Feuer - Chaim Noll - E-Book

Feuer E-Book

Chaim Noll

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Beschreibung

"Feuer", Chaim Nolls neuester Roman, beschreibt eine Gruppe verschiedener Menschen, die nach einer Katastrophe zusammenfindet. Sie werden durch das Unglück nicht zusammengeschweißt - es gibt Missgunst, Hinterhältigkeiten, Drohungen. Dennoch müssen sie sich gemeinsam auf den Weg machen, um aus dem Katastrophengebiet herauszukommen, Rettung scheint nicht in Sicht, die Medien schweigen. Ungemein spannend schildert Chaim Noll den Weg dieser Gruppe durch eine Gefahrenzone, zugleich bietet ihm das Thema die Möglichkeit, unsere heutige Medienwelt und das Miteinander der Menschen zu hinterfragen. "Feuer" ist ein ebenso kluger wie mitreißender Roman, den die Leserinnen und Leser so schnell nicht wieder aus der Hand legen werden.

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Chaim Noll

Feuer

Roman

Figuren, Handlung und Schauplätze dieses Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder deren Namen sind nicht beabsichtigt.

Sie laufen seit Stunden durch einen Wald, der kein Ende nimmt, ein dünner, tröpfelnder Pulk, stumm und verzagt. Am Nachmittag beginnt es zu regnen und hört nicht mehr auf, die Kleider werden schwer. Sie laufen weiter durch Senken voll von vorjährigem Laub, schleppen sich erdige Hügel hinauf, steigen mühsam glitschige Böschungen hinab, versinken knietief in Gräben. Über den Wipfeln der Bäume immer das schreckliche Rot, trüb vom Regen, fleckig von Asche. Gegen Abend färbt sich der Himmel gelb, manchmal ein Donnern. Frau Silberblick rutscht an einem Hang auf modrigen Blättern aus und verdirbt ihr Kostüm. Das Mädchen in Grün weint über einen Schuh, dessen Absatz abgebrochen ist.

Gegen Abendfindensie einen halbwegs trockenen Unterschlupf unter alten, hohen Eichen. Der Bischof und ein jüngerer Mann treffen Vorbereitungen zu einer Andacht, andere tragen Holz zusammen, suchen die Taschen ab nach Papier und Streichhölzern. Der Polizei-Offizier mit dem Schorf auf der Wange, der blonde Gymnasiast und der junge Mann in der Lederjacke kauern auf der Erde und blasen aus Leibeskräften in das zitternde Flämmchen.

Professor Fink hat den Einfall, die Gesellschaft zu zählen. Er geht reihum: Striche auf einer Liste, siebzehn. Misstrauisch beginnt er den Rundgang von neuem, kommt zu dem selben Ergebnis, beruhigt sich. Der Mann in der Lederjacke und der Polizei-Offizier beratschlagen leise, dann wendet sich der Offizier mit der Frage an alle, ob jemand Lebensmittel bei sich hätte. Er sieht niemanden an.

Zwei Tafeln Vollmilch mit ganzen Nüssen bei dem Mädchen in Grün, ein großes Lunch-Paket bei Frau Silberblick, der Mann im taubenblauen Anzug zeigt lächelnd ein mit Schinken und Salatblättern belegtes Baguette. Der kleine Junge, schwarzlockig, ungefähr fünf Jahre alt, den eine alte Frau in Schwarz mit sich schleppt, greift nach dem Brot. Die Bewegung wirkt so unmittelbar, dass alle lächeln müssen, auch das weinende Mädchen in Grün. AbgepackteKonfitüre,kleine Brotstücke und Butter in Foliefindensich bei den Finks, in Eile mitgenommen vom Hotelbüfett. »Wir waren nur zufällig in der Stadt«, sagt Fink, »weil unsere Tochter Gisela …« Er fühlt den Blick seiner Frau und verstummt.

Der Mann in Taubengrau trägt alles zum Feuer, beschreibt mit dem Oberkörper einen Halbkreis, sagt: »Collande.« Darauf folgt allgemeines Murmeln von Namen, Ehepaar Fink, Frau Silberblick, der Bischof, sein Begleiter, der Offizier, der Mann mit den Fotoapparaten, das Mädchen in Grün und das Mädchen in Flieder, der Mann in der Tweedjacke, der Gymnasiast, der Mann im grauen Anorak, der wie ein Clochard aussieht, die irre lächelnde Rothaarige, die Alte mit dem Kind, alle murmeln Namen, die man im nächsten Augenblick vergessen hat. Der in der schwarzen Lederjacke schweigt. Der Polizei-Offizier mustert ihn von der Seite, mit verengten Augen.

Ein Feuer wärmt ihre Herzen, lockert kalte Glieder, lässt vor Entsetzen erstarrte Gesichter einen weichen, kindlichen Ausdruck annehmen. Frau Fink ruft, ohne sich an jemanden zu wenden: »Haben Sie bemerkt, dass der Regen schwarz ist? Schwarz von Asche! Meine Jacke …« Es ist dunkel mittlerweile, alle hören den Bischof: »… dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen des Tages, vor der Pest, die im Finstern schleicht …« Das Feuer brennt hell, Stimmen sind zu hören, sogar ein Lachen von Nadine, dem Mädchen in Grün. Sie lauscht einer Erzählung von Frau Silberblick: »Ich wollte den Wagen meines Mannes nehmen, weil meiner ein Cabrio ist. Aber die Garagentür ist elektrisch, sie ging nicht mehr auf! Ich komme mit den Koffern und sehe überall schwarzen Rauch … Wenn ich bloß wüsste, was aus den Hunden geworden ist …«

»Na hören Sie! Manche hier haben Kinder verloren …« Eine Stimme aus der Dunkelheit, Frau Fink. Ihr Mann sieht sich zu einigen Gedanken veranlasst, über die Gleichgültigkeit unserer Zeit, die Unfähigkeit der Menschen, ihren Egoismus zu überwinden, selbst jetzt, angesichts einer Katastrophe. Er spricht eine Weile, ruhig, gemessen, daran gewöhnt, dass man ihm zuhört. Die Katastrophe als Gelegenheit zurSelbstfindung,zur Betroffenheit und Nachdenklichkeit, die wir sonst, im raschlebigen Alltag unserer modernen Welt … Gequältes Seufzen ist zu hören, sogar Zischen. Die blasse, rothaarige Frau lässt sich vernehmen, ihre Stimme klingtflach,atemlos: »Mein Gott, lassen Sie doch. Wir sind müde und brauchen Ruhe.«

Fink kann jetzt nicht so ohne weiteres aufhören, er ist in Schwung geraten wie vor seinen Studenten, die Gedanken strömen ihm zu, es wäre schade, sie nicht auszusprechen. Und dann fragt er sich, und es wallt wie Trotz in ihm auf, wer eigentlich das Recht hat, ihm das Reden zu verbieten, ihm sein Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung streitig zu machen. Er ist ein Mann, dessen Rat man schätzt, im Beratergremium der Landesregierung, im Senat der Universität, im Redaktionskollegium verschiedener Fachzeitschriften. Er ist bereit, den Umständen Rechnung zu tragen und sich zurück zu halten, ein, zwei summarische Sätze noch, damit sein kleiner Diskurs nicht so unvermittelt ­endet. »Gut«, beginnt er, »ich verstehe, dass Sie müde sind, ich bin es auch, gestern war für uns alle ein schrecklicher Tag. Was ich zu verstehen geben wollte, war nur: Wir sollten diese Situation nicht ungenutzt lassen, sondern die ungeheure Chance begreifen, die in ihr liegt …«

Der junge Mann in schwarzem Leder sagt halblaut, wie nebenher: »Halt endlich die Klappe.«

Fink meint, nicht recht zu hören. »Was erlauben Sie sich!«, faucht er. »Wer sind Sie überhaupt? Sie haben sich nicht vorgestellt. Als einziger!« Der in Schwarz kauert am Feuer und schiebt mit einem Zweig Glutstücke zusammen. Fink wendet sich dorthin, wo er im Halbdunkel den Polizei-Offizier vermutet: »Sie sollten sich diesen jungen Mann etwas genauer ansehen. Wir müssen schließlich wissen, mit wem wir hier zusammen …«

Doch der Offizier scheint nicht mehr in der Runde zu sein. Auch die anderen Männer nicht. Fink erinnert sich, mit halbem Ohr gehört zu haben, dass sie Holz holen wollten. Der in Schwarz steht plötzlich vor ihm, sehr nahe, größer als er, und sagt mit einer Stimme, die sanft, fast freundlich klingt: »Spiel dich hier nicht auf, Opa, verstanden?«

»Fassen Sie mich nicht an!«, schreit Fink und schwenkt hektisch die Hände, als wolle er ein zudringliches Insekt verscheuchen. »Sie dreckiger Chaot! Ich werde Sie anzeigen. Leute wie Sie haben den Staat kaputt gemacht …« Man hört die Stimme seiner Frau: »Um Himmels Willen, Roswin, lass …« Der Schwarze packt ihn beim Revers seines gelb-grün karierten Jacketts und schlägt ihm, ohne auszuholen, mit derflachenHand ins Gesicht.

»Was is los?«Der Gymnasiast tritt in den Lichtkreis, die Arme voll Kleinholz. Er wirft einen Blick auf Fink, der reglos dasteht, mit nach vorn gesunkenem Kopf, beide Hände gegen die Wangen gepresst. Collande und der Offizier folgen, legen Holz ab, nasse dünne Äste, beginnen sie zu zerbrechen, zu zerkleinern.

»Bin ich müde …«, sagt eine Mädchenstimme, sanft und verwöhnt, als wäre sie mit ihrem Geliebten allein. Der Mann mit den Fotoapparaten spricht einen anderen an, einen blassen, hageren. »Erkennen Sie mich nicht?«

»Tut mir leid.«

»Sie sind doch Herr Holthusen?«

»Ja.«

Professor Fink, der Polizei-Offizier und andere heben die Köpfe und starren den Pater an.

»Ich war letzte Woche bei Ihnen. Habe Sie fotografiert. Das Interview für die Rundschau.«

»Ah … Ich erinnere mich. Wer hätte gedacht, dass wir uns unter solchen Umständen …« Kurzes Auflachen. Dann ein Zusammenziehen der Wangen, bis sie hart auf den Knochen liegen, der Mund springt vor, ohne Lächeln.

»Gott, was bin ich müde …« Wieder die Mädchenstimme, mit einem Gähnen. In Mäntel gehüllt liegen menschliche Körper wie Rollen und Bündel um das Feuer. Der Regen vertröpfelt, heller Mond auf der Lichtung, ein paar Gräser weiß und spitz im Licht.

Der Polizist hat dafür gesorgt, dass immer ein Mann wach ist, im Zwei-Stunden-Takt. Eine organisatorische Einrichtung, die seine Umsicht unter Beweis stellt, seine Erfahrung. Auch das Feuer müsse die ganze Nacht brennen, erklärt er in knappen Worten. Um »unbefugt sich Nähernde« oder wilde Tiere abzuschrecken.So vergehen die Stunden ohne Zwischenfälle. Die meisten schlafen. Auch wer wach liegt, verhält sich still.

Am Morgen zeigt sich, dass zwei Männer fehlen, der mit den Fotoapparaten und der im Tweedjackett. Niemand kann sagen, wann sie sich entfernt haben. Aufstehen, Gliederrecken, verlegene Gesichter. Der kleine Junge plärrt.

»Vielleicht kommen sie zurück?«, fragt Collande.

»Nie und nimmer«, sagt jemand.

»Feiglinge. Frauen und Kinder im Stich lassen … dem Journalisten hätt ich’s zugetraut«, sagt Professor Fink, »aber der im grauen Jackett sah anständig aus.«

Die Frauen beenden ihre Morgentoilette, Lippenstifte tauchen auf aus feuchten Taschen, Spiegel blitzen. Der Morgen ist diesig, in seinem grau-gelben Dunst bleibt die Sonne ein bläulicher Fleck. »Herr im Himmel«, murmelt der Polizei-Offizier, »mach, dass endlich dieser Scheißregen aufhört.« Er erschrickt und wirft einen Blick auf den Rücken des Bischofs.

Dieser Rücken ist schwarz, schmal, gekrümmt. Sie haben den Bischof unterwegs gefunden, in einem Auto am Straßenrand, vorn hing der Fahrer in seinem Sicherheitsgurt, kalt und tot. Der alte Mann hinten wurde lebendig, nachdem man ihm Weinbrand aus einerTaschenflasche eingeflößthatte, bald zeigte sich, dass er aussteigen und laufen konnte. Professor Fink hatte gerufen, darin läge ein Zeichen. Und rasch hinzugefügt: »Ich bin übrigens evangelisch.«

»Ob Regen oder nicht«, sagt Collande, »wir müssen uns um Futter kümmern. Ist Ihre Waffe geladen?«

Der Offizier, an den die Frage gerichtet ist, nickt.

Collande lächelt morgenfrisch, blonde Bartstoppeln auf Kinn und Wangen, geöffneter Krawattenknoten, lehmverkrustete italienische Schuhe, als wäre er auf einer Geschäftsreise in Ungelegenheiten geraten. Der Offizier, indem er ihn ansieht, strafft sich, in seinem Gesicht erscheint ein Ausdruck von Hoffnung undPflichtbewusstsein.

Neben ihm lässt sich der in schwarzem Leder Feuer für seineZigarette geben, von jemandem, der erst jetzt erwacht ist und sofort zu rauchen begonnen hat, grauer Anorak, Säuferaugen, schüttere Strähnen. Von ihm wissen die anderen nur, was Fink unterwegs erzählt hat: Sie wären einander in der Halle desHauptbahnhofs begegnet, wo nach dem Ausfall elektronischer Systeme Panik ausgebrochen war. Der im grauen Anorak hätte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, wäre Bier trinkend am Stehtisch einer Imbissbude stehen geblieben und später behilflich gewesen, den Gymnasiasten aus dem schon brennenden Wagen eines Vorortzuges zu befreien.

Auch das Mädchen in Flieder erwacht, hustet lange, bewegt sich wie in Trance. Frau Doktor Tabari, eigentlich Zahnärztin, hat ihren ersten Fall. Sie legt dem Mädchen die Hand auf die Stirn, fühlt die Hitze des Fiebers, nickt, als hätte sie nichts anderes erwartet. Alle Mutlosigkeit ist von ihr gewichen, man würde nicht für möglich halten, dass sie gestern stundenlang geweint hat. Den Grund dafür will ohnehin niemand wissen. Einander nicht nach dem Gestern zu fragen ist das erste ungeschriebene Gesetz der neuen Gemeinschaft. Sie tritt in den Kreis, den der Polizei-Offizier, der in Leder und Collande bilden. »Das Mädchen muss transpirieren«, sagt sie. »Ich brauche etwas, woraus man ein heißes Getränk zubereiten kann. Eine Suppe oder Brühe.«

»Ein Huhn!«, ruft Collande mit einer angedeuteten Verbeugung gegen die Frau. »Wir machen uns sofort auf den Weg.«

Der Offizier erklärt: »Obwohl ich es für ungünstig halte, die Gruppe zu teilen.«

»Kein Problem. Die Telefone funktionieren noch.«

Der Gymnasiast ruft dazwischen: »Ich komme mit.«

Collande schüttelt den Kopf: »Wir können die Frauen nicht allein in der Gesellschaft der zwei Priester zurücklassen, verstehen Sie? Sie sind Sportler, trainiert …«

»Aber der Penner geht mit?« Der Gymnasiast zeigt auf den im grauen Anorak.

Er fragt so eindringlich, dass der Offizier und Collande zweifelnde Blicke auf den Mann im grauen Anorak werfen, auf sein gedunsenes, bartstoppeliges Gesicht mit den Augenringen, den schlechten Zähnen zwischen schlaff geöffneten Lippen.

»Klar, Jungchen«, sagt der Graue, an den Gymnasiasten gewandt. »Klar geh ich mit. Wo ich mit dabei bin, da läuft wat, verstehste?«

Frau Silberblick ist ein paar Schritte in den Wald gegangen, um für ihre Ringe und Armbänder ein Versteck in ihrer Unterwäsche zufinden.Sie muss sich verrenken, um das goldene Armband mit den Saphiren und Rubinen unter die Strumpfhose zu zwängen. Die Schmuckstücke drücken auf der nackten Haut, ein paar Atemzüge lang überlegt sie, ob es nicht das Beste wäre, sie zu verschenken. Oft hat sie Dinge, die ihr im Wege waren, einfach weggegeben. Aber wem könnte sie jetzt ihre Armbänder schenken? Sie kennt hier niemanden. Tränen treten ihr in die Augen, sie denkt an ihren Mann, der im Ausland ist wie so oft, in China, und nicht ahnt, was sie durchmacht. Sie hat versucht, ihn auf dem mobilen Telefon anzurufen, doch das Gerät war abgeschaltet, wahrscheinlich sitzt er dauernd in Besprechungen oder Flugzeugen. Falls sie ihn lebend wiedersieht, wird sie dafür sorgen, dass er in Zukunft öfter zu Hause ist, in ihrer Nähe, wenigstens erreichbar …

Es ist sinnlos, an derlei zu denken. Der morgendliche Dunst löst sich auf, die Sonne gießt Licht über Gras, tote Zweige, Steine. Weiter hinten sieht sie Wasser blinken und muss unter Tränen lächeln. Sie hat sich immer gewünscht, auf dem Land zu leben, morgens aufzuwachen, als erstes die Vögel zu hören, nicht die Autos, im Nachthemd ans Fenster zu treten, zu denken: Was für ein Tag. Sie haben die Wohnung in Herzliya gekauft, mit Blick aufs Meer. Schöner, fand sie, kann man nicht wohnen auf dieser Welt. Viel zu selten haben sie Zeit gefunden,hinzufliegen. Und kaum waren sie da, kam ein Fax oder ein Anruf, Jossi wurde seine Geschäfte niemals los.

Vogelzwitschern, sonst tiefe Stille. Mein Gott, dass diese Stille die ganze Zeit hier war, die ganze Zeit, als Jossi telefonierte, die Kinder groß wurden, Mama starb, immer die Stille, auch gestern, als die Welt unterging … Sie ist ein glücklicher Mensch, das muss sie sich immer wieder ins Bewusstsein rufen. Sie ist am Leben, ihr Mann und die Kinder sind weit weg. Die Jungs studieren in fernen Städten. Und ein Engel hat ihr eingegeben, Nechama auf ein Internat in London zu schicken, vor einigen Wochen erst. Sie war im Zweifel, ob sie die Dreizehnjährige aus dem Haus geben dürfe, mit Dreizehn ist man noch ein Kind. Nun preist sie sich glücklich. Ewiger Gott! Wie schrecklich, sich vorzustellen, Nechama müsste all das miterleben, im Schmutz schlafen, in Lumpen herumlaufen, Wasser aus brackigen Lachen trinken,treifigesZeug essen, sich von fremden Kerlen begaffen lassen … Sie hört Gekicher, unterdrückte Laute. Als sie sich umwendet, sieht sie in den Büschen die Jeansjacke des Gymnasiasten. Das Mädchen in Grün steht vor ihm auf moosigem Waldboden, er packt sie an den Oberarmen, zieht sie zu sich heran, versucht sie zu küssen.

Die Gruppe am Feuer wirkt verstimmt wie nach einem Streit. Das Mädchen in Flieder atmet schwer in ihren Decken, unförmig, ein stummes Bündel. Daneben Frau Tabari, die Zahnärztin. Neben dieser die rothaarige Frau, die noch keine drei Worte gesprochen hat und jetzt angestrengt ins Feuer bläst.

Frau Silberblick, beim Anblick des Feuers, spürt etwas wie Entsetzen. Sein dummes Prasseln, stures Sich-Ausbreiten, die platzenden Fensterscheiben, die blasenwerfende Farbschicht auf dem Garagentor, der Oleander in hellen Flammen …

»Was für ein schöner Tag«, sagt sie. »Darf man einfach so Feuer machen im Wald? Ich meine, hatten wir nicht genug davon?«

»Hier ist eine Kranke«, erwidert Professor Fink. »Die Frau Doktor hat angeordnet, dass ein Feuer brennen soll.«

Frau Silberblick blickt ratlos die Zahnärztin an. Nichts ist zu hören als das Knistern des Feuers und die leise Stimme von Pater Holthusen. Er sitzt ein paar Schritte weiter auf einem Baumstumpf, hält ein Notizbuch wie einen Schirm vor sein Gesicht und neigt den Oberkörper zur Seite, wo die alte Italienerin auf dem Waldboden kniet.

Fink und seine Frau tauschen einen Blick, Frau Silberblick fängt ihn auf undfindetdarin Herablassung, Überzeugungen, etwas Beängstigendes. Fink lächelt ihr zu, offenbar will er sie einbeziehen in das Lächeln moderner Menschen über mittelalterliche Rituale, zurückgebliebene Länder. Frau Silberblick wendet sich schweigend ab. Hört das gemurmelte »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomini Patris …«

Der Gymnasiast und das Mädchen in Grün kehren zurück, ein paar Schritte voneinander entfernt. Sie wirkt ganz ungerührt, sein Gesicht verrät Verlegenheit. Als er die Gruppe am Feuer erreicht, fragt er mit rauer Stimme: »Hat jemand Strippe?«

Schweigen. Frau Fink starrt ihn an.

»Da unten ist ein kleiner See. Man könnte versuchen, Fische zu fangen.«

Professor Fink läuft von einem zum andern. Er bittet, wird beredt, es gelingt ihm, ein Stück Schnur aufzutreiben, eine Sicherheitsnadel, aus der er einen Haken biegt. Indessen bricht der Gymnasiast eine Angelrute. Den Handspiegel seiner Frau als Schippe benutzend, gräbt Fink in der feuchten Erde nach Würmern.

»Nein, ich bin Deutsche«, antwortet Frau Tabari der Rothaarigen auf ihre Frage. »Mein geschiedener Mann ist aus Jordanien.«

»Haben Sie dort gelebt?«

»Manchmal im Urlaub. Er hatte einen Job in München.«

»Ich bin Holländerin, mit einem Italiener verheiratet«, sagt die Rothaarige, »und lebe eigentlich in Rom.«

»Ach?«, macht Frau Tabari.

Sie schweigen wieder. Das Mädchen in Grün hockt sich vor ihnen auf die Erde undflüstert: »Entschuldigung, ich will nicht stören. Aber mir tut der alte Mann so leid.«

»Welcher alte Mann?«

»Der Bischof. Kann ich ihm Ihre Decke bringen?«

Frau Tabari besitzt einen Schatz: eine Reisedecke, einen Verbandkasten, eine Taschenlampe und anderes, gerettet und mitgeschleppt, im letzten Moment ergriffen, ehe ihr Auto mit hundert anderen von einer einstürzenden Brücke rutschte. Sie kann nicht erklären, warum sie gerade diese Gegenstände aus dem Kofferraum nahm, mit einer ihr selbst unbegreiflichen Kaltblütigkeit, während sie sonst alles, was im Auto war, ihre Handtasche mit Papieren, Kreditkarten verloren gab … »Wenn Sie wollen …«, antwortet sie zögernd.

Das Mädchen in Grün nimmt die Decke und läuft zum Bischof. Er blickt ihr entgegen, ohne zu lächeln.

»Hier ist eine Decke, Herr Bischof, damit Sie besser sitzen.«

»Danke, mein Kind. Mögest du gesegnet sein.«

Er reicht die Decke an Holthusen weiter, gibt wortlos zu verstehen, dass der Pater ihm die Decke umlegen soll, und dieser tut es wie selbstverständlich, als hätte er nie gegen die Kirche rebelliert, als wäre er nicht der berühmte Edgar Holthusen, Autor antiklerikaler Bücher, beliebter Interview-Partner, Held der Talkshows, sondern immer noch der junge gehorsame Jesuit.

Kaum ist das Mädchen in Grün außer Hörweite, fragt die Rothaarige: »Warum haben Sie ihr die Decke gegeben?«

»Hätte ich es nicht tun sollen?«, fragt Frau Tabari zurück, nicht ganz bei der Sache. Sie ist damit beschäftigt, dem Mädchen in Flieder eine kalte Kompresse auf die Stirn zu legen.

»Sie wird sich jetzt vor dem Bischof mit der Decke aufspielen, die ihr nicht gehört.«

»Sie will ihm helfen.«

»Natürlich.«

»Haben Sie was gegen das Mädchen?«

»Der geht es nur um Männer. Für die zählen wir gar nicht. Es gibt solche Frauen.«

»Was Sie alles wissen …«

»Sie schläft mit allen hier reihum«, sagt die Rothaarige, Abscheu in den blauen Augen.

»Aber doch nicht mit dem Bischof.«

»Auch bei ihm will sie sich lieb Kind machen. Er hatEinflussauf die anderen Männer. Sie sammelt auf diese Weise Protektion … Ich kenne solche Frauen.«

»Was geht es uns an?«

»Das werden Sie bald merken.«

Bisher sind die vier Jäger keinem einzigen Tier begegnet, von ein paar Krähen abgesehen. Endlich ein Hase, der durch die langen Furchen eines Ackersflieht.Lohnt es zu schießen? Der Polizei-Offizier, der die fragenden Blicke der anderen spürt, schüttelt den Kopf. Nicht genug Munition, um sinnlos in der Gegend rumzuballern. Sie fallen wieder in ein verdrossenes Schweigen. Jeder denkt auf seine Weise daran, wie schön es jetzt anderswo wäre, dort, wo man normalerweise an diesem Tag, um diese Stunde sein sollte. Am frühen Nachmittag nähern sie sich einem Gehöft, einem einzeln stehenden Bauernhof, der verlassen wirkt.

Sie nähern sich auf einer asphaltierten Straße, links und rechts Obstbäume. Ihre Körper haben sich inzwischen an das Laufen gewöhnt, ihre Bewegungen sind regelmäßig, im Gleichtakt mit Herzschlag, Atem, Schwenken der Arme. Der Polizei-Offizier ist schon lange nicht mehr so weit gelaufen, Collande und der in der schwarzen Lederjacke waren lange nicht mehr auf dem Land. Trotz des Hungers, den sie alle spüren, ist ihre Stimmung heiter.

Als sie kurz vor dem Bauernhaus sind, erscheint auf der Treppe ein kleiner dicker Mann, sieht die vier, läuft ins Haus, kommt wieder mit einem Jagdgewehr und beginnt zu feuern. Trocken knallen die Schüsse. Die vier sind im Straßengraben in Deckung gegangen.

»Was machen wir, wenn er rankommt?«, fragt Collande. »Man hat ja ne gewisse Hemmung, so einen Irren einfach umzulegen.«

Der Offizier schüttelt erschrocken den Kopf. »Das ist nur zur Abschreckung gemeint«, sagt er. »Der Mann hat nichts weiter vor.«

»Kann euch sagen, wat der machen wird«, ruft der im grauen Anorak.

»Was?«, fragt Collande.

»Die Hunde wird er losmachen. Wat sonst?«

Im gleichen Augenblick hören sie Gekläff. Zwei Hunde laufen auf sie zu, ein großer Schwarzer und ein kleinerer, gedrungen, mit keilförmigem Kopf.

»Verdammt«, ruft Collande, »ein Kampfhund!«

Der Schwarzlederne springt gegen einen Obstbaum, stemmt sich mit den Füssen gegen den Stamm, packt mit beiden Händen einen Ast, zerrt, bis er rücklings ins Gras fällt, den Ast umschlungen. Ehe er sich aufgerappelt hat, erreicht der kleine gedrungene Hund den Mann im grauen Anorak, springt ihn an und reißt ihn zu Boden.

»Schießen Sie!«, schreit Collande.

Der Schwarzlederne macht lange Schritte, beginnt, mit dem Ast den Hund zu attackieren. Der lässt daraufhin von dem Liegenden ab, springt und schnappt nach dem Arm in der schwarzen Lederjacke. Ohrenbetäubendes Gekläff, auch der zweite, größere Hund ist da. Der Offizier zielt lange, endlich fällt ein Schuss.

»Zielen können Sie«, sagt der Schwarze. Er ist blass, nachdem so dicht an seinem Körper eine Kugel vorbeigegangen ist. Er streckt den Arm aus, an dem Fetzen von schwarzem Leder hängen. Alle folgen mit den Augen dieser Geste. Dann sehen sie: Da ist wieder der kleine dicke Mann und legt das Gewehr auf sie an.

Der Polizei-Offizier reißt die Pistole hoch und schießt blindlings in die Richtung des Mannes. Sein Gesicht ist rot dabei, seine Halsadern sind geschwollen, heiße Wut hat alle guten Vorsätze weggeschwemmt. Sie erreichen das Haus, hinter Bäumen Deckung suchend, überqueren einengepflastertenVorplatz, vorbei an einem parkenden Kombi. Der Offizier ruft, als müsse er sich selbst zur Besinnung bringen: »Wir kommen in friedlicher Absicht! Wir brauchen Nahrungsmittel für Frauen und Kinder. Ich bin Polizist!«

»Hat der längst jesehn, du Blödkopp«, knurrt der im grauen Anorak. Der Polizist geht als erster die Vortreppe hoch, greift nach der Klinke. Zu spät durchschaut der Schwarze die Situation. »Eine Falle!«

Zwei junge Männer,Schrotflintenim Anschlag, von links und rechts, und hinter dem Kombiwagen taucht der kleine dicke Mann auf, sagt mit heller Stimme: »Noch ein Schritt und wir knall’n euch übern Haufen. Das hier ist Privateigentum. Los, gib die Waffe her!«

Der Offizier weiß, dass alles in seiner Hand liegt. Er ist blass, sein Gesicht schmutzig, verfallen, mit Schorf auf der Wange. »Ich bin Polizeibeamter«, sagt er.

Der kleine dicke Mann sucht seine Augen, atmet auf, gibt sich aber nicht geschlagen. »Und der da?« Er zeigt auf den in Grau.

»Ist der auch Polizist?«

»Er gehört zu einer Gruppe von Bürgern, die unter meiner Leitung die Stadt verlassen haben und vorübergehend imWald …« Der Offizier unterbricht seinen Satz, sieht den kleinen Mann an, missbilligend.

Der Mann wird nervös unter dem tadelnden Blick. Er beginnt zu schreien: »Wat starren Se mich an! Hab ich was verbrochen?«

»Sagen Sie bloß«, fragt der Offizier, »Sie haben hier draußen nichts mitbekommen?«

»Nichts mitbekommen! Ihr wollt uns verarschen … Das Feuer ist Tag und Nacht zu sehen, die Asche in der Luft, die Explosionen … Hier stromert alles mögliche Volk rum, mit Autos, zu Fuß, auf Futtersuche … Bin ich die Heilsarmee?«

Die beiden jungen Männer mit denSchrotflintenstehen breitbeinig da, die Waffen im Anschlag. Als das Wort »Heilsarmee« gefallen ist, beginnen sie zu lachen, laut, von Herzen kommend, sie werfen sich Blicke zu und lachen immer lauter. Auch Collande und der Schwarzlederne werfen sich einen Blick zu, im nächsten Moment sitzen die beiden jungen Männer verdutzt auf der Erde, waffenlos. Der Bauer steht und glotzt, während ihm der Offizier ohne große Mühe das Jagdgewehr aus der Hand nimmt.

»Jetzt lassen Sie uns vernünftig reden. Sie sindverpflichtet,den Opfern der Katastrophe zu helfen.«

Der andere pustet Luft aus.

»Sie müssen Ihren Mitmenschen, die ohne Verschulden …«

»Ohne Verschulden! Und wenn ich nischt habe?«

»Ich gebe Ihnen meinen Namen, meine Dienstnummer. Sobald die Ordnung wiederhergestellt ist …«

Darüber muss der Bauer lachen. Er beugt sich vor und schlägt sich mit den Händen auf die kurzen Schenkel.

»Dienstnummer! Ordnung!«, ruft er, während zwei kleine ­Tränen aus seinen Augenwinkeln quellen. »Lieber Jott, die Ordnung … Heut morgen is euer Kraftwerk in die Luftjeflogen,eure Atombude … Wir hier draußen warn alle dagegen. Hundert mal haben wir Unterschriften jesammelt … aber auf uns hat keiner gehört. Nu is euch die Scheiße um die Ohrengeflogen! War die letzte Meldung im Fernsehn, dann war Schluss …« Er schreit: »Is sowieso alles verstrahlt! Nehmt was ihr wollt! Füttert eure Weiber mit dem vergifteten Zeug! Nehmt! Is mein Land jewesen …«

»Beruhigen Sie sich«, sagt der Offizier.

»Ach, leck mich am Arsch, du …« Der Bauer wendet sich ab, fährt sich mit der Hand über die Augen, heult auf wie ein Kind.

Der im grauen Anorak bleibt ab und zu stehen und nimmt einen Schluck aus der Flasche. Für Collandes Rolex hat der Bauer ein ausgewachsenes Schwein hergegeben, beim Schlachten wurde Schnaps getrunken. Collande trägt einen großen Sack Kartoffeln und einen riesigen Rucksack, zum Bersten gefüllt, keck ragen oben ein paar Stangen Porree und Sellerie heraus.

Der Offizier hat darauf bestanden, Collande ein Papier auszuhändigen: Für die Versorgung von durch das Feuer obdachlos gewordenen Bürgern hat Herr Dr. Alexander Collande, Straße, Postleitzahl, Stadt, eine goldene Uhr mit Brillanten, Fabrikat, Herstellungsjahr, Schätzwert, leihweise zur Verfügung gestellt (verpfändet). Zeugen: Unterschriften des Mannes in Grau, des Bauern. Gezeichnet: Polizeirat Schmidt. Der Schwarze hat nicht unterschrieben, nach wie vor kennt niemand seinen Namen.

Er hat dafür die Verstecke der Bäuerinausfindiggemacht und ein paar nützliche Dinge eingehandelt, ein Taschenmesser, einen Feldspaten, Salz, Nähzeug, Spiritus, Streichhölzer, ein kleines Kofferradio, ein Jagdgewehr. Er ist bepackt wie alle, hat aber seine Lasten so verteilt, dass eine Hand frei bleibt, mit der er das Radio gegen sein Ohr drückt und lauscht. Unterdessen erzählt der im grauen Anorak, was auf dem Hauptbahnhof passiert ist, das Chaos, die Panik, als der Strom ausfiel und überall die Lichter ausgingen. Plötzlich wirkte die riesige Bahnhofshallefinster,bedrohlich, so dass man hinauswollte ins Freie … Der Offizier und Collande schweigen, mehr und mehr von der Versuchung angefochten, selbst zu erzählen, was ihnen zugestoßen ist. Collande wollte gestern früh nach Frankfurt fahren, zu einer wichtigen Verabredung, an der viel hing, für seine Firma, für ihn persönlich. Er kam nicht mal bis zur Autobahn, blieb schon auf der Zufahrtstraße stecken. Im Auto, eingeklemmt zwischen anderen Autos, hat er die unglaubhaften, alptraumhaften Bilder gesehen und immer nur denken können: Wie im Film.

Der Graue kommt ins Schwatzen. Er war früher Student, ist dann nach Indien, musste zurück, als er kein Geld mehr hatte. Ob sich der Herr Polizeirat vorstellen könne, wie breit der Ganges ist? »In Indien gibt es noch richtige Philosophen. Richtige Weise … Mir macht das alles weniger aus als euch Etablierten, ich bin seit Jahren überall raus. Auf Tippeltour. So ein Feuer – das war’s doch eigentlich, was wir gebraucht haben. Der Wohlstand hat die Leute in faule Säcke verwandelt. Jetzt könnt ihr mal sehen, wie das Leben ist.«

»So, nun ist genug«, sagt Polizeirat Schmidt, schnaufend unter seiner Last.

»Könnt ihr euch noch vorstellen, wie unsereinem zumute ist? Wie man sich fühlt, wenn man nich automatisch jeden Monat was aufs Konto kriegt. Nu sitzt ihr alle in der Scheiße, kein bisschen anders als ich …«

»Halt den Mund«, sagt der Polizist.

»Wie war das?«, fragt der Graue. Er schreit: »Du Arsch von einem Bullen willst mir verbieten zu reden? Du willst mir meinMenschenrecht nehmen?« Er geht auf den Polizeirat zu, den Kopfvorgeschoben, mit geschwollenen Halsadern und aufgerissenen, geröteten Augen. Der Polizist packt ihn beim Arm, will irgendeinen Griff anwenden, doch Collande schiebt sich dazwischen, sagt leise: »Kümmern Sie sich nicht um ihn. Er ist betrunken.«

Der Polizeirat geht zum Straßenrand, wirft seine Bündel ab, sichtlich verärgert. Man benutzt die Gelegenheit zu einer Pause. Rucksäcke, Korb, eine Tasche mit Werkzeug, das zerteilte Schwein in Eimern, Plastiktüten – alles liegt und steht um die erschöpften Männer. Fliegen summen um sie herum. Collande lässt seinen Blick darüber hingehen. Fragt den Schwarzen: »Wissen Sie wirklich, wie wir zu gehen haben?«

»Immer Nordost«, antwortet dieser. »Wenn wir in der richtigen Gegend sind, ruf’ ich den Professor an. Sein Telefon funktioniert noch.«

Collande nickt. Dann will er wissen: »Aber wo ist Nordost?«

Der Schwarze zieht etwas aus der Innentasche der zerrissenen Lederjacke, ein kleines,flachesDing, beobachtet die tanzende Nadel. Collande blickt rasch hinüber zum Polizeirat, steht auf. »Ich geh mal pissen.« Lange Schritte über die Wiese, aufrecht durch hohes Gras. Er taucht ab in einer Niederung. Der Schwarze verstaut den Kompass in seiner Tasche.

»Ich frage mich seit gestern«, sagt der Polizeirat, »woher ich Sie kenne.«

»Kann mich nicht erinnern.«

»Auch ich bin mir nicht sicher. Aber könnte gut sein, nicht wahr? Sie haben nützliche Dinge von den Leuten bekommen und ich habe zufällig gesehen, was Sie dafür gegeben haben. Noch mehr von dem Zeug dabei?«

»Seien Sie froh, dass ichs hatte.«

»Falls Sie noch mehr haben, geben Sie es her.«

»Warum?«

»Weil ich das Zeug beschlagnahmen muss.«

»Wir werden es noch brauchen.«

»Geben Sie her«, wiederholt der Polizist, die Hand an der Pistole.

»Und wenn ich mich weigere?«

»Dann muss ich Gewalt anwenden.«

»Ich glaube nicht, dass Sie schießen.«

»Es reicht, wenn ich dir die Pistole über den Schädel haue.«

»Hier sind Zeugen.«

»Nicht deine.«

Der Schwarze sieht den im grauen Anorak an, der stiert mit geröteten Augen, zuckt schwach die Schultern: Was soll man machen? Der Polizist hält die Hand auf, die andere hat er an der Waffe. Der Schwarze denkt nach, kramt in seiner Lederjacke, holt einflachesPäckchen hervor.

»Alles«, sagt der Polizist. »Gib alles her. Ich weiß, dass es mehr ist.«

Er wartet, bis ihm der Schwarze das dritte Päckchen gibt, schichtet alles zu einem kleinen Scheiterhaufen, sucht mit einer Hand im Rucksack, immer die Waffe in der anderen,findetden Spiritus, gießt ein wenig über das Häufchen, zündet es an. Ein einziges Päckchen bleibt dem Schwarzen, er hat es vorhin aus irgendeinem Grund in die hintere Tasche seiner Hose geschoben.

»Ein Feuerchen!«, sagt Collande, der unbemerkt neben sie getreten ist. »Gibt einem immer so ’n Gefühl von Zuhause, nicht?«

Nach dem Essen fühlt sich die Rothaarige elend, sie hat wie alle zu schnell gegessen, mehrere StückeSchweinefleisch,flüchtigam Spieß gebraten, manche waren noch halbroh. Sie hat Bilder gesehen, die sie entsetzt haben, wild Kauende, Schlingende, von deren Mündern Fett troff und in deren Augen die Gier von Kannibalen glomm. Es kam zu Szenen. Frau Fink und das Mädchen in Grün wären sich fast in die Haare geraten wegen eines Stücks Fleisch, das Frau Fink für ihren vorübergehend abwesenden Mann reserviert hatte und auf das die Grüne Ansprüche erhob. Für alle überraschend haben sich zwei Männer in den Streit der Frauen eingemischt, erst der Gymnasiast, dann Collande, und auf irgendeine Weise dafür gesorgt, dass die Grüne das Stück erhielt, gegen den Widerstand der verdutzten Frau Fink.

»Sehen Sie!«, sagt die Rothaarige leise zu Frau Tabari. »Und das ist erst der Anfang.«

Beide beobachten, was weiter geschieht: wie die Grüne das Fleisch Collande gibt, der es mit einem Taschenmesser in Stücke schneidet und ihr das erste davon mit zwei Fingerspitzen reicht, wie sie danach schnappt, mit gespitzten Lippen. Unter Gekicher, vielsagendem Liderklappern, verzehren sie gemeinsam das Fleisch.

Die Rothaarige steht auf und verlässt die Runde. Ihr ist übel, sie möchte sich irgendwo hinlegen, verkriechen, abwarten, ob sie leben wird oder sterben. Sie fühlt sich wie eine ausgerissenePflanze, ohne Boden, ohne Halt. Was gestern geschehen ist, würde sie heute schon nicht mehr glauben, wäre da nicht der Umstand, dass sie auf einer Waldlichtung sitzt und sich speiübel fühlt, schmutzig, widerwärtig, übermüdet. Wir glauben es erst, wenn es uns an den Kragen geht.

Sie war auf dem Rückweg von ihrer Mutter in Holland, im Zug, der sie zu einem Flughafen bringen sollte. Der Zug blieb unterwegs stecken, sie musste auf freier Strecke aus dem Waggon klettern, sah fern das Feuer,fliehendeMenschen, verlassene Autos. Ihren großen Koffer hat sie längst verloren, nichts bei sich als den kleinen Rucksack mit Pass, Schlüsselbund, Schminkzeug, Telefon – allesamt Sachen, die ihr jetzt nicht helfen. Obwohl sie nicht zu den Einwohnern der Stadt gehört, keine Ahnung hat, was dort geschehen ist, eigentlich mit der ganzen Sache nichts zu tun hat, wurde sie mit in den Strudel gerissen. Sie könnte nicht mal sagen, wo sie ist – anders als die Hiesigenfindetsie keinen Anhaltspunkt in der Landschaft, keinen vertrauten Anblick, nichts. Geistert umher, beziehungslos, schwerelos. Wo ist die Grenze zwischen dem Katastrophengebiet und der richtigen Welt, der Welt, wie sie sein muss? IrgendwofliegenFlugzeuge, fahren Züge, gibt es elektrischen Strom, Licht, Polizei. Aber wie kommt sie dort hin?

Es gibt keinen Mann auf der Welt, der ihr helfen würde ohne den üblichen Preis. Auch hier nicht, in dieser zusammengewürfelten Truppe. Der Business-Bubi, der es mit der Grünen treibt, aber trotzdem immer wieder in ihre Richtung schielt. Der Gymnasiast, ein junges Raubtier. Der Polizist wirkt einigermaßen gebändigt durch Dienst und Disziplin – aber wie lange? Der Säufer, zu allem bereit und imstande. Der Typ in der zerrissenen Lederjacke, ein Frauentyp, der immer und überall einefindet,notfalls in einem Treppenhaus. Und der alberne Professor scheint zu bedauern, dass er seine Frau nicht unterwegs verloren hat …

Sie hätte das Fleisch nicht essen sollen. Wenn es hinterher wenigstens einen Kaffee gegeben hätte, einen Espresso, im Stehen an der Bar. Es macht auch keinen Sinn, allein im Gebüsch herumzustreifen, womöglich versteht es einer der Kerle als Einladung. Sie kehrt zu ihrem Platz am Feuer zurück, sitzt vor dem großen Aschehaufen, über dem halbverkohlte Fleischreste am Spieß schmoren. Neben ihr hält sich, wie immer, die alte Italienerin mit dem Enkelkind. Die Rothaarige ist außer den Priestern die einzige, die Italienisch spricht, deshalb muss sie zuhören, eine endlose Lebensgeschichte, Verwandtschaftsverhältnisse, der italienische Eisladen beansprucht die ganze Familie, und sie, die Großmutter, wurde aus Neapel geholt, um auf den Bambino aufzupassen. Während sie redet, greift die Großmutter immer wieder nach dem Fleisch. Ihr langer dünner Arm schießt an der Rothaarigen vorbei, packt ein Stück mit harten, dunklen Fingern, reißt es in Stücke, füttert den Jungen, bis er nicht mehr will, isst selbst zuletzt.

Frau Silberblick hat das Fleisch nicht angerührt, man gab ihr dafür eine doppelte Ration Gemüse. Zuerst wollte sie das Gemüse roh essen, doch der Bischof überredete sie, für sie beide eine Suppe daraus zu kochen. Als Kochgerät kam nur einer der Eimer in Frage, in denen dasSchweinefleischtransportiert worden war. Frau Silberblick bestand darauf, den Eimer durch kochendes Wasser zu reinigen, dazu schleppt sie Wasser vom See herbei und wartet geduldig, bis es über dem Holzfeuer zu brodeln beginnt.

»Nehmen Sie es so genau?«, fragt der Bischof.

Sie antwortet nicht.

»Halten Sie sich an den Gedanken, dass es um meinetwillen geschieht. Ich bin schwer krank und werde nicht mehr lange …«

»Das können Sie nicht wissen«, sagt sie zurechtweisend. »Kein Arzt hat sie bisher untersucht.«

»Ich brauche keinen Arzt mehr. Unser Weggang kündigt sich durch plötzliche Klarheit an … Diese Klarheit befähigt mich auch, für Sie alle einen Ausweg zu sehen. Ich hoffe die Gruppe soweit in Bewegung zu bringen, dass sie durchhält. Kein Jammer, keine Exzesse, keine Saufgelage. Klarer Kopf. Eine Weile muss ich noch durchhalten. Vielleicht rettet mir Ihre Suppe das Leben? Sie wissen, dass die Rettung eines Menschenlebens Vorrang vor den anderen Geboten hat. Ich bin kein ganz Fremder, müssen Sie wissen. Landesrabbiner Schlumberger ist mein guter Freund.«

Frau Silberblick sieht ihn misstrauisch an.

»Möge ihm der Himmel gnädig sein«, sagt der Bischof mit ­leiser Stimme. Er ist bleich, die Haut an seinen Schläfen schimmert fast bläulich. Frau Silberblick wendet sich ab, Tränen in den Augen, rührt im Eimer, der vor ihr auf rußender Flamme steht.

»Sie haben mal Medizin studiert, stimmt das?«, fragt der in der schwarzen Lederjacke den Pater, den er auf dem Weg zwischen Lichtung und See abgefangen hat.

»Woher wissen Sie das?«

»Ich habe eins Ihrer Bücher gelesen. Und als Priester … Sie sind doch noch Priester?«

»Ja.«

»Als Priester sind Sieverpflichtetzu helfen.«

»Sie brauchen Hilfe?«

»Das Mädchen in der hellblauen Jacke braucht Hilfe, die Blonde …«

»Ich weiß, wen Sie meinen. Hübsches Kind.«

Holthusen sieht in den Augen des anderen Argwohnaufflammen. Was an Zuversicht in diesem Gesicht war,verfliegt. Die üblichen Stereotype werden jetzt ablaufen hinter dieser noch glatten, wohlgeformten Stirn: die Heuchelei religiöser Menschen, die Bigotterie von Geistlichen im Besonderen, ihr Schielen nach Weiberröcken oder kleinen Jungen, das unerschöpfliche Reservoir von tausend Komödien, modernen Romanen, Medienberichten … Er hätte dem in der Lederjacke keine so starken Gefühle zugetraut. Auch keinen so subtilen Geschmack. Das Mädchen ist was Besonderes, schön, klug, behütet aufgewachsen. Auch er hat sich gefragt, wie dieses Kind in der Wildnis überleben soll.

»Fürchten Sie nichts«, sagt Holthusen. »Das war nur eine Feststellung. Nihil humani a me alienum puto.« Er überlegt, ob er das Zitat übersetzen soll, vergisst es aber, weil sich das Gesicht gegenüber in einer Raschheit aufgehellt hat, die ihn erstaunt.

»In dubio pro reo«, antwortet der Schwarze. Lächelt sogar. Dann, unvermittelt wieder ernst: »Ich fürchte, sie ist schwer krank.«

»Frau Doktor Tabari kümmert sich um sie. Sie ist Ärztin.«

»Zahnärztin.«

»Wir können nicht wählerisch sein.«

Der Schwarze zuckt die Schultern. »Ich glaube nicht, dass sie erkältet ist, wie Frau Tabari sagt. Es ist was Schlimmeres. Sie braucht richtige Behandlung, Medikamente.«

»Ja, sie braucht Antibiotika. Aber woher nehmen?«

»Sicher gibt es hier irgendwo in der Nähe ein Krankenhaus, eine Apotheke, eine Arztpraxis, wo sich Medikamentefinden.«

»Dazu brauchen wir ein Auto«, sagt Holthusen.

»Ich werde eins besorgen.«

»Besorgen?«

»Es stehen genug Autos rum … überall in der Landschaft. Vielleicht ist eins dabei, das noch Benzin im Tank hat.« Als der Schwarze Holthusens schockierte Miene sieht, fügt er hinzu: »Wir können nicht einfach zusehen …«

»Geben Sie mir ein paar Stunden Zeit. Ich rede mit dem Bischof. Er ist aus der Gegend. Manchmal geschehen Wunder.«

Abends sehen sie am Horizont den Widerschein des Feuers. Bunt wie eine Festbeleuchtung, eher heiter als erschreckend. An einer Stelle leuchtet es grün, weiter hinten ist etwas wie ein Feuer­werk zu sehen, eine Reihe aufeinander folgender Detonationen. Schwaden von Brandgeruch undAscheflockenwehen über die Lichtung. Der Polizeirat und Collande sind auf einen Hügel gestiegen, um in Ruhe zu besprechen, was zu tun ist.

Der Offizier erklärt, dass man nicht länger bleiben dürfe: brennendes Öl treibe auf dem Fluss, es entstünde so – er zeichnet es mit einem Stock in den Sand – eine Art Riegel, ein Feuerriegel, der allem, was nordöstlich sei, den Fluchtweg nach Süden abschneide, ein Dreieck – er umfährt es mit dem Stock – zwischen Flussmündung, Flammenmeer und den Sümpfen im Norden.

Collande nickt. Dann fragt er mit der Ruhe eines Mannes, dem tagtäglich Bericht erstattet wird: »Was schlagen Sie vor?«

»Schnelle Märsche. Richtung Nordwesten. Aber es gibt ein Problem. Wir haben mittlerweile drei bewegungsunfähige Personen.«

»Tragen«, sagt Collande. »Sie haben von den Sümpfen im Norden gesprochen? Die sind gesperrt, seit dort die Deponie …«

»Ja.«

»Hat man sie nicht sogar vermint?«

»Eine umstrittene Maßnahme der Regierung Happelmann. Aber letztlich blieb nichts anderes übrig … War nicht jemand Ihres Namens Staatssekretär in dieser Regierung?«

»Ein Vetter von mir.«

»Er hatte den selben Vornamen wie Sie.«

»Wir sind eine alte Familie. Der Vorname ist bei uns seit Generationen üblich.« Collande fügt hinzu: »Ich bin im Mediengeschäft.«

Der Polizeirat ist tiefer enttäuscht, als er für möglich gehalten hätte. Bis zu diesem Geständnis hat er in Collande den legitimen Anführer der Gruppe gesehen, dem mit allen Kräften beizustehen ist. Collande hätte auf die Frage nach dem Staatssekretär bloß wahrheitsgemäß antworten müssen: Ja, jemand meines Namens war Staatsekretär. Er hätte nicht mal sagen müssen: Ich. Er hätte schweigen können. Stattdessen eine scheinbarüberflüssigeMitteilung. In Wahrheit eine gezielte Information: »Mediengeschäft«. Ein Wort, dass dem Polizei-Offizier verhasst ist. Ein Mann im Mediengeschäft ist jemand, der Politiker, Staat und öffentliche Ordnung aus Berufsgründen verachtet. Damit auch ihn, Polizeirat Schmidt.

Sie stehen ein paar Minuten und schweigen. Dabei geben sie sich den Anschein, sie wären gebannt von dem Schauspiel am Horizont. Ferne Entladungen, Puffen, Krachen. Irgendwo schießt eine Lohe zum Himmel. Als Bild, von fern, ist es grandios. Der rote Himmel über den schwarzen Spitzen der Nadelbäume … Der Offizier weiß, dass man es denken darf, aber nicht aussprechen. Er seufzt. Dann hört er Geräusche, raschelndes Gras, ein rollendes Steinchen. Sie sehen am Fuß des Hügels eine graue Gestalt, die langsam aufwärts wankt.

Der Bischof. Er braucht eine Weile, bis er oben ist, atmetflach, rafft mit bleicher Hand die zerrissene Soutane. Collande hilft ihm auf die Hügelkuppe, sie müssen einige Zeit warten, bis der alte Mann sprechen kann.

»Sie vergeuden Zeit«, sagt er, als sich sein Atem beruhigt hat. Seine Stimme ist überraschend klar und scharf. »Das Feuer nähert sich, das ist mit bloßem Auge zu erkennen, und Sie stehen hier und reden.«

»Wir machen Brainstorming«, sagt Collande.

»Storming haben wir im Übermaß. Hier ist ein entschlossener Wille nötig, keine diskutierende Gruppe.«

»Was wäre Ihr Vorschlag?«

»Sofort aufbrechen. Wir müssen uns bewegen. Auch dann, wenn das Feuer nicht in unsere Richtung kommt. Bleibt die Gruppe an einem Ort hängen, verfällt erstens die Moral, zweitens werden wir leichte Beute für Überfälle. Und dann wissen wir alle nicht, ob es nicht Strahlungen gibt … Ich verstehe nichts davon, aber es scheint mir klüger, nicht an einer Stelle zu bleiben. Deshalb schlage ich vor: tägliche Etappen. Geregelter Tagesablauf.«

»Auch meine Meinung«, sagt der Polizeirat. »Wir können gleich morgen damit beginnen.«

»Besser heute.«

»Jetzt? In der Dämmerung? Wir haben eine Kranke dabei und ein Kind. Auch Sie sind wahrscheinlich nicht an lange Fußmärsche gewöhnt.«

»Um mich machen Sie sich keine Sorgen.«

Collandefindetdie Bestimmtheit im Ton des Bischofs unangenehm. Dieser alte Mann hat nie im Leben in einem Team gearbeitet und andere überzeugen müssen, immer nur Anordnungen erteilt, innerhalb einer hierarchisch geregelten Struktur. Sein ganzes Auftreten gibt zu verstehen, dass er die Befolgung seiner Anregungen erwartet, dabei ist er selbst am wenigsten imstande, das von ihm Vorgeschlagene zu tun. Unmöglich, dass er einen längeren Fußmarsch übersteht. Trotzdem kann sich Collande der Logik seiner Argumente nicht entziehen.

»Okay«, sagt er leichthin, als handle es sich um einen Scherz. »Für Hochwürden und das kranke Mädchen werden Tragestühle gezimmert. Das Kind tragen bei Bedarf abwechselnd die kräftigsten Frauen. Dann können wir aufbrechen … Vorher müssen wir diesen Vorschlag nur noch den anderen klar machen. Wer von Ihnen will es tun?«

»Unsere Gruppe ist nicht repräsentativ«, erklärt Professor Fink am Feuer. »Gut, heutzutage haben so viele Menschen Abitur wie noch nie. Was nicht unbedingt bedeutet, dass der Bildungsgrad entsprechend hoch ist. Gerade in letzter Zeit haben einige Studien einen Rückgang … Dennoch.« Er macht eine Pause, sieht seine Gesprächspartner an, Frau Tabari, die Rothaarige, den im grauen Anorak.

»Der Akademiker-Anteil in unserer Gruppe ist unverhältnismäßig hoch, die Bildungübersignifiziert. Mehrere Personen haben den Doktorgrad. Herr Collande, Frau Tabari, meine Wenigkeit, der Pater, vermutlich auch der Bischof …«

»Promoviert is heute jeder Arsch«, sagt der Graue mit schwerer Zunge. »Ich hab abgelehnt. Wozu soll ich pro’ovieren?«

»Außerdem mehrere Hochschulabschlüsse.« Fink wendet sich an die Rothaarige. »Darf ich fragen, was Sie von Beruf sind?«

»Sekretärin.«

Es klingt eher schadenfroh als beleidigt. Als freue sie sich, dass sie nicht als Beispiel für Finks These herhalten kann.

»Dennoch überproportional viele Hochschulabschlüsse. Nach meiner Zählung …«

Für einen Augenblick ist Finks Gesicht erstarrt, sein Mund gespitzt, die Brille starrt in die Dämmerung. Auch die anderen haben die Schüsse gehört, das Motorengeräusch. Sie sitzen ganz still.

Fink, der aufgesprungen war, setzt sich wieder.

Eine Frauenstimmeflüstert: »Mein Gott!«

Durch das Unterholz, das hohe Gras bahnt sich ein Fahrzeug den Weg, ein großer Jeep. Ihm folgt ein weiteres Auto, lang undflach.Der Jeep ist vorn lädiert, Zweige hängen an seinem Schutzgitter. Die Wagen bremsen, die Menschen am Feuer rühren sich nicht. Nur der Bischof macht die Bewegung des Kreuzes über seiner eingefallenen Brust. Wieder denkt Collande: Wie im Film. Bewaffnete Männer umringen eine Gruppe Wehrloser. Der kleine Junge beginnt zu weinen. Professor Fink wird beiseite geschoben, der Bischof von seinem Sitz hochgezerrt, herumgestoßen, bis er auf die Erde fällt.

Aus dem zweiten Auto steigt jemand in einem bürgerlichen Anzug, mittelgroß, mager, er scheint zu hinken. Der Bischof hat sich aufgerappelt und tritt ihm in den Weg.

»Es lohnt nicht«, sagt er. »Üben Sie Gnade. Wir geben freiwillig, was wir an Wertsachen haben, und Sie schonen das Leben dieser Frauen und Kinder.«

Einer der Männer äugt zu dem hinkenden Mann im bürgerlichen Anzug, nimmt mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck die Maschinenpistole von der Schulter, doch der Hinkende schüttelt den Kopf. Sein Hinken scheint von einer Verletzung zu kommen, eins seiner Hosenbeine ist unten aufgeschnitten, darunter sieht man einen Verband. Der Mann wirkt gereizt wegen der Mühe, die ihm das Laufen verursacht, manchmal, wenn er mit dem verletzten Bein auftritt, zuckt sein Gesicht. Er schiebt den Bischof beiseite, sieht jeden an, geht zum Polizeirat. Spricht kein Wort. Statt seiner fragt ein Rotblonder: »Von welchem Revier?«

Der Polizeirat, dessen Lippen von einem Schlag aufgesprungen sind: »Von keinem.«

»Präsidium? Sonderabteilung? Antworte, du Schwein.«

Der Polizist macht eine Bewegung mit seiner Hand zur rechten Hüfte, ein sinnloser, verspäteterReflex. Die Pistole ist nicht mehr dort. Ein vierschrötiger Kerl steckt sie sich in den Hosenbund und schlägt, ehe er einen Schritt zurück tritt, dem Polizeirat noch einmal mit derflachenHand ins Gesicht.

»Rede.«

»Abteilung Römisch Zwei. Rauschgift.«

»Dienstrang?«

»Polizeirat.«

»Umlegen?«, fragt der Vierschrötige.

Der Hinkende antwortet nicht, geht von einem zum andern, fasst die Rothaarige unterm Kinn, berührt die künstlich blondierten Locken von Frau Fink, zieht kurz und probeweise daran, steht vor Frau Silberblick. Ein Wink, sie wird bei den Armen gepackt und zu den Autos geführt.

»Was wollen Sie von dieser armen Frau?« ruft der Bischof. »Laden Sie nicht unnötig Sünden auf sich!«

Der Rotblonde drängt Frau Silberblick gegen das Blech, wenig später kommt er zum Hinkenden und zeigt ihm, was in seinerHandflächeliegt, die Ringe, das Armband mit den Saphiren, zwei schwere goldene Reifen. Der Hinkende dreht sich um, gibt zu verstehen, dass er nicht wissen will, was weiter geschieht. Er hat seinen Rundgang wieder aufgenommen, steht vor dem Mädchen in Flieder in ihren Jacken und Decken. Das Fieber hat rosenrote Flecke auf ihre Wangen gezaubert, ihre Augen in dem stillen Gesicht sind halb geschlossen, als lohne es nicht, ihr Gegenüber zur Kenntnis zu nehmen, eine Miene des Abscheus, wohl auch der Angst, zugleich einer verzweifelten Verachtung, die den Hinkenden zu interessieren beginnt. Er starrt sie an wie gebannt, vergisst das Weitergehen. Tritt näher heran. Seine magere Hand streicht über ihren Hals.

Plötzlich steht der Schwarzlederne neben dem Hinkenden und sagt etwas zu ihm. Der dreht sich um, sieht ihn an. Einer der Männer hat seine Waffe auf den Schwarzen gerichtet, doch der Hinkende schüttelt den Kopf. Hört zu, mit leicht zusammengekniffenen Augen. Dann bewegen sich beide in Richtung der Autos, steigen in die Limousine, langsam schließt sich die Tür.

Das Mädchen in Grün zögert nicht länger, mit dem Gymnasiasten zum See zu gehen. Collande hat keinem Blick für sie, er ist der Typ, den eine Frau erst interessiert, wenn er sie einem anderen Mann wegnehmen kann. Der Gymnasiast ist ein Milchgesicht, aber groß und kräftig, er kann sie fürs erste beschützen. Er ist aufgeregt, wie er neben ihr her geht, und redet zu viel. Ja, antwortet sie einsilbig, ich hab’n Job. Was machst du, will er wissen. Kaufhaus, sagt sie, Kosmetik-Abteilung. Aber im Herbst fang ich an zu studieren. An der Akademie der Künste. Bei Schapinski, falls dir das was sagt.

»War es schwer, da ranzukommen?«, fragt der Gymnasiast.

Sie fasst den Gymnasiasten fest bei der Hand. »Schapinski ist wahnsinnig schwierig, weißt du. Er nimmt nur Leute, auf die er hundertprozentig setzt.«

»Kann ich mir denken«, murmelt der Gymnasiast eifersüchtig. Er hat keine Worte für das, was er denkt. Worte sind sowieso blöd – sie treffen nie, was man fühlt. Schapinski ist einer von den linken Opas, die alles kaputt machen dürfen und dafür noch das große Geld kassieren. Schwindel und Müll. Seine Lehrer kriegen feuchte Augen, wenn sie von Schapinski reden. So einer kann sich die Mädchen aussuchen, als Studentinnen, sogar das bezahlt ihm der Staat. Er möchte sich mit ihr ins Gras legen, sie streicheln, küssen, aber sie bleibt auf einmal stehen. Ihr Gesicht ist hell, ihr Haar blond und wirr, und ihr Mund hat leicht aufgeworfene Lippen, einen Schmollmund, gemacht zum Küssen. Er versucht es, kurzes Hin und Her, das damit endet, dass sie ihm das Hemd aufknöpft, an der Hose nestelt, ehe er noch begreift. Sie will es hinter sich bringen. Vor sich hat sie sein staunendes Gesicht.

»Ich heiße Sebastian«, sagt er rasch.

»Nadine«, haucht sie, den Mund an seinem Hals, und umfasst mit ihrer schmalen Hand, was sich zwischen seinen Schenkeln regt.

»Wie viele sind es?«, will der Hinkende wissen. Er sitzt auf der Hinterbank, die mit perlgrauem Plüsch bezogen ist.

»Ich hatte fünf. Vier hat der Bulle verbrannt.«

»Eins für das Mädchen? Du machst Witze.«

Der Schwarze überlegt. »Kann sein«, sagt er, »ich habe irgendwo noch ein paar mehr.«

»Wo?«

»An einem sicheren Ort.«

»Den du mir zeigen willst.«

»Weiß noch nicht.«

»Du hast zehn Minuten Zeit, darüber nachzudenken. Danach legen wir den ersten um.«

Der Schwarze bleibt stumm. Für ein paar Sekunden ist er zu schwach, ein Wort zu sagen. Woher soll er wissen, ob das Zeug noch dort ist, wo er es hingebracht hat? Wenn er es jetzt verspricht, muss er dafür einstehen. Mit seinem Kopf. Er stellt sich vor, dass diese Irren tatsächlich wahr machen, was sie androhen. Heutzutage muss man mit allem rechnen, kein Halten mehr, alles aus den Angeln, hängt schief in der Luft wie der Mann im Vorortzug, der Mann, von dem er den Handkoffer hat … Er atmetflach, alles, wozu sein Gehirn imstande scheint, ist die Aufzeichnung der körperlichen Erscheinungen, die ihn heimsuchen: Angstschweiß, Druck in der Luftröhre, leichter Brechreiz. Dann ist es vorbei. Er kann wieder denken. Auf keinen Fall darf Blutfließen. Fangen diese Typen einmal damit an, verschonen sie niemanden mehr, weder das Mädchen noch ihn selbst. Wie soll er es anstellen? Er ist gern bereit, den Stoff rauszurücken, Stoff, von dem er nicht mal genau weiß, was es ist. Die Frage ist, wie er zum Versteck kommt. Der Hinkende könnte ihn hinfahren. Und dann?

»Okay. Wie viel brauchst du?«

»Alles, was du hast.«

Der Hinkende scheint ihn für einen Kurier zu halten, der am Unglückstag unterwegs war und Stoff beiseite gebracht hat. Ein richtiger Kurier dürfte den Stoff um keinen Preis verraten, müsste zusehen, wie die Leute des Hinkenden die Frauen vergewaltigen und erschießen … Falls der Hinkende das weiß, wird er ihm, sobald er sich bereit erklärt, den Stoff herzugeben, nicht mehr glauben. Ihn für einen Schwindler halten, das Mädchen schnappen, abfahren … Falls der Hinkende es weiß. Sie müssten ins Gespräch kommen. Dann ließe sichherausfinden,ob der Hinkende einProfiist oder eineErfindungdes Augenblicks.

»Zehn Minuten ist nicht viel Zeit«, sagt er versuchsweise.

Keine Antwort. Hinter der blaugetönten Scheibe die am Feuer Hockenden, Kauernden, das am Baum lehnende Mädchen. Der Hinkende spielt den Gangster eine Nummer zu deutlich. Das deutet darauf hin, dass er ein Neuer ist. Andererseits, selbst wenn nicht: Er wird sich denken können, dass auch ein Kurier in diesen Tagen Schutz braucht. Schutz durch eine Gruppe. Dass die alten Gesetze außer Kraft sind. Allein kommt keiner über diese Tage. Ein Kurier, der mit dem Stoff durchgeht, ist ein toter Mann. Bei seinen Leuten. Auch eine fremde Familie würde ihn nicht aufnehmen. Er ist darauf angewiesen, irgendwo Anschluss zufinden, bei möglichst harmlosen Menschen.

»Halbe-Halbe«, schlägt er vor.

»Ich lasse dir zehn Prozent.«

»Siebzig für dich.«

Statt zu antworten zieht der Hinkende langsam die linke Manschette hoch, um auf seine Uhr zu schauen. Der Schwarze sieht die Uhr, eine goldene Rolex, glaubt sie zu erkennen. Collandes Uhr, die sie dem Bauern für das Schwein gegeben haben. Ganz sicher ist er nicht. Dennoch fährt es ihm eisig durch den Leib.

»Ich brauche einen Zeugen.«

»Bitte. Wer soll es sein?«

»Der Bischof.«

Der Hinkende drückt auf einen Knopf, die blaue Scheibe öffnet sich, er winkt, ein kahl geschorener Kopf erscheint.

»Boss?«

»Bring den Bischof.«

Zum Schwarzen: »Zehn Prozent für dich. Wenn du uns sicher hinbringst und das Zeug so gut ist wie die Probe.«

Er hält dem Bischof die Tür auf. »Bitte steigen Sie ein, hier ist genug Platz. Sitzen Sie bequem? Dieser junge Mann«, er zeigt mit der mageren Hand auf den Schwarzen, »ist bereit, sich vonüberflüssigemBesitz zu trennen, um seinen Mitmenschen das Leben zu retten. Ein Fall von wahrer Nächstenliebe. Dafür verdient er Ihren Segen,findenSie nicht?«

Der Bischof sieht den Schwarzen an. »Was für Besitz?«

»Wozu solche Indiskretionen?«, fragt der Hinkende. »Etwas, woran wir genug Interesse haben, um Ihnen und der Gruppe unsere Hilfe anzubieten. Sagen Sie den Leuten da draußen, dass wir jetzt Freunde sind und einander beistehen. Wir fahren in der Gegend rum, besorgen, was Sie brauchen, und Sie sind unser Basislager. Fair genug?«

»Nicht genau genug.«

»Was wollen Sie? Einen schriftlichen Vertrag? Bitte!« Der Hinkende deutet im Sitzen eine knappe Verbeugung an. »Formulieren Sie. Hier ist Papier, wir können die Details genau festlegen. Wir sichern Ihnen Schutz zu. Sie verzichten dafür auf das, was dieser junge Mann …«

Der Bischof scheint kaum hinzuhören. Er beobachtet den Schwarzen, sieht ihn sich genau an, von der Seite. Zum ersten Mal, seit sie zusammen unterwegs sind. Der erwidert den Blick, sieht dem alten Mann in die Augen. Du verstehst meine Gründe nicht, sagt der Blick, aber auch wenn du nicht verstehst, tu in Gottes Namen, was der Irre will.

»Ich stelle eine Bedingung«, sagt der Bischof.

»Keine großen Reden.«

»Das Mädchen da drüben ist schwerkrank.«

»Jetzt müssen Sie genauer werden.«

»Etwas Rätselhaftes. Die Ärztin vermutet, sie ist vergiftet.«

»Ansteckend?«

»Nein. Soweit ich weiß … Sie hat niemanden angesteckt. Und wir sind schon einige Tage zusammen.«

»Was erwarten Sie von mir?«

»Behandlung, Medikamente. Ich fürchte, wenn sie nicht bald behandelt wird … Irgendwo muss ein Krankenhaus sein, das arbeitet.«

»Sie vertrauen mir das Mädchen an? Oder wollen Sie mitfahren?«

»Nehmen Sie Pater Holthusen mit. Ich wäre Ihnen nur eine Last. Der Pater kann Ihnen sogar …«

Der Hinkende fährt ihm ins Wort: »Soweit ich weiß, gibt es in der Gegend kein arbeitendes Krankenhaus mehr. Kein Strom, kein Leitungswasser, die Leute sind alle weg. Wir haben bis zuletzt Polizeifunk gehört.«

»Es gibt andere Städte«, sagt der Bischof.

»Falls ich auf euren Vorschlag eingehe«, erwidert der Hinkende, »werde ich euch einen meiner Männer hier lassen. Das ist doch nur fair, oder? Ihr schickt mir den Pater als Aufpasser mit, dafür bleibt einer von uns bei euch …« Er wendet sich an den Schwarzen. »Ich muss wissen, wie viel du hast.«

»Genug, um für zehn kranke Mädchen zu bezahlen.«

»Wie soll ich dir das glauben?«

»Du hast das Paket gesehen.«

»Ein Paket … Woher weiß ich, dass du mehr hast?«

»Das ist beste Ware. Das sieht jeder, der was davon versteht.«

Der Hinkende zeigt ein Lächeln, ein paar feine Falten wie Messerschnitte in der dünnen Haut. Der andere gibt ihm zu verstehen, dass er ihn für einen Neuen hält.

»Und?«, fragt er trotzdem.

»Ware, wie sie nur die richtigen Leute haben.«

»Darauf soll ich bauen?«

»Was bleibt dir übrig?«

»Stimmt«, sagt der Hinkende nach einigem Schweigen. »Eines Tages sind wir alle soweit. Dann bleibt uns nur noch der Glaube.«

Kaum dass die Autos abgefahren sind, hat sich Polizeirat Schmidt verarzten lassen, Salbe auf die gesprungene Lippe, einPflasterauf die Platzwunde über der linken Braue. Doch es sah schlimmer aus, als es war, die Blutung wurde gestillt, das Gesicht abgewaschen, ein Blick in den Taschenspiegel von Frau Fink gibt ihm das Gefühl, wieder einigermaßen respektabel zu wirken. Erst später bemerkt er den lockeren Zahn unten rechts, dort, wo der große Bluterguss sitzt.

Er sollte deswegen zu Frau Tabari gehen. Vielleicht kann sie, obwohl sie keine Instrumente bei sich hat, etwas tun. Oder der Zahn fällt von selbst aus, dann kann er sich die peinliche Situation ersparen. Unter normalen Umständen würde er niemals zu einem weiblichen Zahnarzt gehen. Was ihn noch mehr quält als die Ungewissheit um den Zahn ist ein Gefühl, das sich erst langsam, mit dem allmählichen Abklingen der Schmerzen, Bahn bricht. Das Gefühl, versagt zu haben. Er schämt sich dafür, dass er sich hat entwaffnen lassen, schlagen, beleidigen, obwohl er sich hätte zur Wehr setzen können. Seine Dienstpistole steckte in der Gesäßtasche. Zeit genug, sie zu ziehen, war allemal … Warum hat er es nicht getan? Nur einer der Gangster hatte eine automatischen Waffe, den hätte er niederschießen müssen, sofort. Mit den anderen wäre er fertig geworden, das sind Neulinge, wild gewordene Kneipenhocker, arbeitslose Trucker, Leute dieser Art. Die Körper schlaff, zu fett, kurzatmig vom Rauchen. Typen, die mit einer Büchse Bier in der Hand an Imbissbuden rumstehen. Die verlegen zu Boden geschaut haben, wenn er bei ihnen Halt machte, ein durchtrainierter Polizeioffizier, einsdreiundachtzig, ausgebildet in Judo und Karate, die ihre Augen niederschlugen unter seinem Blick und mit schmutzigen Händen in den Taschen ihrer Jeans nach den Ausweisenfischten, die er zu sehen verlangte …