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Dieses E-Book entspricht 200 Taschenbuchseiten ... Draufgänger Noah lebt in den Tag hinein und lässt kein Sexabenteuer aus. Er weiß, dass er etwas ändern muss. So sucht er sich mithilfe von Pater Johannes einen Job und einen Platz in der kirchlichen WG. Damit ändert sich alles. Am Mittsommerfest erobert die temperamentvolle Psychologiestudentin Hope sein Herz im Sturm. Sie ist vernünftig, intelligent und emanzipiert. Beide verlieben sich sofort. Hopes verruchte Wünsche und der bittersüße Sex gehen Noah unter die Haut. Das Glück scheint perfekt zu sein. Doch eines Tages reißen bei Noah alte Wunden auf. Kann er seine Vergangenheit hinter sich lassen oder wird er Hope enttäuschen? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 299
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Impressum:
First comes Sex - Lass uns vögeln | Erotischer Roman
von Katy Kerry
Katy Kerry ist das Pseudonym einer erfolgreichen Erotikautorin. Seit gut zwei Jahren begeistern ihre erotischen SM- und Fetisch-Romane, aus dem Leben ihrer dominanten Ader gegriffen, unzählige Leser. Geschickt webt sie eigene Erfahrungen und Fantasien in spannende und sinnliche Geschichten voller prickelnder Erotik und Leidenschaft ein. Katy ist verheiratet, hat zwei Kinder im Teenageralter und steht obendrein als Sozialarbeiterin voll im Beruf. Als ganz private Domina sammelt sie immer wieder interessante Erfahrungen, die sie dann in ihre Romane einfließen lässt. Sie liebt es, ihre Fantasie zu beflügeln, und ist ständig auf der Suche nach etwas Neuem.In Katys Büchern stecken packende, geheimnisvolle und niveauvolle erotische Geschichten, manchmal sogar ein Thriller. Einmal eingetaucht, kann man sie kaum mehr aus der Hand legen.
Lektorat: A. K. Frank
Originalausgabe
© 2021 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © Vasilchenko Nikita @ shutterstock.com © Bildagentur Zoonar GmbH @ shutterstock.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783750701502
www.blue-panther-books.de
Von der Sünde zur Lust
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.(Johann Wolfgang von Goethe)
»Hej, Noah«, ruft Joshua von der Tribüne aus und seine Stimme klingt rau. »Wenn du nicht willst, dass ich dir das Fell über die Ohren ziehe, dann sieh zu, dass ich nicht einmal den Anschein eines Staubkorns in den Ecken dieses verdammten Turnsaals entdecke, sonst bist du hier die längste Zeit Putze gewesen. Alles klar?« Trotz seines militärischen Tonfalls setzt er ein sanftmütiges Grinsen auf, wobei man seine vom eisigen Wind gegerbten und mit feinen Adern durchzogenen Wangen erkennen kann, während er seine kräftigen Hände an der Brüstung des oberen Stockwerks abstützt. Er ist groß, korpulent, hat braunes, kurz geschnittenes Haar, dunkle Augen und einen gepflegten Vollbart. Joshua muss mal Gewichtheber oder so etwas in der Art gewesen sein. Jedenfalls bewundert Noah ihn, weil er ein toller Kerl ist. Nun blickt er im wahrsten Sinne des Wortes zu ihm auf und nickt. »Alles klar, Boss«, sagt Noah dankbar, denn grundsätzlich möchte er sein Bestes geben. Er weiß auch, obwohl ihn Joshua heute nur aufzieht, dass die Aussage dennoch ernst gemeint ist und er froh sein muss, diesen verfluchten Job überhaupt bekommen zu haben. Dieser armselige Job, denn als solchen würde sein Vater seine Tätigkeit bezeichnen, wenn er davon erfahren würde, macht ihn mitunter rundherum glücklich und eröffnet ihm neue Perspektiven, die er bisher noch nie ausprobiert hat. Mit diesem Gedanken lässt er den Mopp über den Fußboden des Turnsaals gleiten und fühlt sich in seinem blauen Overall so richtig professionell, obwohl er Joshua erst seit drei Wochen jeden Abend in die Schule zum Putzen begleitet. Sein Boss ist hart, aber herzlich und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Typen wie Noah unter die Fittiche zu nehmen. Ihnen das Bewusstsein zu geben, etwas wert zu sein, sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu fühlen, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen, wie man es ihm immer wieder vor dem Bewerbungsgespräch eingebläut hat. Doch sein Boss macht keinen Hehl daraus, dass er den Jungs auch einiges abverlangt. Schließlich ist das Leben kein Honigschlecken. Vom Alter her könnte Joshua Noahs Vater sein, nur mit dem Unterschied, dass jener sich irgendwann kaum noch einen feuchten Kehricht um ihn scherte, da war Noah ungefähr siebzehn Jahre alt. Auch seine Mutter zog nach der Scheidung nach Indien, sie meinte, sie müsse sich verwirklichen und habe sich zeitlebens schon genug um den Burschen kümmern müssen. Das war der Zeitpunkt, wo Noah kurzerhand beschloss, von zu Hause abzuhauen. Im Gepäck befanden sich gerade mal seine Gitarre und ein Rucksack. Das Lotterleben konnte also beginnen. Mal saß er auf einem Heuwagen, dann wiederum trampte er per Anhalter quer durch Schweden. Er war ein richtiger Vagabund. Einer, der alles auskostete, jede sich ihm bietende Gelegenheit ausschöpfte, durch die Betten der Mädchen nur so turnte und Sex in vollen Zügen genoss. Klar, Noah sieht extrem gut aus. Sein dunkelblondes, schulterlanges Haar trägt er zumeist zu einem Knoten gebunden. Das glatt rasierte Gesicht, seine schmalen geschwungenen Lippen, die hohe Stirn, seine blauen Augen und die auffallend langen Wimpern machen ihn zu einem interessanten jungen Mann, dem unter normalen Umständen die Mädchen reihenweise zu Füßen liegen. Was sie tatsächlich ja auch tun. Dabei erinnert sich Noah an ein Mädchen, das er mal in Malmö kennenlernte. Sie war aus wohlhabendem Haus, studierte, hatte eine eigene Studentenbude, wo er sich für ein paar Wochen einquartierte, bevor er sich wieder aus dem Staub machte. Der Sex mit ihr war toll. Zwischen ihnen prickelte es und manchmal fiel er über sie her, als wäre sie ein Dessert. Er konnte sich gerade mal den komplizierten Vornamen seines Affärepflänzchens merken, mehr wollte er von ihr auch gar nicht wissen. Gespräche fanden zwischen ihnen so gut wie nie statt, er wusste nicht einmal, was sie eigentlich studierte. Außer das Bett und gelegentlich das Sofa und den Tisch, teilte er sich mit ihr rein gar nichts. Nette Dinge wie du bist wunderschön waren für ihn ein Fremdwort, wenn dann ließ er einen seiner lockeren Aufreißsprüche wie deine Titten machen mich wahnsinnig los.
An diesem Tag spürte er wieder dieses lustvolle Kribbeln in der unteren Bauchregion, sein Lustspender meldete sich und er fuhr wie ein Süchtiger auf Schienen zu ihr. Eine wohlige Wärme durchschoss seine Körpermitte, als er lässig an ihrer Türschwelle stand und sie ihre Arme um seinen Hals schlang, ihn leidenschaftlich küsste, weil sie ihn insgeheim schon erwartet hatte. Innerlich vibrierte er bereits. Sie trug einen kurzen Minirock, dazu Pumps mit einem erhöhten Absatz. Mit diesem Outfit machte sie ihn heiß. Sein Schwanz, mit dem er sie glücklich machen konnte, pulsierte gewaltig, er konnte die Hitze richtiggehend spüren, wie sie in ihm hochstieg und das Feuer der Lust in ihm entfachte. Nur ein kleiner, heißer Quickie, ging es ihm durch den Kopf. Das Pflänzchen war genau richtig für seine verwegenen und schmutzigen Fantasien. Seine Hormone fuhren Achterbahn, während er ihren feuchten anrüchigen Kuss erwiderte. In der Hitze des Gefechts rutschte ihr enger Rock hoch, dadurch hatte er einen herrlichen Blick auf ihre frisch rasierte Spalte. Einzig und allein das kleine Dreieck ihres Stringtangas darüber störte noch. Dem machte er aber gleich ein Ende und riss ihn voller Wollust entzwei, worauf sie ihn noch gieriger küsste, die Arme noch enger um ihn schlang, ein Bein anhob und ihre bereits triefend nasse Scham gegen seine Hose rieb. Noah konnte gar nicht anders, als den Fingertest zu machen. Daher schob er zwei seiner Finger in ihre Tiefe, wodurch sie sich von seinen Lippen kurzfristig löste, ihren erotischen und fickrigen Mund halb öffnete, die Augen geschlossen hielt, den Kopf nach hinten warf und demonstrativ keuchte, was ihn ohne jeden Zweifel noch mehr antörnte. Sie war schon ein verdammt schlaues Flittchen und wusste genau, wie sie ihn anheizte, etwas, das ihm natürlich nur willkommen war. Warm und heiß umwarben ihre samtigen Schamlippen seine Fingerspitzen, bis sie sich bis zum Anschlag in ihr versenkten und sie laut aufstöhnte. Ihr Hotspot sehnte sich nach seinem gewinnbringenden Lustspender. Ein wohliger Schauer jagte durch seinen ganzen Körper, nahm jede einzelne Faser von ihm gefangen. Er wollte nur noch eins: sie hart und schnell befriedigen. Was für ein scharfes Luder. Während er sie unten befeuerte und versuchte, ihr heftiges Verlangen zu stillen, jagten kleine Stromstöße durch seinen Penis, der sich kaum noch bändigen ließ. Über kurz oder lang war er so angeheizt, dass er sie mit einem Mal hochhob und auf den Küchentisch setzte, wo sie gerade noch gefrühstückt hatte. Mit seiner kräftigen Hand fegte er das Geschirr vom Tisch, sodass es mit einem Klirren auf dem Fußboden landete. Er musste sie haben. Jetzt. Seine feuchten Finger, die gerade noch durch ihre Nässe glitten, steckte er in ihren Mund, worauf sie darauf wie wild zu saugen begann. Ihre Beine hielt sie weit gespreizt und erwartete seinen megaharten Schwanz. Noahs Stimme zitterte vor unterdrückter Geilheit. Du machst mich wahnsinnig, entfloh es ihm heiser, dabei stützte er sich auf die Tischplatte und tauchte mit einem gezielten Stoß in ihre heiße Tiefe ab. Mit beiden Beinen umklammerte sie seine pulsierenden Lenden, die Hände vergrub sie in seinem langen Haar, das sie vor Begierde verstrubbelte, während er mit seinem steinharten Riemen immer wieder in sie stieß. Fester, fester, feuerte sie ihn an. Der Tisch unter ihnen polterte von der Wucht seiner Stöße. Sie stöhnte, keuchte, was das Zeug hielt, schon bald schrie sie sich die Seele aus dem Leib, während Noah noch weiter in sie drang. In diesem Moment gab es nur ihn, sie und ihre unbändige, abnorme Lust. Seine Stöße wurden immer heftiger, ungezügelter, seine Erregungskurve schnellte steil nach oben, das Ziehen in seinem Unterleib kündigte einen überwältigenden Orgasmus an. Fast gleichzeitig kamen sie zum Höhepunkt, seine Lenden zuckten, sein Schaumschläger wand sich in ihr wie ein wildes Tier, laute Lustschreie gellten durch das Apartment. Noah fühlte sich wieder einmal vollends befriedigt, zog sich aus ihr abrupt zurück, sodass sie den Druckschmerz, den sein unerbittlicher Schwanz in ihr verursachte, schon wieder vermisste. Ziemlich nüchtern küsste er sie hart auf den Mund, packte seinen wilden Freund wieder in seine Hose und schenkte ihr ein verführerisches Lächeln, woran sie sich bestimmt bis heute wird erinnern können, bevor er sie verließ. Tja, sie war für ihn eben nur eine kurze Bettgeschichte, wie so viele, die ihr noch folgten. Nicht mehr und nicht weniger. Warum er nur auf Sex abfuhr und für keines der Mädchen einen Funken von Liebe aufbrachte, konnte er sich selbst nicht erklären. Wahrscheinlich hat er nie gelernt, mit Gefühlen umzugehen, respektive wollte er sich darauf einfach nicht einlassen. Bis, ja, bis ihm klar wurde, dass sein Leben nicht einmal den Dreck unter seinen Fingernägeln wert ist und er zugeben musste, dass ihm jemand fehlt, der ihm einmal in seinem Leben ein ernst gemeintes ich liebe dich ins Ohr haucht, ohne dass er dazu sein hammerhartes Schwert in sie fahren muss. Er fiel in ein tiefes Loch, litt an Depressionen, empfand kein Hungergefühl und Hygiene war zu diesem Zeitpunkt überhaupt seine letzte Sorge. Das Leben ist ein Spiegel. Wenn du hinein lächelst, lächelt es zurück. So sagt man doch, oder? Eigentlich hatte Noah seinen Spiegel zertrümmert, bevor ein Freund ihm geraten hat, zur Beratungsstelle der Jugendwohlfahrt zu gehen. Seine Aggressionen wuchsen, er war einfach total verzweifelt. Nichts, aber auch nichts, was er anfasste, gelang ihm. Bald schon fällte er einen Entschluss: Er musste sein verkorkstes Leben endgültig in den Griff bekommen, bevor er sich selbst zugrunde richtete. Aus diesem Grund nutzte er das Unterstützungsangebot von Fredrik, einem Sozialarbeiter der Jugendwohlfahrt, weil ihm dieser die Ohren voll jammerte, er könne doch sein Leben nicht einfach so wegwerfen. Von wegen, er sei ein wertvoller Mensch, um den es schade wäre, wenn er nichts aus seinem Leben machen würde. Zunächst starrte er ihn von der Seite her an und dachte: Mann, der hat entweder eine zwanghafte Störung, jemandem helfen zu müssen, oder er hat wahrhaftig an mir einen Narren gefressen. Warum er urplötzlich einem Fremden wichtig sein könnte, wusste er nicht. Fredrik saß ihm damals gegenüber und meinte: »Das Leben ist ein Versuch …«, und Noah beendete den Satz mit: »…je mehr Versuche, desto besser.« Darüber hatten sie dann beide gelacht. Er weiß nicht wie, aber Fredrik gab ihm verdammt noch mal den Mut, den ihm sein eigener Vater nie gegeben hatte. In diesem Moment packte Noah der Ehrgeiz. Fredrik hatte recht, wenn er sagte, er sei jung, ein ganz passabler Kerl, in dem Potenzial steckt. Viel zu schade, um das verkümmern zu lassen. Fredrik hat überhaupt die Gabe, jemanden aufzurichten, wie er damals schon fand. So einen wie ihn hat er in seinem ganzen Leben noch nicht getroffen. Sein Enthusiasmus imponierte ihm. Er wollte so sein wie er. Ein Naturbursche sozusagen. Typischer Schwede, groß, blond und immer dieses dämliche Grinsen im Gesicht, das letztendlich dazu führte, dass Noahs Lachmuskeln angestrengt wurden. Er brachte ihn tatsächlich zum Lachen. Das hatten bisher nur wenige geschafft. So war der Grundstein einer Freundschaft gelegt, die bis zum heutigen Tag anhält. Fredrik bot Noah daraufhin einen Platz in der kirchlichen WG an, wo auch Linnea, eine burschikose Sozialarbeiterin, tätig ist. Er erinnert sich noch, als ihn Linnea zum ersten Mal an der Tür begrüßte. Sie sagte: Hej, Noah, willkommen zu Hause! Sie streckte ihm ihre knöcherne Hand zielsicher entgegen und er zögerte keine Sekunde, ihren Gruß zu erwidern. Die Begegnung mit Linnea ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben, denn sie ist schon ein ganz eigener Typ von Frau. Groß, schlank, hat extrem dünne Arme, die immer irgendwie an ihrem Körper hin- und herschwingen. Sie trägt einen kurzen Haarschnitt, ist dunkelhaarig und es gibt kaum einen Ort in ihrem Gesicht, wo sie nicht gepierct ist. Und ihr Lächeln ist alles andere als sinnlich. Ihre schmalen Lippen strotzen nur so von Metall und wenn sie ihre Mundwinkel nach oben zieht, dann sieht es so aus, als würde sie sich freuen. Nein, im Ernst. So richtig freuen. Kein zuckersüßes Lächeln, sondern ein ernst gemeintes Grinsen, das Noah an diesem Tag sofort hatte fühlen lassen: Hier ist er in Zukunft zu Hause. Wie er später erfahren sollte, steckte der katholische Pater namens Johannes hinter der Gründung der WG, denn Fredrik und er kannten sich, weil sie sich beide für karitative Zwecke einsetzen. Genau der Priester, der mit der Leitung der Nikolaikirche betraut ist, an der er vorbeigeht, wenn er zur Arbeit ins Södra-Latins-Gymnasium geht. Er mag den Pater sehr gern. Oft geht er zu ihm, wenn er einfach nur reden möchte. Dann lächelt ihn der Pater an, weil er von Fredrik zum wiederholten Mal gehört hat, wie fleißig und konsequent sein Junge doch ist. Und Noah erwidert sein Lächeln, obwohl er der Kirche und seinem Glauben nicht wirklich etwas abgewinnen kann. Eine Zeit lang glaubte er, er müsse beten, weil sich sonst nie etwas in seinem Leben ändern würde, aber dann kam er drauf, dass er sich nur selbst helfen kann. Mitunter fielen ihm die Worte seiner Großmutter ein: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, oder so ähnlich. Aber Johannes ist ihm vor allem als Mensch sehr zugetan. Natürlich zählt er zu der Sorte typischer Gottesmann. In seiner psychischen Struktur warmherzig und überaus korrekt, darauf bedacht, alles und jeden zu verstehen, immer gut drauf und vor allem bescheiden. Eigentlich ein wahres Vorbild. Allerdings nur, wenn man selbst Pater werden möchte, wie Noah findet. Obwohl, wenn er es sich so recht überlegt, könnte er sich schon Einiges von ihm abschauen, das würde keinesfalls schaden. Noah verbringt sehr viel Zeit mit ihm. Oft führen sie tiefsinnige Gespräche. Auch über Frauen. Johannes ist davon überzeugt, dass es im Leben eines Mannes nur eine wahre Liebe gibt und dass sie dann kommt, wenn wir sie am wenigsten erwarten. Wichtig ist nur, dass wir sie festhalten und die Frau unserer Träume wie eine Prinzessin behandeln. Ein wunderschöner Gedanke, wie Noah findet. Er bewundert Johannes, sieht ihn dann und wann verstohlen von der Seite her an, während sie draußen auf der Kaimauer sitzen, auf einer von Johannes eigens mitgebrachten Decke - da er meint, man hole sich hier sonst den Tod, so kalt sind die Steinplatten - und starren wie hypnotisiert stundenlang auf die Ostsee hinaus. Sie beobachten das eine oder andere vorbeiziehende Schiff oder die Fischer, die dort draußen tagtäglich bei jedem Wind und Wetter ihre Netze auswerfen, um die ohnedies überladenen Tische auf der ganzen Welt damit zu füllen. Währenddessen erzählt Johannes von früher und dass sie es nicht immer leicht gehabt haben. Damals hat sein Vater den Entschluss gefasst, Johannes müsse Pater werden. Einfach so, und Johannes war über die Entscheidung seines Vaters zuerst geschockt, hat er sich sein Leben doch ganz anders vorgestellt. Darüber kann er sich heute nur mehr kaputtlachen. Mittlerweile denkt er, sein Vater hat damals richtig entschieden. Deshalb würde er ihm auch nichts nachtragen, hat er Noah einmal gestanden. Seinerzeit noch wollte er in die große Welt hinaus, genauso wie Noah, am besten in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Worauf sein Vater ihm eine Ohrfeige verpasste und ihm ordentlich die Leviten las, dass er froh darüber sein sollte, dass er in Schweden geboren sei, einem neutralen Land, das sich in keinen Krieg einmischte. Die Amis, sagte sein Vater, seien doch alle nicht ganz richtig im Kopf und ehe er es sich versieht, würde er in der Gosse landen oder auf offener Straße erschossen werden. Das war für Johannes Grund genug, doch in Schweden zu bleiben und das zu tun, was man ihm auftrug: nämlich Pater in Stockholm zu werden. Ein Entschluss, den er bis zum heutigen Tag nicht bereut hat, und Noah wünscht sich, sein Vater hätte ihm damals genauso ordentlich den Kopf gewaschen. Was natürlich nicht bedeutet, dass Noah Pater hätte werden wollen, aber er hätte sich einen Vater gewünscht, für den er wichtig gewesen wäre. Jetzt ist der Pater quasi sein Großvaterersatz, wenn man das so sehen möchte. Er ist ein guter Mensch, kümmert sich tagtäglich um alle Randgruppen dieser bunten Stadt: Obdachlose, Drogenabhängige, Alkoholiker, Bekloppte - jeder, der ihm in die Hände fällt und in irgendeiner Weise Hilfe benötigt. Auf das Ersuchen von Johannes bringen die Bewohner dieser Inselstadt jeden Sonntag Decken oder warme Kleidung für die Armen und auch hausgemachte Spezialitäten, die sie nach der heiligen Messe gemeinsam verzehren. Was dann übrig bleibt, verteilt Johannes an die, deren Mägen leer blieben, wenn es ihn nicht geben würde. Die Menschen strömen nahezu jeden Sonntag in seine Kirche und Noah glaubt, dass sie das nur hier in Stockholm in der Nikolaikirche tun und sonst nirgendwo. Denn der Pater hat das gewisse Etwas, wie man so schön sagt. Auch wenn manch einer dumme Reden über ihn schwingt, von wegen, der Pater hätte ja selbst eine Freundin, seine Haushälterin Elsa wäre seine Lebensgefährtin. Na und? Soll er es sich tagein tagaus selbst machen?Was ist das für ein Leben, wenn ein Mann keine Frau an seiner Seite haben darf? Noah kann diesem schwachsinnigen Gerede überhaupt nichts abgewinnen. Außerdem hat der Pater ihm schon oft in Sexualfragen geholfen. Was wären das für inkompetente Auskünfte, wüsste er selbst nicht einmal, wie Sex funktioniert? Ein Pater soll Eheleute trauen, aber selbst nicht erfahren dürfen, wie es ist, wenn man jemanden liebt? Was für eine hirnrissige Idee. Noah jedenfalls ist das schnurzegal, ob der Pater und Elsa etwas miteinander haben oder nicht. Ein Mensch hört doch nicht auf, ein sexuelles Wesen zu sein, nur weil er sich dazu entschließt, Pater zu werden. Wenn es nach Noah ginge, würde er das Pflichtzölibat aufheben. Aber wer fragt ihn schon danach? Für ihn ist der Pater einer der wichtigsten Menschen. Fehlt ihm nur noch ein Mädchen, das mit ihm all seine Träume verwirklichen möchte.
Die WG ist zumindest schon ein Anfang. Dort lebt er mit drei anderen jungen Männern, die alle in einer ähnlichen Lage wie Noah sind. Noah hat dort sein eigenes Zimmer. Zu Beginn standen nur ein Bett, ein Kasten, ein Tisch und ein Sessel in dem gelb gestrichenen Raum. Aber schon bald kam immer wieder der eine oder andere Einrichtungsgegenstand dazu. Mal hat Fredrik ein gebrauchtes Bücherregal aus der IM, der Människohjälp, einer Wohltätigkeitsorganisation geholt. Dann wieder einen bequemen Lehnstuhl, der mittlerweile sein absolutes Lieblingsstück geworden ist. Sein ganzer Stolz ist allerdings ein alter CD-Player und seine mehr oder minder ziemlich abgefuckte Gitarre, auf der Noah abends, wenn er nach getaner Arbeit heimkommt, spielt. Einen Song hat er sogar selbst komponiert. Er nennt ihn: I believe in you. Wenn er in seinem Lehnstuhl sitzt, die Gitarre zur Hand nimmt und darauf zu spielen beginnt, dann schließt er seine Augen und träumt von einer besseren Zukunft. Einer, in der jeder zufrieden ist, es keinen Krieg gibt und auch keine Kapitalistenschweine, wie er immer wieder sagt. Eine Zukunft, in der er Verantwortung übernehmen möchte, studieren und seinen Abschluss machen will, denn eines steht fest, im Herbst geht er auf die Universität. Durch seinen Job würde er auf eigenen Beinen stehen, könnte sich sein Studium aus eigener Tasche finanzieren. Auf der Uni könnte er ein nettes Mädchen kennenlernen, mit dem er in lauen Sommernächten hinter den Büchern steckt und wenn sie für ihre Prüfungen gelernt hätten, könnten sie sich natürlich viel interessanteren Dingen widmen. Ein Blick ergäbe den anderen, bis sie in den Federn landen würden. Sagt man nicht, ein Blick sagt mehr als tausend Worte? Hm, so ein vielversprechender, intensiver Blick kann schon einiges auslösen. Ja, wahre Wunder kann er bewirken. Wunder, die wahr werden können. Ziele, die man erreichen kann, wenn man sie nur konsequent verfolgt. Diesmal meint er es ernst. Bitterernst. Er will morgens um sechs Uhr aufstehen und müde sein, weil er am vorangegangenen Tag hart und bis in die Nacht hinein gelernt, beziehungsweise gearbeitet hat und schon wieder nicht ausgeschlafen ist. Er würde seinen verdammten Job und auch sein Studium lieben, auch wenn es ihm den Schweiß aus den Poren treiben würde. Aber es wäre wohlverdienter Schweiß. Einer, der ihn daran erinnert, dass er am Leben ist. Einer, der ihm vielleicht einmal zu einem kleinen ockerfarbenen Haus auf einer der vierzehn Inseln von Stockholm verhelfen würde. Nur positive Gedanken durchfluten derzeit sein Gehirn. Was für ein Tag! Das ist der Augenblick, in dem er lächelt, weil er weiß, dass er eines Tages seiner großen Liebe begegnen wird und wenn es das Schicksal so will, wird er mal in seinen eigenen vier Wänden Gitarre spielen. Ein Ziel, das er immer vor Augen haben möchte. Bei der Vorstellung lächelt er in sich hinein und sieht auf die Uhr. Es ist schon spät. Mit seiner Arbeit ist er bereits fertig und auch Joshua wirkt überaus zufrieden. Daher machen sie für heute Schluss und peilen den Nachhauseweg an. Joshua in die eine und Noah in die andere Richtung. Weil heute Vollmond ist, erhellt das Licht ihm den Weg. Im Vorbeigehen betrachtet er die Knospen an den Laubbäumen, die nur durch die Straßenlaternen in der Nacht beleuchtet werden.
Schon als er den ersten Tag hierherkam, fiel ihm auf, dass sich an den Bäumen und Sträuchern rings um die Schule neues Leben regte. Jeden Tag konnte er die Veränderungen an den Ästen erkennen. Die Zeit der kahlen Bäume ist vorbei und sie scheinen den Frühling zu spüren, genauso wie er ihn verspürt. Noah selbst ist aus seiner Winterruhe erwacht, so wie der Laubbaum, vor dem er nun steht. Er beginnt im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu gedeihen, seit ihm Joshua den Job an der Schule gegeben hat. Er kann es in jeder Faser seines Körpers fühlen, wie gut es tut, gebraucht zu werden. So wie die Wurzeln des Baumes, die Wasser aus der Erde aufsaugen, so bemerkt er den Puls in seinen Adern, wie er schlägt, heftig und deutlich fühlbar. Noch immer in Gedanken versunken, setzt er seinen Weg fort, überquert die Centralbron, eine Brücke, die die beiden Inseln Södermalm und Gamla Stan verbindet, um seine Wohngemeinschaft zu erreichen. Noah bleibt stehen und beobachtet die Wassermassen unter sich. Am liebsten geht er zu Fuß, er verzichtet auf den Bus oder die Tunnelbana, die U-Bahn. Schon immer hat er es genossen, ein Leben in Freiheit zu führen, das wird sich jetzt nicht ändern, auch wenn er nun sesshaft wird. Das Kopfsteinpflaster der Altstadt glänzt im Mondlicht. Schon von Weitem erkennt er die beleuchtete Nikolaikirche in seinen Umrissen, da sieht er Johannes davorstehen, der einen fangfrischen Dorsch in die Höhe hält. Offensichtlich hat er schon auf ihn gewartet. Noah schüttelt belustigt seinen Kopf und grinst, während er immer näherkommt. Als ob er ihn damit anlocken wolle, schwingt Johannes das glitschige Ding vor seiner Nase hin und her. »Hast du Lust auf Fiskbullar heute?«, fragt er ihn und zieht dabei seine Stirn bemerkenswert in Falten, sodass er seine buschigen Augenbrauen in Szene setzt. Noah überlegt, dann stößt er einen leisen Laut durch die Nase aus. »Warum? Kochst du heute, oder wieso fragst du?« Johannes zieht eine Schnute, wobei er ein undefinierbares Geräusch macht. »Du beleidigst meine Kochkünste, Noah. Das ist nicht fair.« In diesem Moment fasst Noah nach dem Dorsch, der noch immer an einem Angelhaken hängt. »Wenn du willst, dann kümmere ich mich um dieses erbärmliche Wesen und mache dir ein Festessen daraus«, schlägt er dem Pater vor, obwohl er es hasst, Fische auszunehmen, doch jener setzt nur ein freudiges Lächeln auf und winkt ab. »Er ist für dich, Noah. Ich habe heute noch ein kleines tête-à-tête.« Dabei zwinkert er ihm geheimnisvoll zu und grinst von einem Ohr zum anderen. Aha, denkt Noah und lächelt. Klar.Auch der Pater muss mit seinem Druck irgendwohin. »Macht euch in eurer WG ein Göttermahl und lass mir Fredrik schön grüßen.« Mit diesen Worten verabschiedet sich der gut gelaunte Pater und zieht von dannen. »Mach ich!«, ruft ihm Noah nach. »Und grüß mir Elsa schön, Pater«, fügt er noch hinzu. Johannes hat es bestimmt gehört, schweigt, lacht nur leise in sich hinein und geht weiter. Während Noah an der orangefarbenen Kathedrale, die im Lampenschein der Straßenbeleuchtung noch viel schöner aussieht, als sie es tagsüber zu tun vermag, vorbeikommt, muss er an die alten Zeiten denken. Toll war es schon, als er vogelfrei von einem Ort zum anderen trampte. Auf der Ladefläche eines Strohwagens saß und auf seiner Gitarre die alten schwedischen Songs spielte. Zumindest solange es Sommer war, im Winter war es dann nicht mehr so angenehm. Bis nach Grönland hat es ihn getrieben. Das war schon eine verdammte Kälte. Dort fror einem buchstäblich alles ein, inklusive seinem Schaumschläger. Doch Noah war schlau, zumeist fand er eine Herberge bei irgendeinem Mädchen, das er irgendwo aufgerissen hatte, die er dann wochenlang vögelte, bevor er wieder weiterzog. Ach, er war schon ein Halunke, das weiß er selbst nur zu gut. Nicht nur einmal schlich er sich heimlich davon und ließ ein Mädchen zurück, das sich nach ihm die Augen ausweinte. Doch für ihn gab es keine wahre Liebe. Für ihn gab es nur Sex. Wer einmal leckt, der weiß, wie´s schmeckt, nach diesem Motto lebte er in den Tag hinein. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne an ein Morgen zu denken. Und heute? Heute spaziert er die Källargränd entlang. Eine Gasse, die den großen Platz Stortorget, wo sich ein schmales, hohes, buntes Haus an das andere reiht, mit dem Königspalast verbindet. Im Schlepptau einen Dorsch am Angelhaken über die Schulter geworfen, geht er in Gedanken den Einkaufszettel für die Fiskbullar durch, die er am Abend mit den Jungs gemeinsam in der WG kochen wird. Schon verrückt, oder? Und eigentlich wieder nicht. Denn er genießt das neue Leben, das er nun dank Johannes, Fredrik und Linnea führen kann. Linnea hat ihn heute Morgen gebeten, den Einkauf zu erledigen. Jeden Abend wird in der WG gekocht und alle Jungs übernehmen eine Aufgabe. Da Noah nach der Arbeit am Supermarkt vorbeikommt, hat er sich bereit erklärt, die Zutaten für Köttbullar mitzubringen. Nachdem ihn Johannes mit einem frischgefangenen Dorsch überraschte, kann er sich das Hackfleisch nun sparen. Das würde bedeuten, dass er nicht so viel Geld ausgeben muss. Er betritt den Laden und steuert zielstrebig auf das Kühlregal zu. Er greift nach der Packung mit den Eiern, legt ein Paket Butter darauf und sucht nach der Sahne. Er braucht noch Kapern, Zitronen und Kartoffeln. Danach geht er mit all diesen Dingen beladen an die Kasse, legt die Waren auf das Förderband. Die Dame an der Kasse rümpft ein wenig die Nase, als sie ihn mit dem Fisch entdeckt. Nur ihr Blick allein spricht schon Bände, nämlich den, dass er den Fisch dort belassen soll, wo er im Augenblick ist: auf seiner Schulter. Die Kassiererin scannt die Lebensmittel, dabei sieht sie Noah kurz an. Dieser setzt ein freches Grinsen auf und sie lächelt. Daraufhin bezahlt er einhundertsechzehn Kronen. Beim Verlassen des Ladens zwinkert er ihr nochmals zu, während sie bereits den nächsten Kunden bedient. Gut gelaunt geht er die Källargränd entlang. Die engen Straßen und das Kopfsteinpflaster erinnern an eine längst vergangene Zeit. Eigentlich hat er Glück, hier wohnen zu dürfen, und stemmt sich gegen die doppelflügelige Eichentür, an dessen Seiten jeweils eine große Straßenlaterne an der Mauer befestigt ist. Hinter ihm fällt sie wieder ins Schloss, währenddessen geht das Ganglicht automatisch an und er steigt die paar Stufen zu seiner WG hoch. Als er den Schlüssel ins Schloss stecken will, öffnet sich plötzlich die Tür und Fredrik steht davor. Mit einem Hemd, das er offenbar rasch und notdürftig in seine Hose stopfte und halb offenem Zipp an seiner Jeans lächelt er ihn verlegen entgegen. »Hej, Noah. Schön, dass du da bist, wir haben schon auf dich gewartet.« Na klar, denkt Noah, so sieht er auch aus und drängt sich an ihm vorbei. »Schau mal, was ich mitgebracht habe«, lenkt er bewusst auf ein anderes Thema und deutet auf seine rechte Schulter, sodass Fredrik einen Blick auf den Dorsch werfen kann, den er von Johannes bekommen hat. Stolz zeigt er auf das Prachtexemplar hinter ihm. »Von Johannes. Ich soll dir schöne Grüße ausrichten und wir sollen uns daraus ein Abendmahl machen, hat er gesagt«, meint Noah augenzwinkernd. Ein Abendmahl, wiederholt Fredrik bestimmt in seinen Gedanken, so verdutzt wie der jetzt dreinschaut. Nun ja, wenigstens an den Fiskbullar wird er lecken können, wenn er ihn jetzt gerade dabei gestört hat, an Linneas genitalen Lippen genascht zu haben. Schon bald taucht Linnea hinter Fredrik auf. Sein geschulter Blick trifft auf einen etwas zerzausten Braunschopf, dessen Kleid ein wenig unordentlich aussieht. »Habe ich euch bei etwas Bestimmtem gestört?«, fragt er mit einem zweideutigen Grinsen. »Oh!«, stößt Linnea unsicher aus und fährt sich dabei durchs Haar. Na ja, viel ordentlicher wird dein Haar dadurch jetzt auch nicht, denkt sich Noah. »Kurzfristige Planänderung. Heute gibt es Fiskbullar«, sagt er und eilt mit dem Fisch an der Angel an ihr vorbei in die Küche. Währenddessen rümpft sie die Nase. »Herrgott noch mal, der stinkt vielleicht.« Diese Aussage bringt alle zum Lachen. Noah lädt den Fisch auf der Arbeitsplatte ab, zieht seine Jacke aus, hängt sie vorerst über die Stuhllehne. Da sein Zimmer gleich nebenan liegt, beschließt er, dort aus seinem Overall zu schlüpfen, um sich Jeans und ein frisches T-Shirt überzustreifen. Auf dem Weg zurück in die Küche steckt er sein Arbeitsgewand und die Jacke in die Waschmaschine und wählt ein geeignetes Programm. Noah ist einer von den Jungs, die nicht darauf warten, bis Linnea den Aufruf startet, in allen Ecken der WG nach Schmutzwäsche zu suchen, um damit die Waschmaschine zu füttern. Als er an Eriks Zimmer vorbeigeht, hört er stöhnende Geräusche und verdreht die Augen. Ein Puff ist nichts dagegen. Er geht in die Küche. Linnea nimmt den Mixer heraus und Elias, einer der beiden anderen Jungs, beginnt den Fisch auszunehmen und ihn in kleine Streifen zu schneiden. Elias ist groß, blond, trägt sein Haar modisch kurz und etwas verstrubbelt. Elias ist immer äußerst gepflegt, trägt Markenklamotten, weil sein Vater Geld wie Heu hat. Nur leben darf er bei ihm nicht. Er will sich nicht jeden Tag einen Hippie reinziehen, meint Elias, was er auch irgendwie versteht. Zumeist sieht man ihn mit einer Zigarette oder einem Joint im Maul. Sogar in der Küche, wo Linnea ihm dann strengen Blickes meistens den Johny aus dem Mund nimmt und meint: Kiffen kannst du woanders, aber nicht hier, und die selbst gedrehte Zigarette dann völlig ungeniert aus dem Fenster wirft. Elias gerät dann kurzfristig in Saft und schreit: »Hej! Bist du jetzt völlig durchgeknallt? Schließlich ist das Zeug ja nicht umsonst.« Aber das ist Linnea egal und es schert sie auch einen feuchten Kehricht, ob dort unten ein Bulle vorbeikommen könnte, der dann plötzlich einen Joint vor seinen Füßen vorfinden würde. Scheißegal. Es gibt Regeln in dieser WG und Regeln sind da, um befolgt zu werden. Sonst fliegt man raus. Da kennt sie kein Pardon. Doch Elias würde sich nicht wirklich gegen Linnea auflehnen, denn er weiß, dann würde er seinen Platz hier verlieren. Also fügt er sich. »Hej, Noah«, ruft er, als er ihn sieht. »Das wird heute dank dir ein Festessen.« Er schnipselt an dem Dorsch herum, sodass sich Noah ernsthafte Sorgen zu machen beginnt, ob von dem Fisch überhaupt noch was übrig bleibt, um es in den Mixer zu stecken und zu pürieren. »Möglicherweise. Wenn du nicht die Hälfte davon in den Müll werfen musst, weil du ihn völlig malträtiert hast«, erwidert Noah. Vom Gedanken übermannt, der Fisch sei ohnehin nicht mehr zu retten, runzelt er die Stirn und nimmt stattdessen einen Topf aus dem Küchenschrank, um die Kartoffeln darin zu kochen. Auch Malte kommt dazu und möchte sich nützlich machen. »Was kann ich helfen?«, fragt er in den Raum hinein. »Du könntest die Weißweinsauce zubereiten«, trägt Linnea ihm auf, die nun augenscheinlich die Verantwortung in dieser Küche übernimmt und Noah ist froh darüber, denn sonst könnten sie sich am Ende noch eine Lasagne bestellen, die nur halb so gut wie die Fiskbullar wäre. »Mit Vergnügen«, ruft Malte aus, macht sich sogleich ans Werk, während er alles für die Soße vorbereitet. Malte ist ganz anders als Elias. Er ist eher klein, hat dunkles Haar und ist nicht besonders attraktiv. In seine Gedanken völlig vertieft, bemerkt Noah gar nicht, dass die Weißweinsauce bereits am Fertigwerden ist und Elias nun doch nicht alles versaut hat, sodass noch etwas vom Fisch übrigblieb, das er dann schließlich in den Mixer tun konnte. Fredrik ist die ganze Zeit über im Wohnzimmer gewesen, um den Tisch zu decken, wo sie ihr Abendessen einnehmen werden. Das macht er immer ganz toll. Es sieht dann wie in einem Restaurant aus, wenn er aus den Servietten richtige Kunstwerke zaubert. Fredrik ist auch einer derjenigen, die immer ein paar Flaschen Småland oder Norrlands Guld nach Hause bringen und genau die holt er gerade aus der Küche, dabei wirft er Linnea einen unergründlichen Blick zu, den sie sogleich erwidert. Einzig und allein Erik fehlt. Hmm, der vergnügt sich ja offensichtlich gerade mit seiner Freundin Hannah, weil sie wahrscheinlich erst vom Krankenhaus nach Hause gekommen ist. Sie ist Krankenschwester. Hannah ist ein ganz passables Mädchen, nicht gerade sein Typ, weil sie für seine Verhältnisse viel zu schnippisch ist, aber im Grunde genommen ist das ja auch egal. Erik muss mit ihr zurechtkommen. Ansonsten ist sie eine rassige Schönheit. Sie hat schwarz gefärbtes, glattes, langes Haar, das sie zusammengebunden trägt. Ihre langen Wimpern sind zumeist getuscht, die Wasserlinie mit Eyeliner nachgezeichnet und ihre Lippen blutrot geschminkt. Sie ist gertenschlank, hat trotzdem wohlgeformte Rundungen, mit einem Wort: perfekt fürs Bett geeignet. Eriks Freundin ist Intensivschwester und mit ihm schon seit über vier Monaten zusammen, was für Noah wie eine halbe Ewigkeit klingt. Nach einer Operation war es anfangs nur ein Verhältnis rein medizinischer Natur und als er in einer Nacht von ihr betreut wurde, veräppelte Hannah ihn ständig. Es bereitete ihr offenbar Vergnügen, ihn immer wieder an den Rand seiner persönlichen Grenzen zu bringen, was wiederum den Vorteil hatte, dass er sich besonders anstrengte. Er wollte ihr imponieren, hatte sich längst in sie verliebt und war auf dem besten Weg dazu, sie zu erobern. Als sie ihm eines Tages die Infusion auswechselte, passierte es. Er küsste sie.