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Billie erbt eine alte Villa, einen verwilderten Garten, die Katze Sophie und einen Untermieter. Sie zieht mit ihrer Mutter nach Rabenstein, eröffnet im Gartenhaus ein Detektivbüro und löst ihren ersten Fall. Band 1 der beliebten Kinderkrimi-Reihe. »Liebevoll, teils schrullig, teils unglaublich witzig gezeichnete Figuren.« Krimi-Forum »Ich habe Fernando ist futsch gelesen. Das fand ich richtig toll. Es ist spannend und gut geschrieben.« Lorena, 3. Klasse, per E-Mail
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Billie erbt eine alte Villa, einen verwilderten Garten, die Katze Sophie und einen Untermieter.Sie zieht mit ihrer Mutter nach Rabenstein, eröffnet im Gartenhaus ein Detektivbüro und löst ihren ersten Fall.
Die pfiffige Privatdetektivin Billie Pinkernell bringt frischen Wind in das Städtchen Rabenstein. Mithilfe ihrer neuen Freunde Loreley und Tim löst sie gleich drei Fälle auf einmal.
Band 1 der beliebten Kinderkrimi-Reihe
»Liebevoll, teils schrullig, teils unglaublich witzig gezeichnete Figuren.« Krimi-Forum
»Ich habe Fernando ist futsch gelesen. Das fand ich richtig toll. Es ist spannend und gut geschrieben.« Lorena, 3. Klasse, per E-Mail
Für Robert,
meinen Lieblingsdetektiv
1: Die Villa Pinkernell
2: Nächtlicher Besuch
3: Ein Traum?
4: Das Detektivbüro
5: Kundschaft!
6: Am Tatort
7: Der blinde Zeuge
8: Loreley in der Tinte
9: Der Erpresser-Brief
10: Billie grübelt
11: Die toten Vögel
12: Regin Pfiti Deksu??
13: Auf der Lauer
14: Der Sheriff persönlich
15: Der Scheidungsmops
16: Fernando?
17: Die lila Socke
Billies Morse-Botschaft
Welches Buch liest Loreley?
Alle Billie-Krimis
Über Gesine Schulz
Impressum
»Das ist es?«, fragte Billie. »Das ist das Haus? Da sollen wir wohnen?«
Ihre Mutter stellte den Motor aus. »Ja. Wir sind da.«
Billie beugte sich vor. »Es sieht ein bisschen aus wie ein Spukhaus, oder?«
»Aber nein! Na ja. Ein bisschen vielleicht. Weil es jetzt diesig ist und gerade dunkel wird. Als ich im letzten Monat hier war, schien die Sonne. Da sah es sehr nett aus.«
Ihre Mutter machte keine Anstalten, aus dem Auto zu steigen. Es war eine lange Fahrt gewesen. Von Berlin immer weiter und weiter Richtung Westen. Billie hatte schon befürchtet, sie würden diesen kleinen Ort hier verpassen und plötzlich in Holland sein oder schon am Meer, kurz vor England. Und vielleicht wäre das auch besser. Ausland, das war doch was.
»Wo ziehst du hin?«, hatten sie in der Schule gefragt. »Nach Rabenstein? Ihhh! Wo ist denn das? Nie von gehört. Billie zieht aufs platte Land, Billie zieht aufs platte Land …«
Und jetzt waren sie hier. Bloß, dass es nicht platt war, sondern hügelig. Drei Straßenlaternen schienen und ein halber Mond. Und einen Häuserblock weiter, nur dass es hier keine Häuserblocks gab, stand noch ein Haus, es war ganz dunkel.
»Irgendwann müssen wir aussteigen«, sagte Billies Mutter und gähnte.
»Ja«, sagte Billie. »Wie wär’s mit morgen, nach dem Frühstück?« Oder nächstes Jahr?
»Morgen nach dem Frühstück müssen wir das Auto ausräumen. Ich muss es bis mittags bei der Mietwagenfirma abgeben, sonst kostet es einen Tag extra.«
Und sie mussten jetzt sparen. Weil Mam keine Stelle mehr hatte. Billie hatte ihm schreiben wollen, dem Mann, der den Verlag gekauft hatte, obwohl ihm schon ganz viele Verlage gehörten, und der ganz vielen Leuten gekündigt hatte.
»Das ist lieb, Billie«, hatte Mam gesagt, »aber es wird nichts nützen.« Und so hatte Billie es gelassen. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, vielleicht hätte sie sein Herz erweichen können. Dann müssten sie jetzt nicht in dieses unheimliche Haus ziehen. Und darin schlafen.
»Huuh! Mam! Hast du das gesehen?«
»Nur eine kleine Fledermaus, Billie. Ist das nicht schön? Hier sind wir mitten in der Natur. In Berlin habe ich nie eine Fledermaus gesehen.«
Nein, zum Glück nicht. Da flogen nur ganz normale Tauben rum und Flugzeuge und einmal ein grasgrüner Papagei. Eine Weile hatte Billie die Tauben auf der Fensterbank gefüttert. Bis sich Frau Bischof von unten wegen des Drecks beschwert hatte. Immer musste die wegen irgendwas meckern.
Als Billie einmal den Hall im Treppenhaus testen wollte, hatte Frau Bischof die Polizei gerufen, weil sie dachte, jemand werde ermordet. Es war ein ganz toller Klang gewesen. Leider nur das eine Mal. Billie hatte dem Polizisten versprechen müssen, nur noch im Schwimmbad so laut zu schreien.
Aber das hatte gleich zwei Eintragungen ins Klassenbuch gegeben. Die erste, weil Frau Radtke, die Sportlehrerin, gedacht hatte, Billie sei am Ertrinken. Die Lehrerin war mit allen Klamotten ins Wasser gesprungen, um Billie zu retten. Merkwürdigerweise hatte sie sich gar nicht gefreut, als sie merkte, dass Billie überhaupt nicht in Gefahr war. Nein, sie hatte geschimpft und Billie ins Klassenbuch eingetragen. Und als Billie sagte, die Polizei persönlich habe ihr geraten, sie solle im Schwimmbad schreien, hatte das die zweite Eintragung gegeben.
»Hier kannst du so viele Tauben füttern, wie du willst, mein Schatz.«
»Au ja! Und schreien kann ich auch, nicht? Das ganze Haus für uns allein! Komm schon, Mam. Lass uns reingehen.«
Billie öffnete die Beifahrertür und kletterte aus dem Lieferwagen, in den alles gepackt war, was sie und ihre Mutter besaßen. Spielzeug, Kleidung, Bücher, Radio und Fernseher, Fotoalben, Billies Detektivausrüstung, ihr demoliertes Fahrrad und der Computer und der Bürokaktus ihrer Mutter. Alles andere – die Möbel, das Geschirr, Billies Handy und ganz viel Krimskrams – hatten sie vor ihrem Umzug verkauft, verschenkt oder als Sperrmüll abholen lassen.
Das Zuknallen der Autotür riss Billie aus ihren Gedanken.
»Ich zeige dir erst mal das Haus, Billie. Das Gepäck für die Nacht können wir später holen.« Billies Mutter legte ihr einen Arm um die Schultern.
Das Tor aus verschnörkeltem Eisen quietschte wie ein Schlossgespenst mit Zahnschmerzen, als sie es öffneten. Vom Tor und dem hohen Eisenzaun, der den Vorgarten vom Bürgersteig trennte, blätterte dunkelgrüne Farbe und zeigte rostige Stellen. Rechts und links vom Weg standen hohe Sträucher. Es roch nach feuchter Erde. Zweige knackten. Etwas huschte durch das Laub. Sie blieben stehen.
»Sicher nur ein Vogel«, hauchte Billies Mutter.
»Oder eine Maus«, flüsterte Billie. Vielleicht gar eine Ratte!
Rasch gingen sie weiter und stiegen die Treppe zur Haustür hinauf. Der schwere Schlüssel ließ sich ohne Mühe im Schloss umdrehen. Die Tür öffnete sich lautlos. Im Haus war es stockdunkel.
»Wonach riecht das so komisch, Mam?«
»Es ist ein bisschen muffig, es ist lange nicht gelüftet worden. Aber es liegt auch ein Hauch Lavendel in der Luft, riechst du das? Urgroßtante Malwine benutzte ein Lavendelparfüm. Im Badezimmer steht noch eine Flasche.«
Mit ausgestreckten Armen tasteten sie sich in die Dunkelheit vor.
»Hier war doch ein Lichtschalter«, murmelte Billies Mutter. »Irgendwo auf der rechten – Ah! Hier.«
Es klickte. Hoch über ihnen ging ein schwaches Licht an. Billie sah nach oben. In einem Kronleuchter leuchteten drei Glühbirnen. Die Restlichen, mindestens vierzig, blieben dunkel.
Sie standen in einem großen Flur, fast in einer Halle. Eine breite Treppe führte nach oben und auch ein Stockwerk tiefer. An den hohen Wänden hingen dunkle Ölgemälde, ein Hirschgeweih und zwei Spiegel. Die Garderobe war leer bis auf einen breitrandigen schwarzen Hut.
Sie war ihrer Urgroßtante nie begegnet. Billie versuchte sie sich vorzustellen. Mit einem breitrandigen Hut und nach Lavendel duftend.
»So, nun in die Küche.« Sie stiegen die Treppe hinunter.
Billie fuhr mit einer Hand über das Holz des breiten Geländers. Es war glatt und an den Rändern gerundet. Sie schwang sich darauf und sauste an ihrer Mutter vorbei nach unten.
»Erste!«, rief Billie.
Die Küche war riesig. So groß wie ihr Wohnzimmer in Berlin. Draußen war es jetzt dunkel. Billie und ihre Mutter spiegelten sich in den Scheiben.
»Schau dir den Tisch an, Billie. Darauf kannst du spielen oder deine Schularbeiten machen und ich habe trotzdem noch Platz zum Gemüse schälen oder Kuchenteig rühren. Oder wir können viele Leute zum Essen einladen. – Gefällt es dir?«
»Ja, ist ganz schön, Mam.« Wen sollten sie denn zum Essen einladen? Sie kannten doch keinen einzigen Menschen hier.
»Und tagsüber schaut man raus in den Garten. Diese Tür führt auf die Terrasse. Als Erstes werde ich einen Kräutergarten anlegen. Erinnerst du dich an das Küchengartenbuch, das ich herausgegeben habe?«
Billie nickte. Ihre Mutter war in dem Verlag Lektorin für Gartenbücher gewesen. Sie hatte sich ein Thema ausgedacht und dann Autoren oder Autorinnen gesucht, die das Buch schrieben. Die Aufnahmen hatte meist ihre Lieblingsfotografin gemacht. Bücher über Rosengärten, Bauerngärten und begrünte Höfe in der Stadt. Darum freute Mam sich so auf den verwilderten Garten hier.
In Berlin hatten sie einen Balkon gehabt, so groß wie eine Badewanne. Nachdem Mam ein Buch mit dem Titel Ihr Balkon – ein Paradies herausgegeben hatte, war sie darangegangen, den Balkon in ein Paradies zu verwandeln. Eine Schüssel wurde zu einem kleinen Teich mit Springbrunnen und Wasserpflanzen. An der Mauer hatte sie Gitter für Kletterpflanzen angebracht. In den beiden Balkonkästen blühten Blumen und Kräuter. Nach kurzer Zeit aber waren die Pflanzen eingegangen, weil sie zu viel Wasser und zu wenig Sonne bekommen hatten. Nur das Unkraut überlebte.
Billie gähnte tief und lang.
»Genau!«, rief ihre Mutter. »Ab ins Bett! Den Rest des Hauses sehen wir uns morgen an. Komm, Billie. Die Schlafzimmer sind in der ersten Etage.«
Im trüben Schein des Kronleuchters stiegen sie die Treppe hoch. Außer ihren Schritten war nichts zu hören.
»Schau, hier ist das Badezimmer.« Billies Mutter öffnete eine der vielen Türen auf der ersten Etage. Die Badewanne hatte Löwenfüße. »Und jetzt suchen wir uns unsere Schlafzimmer aus. Sonst schlafe ich noch im Stehen ein.«
Sie öffneten eine Tür nach der anderen, traten in ein Schlafzimmer nach dem anderen. In jedem stand ein hoher, dunkler Kleiderschrank und ein hohes, dunkles Holzbett mit gestreifter Matratze. Die Farbe der Bettvorleger und das Blumenmuster auf den Vorhängen waren verblichen.
»Hier will ich nicht schlafen«, sagte Billie. »Es riecht so staubig und gruftig.«
»Wir werden morgen ordentlich lüften.« Ihre Mutter öffnete die letzte Tür, die nur angelehnt war. Hier duftete es wieder nach Lavendel. An den Wänden hingen Blumenbilder und Fotos. Auf der Patchworkdecke, die das Bett bedeckte, lag genau in der Mitte eine zusammengerollte lila Socke. Das Kissen in dem grün gestreiften Ohrensessel war eingedrückt, als habe erst kürzlich jemand darauf gesessen.
Billie legte ihre Hand in die Delle. Das Kissen war ganz warm. Billie zog ihre Hand rasch weg.
Der Wandkalender zeigte noch das Blatt von April. Im April war Urgroßtante Malwine gestorben.
»Ich glaube, das war ihr Zimmer«, flüsterte Billie.
»Ich glaube auch, Billie. Was meinst du, sollen wir heute Nacht beide im Wohnzimmer schlafen? Das Sofa ist ziemlich breit. Wenn wir uns Decken mit runternehmen, dann –«
»Ja, ja, wir schlafen im Wohnzimmer. Hier oben ist es mir unheimlich. Vielleicht gibt es sogar Geister.« Billie hob ihre Arme, verdrehte die Augen und ging langsam auf ihre Mutter zu. »Huhuuuuu … Huhuuuuuu! Und gleich geht das Licht aus und dann leuchte ich im Dunkeln, huhuuuuu …«
»Nicht, Billie!« Ihre Mutter schüttelte sich. »Ich werde sonst hysterisch. Wenn der Strom ausfällt, meine ich. Weil wir keine Taschenlampe haben. Nicht weil ich an Geister glaube, verstehst du? An Geister glaube ich nicht.«
Billie kicherte. »Na gut. Keine Geister. Aber vielleicht kommen Einbrecher. Die lieben nämlich leer stehende Häuser. Weil sie da ungestört nach dem Schmuck und dem Geld suchen können. Glaubst du, hier gibt es einen Tresor, Mam? Den können sie dann knacken. Wenn das zu schwer ist, müssen sie ihn sprengen, das habe –«
»O Billie, hör auf. Du machst mir noch eine Gänsehaut. Außerdem ist dieses Haus jetzt nicht mehr unbewohnt und –«
»Aber Mam, das wissen die Einbrecher doch nicht.«
»Dann werden wir eben das Licht im Flur anlassen, damit die Einbrecher gewarnt sind. Und sollten sie doch kommen … Ich werde so tief schlafen, dass ich nichts davon merken würde. Meine Güte, ich bin so was von müde, Schatz. Diese Fahrerei …« Billies Mutter gähnte.
Nach einer Katzenwäsche und eiligem Zähneputzen lagen Billie und ihre Mutter aneinander gekuschelt auf dem grünen Samtsofa im Wohnzimmer. Nachdem ihre Mutter das Licht ausgeknipst hatte, sah Billie zunächst gar nichts. Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Durch einen Spalt im Vorhang fiel ein Streifen Mondlicht in den Raum. Unter der Zimmertür war es hell vom Kronleuchter im Flur, den sie angelassen hatten. Billie erkannte die Umrisse der Fenster, der Sessel. Sie hörte den Atem ihrer Mutter, die mitten im Satz eingeschlafen war: »Gute Nacht, meine Billie, schlaf …«
»Du auch, Mam«, hatte Billie geantwortet. Vielleicht hörte ihre Mutter es ja im Traum.
Billie schloss ihre Augen. Sie hatte alles gesehen, was im Dunkeln zu sehen war.
»Und merk dir, was du träumst, Billie Pinkernell«, flüsterte Billie. Manchmal sprach sie mit sich selbst. Was man in der ersten Nacht irgendwo träumt, wird wahr, das hatte sie mal gehört.
Jemand hatte miaut. Billie wurde mit einem Ruck wach. Hatte sie von einer Katze geträumt? Bloß nicht! Sie wollte doch einen Hund haben. Billie lauschte. Sie hörte Schritte. Eine tiefe Stimme murmelte etwas. Billie zwickte sich in den Arm. Nein, sie träumte nicht. Da war es wieder: schlurfende Schritte im Flur.
Billie schlug die Wolldecke zurück und stand auf. Sie huschte zur Tür und legte ein Ohr dagegen. Doch, da war jemand im Haus. Der Einbrecher sprach wieder. Es war schwer zu verstehen durch die Tür. Ganz vorsichtig drückte Billie die Klinke herunter und öffnete die Tür einen Spalt.
»Bist du hungrig?«, hörte sie. »Dann wollen wir mal sehen, was wir für dich tun können.«
Hungrige Einbrecher? Billie konnte niemanden sehen. Als sie die Tür langsam ein winziges Stück weiter aufmachte, quietschte sie ganz fürchterlich.
Billie hielt die Luft an. Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill.
»Ist da jemand?«, fragte eine Männerstimme. »Wer ist da?«
Billie machte die Tür auf. Im Flur stand ein Mann, ein alter Mann mit einer Baskenmütze auf dem Kopf. Neben seinem Bein stand eine graue Katze.
»Doch kein Traum«, sagte Billie.
»Und wer bist du?«, fragte der Mann.
»Und wer sind Sie?«, fragte Billie. Für einen Einbrecher sah er ziemlich alt aus.
»Ich glaube, ich weiß, wer du bist«, sagte der Mann. »Du bist Billie Pinkernell, habe ich recht?«
»Kann sein. Aber wer sind Sie?«
Er lächelte. »Mein Name ist Henry Danziger. Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen, Billie.« Er streckte seine rechte Hand aus.
Billie ging zu ihm und schüttelte sie.
»Ich freue mich wirklich sehr«, sagte der alte Mann.
»Aber warum?«
»Ja, warum?« Der alte Mann sah zu Boden. Vielleicht sah er auch auf die Katze. »Ich war mit deiner Urgroßtante befreundet, viele Jahre befreundet. Ja.« Er nickte.
»Waren Sie traurig, als sie gestorben ist?«
»Ja, Billie. Sehr traurig.«
»Mein Vati ist auch gestorben. Als ich noch klein war. Ich kann mich nicht richtig an ihn erinnern. Aber manchmal träume ich von ihm.«
»Das ist schön, Billie.«
»Ja. Aber ich wünschte, ich könnte mich richtig an ihn erinnern. – Ist das Ihre Katze?«
»Das ist Sophie. Sie hat hier mit Malwine gewohnt.«
»Und jetzt wohnt sie bei Ihnen?«
»Nein, immer noch hier. Aber sie besucht mich manchmal. Ich wollte sie eigentlich füttern, unten in der Küche. Ich wusste nicht, dass ihr schon angekommen seid.«
»Aber wir haben doch extra das Licht angelassen.«
»Und ich dachte schon, ich hätte vergessen, es auszumachen. Ist deine Mutter …?«
»Mam schläft schon. Sie war so müde wie ein Bär vor dem Winterschlaf. Ich war auch müde, aber jetzt nicht mehr. Ich dachte, Sie wären ein Einbrecher, als ich Sie hörte.«
»Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe, Billie.«
»Das macht überhaupt nichts. Ich will nämlich Detektivin werden und ich habe noch nie einen Einbrecher gesehen. Sind Sie bestimmt kein Einbrecher?«
Herr Danziger lachte leise. »In meinem Alter?«
Billie zuckte mit den Schultern. »Kann doch sein?«
»Vielleicht hast du recht. Na, wollen wir mal sehen, ob ich dich überzeugen kann.« Er holte einen großen Schlüssel aus seiner Jackentasche. »Hier. Ich bin im Besitz des Hausschlüssels. Damit habe ich die Tür aufgeschlossen.«
»Den könnten Sie doch auch gestohlen haben oder gefunden.«
»Das ist wohl wahr. Hm. Was machen wir denn da?«
»Weiß ich nicht.« Eigentlich glaubte Billie ihm, dass er ein Freund von Urgroßtante Malwine war. Woher sollte er sonst wissen, dass sie Billie hieß?
»Ah!«, sagte Herr Danziger. Er zog ein Lederetui aus seiner Brusttasche und öffnete es. »Mein Personalausweis. Vielleicht kann dich der überzeugen?«
Billie stellte sich unter den Kronleuchter und studierte den Ausweis. Es war sein Foto, auch wenn er darauf sehr grimmig dreinschaute … und sein Name, Henry Danziger, aber –
»Das ist ja unsere Adresse!«, rief Billie. »Kleopatra-Weg 13. Das ist doch dieses Haus.«
»Ganz richtig. Ich wohne in der Einliegerwohnung unten.«
Er war gar nicht ausgezogen? Mam hatte doch gesagt, der Mieter sei ins Altersheim gegangen.
Die graue Katze stand an der Treppe und miaute kurz und laut.
»Sie wollten ihr doch Futter geben.«
»Willst du das nicht übernehmen, Billie? Ich gehe besser und komme morgen wieder, wenn deine Mutter auf ist.«
»Och, bleiben Sie doch noch ein bisschen. Meine Mutter wollte durchschlafen, wenn Einbrecher kommen. Da macht es ihr bestimmt nichts aus, wenn Sie hier sind.«
»Aber –«
»Außerdem weiß ich nicht, wo das Katzenfutter ist.«
»Es steht –«
»Und müde bin ich überhaupt nicht. Ich will jetzt eine heiße Schokolade trinken. Möchten Sie vielleicht auch eine? Sie schmeckt lecker. Ich mache noch Vanillezucker hinein und manchmal etwas Zimt drüber, aber das mag nicht jeder. Oder Schlagsahne. Geraspelte Schokolade ist auch gut, habe ich jetzt aber nicht. Wollen Sie eine?«
»Eine echte Pinkernell-Schokolade! Dieser Abend steckt voller Überraschungen. Ich nehme die Einladung gerne an.«
Billie sah ihn an. Seine Augen lachten. Pinkernell-Schokolade, das gefiel ihr. »Na, dann kommen Sie schon«, rief sie und rutschte das Treppengeländer hinunter bis vor die Küchentür.
Es duftete nach Kaffee. Ihre Mutter war also schon auf.
Billie reckte sich. Sie kniff beide Augen zusammen und riss den Mund auf. »Aaaaah«, stöhnte sie und kuschelte sich wieder in die Decke. Irgendetwas war anders. Sie befühlte die Decke: flauschig. Das war doch nicht ihr Federbett! Sie riss die Augen auf.
Eine große braune Eule starrte sie an. Billie starrte zurück. Wo war sie? Die Eule bewegte sich nicht, sie war ausgestopft. Billie ließ ihren Blick schweifen. Zwei Sofas, ein paar Sessel, Bücherregale, hohe Fenster, die Vorhänge auf einer Seite nicht ganz zugezogen.
Billie erinnerte sich wieder. Der Umzug! Sie war gar nicht zu Hause. Eine ausgestopfte Eule. Eine Badewanne mit Löwenfüßen. Und eine Katze namens Sophie.