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Von stimmungsvoll bis heiter: Vier Weihnachts-Kurzkrimis. –– BLUT AUF DEM SCHUH: Beim beliebten Nikolausmarkt auf Schloss Hugenpoet ereignet sich ein Zwischenfall. Ein aufmerksamer kleiner Junge ist der einzige Zeuge. Wird die Polizei ihm glauben? –– EIN FREUNDSCHAFTSDIENST: Im weihnachtlich geschmückten Büchercafé freut sich Melanie auf die bevorstehende Krimilesung. Sie knabbert Plätzchen, ihr Hündchen Barnaby einen Hundekeks. Doch so idyllisch bleibt es leider nicht. –– BLAUBART IM SCHNEE: Nur widerwillig übernimmt Privatdetektivin Karo Rutkowsky den recht merkwürdigen Auftrag eines Rauschgoldengels. –– WHITE CHRISTMAS: In der Kasse von Privatdetektivin Karo Rutkowsky herrscht wieder mal Ebbe. Sie lässt sich als Sicherheits-Weihnachtsmann anheuern und hat ein unweihnachtliches Erlebnis im Münster. –– (Die Kurzgeschichten sind zuerst in diversen Krimi-Anthologien erschienen.)
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Seitenzahl: 80
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Punsch, Plätzchen & Pistolen
Von stimmungsvoll bis heiter: Vier Weihnachts-Kurzkrimis
Blut auf dem Schuh
Beim beliebten Nikolausmarkt auf Schloss Hugenpoet ereignet sich ein Zwischenfall. Ein aufmerksamer kleiner Junge ist der einzige Zeuge. Wird die Polizei ihm glauben?
Ein Freundschaftsdienst
Im weihnachtlich geschmückten Büchercafé freut sich Melanie auf die bevorstehende Krimilesung. Sie knabbert Plätzchen, ihr Hündchen Barnaby einen Hundekeks. Doch so idyllisch bleibt es leider nicht …
Blaubart im Schnee
Nur widerwillig übernimmt Privatdetektivin Karo Rutkowsky den recht merkwürdigen Auftrag eines Rauschgoldengels.
White Christmas
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Inhaltsverzeichnis
Blut auf dem Schuh
Ein Freundschaftsdienst
Blaubart im Schnee
White Christmas
Die Autorin
Liebe Leserin, lieber Leser …
Quellenverzeichnis
Damian war sauer. Er spülte noch einen Legostein das Klo hinunter, einen roten. Zwanzig waren jetzt weg. Vielleicht auch nur vierzehn. Er goss die halbe Flasche von Mamis Lieblingsshampoo hinterher und zog wieder ab. Die Kloschüssel war bis oben voller Schaum und roch nach Äpfeln.
Er machte die Badezimmertür hinter sich zu, wie es sich gehörte, und öffnete die Tür zu Mamis Zimmer. Sie saß am Schreibtisch vor dem Computer.
„Mami? Ich bin sauer. Sauer, sauer, sauer!“
„Ich weiß, Süßer.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Das hast du mir nun schon dreimal gesagt. Es tut mir auch wirklich leid, dass wir nicht zum Weihnachtsspiel gehen können. Aber du bist ja ein großer Junge. Job ist Job. Und ich muss dies bis heute Abend fertig haben. Ich habe es dir doch erklärt.“
Damian nickte, schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer. Er warf sich auf das Sofa. So sehr hatte er sich auf das Weihnachtsmärchen heute Nachmittag gefreut! Er nahm die Fernbedienung auseinander und versteckte die Batterien in der Sofaritze.
Das Telefon klingelte. Es machte leise ping, als Mami im Arbeitszimmer abnahm. Ganz vorsichtig nahm Damian den Hörer vom Wohnzimmertelefon ab und hielt ihn ans Ohr. Wie ein Spion. Oder ein Detektiv. Ach, es war nur Tante Melanie. Sie wollte wissen, ob Mami mit zum Nikolausmarkt käme.
Nikolausmarkt … Auf einem Schloss! Damian setzte sich auf. Ob es da Ritter gab?
„Nein“, sagte Mami, „geht leider nicht. Ich stecke mitten in einem Terminauftrag. Und sonst wären wir jetzt schon auf dem Weg ins Grillo-Theater, dort spielen sie dieses Jahr Die kleine grüne Hexe vom Stadtwald. Sag, willst du nicht mit Damian hingehen? Er hat sich so darauf gefreut.“
Damian riss die Augen auf. Doch noch ins Theater?
„Sorry, Kerstin“, sagte Tante Melanie. „Ich habe meiner Schwiegermutter versprochen, auf dem Hugenpoet-Nikolausmarkt ihre Einkaufsliste abzuarbeiten. Der ist ja nur an diesem Wochenende, und heute ist der letzte Tag, sonst hätte ich mir das mit dem Theater überlegt. Aber … ich könnte Damian mit nach Kettwig nehmen, wenn du willst.“
„Ja!“, kreischte Damian ins Telefon. „Das will ich! Gibt es da echte Ritter?“
„Damian!“, hörte er die vorwurfsvolle Stimme seiner Mutter. „Du sollst doch nicht am Telefon lauschen. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?“
„Ziemlich oft, Mami. Ganz genau weiß ich das nicht. Darf ich mit? Gibt es da Ritter?“
„Na, ich weiß nicht. Ritterrüstungen vielleicht. Ja, das könnte ich mir vorstellen.“
Melanie steckte ihr Handy weg. Noch mal Glück gehabt! Ein kleiner Junge war besser als niemand. Sie hätte sonst echt in der Klemme gesessen, nachdem Sinja wegen ihrer Migräne so kurzfristig abgesagt und auch sonst niemand Zeit hatte.
Auf dem Weg zum Auto atmete Melanie tief durch. Kein Grund zur Panik also. Sie würde den Jungen dabeihaben. Sicher nett, mit einem Kind auf dem Weihnachtsmarkt, dachte sie ohne Überzeugung. Sie hätte den Besuch ins Wasser fallen lassen, hätte sie ihrer Schwiegermutter nicht versprochen, dort die weihnachtlichen „Aufmerksamkeiten“ zu kaufen, die sie seit Jahren auf Hugenpoet zu besorgen pflegte. Diesmal hinderte die Hüft-OP sie daran, von der sie sich wegen einiger Komplikationen langsamer erholte, als sie sich vorgenommen hatte. Deshalb saß sie noch in der Reha-Klinik fest, wie sie es bezeichnete, und war frustriert; zumal sie von der Laupendahler Höhe beinahe aufs Schloss spucken konnte.
Auf der Alfredstraße gab es mal wieder eine Baustelle. Der Verkehr stockte. Aus dem Rückfenster des Saab vor ihr schaute ein Bernhardiner Melanie aus melancholischen Augen an. Im Auto nebenan tippte ein junger Mann ins Handy.
Wieder einmal wunderte Melanie sich, dass es ihr nicht das Geringste ausmachte, im Auto allein zu sein, umgeben von Menschen in anderen Autos oder auch den Blicken von Fußgängern ausgesetzt. Was war daran so anders, als allein in einem Café zu sitzen oder solo eine Veranstaltung wie den Nikolausmarkt zu besuchen? Beides Unternehmungen, die auch nach zwei Jahren als Witwe Panikattacken auslösten und solche Besuche ohne Begleitung für sie unmöglich machten. Eine Schwäche, die sie vor aller Welt und besonders vor ihrer energischen Schwiegermutter gekonnt verborgen hatte. Und weiter verbergen würde. Um jeden Preis. Allein bei der Vorstellung, wie die darauf reagieren würde, kräuselten sich Melanies Eingeweide. Sie schämte sich so wegen ihrer Macke. Offen darüber zu sprechen, wie es der Psychologe geraten hatte, war ihr nicht möglich. Auf ihr Drängen hatte er zugeben müssen, dass die Phobie auch von allein verschwinden könnte. Darauf setzte sie.
Sie bog in den Haumannplatz ein und parkte.
Mami knöpfte ihm die Jacke zu. Er konnte das schon selbst, doch es gefiel ihm, wenn sie es tat. „Hör schön auf das, was Tante Melanie sagt, Schatz. Sie hat keine Kinder und weiß vielleicht nicht so genau, wie –“
„Du hast aber auch keine Kinder, Mami. Nur ein Kind.“
„Aber was für eins!“ Mami lachte und wickelte den Schal um seinen Hals. Sie machte es mit einer besonderen Schlaufe, damit der lange Schal nicht verrutschte.
„So!“ Sie drehte ihn um, und beide schauten sie in den großen Spiegel.
„Schick siehst du aus, mein Süßer.“
Er nickte und sah hinunter auf seine neuen Lieblingsschuhe. Die Sneakers waren das Allerbeste. Es war sooooo spannend gewesen! Er hatte lange warten müssen, bis endlich die E-Mail gekommen war, dass seine Karte, die sie in dem Schuhladen in Düsseldorf ausgefüllt hatten, aus der Lostrommel gezogen worden war. Mami hatte sich so gefreut. Weil es von dieser Sorte nur wenige Exemplare gab. Limited edition hieß das. Man musste sich bewerben um die Schuhe. Ihm gefielen die schneeweiße dicke Sohle und das himmelblaue Leder darüber. „Darin läuft es sich wie auf Wolken“, hatte der Schuhverkäufer gesagt. Eine schöne Vorstellung. Beinahe wie fliegen hörte sich das an.
Mami füllte die kleine Geldbörse, steckte sie ihm in die Jackentasche und zog den Reißverschluss zu. „Pass schön darauf auf. Im Gedränge sind gerne Taschendiebe unterwegs.“
„Echt? Taschendiebe? Cool!“
Die Türklingel schellte. Sie liefen die Treppe hinunter. Mami holte seinen Kindersitz aus dem Auto und befestigte ihn in dem Clio von Tante Melanie. Er gab Mami einen Kuss und ließ sich anschnallen.
Ritterrüstungen! Taschendiebe! Vielleicht sogar gebrannte Mandeln!
Der Kleine war höflich erzogen, dass musste man Kerstin lassen. Doch warum musste sie ihn zu einem solchen Modepüppchen machen? Alles schick, ausschließlich Markenkleidung und sauteuer. Wozu, wo er doch bald aus allem rauswuchs?
Als hätte Damian ihre Gedanken gespürt, fragte er: „Hast du meine neuen Sneakers gesehen, Tante Melanie? Super-cool. Der Verkäufer hat gesagt, man geht damit wie auf Wolken.“
„Tatsächlich?“
„Das weiß ich nicht. Bin noch nie auf einer Wolke gegangen.“
„Ach so.“ Von Wolke sieben in den Keller, davon könnte sie ein Lied singen.
„Warum hast du keine Kinder, Tante Melanie?“
„Mein Mann wollte keine“, entfuhr es ihr.
„Oh …“
Im Rückspiegel sah sie Damians nachdenkliches Gesicht.
Er schwieg. Doch die Stille währte nur, bis sie in die Meisenburgstraße einbogen. „Vielleicht will er ja später welche.“
Es sollte wohl tröstend klingen. Gereizt sagte Melanie: „Wohl kaum. Er ist tot.“
„Warum ist er tot?“
„Ein Lastwagen hat ihn überfahren.“ Das sollte das Kind zum Schweigen bringen!
„War er platt?“
Nicht so platt wie ich, dachte Melanie bitter, als ich erfuhr, dass er keineswegs mit Freunden unterwegs gewesen war, sondern mit seiner Geliebten. Und dass er seiner Mutter gegenüber behauptet hatte, sie, Melanie, wolle keinesfalls Kinder.
„War er?“
„War er was?“
„Platt.“
Sie nickte. „Schau mal, Pferde!“ Das Ablenkungsmanöver gelang. Bis hinunter nach Kettwig erzählte Damian von irgendwelchen Tieren in Büchern oder Filmen. Als sie über die Ruhrbrücke fuhren, begeisterten ihn einige Kanus auf dem Fluss.
„Kannst du Kanu fahren, Tante Melanie?“
„Nein.“
„Gibt es Ritter auf dem Schloss?“
„Einen Freiherrn, glaube ich.“
„Och. Aber Taschendiebe?“
„Bestimmt.“ Das schien die richtige Taktik zu sein. Einfach allem zustimmen, und schon war er happy.
In Höhe der Auffahrt zu Schloss Landsberg staute sich auf der August-Thyssen-Straße der Verkehr in Fahrtrichtung Schloss Hugenpoet. Warm gekleidete und gut gelaunte Leute eilten den Straßenrand entlang. Alle mit dem Ziel Nikolausmarkt, befürchtete Melanie. Sie sah Parkplatzprobleme auf sich zukommen. Ein Shuttle-Bus mit der Aufschrift Alter Bahnhof Kettwig – Nikolausmarkt Hugenpoet kam ihr entgegen, wohl um an der S-Bahn-Station weitere Besucherinnen und Besucher aufzusammeln. Wäre es klüger gewesen, dort zu parken?
Die Auffahrt zum Schloss war mit Straßensperren geschlossen und wurde von einem jungen Mann mit Warnweste bewacht. Er beugte sich gerade zum Fahrerfenster des Daimlers mit Düsseldorfer Kennzeichen hinunter, der vor ihnen stand. Dann nickte er, öffnete die Sperre und winkte den Wagen durch. Melanie ließ ihr Fenster runter, folgte dem Daimler und rief dem Wachmann im Vorbeifahren zu: „Wir gehören dazu!“