersehen“, redete Rosalia munter weiter.

„Das ist wirklich merkwürdig. Aber vielleicht war er schon mal hier und hat es sich angesehen. Nur weiß es keiner“, hielt Susann dagegen, denn das wäre wirklich ungewöhnlich.

„Nein, nein. Wenn dieser Mann hier schon früher mal aufgetaucht wäre, dann wüsste man davon. Glaub mir! Hier geht jede Neuigkeit wie ein Lauffeuer um. Und dieser Mann ist selbst ein Lauffeuer.“ Rosalia nickte eifrig zu ihren Worten, so dass Susann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.

„Rosalia, was höre ich da? Du schwärmst ja regelrecht für den Neuen.“

„Na, wenn du den mal zu Gesicht bekommst, wirst du schon sehen ...“, meinte die mit einem hintergründigen Lächeln und Augenzwinkern.

„Ach, so besonders wird er schon nicht sein. Ist eben ein Mann – und bestimmt auch verheiratet. Wer weiß …“ Susann war kein bisschen neugierig geworden, und das merkte Rosalia.

„Ach Kindchen, das Leben geht weiter. Auch wenn es schwerfällt“, sagte sie mitfühlend zu ihr. „Ich werd dann mal. Wenn du was brauchst, dann ruf mich an“, verlangte sie noch und verabschiedete sich dann.

Susann stand etwas unentschlossen in der Küche, als Rosalia das Haus verlassen hatte. Doch dann raffte sie sich auf und öffnete den Kühlschrank. Obwohl der Teller, eigentlich eine nicht zu hohe Schüssel, gut abgedeckt war, entströmte von dort ein leichter, aber köstlicher Geruch der Paella, der Susann sofort in die Nase kroch.

Kurz entschlossen nahm sie das Gefäß und stellte es in die Mikrowelle.

„Wäre doch schade, wenn es verdirbt“, murmelte sie.

Schon nach dem ersten Bissen spürte sie ihren Hunger. Das war das erste Mal seit dem Unglück.

Susann schaffte zwar nur die Hälfte, denn Rosalia hatte es mehr als gut gemeint.

5

Als Susann alles weggeräumt hatte, ging sie hinaus auf die Terrasse. Dort stellte sie sich an das Geländer. Die Sonne war im Begriff, sich am Horizont ins Meer zu versenken. Susann wollte sich dieses wundervolle Schauspiel der Natur nicht entgehen lassen. Verträumt schaute sie zu, wie die Sonne ihre Strahlen auf das Wasser warf und sich darin spiegelte. Golden war nun das Meer. Aber dann verfärbte sich der Himmel nach und nach blutrot, und der Ball aus Feuer versank in den Fluten. Es dauerte nicht lange, da blinkten schon die ersten Sterne am Himmel und der Wind frischte auf.

Fröstelnd rieb sich Susann ihre nackten Arme und kehrte dem Meer den Rücken. Eher zufällig blickte sie zu dem anderen Strandhaus.

Dort stand eine – so weit sie es noch erkennen konnte - in schwarz gekleidete Gestalt, die auf das Meer schaute. Das wird wohl der neue Besitzer sein, dachte sie ohne großes Interesse.

Er schien dunkles Haar zu haben und ziemlich groß zu sein. Sein Hemd trug er lose über der Hose, denn Susann konnte sehen, dass es sich durch den auflandigen Wind um seinen Körper bewegte. Aber sonst konnte sie nichts weiter von dem neuen Besitzer erkennen. Dazu war es schon zu dunkel geworden.

Wird sich wohl auch den Sonnenuntergang angesehen haben, dachte sie und wollte schon wegsehen. Da sah sie, dass er sich umwandte und wie es aussah, schaute er nun zu ihr rüber.

Susann meinte in diesem Augenblick, seinen Blick regelrecht auf ihrer Haut zu spüren, was sie plötzlich frösteln ließ. Schnell wandte sie sich ab und ging ins Haus. Dort schüttelte sie über sich selbst den Kopf.

Nicht sein Blick hat dich frösteln lassen, es ist der Wind gewesen. Der kann dich gar nicht richtig gesehen haben, dachte sie bei sich. Außerdem interessiert der mich nicht, denn ich habe andere Sorgen.

Sie zog die große Glastür zu und begab sich unter die Dusche, um sich das Salz von der Haut zu spülen. Als sie sich danach gerade mit einem Glas Rotwein, in einen flauschigen Bademantel gewickelt, auf das lederne Sofa setzte, klingelte ihr Handy. ,Jonas‘ las sie auf dem Display.

„Hallo, gibt es etwas Wichtiges, dass du am Abend anrufst?“, fragte Susann nervös. Ihr schwirrten gleich ein paar Gedanken im Kopf herum, die nur mit Schwierigkeiten und Problemen zu tun hatten. Zum einen die Firma und zum anderen ihr verhasster Onkel.

Susann hörte Jonas lachen.

„Nein, alles im grünen Bereich. Ich wollte nur mal horchen, wie es dir geht.“

„Aha. Ein Kontrollanruf“, spöttelte sie. „Du weißt schon, dass ich volljährig bin.“

„Wirklich? Das muss mir glatt entfallen sein“, ging er auf ihren Spott ein. „Wie alt bist du nochmal? Siebzehn?“

Nun musste auch Susann lachen und berichtigte ihn: „Siebzehn plus sieben, dann stimmt‘s wieder.“

„Ich nehme jetzt mal an, dass es dir entsprechend gutgeht“, fragte er sie nun indirekt.

„Ja, ich denke schon. Rosalia hatte ihre berühmte Paella für mich gekocht. War mein Abendessen“, teilte sie ihm schonungslos mit.

„Oh, wenn ich nur daran denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen“, schwärmte Jonas, was Susann mit einem Lachen quittierte, denn sie wusste nur zu gut, dass er diesem Gericht, wenn Rosalia es zubereitete, ebenfalls nicht widerstehen konnte.

„Ist sonst alles okay in der Firma?“, fragte Susann.

„Sicher. Du bist ja erst ein paar Tage weg. Aber ich kann dir berichten, dass wir einen neuen Interessenten für unsere blaue Kosmetikreihe haben“, berichtete er ihr. „Aus Schweden kommt dieser. Ich habe mit denen ein Treffen heute in zwei Wochen vereinbart.“

„Gut, dann werde ich zu diesem Treffen pünktlich zurück sein“, entschied sie.

„Susann, das musst du nicht ...“, fing Johann an, doch sie ließ ihn nicht ausreden. „Johann, was soll ich die ganze Zeit hier herumhängen. Bis dahin wird es mir schon besser gehen und das Thema Thomas erledigt sein“, widersprach sie ihm.

„Wenn nicht, dann sei auch ehrlich dir selbst gegenüber. Du nützt mir in der Firma nichts, wenn du nicht voll dabei sein kannst“, drang er auf sie ein. „Und das Thema Thomas – ich wünschte, dass das schon der Vergangenheit angehören würde.“

„Sag mal, könnte es sein, dass du mich aus irgendeinem Grund noch nicht in der Firma haben willst?“, äußerte sie den Verdacht, der sie spontan überfallen hatte.

„Unsinn!“, hörte Susann ihn brummen.

„Also doch! Deine Stimme hat dich verraten. Dazu brauche ich nicht einmal dein Gesicht sehen. Soll ich raten, was mich hier länger festnageln soll?“

„Das brauchst du nicht. Dein Onkel!“

„Also hat der sich immer noch nicht beruhigt?“

„Er war bei einem Anwalt, um das Testament anzufechten. Als der hörte, worum es ihm ging und um wen, da hat der den Fall gar nicht erst aufgenommen. Dann ist er bei deinem Anwalt aufgekreuzt. Dieser hat ihm klargemacht, dass es nichts anzufechten gibt und bereits ein neues Testament existiert, in dem ausdrücklich darauf verwiesen worden ist, dass er keinerlei Rechte auf einen Anspruch hinsichtlich der Firma oder deines Privatvermögens hat, falls … naja, du weißt schon. Wutentbrannt hat er dann die Kanzlei verlassen und gebrüllt, dass er sich das nicht gefallen lassen wird. Er würde schon dafür sorgen, um an sein ihm zustehendes Geld zu kommen. Das wurde unmittelbar nach dem Besuch deines Onkels bei deinem Anwalt mir von diesem mitgeteilt. Er gab mir den Rat, dich zu informieren und besondere Aufmerksamkeit walten zu lassen. Wortwörtlich sagte er zu mir: ,Dieser Mensch wird vor nichts zurückschrecken, um an das Geld zu kommen, wo er meint, dass ihm das zusteht.‘“

Susann hatte sich das mit klopfendem Herzen und aufkommenden Ärger angehört und meinte nun: „Was kann er denn tun? Wenn er mich umbringen würde, bekommt er nichts. Das muss ihm doch klar sein.“

„Da stimme ich dir zu. Doch wenn es derartige Verrückte darauf anlegen, finden sie Mittel und Wege, um an ihr Ziel zu gelangen. Ich will dir ja keine Angst machen, aber ...“ Er unterbrach sich selbst, denn er wollte überlegen, wie er es ihr am besten sagen sollte.

„Aber …? Nun red‘ schon!“, forderte Susann ihn auf.

„Erpressung wäre eine Möglichkeit für ihn. Doch da müsste er wirklich etwas Handfestes in den Händen haben, womit er dich oder die Firma schaden kann.“

„Ich wüsste nicht was. Mehr bleibt ihm doch auch nicht, oder?“

„Na ja, ich denke doch. Ich sage nur: Kidnapping!“

„Was? Du denkst, er könnte mich entführen?“, rief sie ungläubig aus.

„Möglich, ja. Du wärst nicht die Erste, der das passiert. 1993 wurde die schwedische Olympia-Reitsportlerin Ulrika Bidegård in Belgien entführt und in eine Holzkiste gesteckt. 500.000 Dollar war die Lösegeldforderung. Und – nur um dir ein weiteres Beispiel zu nennen - Richard Oetker. Auch er wurde in eine Holzkiste gesteckt. Gegen eine Zahlung von 21 Millionen DM Lösegeld ließ man ihn frei, jedoch mit schweren Verletzungen, die er sich in der Kiste, in der er gefangen gehalten wurde, zugezogen hatte.“

„Du machst mir Angst“, stöhnte Susann, nun doch mit aufkeimender Sorge.

„Ich will nur, dass du vorsichtig bist und auf deine Umgebung etwas mehr achtest“, verlangte Jonas.

„Aber er kann doch nicht wissen, dass ich mich im Strandhaus aufhalte“, meinte sie.

„Ich denke, dass es heutzutage ein Leichtes ist, herauszufinden, wo eine Person hingereist ist“, gab er ihr zu bedenken. „Susann, es sollte wirklich jemand in deiner Nähe sein, der auf dich aufpasst.“

„Nein, nein, nein“, begehrte sie auf. „Kommt nicht infrage! Das Thema hatten wir schon.“

Jonas stöhnte am anderen Ende: „Bitte – denk einfach in Ruhe noch einmal darüber nach!“

„Ich verspreche nichts“, entgegnete sie, wobei sie versuchte, sich stimmlich nicht anmerken zu lassen, dass sie durch seine Argumente unsicher geworden war.

„Du bist ein Sturkopf“, tadelte er sie mit einem ärgerlichen Stöhnen.

„Nein, bin ich nicht. Ich will nur nicht immer einen fremden Kerl an meinem Rockzipfel haben. Der wird mir doch laufend im Weg stehen“, widersprach sie ihm trotzig.

„Es gibt auch Frauen, die so einen Job übernehmen“, wusste Jonas.

„Ist ja noch schlimmer. Nein, lass mal! Es ist gut so, wie es gerade ist. Ich werde schon auf mich aufpassen.“ Aber so ganz überzeugt war sie davon im Moment selbst nicht mehr. Und Jonas – der erst recht nicht.

Nun lenkte Susann von dem Thema ab, denn es fing an, sie allmählich mehr zu beschäftigen, als sie es zulassen wollte.

„Rosalia erzählte mir heute, dass jemand das Strandhaus, das zum Verkauf stand, erworben hat.“

„Ach ja? Das ging aber schnell“, meinte Jonas.

„Finde ich auch, zumal da doch bestimmt einiges zu richten ist, besonders der Weg zum Strand.“

„Hm ...“

„Rosalia ist richtig ins Schwärmen gekommen, als sie von dem neuen Besitzer erzählte. Sie meinte, dass er junger und gut aussehender Mann sei und einem Lauffeuer gleich kommt. Jedenfalls soll sich diese Neuigkeit hier blitzartig verbreitet haben“, berichtete sie und lachte leise.

„Dann steht das Anwesen wenigstens nicht leer und verkommt“, meinte Jonas. Es hörte sich jedoch für Susann etwas reserviert an, was sie aber auf die bereits späte Stunde schob.

Jonas verabschiedete sich auch kurz danach, aber nicht ohne sie noch einmal zu bitten, über seinen Vorschlag nachzudenken.

6

Erst am nächsten Morgen bei einer Tasse Kaffee erlaubte es sich Susann, über das Telefonat mit Jonas nachzudenken. Sie überlegte, ob ihr Onkel wirklich so verrückt sein würde, irgendwas Idiotisches anzustellen, weil es glaubte, doch noch etwas erben zu können, obwohl es dazu keine Chance gab. Er musste es doch einsehen, dass das zwecklos war.

Bestimmt kommt er über seine Enttäuschung hinweg und beruhigt sich wieder, dachte sie. Soweit wird er nicht gehen, um mir zu schaden.

Doch dann erinnerte sie sich wieder an sein wütendes Gesicht, als er sie mehr oder weniger überfallen hatte. Unwillkürlich fasste sie sich an ihren Hals, als würde sie den Schmerz wieder spüren. Was wäre wohl passiert, wenn ihr Nachbar nicht rechtzeitig eingegriffen hätte? Sie verbot es sich, weiter darüber nachzudenken.

Nein, der war nicht enttäuscht. Der war außer sich vor Wut, sinnierte sie. Der wird nicht aufgeben. Der will Geld sehen. Da muss ich wohl oder übel Jonas zustimmen. Onkel Thomas ist wahnsinnig geworden. Wer weiß, was dem noch einfällt, dachte sie. Aber einen Bodyguard – nein – den wollte sie trotzdem nicht.

Bei ihren Überlegungen sah sie aus dem Fenster zur Terrasse und beobachtete Martin, der dort mit dem Fegen beschäftigt war. Doch dann bildete sich bei Susann eine Falte zwischen den Augen, denn er machte es viel langsamer als sonst. Auch schaute er oft in die Richtung, in dem sich das andere Strandhaus befand. Dann stellte er den Besen beiseite und verschwand für mehrere Minuten. Als er wieder auftauchte, führte er seine ursprüngliche Arbeit weiter aus.

„Was treibt der denn da bloß?“, murmelte Susann. „Der fegt noch so lange, bis der Besen keine Borsten mehr hat.“

Sie erhob sich, um ihre Tasse in die Spüle zu stellen. Danach ging sie sich ankleiden, denn sie trug noch ihren Morgenrock. Als sie erneut zum Fenster trat, war Martin immer noch da. Jetzt spritzte er mit einem Schlauch die Terrasse ab.

Kopfschüttelnd wandte sich Susann ab und meinte, dass er das gleich hätte machen können. Warum vorher fegen, wo es nichts zu fegen gab?!

Sie schnappte sich ihre Handtasche und den Wagenschlüssel. Susann trug sich mit der Absicht, sich einen schönen Tag in der Stadt zu machen: durch die Straßen der Altstadt schlendern, in paar Boutiquen gehen und vielleicht ein hübsches Kleidungsstück erstehen, sich draußen vor einem Café setzen und bei einem Latte Macchiato die Leute beobachten, die dort vorübergehen.

Bis nach Marseille von ihre Strandhaus aus musste sie eine gute Stunde fahren. Es waren kaum Fahrzeuge unterwegs, so dass sie gut vorankam. Ab und zu sah sie in den Rückspiegel. Dabei bemerkte sie einen schwarzen Wagen, der in einem gebührenden Abstand hinter ihr fuhr. Zuerst dachte sie sich noch nichts dabei. Doch dann fragte sie sich, warum er sie nicht überholte. Gelegenheiten hätte er bereits mehrere gehabt.

Susann entschied sich, langsamer zu werden, um zu sehen, ob derjenige sie dann überholen würde. Mit einer gewissen Erleichterung registrierte sie, als sie in den Rückspiegel schaute, dass der Fahrer hinter ihr zum Überholen ansetzte. Dann war er auch schon vorbei, ohne, dass sie erkennen konnte, wer in dem Wagen saß, denn die Scheiben waren verdunkelt - so wie auch bei ihrem Wagen.

Als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, fuhr auch sie wieder schneller.

„Der muss aber ziemlich aufgedreht haben“, murmelte sie, „denn der ist ja wie vom Erdboden verschluckt. Na ja, mit dem Frachtschiff ist das ja kein Problem.“

Als sie die Stadt erreichte, fuhr sie bis ins Zentrum, um dort den Wagen zu parken. Dann schlenderte sie durch die Altstadt, wo sich ein paar Boutiquen befanden, die exquisite Kleidung und Wäsche führten. Susann war jedoch aufmerksamer als sonst. Sie nahm ihre Umgebung an diesem Tag bewusster wahr. Irgendwie hatte sich doch die Warnung von Jonas in ihr Hirn eingegraben, die sie verdrängen wollte. Aber sie kroch immer wieder hervor und veranlasste sie dazu, sich des Öfteren umzusehen, wenn sie durch die Straßen spazierte. Zu ihrer Beruhigung fiel ihr nichts Besonderes auf, wenn sie es tat. Die Menschen bummelten wie sie durch die Straßen und Gassen, schauten sich die Auslagen in den Schaufenstern an, kehrten dort ein oder saßen in den Restaurants und Bier- und Weingärten.

Susann hatte so ihre speziellen Läden. Dort ging sie hin, wo man sie freundlich empfing, denn sie war hier ein gern gesehener Kunde. Ein cremefarbenes Sommerkleid, das ihre schlanke Figur zur Geltung brachte, und ein sündhafter Bikini, der nur das Notwendigste verdeckte, befanden sich in der Tüte, als sie die erste Boutique verließ. In der nächsten, die sich nicht weit von der ersten befand, erstand sie für sich Unterwäsche – ein Hauch von Spitze.

Dann brachte sie ihre Errungenschaften zum Wagen, um danach in ihr Lieblingsrestaurant zu gehen. Dort hatte sie oft mit ihren Eltern gesessen, aber auch allein, wenn nur sie in die Stadt gefahren war.

Der Gedanke an ihre Eltern gab ihr einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend, so dass sie leise aufstöhnte. Susann vermisste die beiden sehr – so sehr. Tränen traten in ihre Augen und wollten ihr den Blick verschleiern. Schnell klimperte sie mit den Lidern, um das zu verhindern. Es gelang ihr, ohne, dass eine Träne aus ihren Augen floss. Dann sah sie sich verstohlen um. Dabei musterte sie auch die Gäste, die an den Tischen saßen. Keiner beachtete sie, jedenfalls nicht mehr als sonst. Das war sie gewohnt, dass man sie wahrnahm, sie musterte. Männer taten es meist bewundernd, Frauen eher abschätzend, ob sie mit Susanns Aussehen mithalten konnten, oder auch neidisch. Sie war eben nicht durchschnittlich.

Ihre Mutter war eine sehr schöne Frau gewesen. Ihr Vater hatte sie bei einem Kongress in Stockholm kennengelernt. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. Ein halbes Jahr später heirateten beide. Nach knapp einem Jahr wurde Susann geboren. Es war eine schwere Geburt gewesen, so dass beide auf weitere Kinder verzichteten.

Susann hatte neben der Schönheit auch die seidenen und blonden Haare ihrer Mutter geerbt. Ihre Augen waren von einem strahlenden Blau mit goldenen Sprenkeln, so dass es manchmal den Anschein hatte, dass ihre Augen grün sind. Aber sie besaß nicht die helle Haut ihrer Mutter, die immer besonders aufpassen musste, sich keinen Sonnenbrand einzufangen. Damit hatte Susann keine Schwierigkeiten. Sie war fast das ganze Jahr leicht sonnengebräunt, ohne jemals ins Sonnenstudio gehen zu müssen, was sie eh verabscheute.

Als der Ober sah, das Susann das Restaurant betrat, kam er sofort zu ihr geeilt.

„Guten Tag, Madame Sanders!“, begrüßte er sie. Dabei zeigte er sich zurückhaltend. Susann war klar, dass man auch hier von dem Unglück ihrer Eltern erfahren hatte. Es war ja überall durch die Medien gegangen. Sie hoffte nur, dass er sie darauf nicht ansprach. „Ich bringe Sie zu dem gewohnten Tisch. Oder wünschen Sie einen anderen Platz?“

„Nein, nein“, antwortete lächelnd. „Der Platz ist okay.“

Der Mann geleitete Susann zu dem Tisch und rückte ihr den Stuhl zurecht. Dann reichte er ihr die Speisekarte. Susann bestellte für sich gleich Weißwein und Mineralwasser, was der Ober ihr sogleich brachte. Im Stillen war sie ihm dankbar, dass er nichts zu dem Tod ihrer Eltern sagte.

Während sie auf ihre Bestellung wartete, schaute sie sich weiter um. Von ihrer Position aus hatte sie die ganze Fußgängerzone im Blick. Ab und zu bemerkte sie die verstohlenen Blicke einiger Leute, die ebenfalls hier saßen. Doch das kümmerte sie nicht. Als sie sonst nichts Ungewöhnliches entdecken konnte, lehnte sie sich zurück und nippte an dem Glas mit Weißwein.

Nach dem Essen ließ sie sich noch einen Espresso bringen. Und wieder suchten ihre Augen die Umgebung nach etwas ab, was ihr störend auffallen würde.

Plötzlich verharrten sie bei einer Person. Zielstrebig bewegte diese sich auf das Restaurant zu, in dem sich auch Susann befand. Es war ein Mann, der schwarze Jeans und ein ebenso schwarzes Hemd trug. Das erinnerte sie an etwas. Und es fiel ihr auch sogleich ein.

War das etwa der Neue, der das Strandhaus erworben hat?

Susann war nun doch neugierig und beobachtete ihn hinter ihrer Sonnenbrille weiter.

Er war groß und schlank, aber durchtrainiert. Das konnte Susann erkennen, denn die Jeans saß ihm eng am Körper, so auch das Hemd. Er hatte dichtes dunkelbraunes Haar, das etwas wirr aussah.

Als er den Bereich der Gaststätte betrat, sah er sich kurz um. Dabei schaute er auch zu dem Tisch, wo Susann saß. Da kam es ihr so vor, als würde sein Blick intensiver, durchdringender werden, so dass sie sich plötzlich unbehaglich fühlte. Doch da wandte er sich von ihr schon wieder ab.

Der Ober begrüßte den Fremden und geleitete ihn zu einem Tisch, der ganz in der Nähe des Tisches stand, an dem Susann saß. Und dann setzte der sich auch noch so hin, dass er genau in ihre Richtung sehen konnte. Das ärgerte sie.

Während der neue Gast seine Bestellung aufgab, beobachtete Susann ihn verstohlen. Ja, sie musste Rosalia zustimmen. Dieser Mann hatte etwas an sich, was Menschen – insbesondere Frauen - dazu bewog, ihn nicht zu übersehen, sondern ihn anzustarren. Sogar Susann musste zugeben, dass er ein gut aussehender Mann war. Gerade Nase, ebenmäßige Züge, breite Wangenknochen, hohe Stirn, kleines Grübchen am Kinn - und sein Mund …

Oh ja – der hat bestimmt so manches Mädchen verführt, dachte Susann spöttisch. Der muss doch `nen ganzen Harem um sich haben. Auch sein Auftreten wirkte auf sie sehr selbstsicher.

„Madame Sanders, haben sie noch einen Wunsch?“ Der Ober war mit der Bestellung von dem anderen Gast fertig und stand nun an ihrem Tisch, so dass sie ihm nun ihre Aufmerksamkeit schenkte. So aber nutzte der Fremde den Moment und schaute zu Susann – und das mit einer Unmutsfalte zwischen den Brauen.

„Bitte bringen Sie mir noch ein Glas Mineralwasser“, verlangte sie, während der Ober ihr Wein nachschenkte.

„Sofort, Madame“, sagte er und beeilte sich, der Bestellung seiner Gäste nachzukommen.

Susann blickte wieder zu dem neuen Besitzer des Strandhauses – und hielt den Atem an. Beide sahen sich nun an.

Oh, mein Gott! Hat der kalte Augen, dachte sie erschrocken. Und warum sieht der mich an, als hätte der was gegen mich. Der kennt mich doch gar nicht.

Als sie merkte, dass sie ihn immer noch anstarrte, deutete sie ein leichtes Nicken in seine Richtung an und sah dann schnell von ihm weg.

Wie kann man nur so stahlblaue Augen haben?, fragte sie sich. Und dann dieser Blick! Arrogant scheint der Kerl auch zu sein. Klar, so wie der aussieht. Der weiß, dass er kein Hässlicher ist. Der bildet sich bestimmt ein, dass der jede haben kann. Na, da beißt der aber bei mir auf Granit.

Er hingegen löste seinen Blick noch nicht von ihr und bedauerte, dass er nicht ihre Augen sehen konnte. Aber an ihrem Gesichtsausdruck hatte er bemerkt, dass ihr etwas an ihm nicht gefiel und sie sich wohl deshalb brüsk von ihm abgewandt hat. Innerlich schmunzelte er darüber, denn er wusste genau, warum. Sein nicht gerade freundlicher Blick war daran Schuld. Ja, sie war eine Schönheit. Das musste er ihr zugestehen. Aber sie war garantiert auch eine verwöhnte Göre - ein Einzelkind von reichen Eltern, der nichts verwehrt wurde. Mit so einer sollte man nie etwas anfangen. Das würde nur Ärger einbringen. Und mit einer Susann Sanders durfte er eh nichts anfangen. Dafür gab es einen ganz bestimmten Grund!

Susann blieb noch circa eine Stunde. Dabei vermied sie es, in seine Richtung zu sehen. Dafür beobachtete sie wieder das Treiben auf der Einkaufsmeile. Später ließ sie sich die Rechnung bringen, bezahlte und gab reichlich Trinkgeld, das dem Ober ein Leuchten in seine Augen zauberte. Dann ging sie zu ihrem Wagen, um zurück zum Strandhaus zu fahren.

Während sie sich in den Wagen setzte, war auch der Fremde zu seinem unterwegs, um zurückzufahren. So blieb es nicht aus, dass er sie bald wieder vor sich sah. Ein paar Kilometer vor dem Ziel überholte er sie und entschwand bei der nächsten Kurve ihren Augen.

„Der schon wieder“, brummte sie. „Ich muss mir mal das Kennzeichen merken und Rosalia fragen, ob sie weiß, wer diesen Wagen fährt. Ist doch merkwürdig, dass der schon zum zweiten Mal hier aufkreuzt.“

7

Als Susann kurz danach von der Hauptstraße herunterfuhr und den Weg zum Strandhaus nahm, kam ihr ein Fahrzeug einer Sicherheitsfirma entgegen. Darüber wunderte sie sich, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass man mit ihr einen Termin gemacht hätte. Auch Martin hatte nicht erwähnt, dass eine Wartung anstand. War etwas nicht in Ordnung? War in der Zeit, wo sie sich in der Stadt befand, etwa eingebrochen worden?

Ein ungutes Gefühl beschlich sie und sie dachte: Onkel Thomas! War er hier? Lauert er mir wirklich auf, um mich zu zwingen, ihm Geld zu geben?

Nun befuhr sie diese schmale Straße doch etwas schneller als sonst, obwohl das gerade hier gefährlich werden konnte, denn sie war sehr kurvenreich. Kaum war sie angekommen, sah sie sich aufmerksam um. Doch ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Erst dann stieg sie aus dem Wagen.

Martin kam ihr entgegen.

„Da bist du ja wieder“, begrüßte er sie mit einem Lächeln. „Hattest du einen schönen Tag?“

„Ja, danke, Martin“, antwortete sie. „Aber sag mal, waren die von der Sicherheitsfirma hier?“

„Ja, das hatte ich ganz vergessen, dir mitzuteilen. Entschuldigung“, antwortete er betreten.

„Schon gut. Aber die letzte Wartung ist doch noch gar nicht so lange her“, erinnerte sie sich.

„Das stimmt“, bestätigte es Martin. „Aber wir hatten mehrere Stromausfälle in letzter Zeit. Das hatte ich Monsieur Hofman mitgeteilt. Monsieur Hofman hat mich dann beauftragt, die Firma anzurufen, damit sie alles überprüfen.“

„Mehrere Stromausfälle?“, hakte Susann nach. „Ich kann mich nur an den erinnern, als ...“ Sie unterbrach sich, aber Martin verstand sie auch so.

„Das ist richtig. Aber als du nicht hier warst, passierte es immer wieder. Das ist nicht gut für die Sicherheitsanlage. Sie könnte im entscheidenden Moment versagen.“

Susann sah ihn argwöhnisch an. „Was meinst du mit ,entscheidenden Moment‘?“

„Na, wenn mal keiner hier ist und jemand einbrechen will“, sagte er schnell.

Zu schnell, wie sie fand.

Mit ,jemand einbrechen‘ meint er wohl meinen Onkel, dachte sie mit einer Spur Zynismus. Andererseits gab sie ihm recht, denn das Anwesen war oft genug ohne Bewohner.

„Man hat einiges ändern und erneuern müssen. Ich werde es dir zeigen“, eröffnete er ihr.

„Was meinst du damit?“, fragte sie, nun argwöhnisch geworden.

„Monsieur Hofman hat gemeint, dass auch gleich alles erneuert werden soll, wenn die Notwendigkeit besteht, denn die Anlage ist ja schon ein paar Jahre alt“, versuchte er den Besuch der Fachleute zu rechtfertigen, sich aber auch aus der Verantwortung herauszuwinden, denn er hätte diese Angelegenheit eigentlich mit ihr besprechen müssen. Es ärgerte ihn, dass das nicht Monsieur Hofman getan hatte, aber der wollte es so und hatte Martin auch den Grund genannt. Martin verstand die Beweggründe des älteren Herrn sehr gut, doch nun musste er zusehen, dass er sich nicht in Teufels Küche brachte. Und von der schien er gerade nicht weit entfernt zu sein, wie er gleich mit Unbehagen feststellen musste.

„Aha, daher weht also der Wind. Hat Monsieur Hofman dich und deine Frau auch beauftragt, öfter als sonst hier zu sein?“ Auffordernd sah sie den älteren Mann an, der sich nun innerlich wie ein Aal wand.

Susann musterte ihn mit einer Unmutsfalte. Als er nichts sagte, war ihr das Antwort genug.

„Okay, ich versteh schon. Also gut. Ich hole noch die Sachen aus dem Wagen. Dann kannst du mir alles zeigen.“

Erleichtert darüber, dass Susann nicht weiter das Thema verfolgte und nachbohrte, atmete er im Stillen auf.

Wie Susann feststellen musste, war in der Zeit, während sie sich in der Stadt aufgehalten hatte, eine Sicherheitsanlage nach dem neuesten Stand eingebaut worden. Nun musste sie sich einen neuen Code merken. Zusätzlich übergab Martin ihr noch eine Schlüsselkarte, denn ohne diese nützte ihr der Code nicht viel.

Susann bedankte sich bei Martin und fragte dann etwas spitz: „Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte, das Monsieur Hofman angeordnet oder in Auftrag gegeben hat?“

„Nein, nicht das ich wüsste. Da musst du ihn schon selbst fragen“, antwortete Martin mit einem schiefen Lächeln.

„Das werde ich. Das werde ich, und noch einiges mehr“, entgegnete Susann, immer noch verstimmt.

„Wenn du nichts mehr wünscht, dann würde ich jetzt gern nach Hause zu meiner Frau fahren“, sagte Martin.

„Sicher, ich brauche nichts.“ Aber dann fiel ihr doch noch etwas ein. „Martin, als ich heute in die Stadt fuhr, da hat mich ein auffallend schwarzer Wagen – es war ein BMW - überholt. Und als ich auf dem Rückweg war, wieder – und das kurz vor der Abfahrt zu dem Strandhaus. Es erschien mir doch etwas merkwürdig. Weißt du vielleicht, wer das ist. Er hatte dieses Kennzeichen ...“ Susann nannte es ihm.

Martin tat so, als müsste er überlegen. Doch dann schüttelte er den Kopf und wandte sich von Susann ab, um zu gehen, sagte aber noch: „Ähm, ich weiß nicht, wer das ist. Tut mir leid.“ Danach beeilte er sich, das Haus zu verlassen.

Susann sah ihm nachdenklich nach.

„Wieso tut der so komisch? Was ist hier los? Martin weiß etwas, will aber nichts sagen. Oder jemand hat es ihm untersagt. Na, das werde ich schon herausfinden. Jonas – mach dich auf was gefasst!“, redete sie vor sich hin. Aber dann nahm sie erst einmal ihre Einkaufstüten und ging mit ihnen auf ihr Zimmer, um die erstandenen Sachen in ihren Schrank einzusortieren. Den Bikini zog sie sich gleich an, denn sie beabsichtigte noch ein paar Bahnen im Swimmingpool zu schwimmen.

8

Ja, diese Erfrischung hatte ihr gutgetan. Nach dem Abtrocknen legte sie sich auf eine der Liegen und starrte in den Himmel. Sie beobachtete, wie die Wolken über ihr weiterzogen. Manche dieser Wolken regten ihre Fantasie an. So sah sie in ihnen mal einen riesigen Fisch, ein Segelschiff, ein Krokodil, einen Drachen, … Dieses Spiel hatte sie früher, als sie klein war, oft mit ihrer Mutter gespielt. Und es hatte beiden Spaß gemacht.

Nach einer Weile verspürte sie Hunger. Also erhob sie sich. Dabei sah sie eher beiläufig zu dem benachbarten Strandhaus hinüber.

„Ach nee, da sind wir ja auch schon wieder“, murmelte sie. Der neue Besitzer stand am Geländer und schien aufs Meer zu schauen. Er hatte sich umgezogen, wie sie feststellte, denn er trug jetzt eine weiße Hose und ein weißes T-Shirt.

„Hm, schwarz und weiß! Ob der auch noch andere Klamotten hat?“, fragte sie sich spöttisch. Dann wandte sie sich ab und ging ins Haus.

Nachdem sie etwas gegessen hatte, rief sie Jonas an. Sie hatte sich vorgenommen, ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Noch war es ein Hühnchen. Sie hoffte, dass es sich nicht zu einem ausgewachsenen Huhn wurde.

Susann rief ihn über seine Privatnummer an, denn er sollte längst zu Hause sein. Sie brauchte auch nicht lange zu warten, und Jonas nahm das Gespräch an.

„Hallo, Jonas, ich bin‘s“, sagte Susann und hörte ihn lachen.

„Dachte ich es mir doch, dass du heute noch anrufst. Wie geht es dir?“, wollte er wissen.

„Mir würde es weitaus besser gehen, wenn man mich über bestimmte Maßnahmen in meinem Umfeld informieren und mir auch den Grund nennen würde. Dass nur die Angestellten eingeweiht sind und die betreffende Person – und damit meine ich mich – im Unklaren gelassen werden soll, das ist nicht unbedingt beruhigend für sie. Oder bist du anderer Meinung?“, fragte sie spitz.

„Was meinst du im Speziellen?“

„Wie bitte? Wie viele Maßnahmen hast du denn angeordnet, von denen ich anscheinend wohl noch nichts weiß?!“

Jonas lachte auf, als er ihren unterschwelligen Ärger vernahm. Doch Susann kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es ein eher gekünsteltes Lachen war. Aber sie wusste auch, dass er mit nichts herausrücken würde, was er nicht preisgeben wollte.

Mit einem ärgerlichen Stöhnen meinte sie: „Okay, da du verbissen schweigst, frage ich dich, was das mit der Alarmanlage soll. So alt war die doch noch gar nicht. Außerdem ist die regelmäßig kontrolliert worden. Und es hat keine Beanstandungen gegeben. Das mit dem Stromausfall war doch nur ein Vorwand.“

„Ja, ich gebe zu, dass ich den Stromausfall als Vorwand benutzt habe. Du weißt doch, wie sehr uns deine Sicherheit am Herzen liegt. Nun hast du das Neuste vom Neusten“, sagte er.

„Hach, erwischt! Martin sagte was von mehreren Stromausfällen. Und du redest von einem“, hielt sie ihm nun seinen Fehler vor, den er aus Unachtsamkeit begangen hat.

„Ist doch egal, ob einer oder mehrere Ausfälle, wenn es um deine Sicherheit geht“, verteidigte Jonas sich, obwohl er sich gerade etwas über sich ärgerte, weil er nicht aufgepasst hatte. Sie war eben ein kluges Kind – er sollte sie nicht unterschätzen.

„Aber dass du Martin in deine Machenschaften mit reinziehst ...“, klagte sie ihn an.

„Machenschaften? So würde ich das aber nicht nennen.“

„Wie denn? Ich hätte da noch einen Vorschlag: Verschwörung!“

„Susann, nicht doch! ...“

„Aber dass du Rosalia und Martin dazu verdonnerst, jetzt öfter als sonst beim Strandhaus zu sein, das geht doch nun wirklich zu weit“, unterbrach sie ihn einfach.

„Ich habe sie nicht verdonnert, Liebes. Ich habe ihnen nur kurz berichtet, dass dein Onkel gerade nicht ganz zurechnungsfähig ist. Das haben sie mit Schrecken aufgenommen und sich selbst angeboten, nun öfter zum Haus zu kommen und zu prüfen, ob alles in Ordnung ist. Du weißt, dass die beiden dich sehr mögen. Sie sind schon traurig genug, dass deine Eltern nicht mehr leben.“

Susann atmete scharf ein, als sie das von ihm hörte.

„Du hast ihnen von Onkel Thomas erzählt? Also wirklich! Das ist eine Familienangelegenheit“, ereiferte sie sich. „Wenn sie damit nun hausieren gehen?!“

„Denkst du das wirklich?“, fragte er sie im ruhigen Ton.

„Ach, was weiß ich“, maulte sie, sagte dann aber: „Nein, das würden sie nicht tun. Außerdem haben sie ja auch die Verschwiegenheitserklärung mit dem Vertrag unterschrieben.“

„Richtig!“

„Trotzdem, verkomplizierst du die ganze Sache nicht etwas? Bis jetzt war doch alles ruhig“, meinte sie.

„Tja, das mag ja sein. Aber seit zwei Tagen ist dein Onkel nicht mehr in der Stadt. Und wir denken, dass er etwas im Schilde führt.“

„Nur, weil der mal wieder unterwegs ist? Der ist doch öfter mal irgendwohin verreist. Aber woher weißt du das? Hast du jemand auf ihn angesetzt?“, sprach sie ihren plötzlichen Verdacht aus.

„Ja, Linda und ich wollen auf Nummer sicher gehen.“

Susann schwieg für einen Moment. Sie fand immer noch, dass die beiden übertrieben. Klar, sie war selbst aufmerksamer nach dem Vorfall mit ihrem Onkel geworden. Aber nach dieser Zeit wollte sie es irgendwie nicht richtig wahrhaben, dass er bis zum Äußersten gehen würde. Natürlich war ihr bei dem Gedanken, ihm zu begegnen, nicht wohl, denn seit der Geschichte fürchtete sie sich davor, dass sich das wiederholen könnte. Aber vielleicht war er auch wieder zur Besinnung gekommen.

„Na ja, ich kann es ja nun schlecht ändern. Aber wenn Rosalia und Martin jetzt mehr Zeit beim Strandhaus verbringen, dann müssen sie auch mehr bezahlt bekommen“, sagte sie.

„Alles schon geregelt, Susann. Die beiden werden gut entlohnt“, versicherte Jonas ihr.

„Gut“, brummte sie nun schon versöhnlicher. „Ihr habt also einen Detektiv auf meinen Onkel angesetzt.“

„Ja, das ist richtig“, bestätigte er es.

„Verrätst du mir auch, was dieser besagte Detektiv herausgefunden hat, wo sich das zu beobachtende Subjekt hinbegeben hat?“

„Tja, das kann ich leider nicht. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt“, teilte er ihr schonungslos mit.

„Wie das denn? Hat dein Detektiv ihn etwa verloren, als er seinen Kaffee im Wagen getrunken hat?“, fragte Susann, die das noch nicht als besonders schlimm ansah. „Oder hat er mit offenen Augen geschlafen und ihn trotzdem entwischen lassen?“

Jonas konnte deutlich den Spott heraushören. So ganz unrecht hatte sie nicht, aber ganz so einfach war es nun doch nicht, wie sie es sich vorstellte.

„Dein Onkel ist nicht dumm, Susann. Er muss bemerkt haben, dass er beschattet wird. Oder ihn hat jemand gewarnt, denn er kennt genug Ganoven, wie ich mittlerweile weiß. Und da sind einige bei, die nicht gerade zimperlich mit ihren Mitmenschen umgehen, wenn sie etwas von denen wollen. Und das ist mir Beweis genug, dass er etwas plant, um an dein Geld zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass er oder irgendein Handlanger von ihm bereits in deiner Nähe ist“, teilte er ihr nun unumwunden mit.

„Wenn hier ein Fremder schnüffeln würde, meinst du nicht auch, dass ich das nicht schon bemerkt hätte? Das Gelände ist hier ziemlich übersichtlich.“

„Susann, heute gibt es noch ganz andere Möglichkeiten, um Menschen zu beobachten oder zu kontrollieren“, warnte Jonas.

Susann schluckte, denn sie hatte gerade einen Kloß im Hals. Jetzt bekam sie Angst.

„Jonas, könnte der, der hier das Strandhaus erworben hat, mit dem Onkel unter einer Decke stecken?“, fragte sie besorgt.

„Nein, nein, das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Vor dem brauchst du dich nicht fürchten“, antwortete er, aber es behagte ihm nicht, dass sich das Gespräch in diese Richtung bewegte.

„Nein?“, reagierte Susann überrascht.

„Nein, er ist harmlos“, bestätigte er es ihr noch einmal.

„So, so. Und woher kommt diese Gewissheit?“

„Weil … na ja … weil ich ihn überprüfen lassen habe“, gab er zögernd zu. Es war ihm nicht gerade wohl dabei, ihr das mitzuteilen - aber lieber jetzt als später, sagte er sich.

„Du hast ihn überprüfen lassen? Echt jetzt?“ Empörung klang in ihrer Stimme mit.

„Ja.“

„Und - was hat die Überprüfung ergeben?“ Nun wollte sie natürlich erfahren, was man über den Neuen herausgefunden hatte.

„Ach, nichts besonderes. Er leitet ein seriöses Unternehmen in Frankreich, das er von seinem Vater übernommen hat. Vor kurzem feierte er seinen dreißigsten Geburtstag. Er ist ledig und heißt Andros de Mácon. Seine Mutter ist Spanierin, sein verstorbener Vater war Franzose, und seine zwei Jahre jüngere Schwester lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Lyon“, wusste er zu berichten.

„Hm, das ist alles?“

„Ja.“

Susann glaubte ihm nicht so recht, aber sie drang nicht weiter auf ihn ein, obwohl ihr weitere Fragen auf den Lippen brannten. Sie spürte, dass Jonas ihr jetzt keine klaren Antworten mehr geben würde. Sie verstand nur gerade den Grund nicht. Aber nun erzählte sie ihm von dem schwarzen BMW: „Als ich heute zur Stadt gefahren bin, war der Ewigkeiten hinter mir. Als ich langsamer wurde, hat der mich dann überholt. Das Merkwürdige aber war, dass ich den auf dem Rückweg wieder hinter mir hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Zufall war.“

„Das ist in der Tat merkwürdig“, stimmte er ihr zu. „Hast du dir das Kennzeichen gemerkt?“

„Natürlich“, und sie nannte es ihm.

„Hm, ich werde herausfinden lassen, wer der Halter des Wagens ist, wenn du es wünscht“, bot Jonas ihr an.

„Ach, ich weiß nicht – vielleicht ist das wirklich nur einer, der hier Urlaub von der Großstadt macht. Die Buchstaben des Kennzeichens sind doch die von Paris – oder?“

„Richtig, aber ich denke, ich werde das Kennzeichen trotzdem prüfen lassen – nur um sicher zu gehen“, entgegnete er, denn er hatte bereits eine Ahnung, wem das Fahrzeug gehören könnte. Er wollte Gewissheit. Susann verlangte daraufhin, dass er ihr das Ergebnis mitteilte, wenn es vorlag, was er ihr versprach.

Dann ließ sie sich noch das Neueste aus der Firma berichten, was nicht viel war. Wenige Minuten später verabschiedeten sie sich.

9

Der nächste Tag versprach wieder ein sehr schöner zu werden. Bereits vor dem Frühstück zog Susann ihre Laufsachen an und machte sich auf den Weg, um zu joggen. Vorher sah sie nach, ob sich vielleicht Martin schon hier irgendwo aufhielt. Als sie ihn nicht entdeckte und sonst auch nichts Ungewöhnliches feststellen konnte, lief sie los. Die Strecke, die sie mehrmals in der Woche joggte, wenn sie sich hier im Strandhaus aufhielt, war immer die Gleiche. Sie ging ein Stück an dem Nachbargrundstück vorbei, oberhalb der Klippen entlang bis zu einem kleinen Plateau. Wenn sie da ankam, kehrte sie dort wieder um. So war sie dann circa dreißig Minuten unterwegs.

Susann war gerade an dem anderen Grundstück vorbeigelaufen und genoss die frühe kühle Morgenluft und die sanfte Brise, die vom Meer herüber wehte, da sah sie jemanden ebenfalls den Weg oberhalb der Klippen entlanglaufen. Es war das erste Mal, dass sie dort um diese Zeit nicht allein war. Verstimmt runzelte sie die Stirn, während sie weiterlief.

Wer ist das denn, dass der sich traut, um diese Uhrzeit zu joggen, wo ich hier laufe?, ging es ihr ärgerlich durch den Kopf, denn sie fühlte sich durch den anderen Läufer gestört.

Während wie weiterlief, beobachtete sie den anderen vor sich. Susann musste zugeben, dass derjenige einen guten Laufstil hat. Das konnte sie trotz der Entfernung erkennen. Sie hoffte aber nun, dass er an dem Plateau vorbeilaufen würde und nicht dort umkehrte, so wie sie es vorhatte. Da der Jogger zu weit entfernt war und sie nicht vorhatte, den Abstand zwischen ihm und sich zu verringern, war sie auch nicht in der Lage, mehr von ihm zu erkennen. Sie war sich jedoch absolut sicher, dass es ein Mann war. Auffallend war, dass er schwarze Kleidung trug, was ihrem Verdacht Nahrung gab, dass es der neue Nachbar von ihr sein könnte.

Beim Laufen konzentrierte Susann jetzt ihren Blick verstärkt auf die vor ihr joggende Person. Dabei holte sie sich aus ihrer Erinnerung ein paar Bilder des neuen Nachbarn und verglich diese mit dem, der da vor ihr war. Allmählich gelangte sie zu dem Punkt, so dass sie sich sogar fast sicher war: Das ist dieser Andros de Mácon! Irgendwie beruhigte sie das etwas – aber nur etwas - denn wenn dieser Mann da vorn ein völlig Unbekannter gewesen wäre, hätte sie sich mehr Gedanken gemacht. Und diese hätten ihr garantiert Sorgen bereitet und mit aller Wahrscheinlichkeit auch Angst eingeflößt, denn das Gespräch mit Jonas am Vorabend hatte seine Wirkung bei ihr nicht verfehlt. Das musste sie sich selbst eingestehen. Und trotzdem war da immer noch dieses Quäntchen Zweifel, dass ihr Onkel etwas plante, um ihr zu schaden. Einen Mord wollte sie erst gar nicht in Erwägung ziehen.

Vielleicht ist das ein Fehler, den ich begehe, dachte sie, innerlich seufzend, und ermahnte sich dann: Denk an was anderes, sonst versaust du dir noch den Tag!

So lief sie grübelnd, aber den Jogger vor sich nicht aus den Augen lassend, im gleichbleibenden Tempo weiter. Es war nun nicht mehr weit bis zu dem Plateau. Der vor ihr musste es gleich erreichen.

Hoffentlich dreht der jetzt nicht um, dachte sie wieder.

Ihr Wunsch erfüllte sich nicht. Susann beobachtete, wie er, als er das Plateau erreichte, kurz auf einer Stelle lief, dabei zum Meer schaute und sich dann umwandte, um den Rückweg anzutreten.

„Mist!“, fluchte sie vor sich hin. Am liebsten hätte sie jetzt auch kehrgemacht. Aber das kam ihr dann doch albern vor - Flucht vor dem Unbekannten!

Warum soll ich vor dem weglaufen? Kindisch!, schalt sie sich.Wenn der in meine Nähe kommt, weiß ich wenigstens, ob das dieser de Mácon ist oder ein anderer, und ob ich mir eventuell Sorgen machen muss.