Flippige Storys und Sprüche - Phil Humor - E-Book

Flippige Storys und Sprüche E-Book

Phil Humor

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

77 Storys, 20 Drabbles, 36 Gedichte, kleinere Gedichte, Aphorismen, 1400 Sprüche und Gedanken

Einige der Story-Themen:

Hochzeit, Alexander Puschkin, Eugen Onegin, Goethe, Mephisto, Lohengrin, Demetrius, Paris, Freischütz, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Marcel Proust, Orpheus, Giacomo Casanova, Alexander der Große, Georg Friedrich Händel, Baumgeister, Offenbarung des Johannes, Kreuzfahrtschiff, Der Wind in den Weiden, Kenneth Grahame, Werther, Garten der Lüste, Edgar Allan Poe, Der kleine Prinz, Peter Pan, Isaac Newton, Beowulf, Struwwelpeter, Mark Twain, Tom Sawyer, Schneewittchen, Così fan tutte, Mozart, Area 51, Philemon und Baucis, Sarah Bernhardt, Konfuzius, Dracula, Die Hochzeit zu Kana, Santa Claus, Hernán Cortés, Zeus, Amphitryon, Tristan und Isolde, Meister Eckhart, Narziss, Rubens, Romulus, Mars, Schneekönigin, Thor, Macbeth, Wilhelm Meister, Maskenball, Kerberos.

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Phil Humor

Flippige Storys und Sprüche

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhaltsübersicht

 

77 Storys, 20 Drabbles, 36 Gedichte, kleinere Gedichte, Aphorismen, 1400 Sprüche und Gedanken

 

Einige der Story-Themen:

Hochzeit, Alexander Puschkin, Eugen Onegin, Goethe, Mephisto, Lohengrin, Demetrius, Paris, Freischütz, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Marcel Proust, Orpheus, Giacomo Casanova, Alexander der Große, Georg Friedrich Händel, Baumgeister, Offenbarung des Johannes, Kreuzfahrtschiff, Der Wind in den Weiden, Kenneth Grahame, Werther, Garten der Lüste, Edgar Allan Poe, Der kleine Prinz, Peter Pan, Isaac Newton, Beowulf, Struwwelpeter, Mark Twain, Tom Sawyer, Schneewittchen, Così fan tutte, Mozart, Area 51, Philemon und Baucis, Sarah Bernhardt, Konfuzius, Dracula, Die Hochzeit zu Kana, Santa Claus, Hernán Cortés, Zeus, Amphitryon, Tristan und Isolde, Meister Eckhart, Narziss, Rubens, Romulus, Mars, Schneekönigin, Thor, Macbeth, Wilhelm Meister, Maskenball, Kerberos.

 

77 Storys

Wald-Hochzeit * Ballonhochzeit * Im Gespräch mit dem Aschaffenburger Maulaff * AnimalSpeech-App * Alexander Puschkin spricht mit Eugen Onegin * Supermodel an Bord * Ghostwriter * Wenn man vom Teufel spricht - Goethe und Mephisto * Elsa und Lohengrin * Demetrius * Fachmännisches Urteil des Paris * Die Lichtung - Der Freischütz * Fjodor Michailowitsch Dostojewski zwischen Anna und Polina * Faszinieren mit Fassaden * Marcel Proust und der Engel * Cappy - der Geist im Cappuccino * Orpheus in der Unterwelt * Giacomo Casanova und Marie Charpillon * Alexander der Große im Himmels-Museum * Georg Friedrich Händel resümiert * Wie man Baumgeister beschwört * In der Offenbarung des Johannes * Zeitreise in die Antike * Mit dem Kreuzfahrtschiff auf Versöhnungskurs * Der Wind in den Weiden - Interview mit Kenneth Grahame und seinen fabelhaften Tieren * Costa Hades - Werther und Mephisto * Pinocchia * Hinein in den Garten der Lüste * Edgar Allan Poe und G. Wissen * Der kleine Prinz gibt ein Interview * Goldesel, go! * Plauderei mit Peter Pan * Edgar Allan Poe und die Raben * Isaac Newton und Hermes Trismegistos * Being Beowulf * Interview mit Struwwelpeter * Mark Twain und Tom Sawyer * Interview mit Gott * Schneewittchen und die Therapeutin * Così fan tutte und eine Mozart-Kugel aus Kristall * Dungeon und Aliens * Alles im grünen Bereich in der Area 51 * Philemon und Baucis - alte Liebe rostet nicht * Android Silverstar und Nova Superb * Mozart und seine Schwester Nannerl im Freizeitsaal der Engel * Zombrini und Zombienchen im Interview * Isaac Newton im Raumschiff * Sarah Bernhardt und Nadar * Konfuzius und das Avaloner Feenblatt * Unterrichtsfach: Magisches Lächeln * Zu Gast bei Dracula * Zu Gast bei Dracula - Vorsätze * Interview mit Dracula und seiner Cousine Katrin * Ritterspiele * Die Hochzeit zu Kana und der Zeitreisende * Au-pair im Werwolf-Schloss * Interview mit Santa Claus und seiner Lieblings-Elfe Marion * Hernán Cortés und Montezuma * Zeus kommt als Amphitryon * Freecell, Schach und Philosophieren mit dem Computer * Derby Gold * Goethe 2030 * Tristan und Isolde und die Brain Book Technik * Meister Eckhart und der Tetramorph * Narziss, Echo und Hera * Rubens und die Vampirin * Romulus und Mars * Mars und Rhea Silvia interaktiv * Zac Erickson und Erich Zann * Die Schneekönigin * Thor-Chancen * Mach's wie Macbeth * Gespräch mit Wilhelm Meister * Der Maskenball * Conner Kerberos * Der gelbe Schirm * Interview mit dem Osterhasen

 

20 Drabbles

36 Gedichte

Wähle Liebe * Gespräch mit Protas * Das Wort Liebe * Gespräch mit der Kunst * Team * Positives Denken * Adventszauber * Silvester * Blowin' in the wind * 'ne feste Burg * Vita der Sprachen * Der alte Baum und das Baumhaus * Seitensprung als olympische Disziplin * Alexander der Große * Liebeskummer lohnt sich doch * Saloons und Salons * Auf der Suche nach der verlorenen Zeit * Dionysien * Wäre meine Seele ein Buch * Struwwelpeters Bande * Der Wolf und keine sieben Geißlein * Die Garde ausgedienter Wörter * Konfus durch Konfuzius? * Beowulf und Monster Grendel * Philemon und Baucis reicht's * Bytes-Bier * Bier * Fernbeziehung * Im Seelengrund * Spam * Verkleidungen * Farb-Auftrag * Winter vs. Frühling * Pferdeschlittenfahrt * Garten Reden * Schweres Frühlingserwachen

 

Kleinere Gedichte

Aphorismen

1400 Sprüche und Gedanken

 

Wald-Hochzeit

„Ich glaub, ich steh im Wald“ - diesen und ähnliche Sprüche sollte ich jetzt wohl lieber nicht bringen, denn auch wenn wir unsere Hochzeit im Wald feiern, so beginnt doch jetzt der Ernst des Lebens; mich von meiner seriösen Seite zeigen. Der Junggesellenabschied glich doch sehr den Ereignissen im Film „Hangover“ - Erinnerungen ausgetilgt dank Drugs & Rock ’n’ Roll - wobei es etwas mehr von Ersterem war. Michelle sieht bezaubernd aus; wir haben uns beim Pilzesammeln kennengelernt - wobei ich ihr bis heute nicht gestanden habe, dass nicht Maronen und Steinpilzen meine Aufmerksamkeit galt, sondern den fantastischen Magic Mushrooms. Daher das Ambiente „Wald“ - und da es seit kurzem möglich ist, die Zeremonie an beliebigen Plätzen abzuhalten, hat uns nichts davon abgehalten, eine Lichtung damit zu beauftragen, für uns als Plattform für den schönsten Tag unseres Lebens zu fungieren. Mir ist, als zucken die Pilze beim Wort „fungieren“ zusammen, Horror-Bilder von Fungiziden schießen ihnen durch ihre braunen Köpfe. Ich war ja für ein „Robin Hood“-Motto, aber Michelle nutzte die Macht ihres Vetos - stattdessen tummeln sich Horden an Feen, Waldschraten, kolossalen Kobolden um uns und intonieren das Lied „Die Vogelhochzeit“, wobei sie die honetten Zeilen durch obszönere ersetzt haben. Wir haben unsere Hochzeitsgäste gebeten, sich entsprechend zu kostümieren, und so ähnelt das Ganze ein wenig dem Sommernachtstraum.

Bei der Zeile „Der Schluckspecht war der Bräutigam, er vögelt lustig, was er kann“ zucke ich doch zusammen, das ist mir zu nahe an der Wahrheit. Ich bin drauf und dran, einige Kobolde zu erdrosseln, stattdessen singe ich „Die Pute, die Pute, die kriegt was mit der Rute“. Betroffenes Schweigen. Mein Konter kommt nicht gut an. Ich will es wiedergutmachen und singe fröhlich: „Der Pfau mit seinem geilen Schwanz macht mit der Braut den ersten Tanz.“ Unnötigerweise begleite ich das mit entsprechenden Gesten. Der Standesbeamte bemüht sich um Schadensbegrenzung. Er hämmert wie ein Richter mit seinem Schuh auf den von mir gezimmerten Altar; der bricht zusammen; doch nicht so solide, wie die Bauanleitung mir weismachen wollte. An den Bäumen hängen - wie in einem grünen Salon - Bilder, Fotos, auch einige meiner Gemälde - es soll heimelig wirken - aber mir scheint, der Wald wehrt sich; es wird windig, es nieselt; wir sind für ihn Fremdkörper. Sein Immunabwehrsystem greift uns an. Auf der Lichtung steht ein windschiefer, alles andere als einladend aussehender Hochsitz. Ist das Plan B? Sollen wir uns dort das Ja-Wort geben? Wir könnten auslosen, wer mitdarf. Aber da bricht die Sonne schon wieder durch, gar nicht nötig, die Hochzeitsgesellschaft zu splitten.

Clas, ein Freund der Braut, singt: „Der Kuckuck schreit, der Kuckuck schreit, seid Ihr fürs Kuckuckskind bereit?“

Was will er mir da unterschieben? Ich prügel die Antwort aus ihm raus. Es stellt sich heraus, dass er mir gar keine Hörner aufsetzen wollte - jetzt hat er ein Horn an der Stirn. Es ist wie eine Sucht, wir sollten mit diesem Lied aufhören, aber einem fallen unentwegt neue Strophen ein und es drängt einen, die hinauszuposaunen; ein Teufelslied.

„Die Schnepfe, die Schnepfe verdreht allen die Köpfe.“ Nun, das war noch harmlos, Mut zur Offenheit: „Brautmutter, diese Eule, will ich nicht sehen eine Weile.“

Ich kassier dafür eine Ohrfeige und dann gleich noch eine - von der Tochter und der Mutter. Schön, wenn sich Mutter und Tochter einig sind. Wir haben Gastgeschenke vorbereitet, darunter auch Mückenspray - und das wird jetzt schon benötigt. Ziemliche Plagegeister - ich wünsche mir den Komfort eines Schlosssaales; wieso haben wir uns nicht in einem Audienzsaal kennengelernt? Meine Gedanken schweifen ab, als Ritter hätte ich eine Rüstung, die mich vor Ohrfeigen schützen würde. Wir haben einen Schnellzeichner - und der zeichnet unentwegt die peinlichen Momente - das läuft hier aus dem Ruder; diese Art der Unvergesslichkeit ist mir sehr zuwider; ich sage ihm, dass er aufhören soll; Michelle sagt ihm, er soll weitermachen. Ich haue auf die Piñata, die eigentlich für später gedacht ist - Konfetti-Regen quillt aus ihr heraus. Memo an mich: Unbedingt Piñata mit auf Hochzeitsreise nehmen. Wo kann man noch Stress abbauen? Ich zerkrümel ein paar Hochzeitskekse; die waren zwar sehr liebevoll gestaltet, aber so vergreif ich mich vorerst nicht an der Hochzeitstorte; ja, die lass ich unbehelligt; wieso steckt meine Faust dann in ihr drin? Tortenschlacht? Michelle heult. Sie fragt mich, ob ich die Hochzeitsringe habe, ich antworte: „Du hast Ringe unter den Augen.“ Einige Gäste schreiben unverschämte Sachen ins Hochzeitsbuch - ich bewerfe sie mit personalisierten M&M‘s. Die Vögel des Waldes halten das für eine Fütterungsaktion - und ab jetzt geht es zu wie in Hitchcocks Film „Die Vögel“. Zumal ich sie statt mit Reis, mit Vogelfutter bewerfe. Immer politisch korrekt. Vielleicht hätten wir doch einen Hochzeitsplaner beauftragen sollen, das DIY - Do It Yourself - hat so seine Tücken. Z. B. zerfällt der Brautstrauß, wenn man allzu heftig damit Kobolde verdrischt. Die Eichhörnchen haben das Süßigkeitenbuffet für sich entdeckt - lasst es Euch schmecken. Habe ich aus Märchen gelernt: Wenn man gut zu den Tieren ist, dann helfen sie einem hernach. Die vielen Windrädchen drehen sich wie verrückt - es scheint, der Wind bemüht sich, sich meinem Empfinden anzupassen - das Äußere als Spiegelbild meiner Seele. Vielleicht bin ich nicht reif für die Ehe und täusche Zorn vor, damit ich meine wahren Gefühle nicht erkenne? Verstimmung, weil ich Angst vor dem Käfig Ehe habe? Es sabotieren - den Pastelltönen grellere Farben entgegensetzen - Raubein als Kostümierung? Wieso trage ich auch das Waldschrat-Kostüm - Michelle ist keine Elfe - und wir fordern von diesem Tag zu viel: Man kann sich nicht den schönsten Tag seines Lebens auf Knopfdruck bestellen - das funktioniert so nicht. Ich muss an Don Quichotte denken - vielleicht sind die Windmühlen, gegen die ich kämpfe, auch so winzig klein wie die Windrädchen - ich kämpfe Bagatell-Kämpfe. Vielleicht sind wir wie der Wald - und wir versuchen, mit Deko etwas zu sein, was wir nicht sind? An zwei Bäumen befestigte Tüll-Gardinen als Vorhang für ein sich liebendes Paar - witzigerweise war das früher hier ein Amphitheater, jetzt eine Startrampe, um in den siebten Himmel zu gelangen. Fehlzündung. Aber der Count-down läuft. Und die im Wald verteilten Pompons versuchen, Stimmung zu machen, wie die beim Cheerleading verwendeten Tanzwedel. Bemüht Euch nicht. Vielleicht kann ich nur holzen? Hier ist Taktik gefragt. Mir ist hier zu viel Holz: Die Eheringe sind aus Holz, das Gästebuch mit seinem Holzcover, das Essen auf Baumscheiben serviert - ich habe das Gefühl, ich mutiere ernsthaft zum Waldschrat. Ist doch erschreckend, wie sehr einen das Ambiente beeinflusst, durchströmt. Das W-Team kommt: Wildschweine, Wölfe, Wespen. Oder sind die scharf darauf, unsere mobile WC-Kabine zu testen? An den Ort zieh ich mich jetzt zurück. Der Schnellzeichner folgt mir - mir ist aufgefallen, dass er bevorzugt mich malt und mir den einen und anderen Seitenblick zuwirft. Außerdem stimmt er mir zu, dass ich im „Robin Hood“-Kostüm eine glänzende Figur gemacht hätte. Ich bin drauf und dran, mit ihm durchzubrennen, ich sage Michelle, sie soll ihm den Brautstrauß zuwerfen. Sie tut es tatsächlich. Vielleicht ist dieser Wald zu urtümlich, er verwandelt uns - er konfrontiert uns mit unserem archaischen Ich, fein überdeckt wie mit Puderzucker, da stoßen wir auf die Prähistorie. Historie ist uns gegenwärtig, aber da ist mehr im Spiel - man sollte nicht mit Fantasy-Kostümen rumlaufen, wenn man die Implikationen, die die Rolle mit sich bringt, unzureichend berechnet hat. Was ist mit der Rolle als Mustergatte? Da ist vieles, was ich noch nicht ausgelotet habe, das Bürgerliche kommt mir wie ein Schienensystem vor, ich aber bevorzuge eine Enduro, was Geländegängiges. Ich bin gut darin, meine Panik mit Schreck-Snacks zu füttern. Als ich beim Coffee-Bike, der mobilen Kaffeebar, einen Latte-Macchiato mit einem Schuss Baileys schlürfe, entpuppt sich der Wolf als Schäferhund-Welpe, das Wildschwein bleibt allerdings ein Wildschwein. Ich verjage es mit Seifenblasen - ein ungleicher Kampf - das tapfere Schneiderlein hat das besser gelöst: Es hat es in eine Kapelle gelockt. Mir wird klar, was mein Unterbewusstsein mir mit seinen Gedanken-Kapriolen sagen will: Ich bin das Wildschwein - ich soll die Freiheit des Waldes opfern - die Institutionen als Käfig. Mich stören die Hussen auf den Gartenstühlen - es soll dekorativ sein, aber es ist Täuschung. Hinfort damit! Mir dämmert, dass die Magic Mushrooms hier ein Wörtchen mitreden. Ich kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen; Narzissmus - ist das Verlobung mit sich selbst? Vielleicht rebelliert mein Alter Ego gegen Michelle? Es befürchtet Konkurrenz. Ich befrage Michelle dazu. Sie gesteht mir, dass ähnliche Sorgen sie plagen. Überall hängen bunte Luftballons - doch wir können nicht mit ihnen davonschweben; es sei denn, wir nehmen jeder 50 Stück davon - die Helium-Flucht. Beim Rumalbern kommen wir uns wieder näher. Die Hochzeitsgäste umlagern die Candybar, der Hit sind die Cake-Pops - Kuchen am Stiel. Die Chronologie fährt Achterbahn, das Ja-Wort wartet auf seinen Auftritt; aber waren die Beteiligten beim Sommernachtstraum nicht auch gefangen in einem Spiel im Spiel? Heillose Verwirrung als Ausgangspunkt für heilsame Erkenntnisse. Die Blätter spenden uns rauschenden Beifall.

„Wir ernten Beifall - die Natur gib uns ihren Segen. Könnte jemand mal das Wildschwein festbinden?!“

Es stellt sich heraus, dass jemand seinen Pudel verkleidet hat. Aber was ist des Pudels Kern? Alles ist Larve, ein Wachsen im Schutz der Verkleidung.

„Faszinierend, wie sich Dir die Dinge darstellen. Wie wär’s, wenn wir unsere Hochzeitsreise mit einem Magic-Mushrooms-Trip beginnen? Nimm mich mit auf Deine Reisen“, bittet mich Michelle.

“Schicken wir unsere Gäste ins Verdauungskoma - lass uns tafeln; ach ja, ziehen wir es jetzt durch, betreten wir die Ehe-Arena?“

Der Standesbeamte ist ganz überrascht, als wir vor ihm auftauchen.

„Ihr seid schon schräge Vögel; dass Ihr Euch noch traut. Nach mir die Sintflut.“

Er hebt in gespielter Verzweiflung die Hände.

„Manche Ehen werden im Himmel geschlossen, bei anderen denkst Du: Ich glaub, ich bin im Wald. Wenn das der Rahmen sein soll, dann bin ich nicht im Bilde“, ereifert er sich.

Der Schnellzeichner fragt mich, was ich von einer Ehe zu dritt halten würde. Clas fordert mich zum Duell heraus, wir fechten mit Baguettes.

Ich sage: „Michelle, mein blonder Engel, wenn ich falle, dann als Gladiator. Ich verspreche Dir Brot und Spiele - oder Brötchen und Spielchen - wonach Dir der Sinn ist. Oder Du bereitest uns aus Brotteig was.“

Mittlerweile beteiligen sich auch andere Hochzeitsgäste an dem Baguette-Turnier. Ein Hauen und Stechen.

Clas singt: „Der Kakadu, der Kakadu, der kackt wohl ab im Nu.“

„Eine Traumhauchzeit“, meint Michelle, ich wünschte, die Ironie wäre nicht berechtigt.

Ich bearbeite Clas wie eine Piñata. Gutes Zeichen - meine Eifersucht überzeugt mich davon, dass Michelle es wert ist, fortan im Ehe-Käfig zu leben. Ich hätte es mit gefälligeren Synonymen umschreiben sollen, denn Michelle fährt aus ihrer Haut. Sie bewirft mich mit allem, was verfügbar ist - und dazu gehört leider auch Silberbesteck. Bin ich ein Vampir - die Silberkugeln-Masche? Der Standesbeamte wiederholt seine Frage zum dritten Mal - und wir beide schleudern ihm ein „Ja“ entgegen; das hat Leidenschaft. Aber es gibt viele Arten, wie das Ja-Wort das Licht der Welt erblickt. Das Furiose und das Kuriose wird uns hoffentlich auch nach dem Ehegelöbnis erhalten bleiben. Ihr Bridal-Look hat etwas gelitten, der Brautkranz sitzt schief, aber die ersten Hürden sind umschifft. Ich will gar kein ruhiges Fahrwasser. Wie, um dem Bild des Ehehafens etwas entgegenzusetzen, habe ich ein Speedboat gemietet - mal sehen, welche Einfälle Michelle bei unserer Hochzeitsreise beisteuern wird. Lass es krachen, Baby. Ich bin zuversichtlich - sie ist ein echter Kracher.

ENDE

Ballonhochzeit

Hochzeitslocation Heißluftballon - seit einigen Monaten ist es nicht mehr notwendig, dass die standesamtliche Trauung in geschlossenen Räumen stattfindet; Pionier war Bayern, dann folgten die anderen Bundesländer. Ob am Strand, im Stadtpark - man muss den Brautleuten bei der Gestaltung dieses wichtigen Ereignisses schon entgegenkommen. Das Standesamt als Ehe-Fabrik, Fließband-Verfahren, Massenabfertigung - das geht doch auch luftiger; was spricht gegen den freien Himmel als Zeugen dieses Gelöbnisses? Auf dass es mehr einer romantischen Zeremonie gleicht als einem Verwaltungs-Akt; deshalb auch der herzförmige Heißluftballon; die Ballon-Kathedrale war leider schon vergeben - und unter einer riesigen Flasche Jägermeister zu hängen, setzt eindeutig das falsche Zeichen; also darauf achten, was über einem schwebt. Im Korb wäre Platz für 10 Personen, aber wir sind nur zu viert: der Pilot, der Standesbeamte, Tira und ich. Wenn alles gutgeht, landen wir in einer Stunde auf der Festwiese, wo uns unsere Hochzeitsgäste erwarten. Extra einen Kuhbrenner dabei - der ist leiser, aber nicht ganz so leistungsfähig - aber was tut man nicht alles, um eine Stampede zu vermeiden - das Durchgehen der Rinder. Kaum Thermik - könnte man auch symbolisch verstehen: Nicht angewiesen sein auf Aufwind - man muss selber nur heiße Luft produzieren - entspricht eigentlich meiner Lebensdevise „Luftikus“. Tira teilt meinen Leichtsinn, eigentlich unverantwortlich, zwei solche Typen zu kombinieren; was sagt die Astrologie dazu? Tira ist Widder und ich Steinbock. Lassen wir es krachen.

Tira schwärmt: „Auf Wolken schweben ... hier sind wir den Engeln näher - und der Vorsatz, von Luft und Liebe zu leben, erscheint hier ungleich realistischer als in Bodennähe; sich frei machen von den irdischen Verhältnissen, sich dem Element Luft anvertrauen.“

Sie breitet ihre Arme aus wie bei Titanic; zum Glück bin ich nicht abergläubisch oder wenn, dann soll mein Unterbewusstsein, das für sich behalten.

„Ein Kubikmeter Luft wiegt 1,3 kg; was so alles auf uns lastet; was uns eigentlich bedrücken sollte - es aber nicht tut, da wir es gewohnt sind; vielleicht ist es mit einer guten Ehe auch so: Dauerstress - der fällt dann nicht so ins Gewicht?“

Ob ich mir derartige Scherze so kurz vor der Hochzeit erlauben sollte? Aussteigen kann sie nicht.

Sie sagt: „Eigentlich wollte ich Dir ja einen Korb geben - und jetzt gibst Du mir einen: Tolle Idee mit der Ballonfahrt. Dein Leichtsinn hat was Süchtig-Machendes. Wirft alle meine Planung über den Haufen - und ich komme viel schneller ans Ziel - als ob sich unerlaubterweise Abkürzungen offenbart hätten, sich dem auftun, der nicht dem Mainstream folgt. Sonderwege, Sonderbares - da erwarte ich mir von Dir. Enttäusche mich nicht.“

Der Standesbeamte scheint, uns völlig vergessen zu haben, er ist fasziniert von der Weite; Herrscher einer neuen Dimension; Aufsteiger. Sich dem Eskapismus überlassen - einen kleinen Schlenker machen, nicht mit der Realität auf Konfrontationskurs - das ist möglich, wenn einem neue Dimensionen zur Verfügung stehen - das Traumreich, die breite Landschaft der Fantasie; Baumaterial Illusionen - die Realität beschönigen - wird sie geschmeichelt sein und diesem Ideal gleichen wollen? Der Realität Vorgaben machen - hey, so könntest Du sein - fühlt sich Welt dann berufen, nach einem Vergleich und Check diesem Ruf zu folgen? Lockruf des goldenen Zeitalters. Mag sein, weil die Sonne so golden das Land einfärbt und ich meinen Gedanken das Assoziieren gestatte, dass ich plötzlich an meinem Lebenskurs zweifle: Bin ich ein Schönfärber - überziehe ich die Areale, die ich im Fokus habe, mit goldenem Schimmer? Nun ja, der Sonne zu gleichen - es gibt schlechtere Vorbilder.

Tira singt: „Love ist in the air.“

Das hilft nun nicht gerade, um mich aus meinem Romantik-Modus zu schleudern. Wie fest ist der Boden wirklich - besteht man auf dieser Ameisen-Existenz? Berauschend - es färbt auf die Seele ab dieses Schweben; ich fürchte nur, es macht süchtig.

„Meinst Du, das ist zu viel Romantik? Wenn die Ehe in solcher Romantik-Höhe beginnt, wie sollen wir das steigern?“

Da Tira mit den Schultern zuckt, antwortet der Standesbeamte: „Ich finde die neuen Richtlinien toll; sehr unterstützenswert; es muss festlicher sein; ein breitgefächertes Angebot an Hochzeitslocations - außerdem komme ich so mehr rum.“

Der Pilot lässt ihn den Propan-Brenner bedienen. Mit einem Gasballon wäre es ruhiger; insgesamt hat man das Gefühl, diese elende Gravitationskraft auszutricksen; alles will sie einem verbieten; man muss sich in Träume flüchten, um die Erlaubnis zum Schweben zu haben?

„1783 misstraute man noch dem Luftmeer. Die Montgolfier-Brüder ließen zunächst drei Tiere in den Himmel aufsteigen: Hahn, Ente, Hammel. Tiere vorweg, ich vermute, die betreten noch vor uns den Mars. Aber wir sind ihnen ja stets gefolgt - in der Evolution eilten sie uns voraus.“

Ich habe weiße Tauben im Käfig dabei. Aber als Zugeständnis an Tiras Tierliebe handelt es sich um Papierflieger in Taubenform. Immer wenn der Brenner aus ist, schicken wir einige von ihnen auf die Reise. Ein Kuriosum: Da der Ballon mit dem Wind fährt, weht im Ballonkorb kein Wind.

Ich sage: „Existiert für uns der Wind nicht, da wir uns mit ihm bewegen? Was ist mit der Zeit - wenn wir uns wirklich mit ihr bewegen würden, dann verstriche sie nicht, dann würde sie nicht an uns vorüberstreichen? Ich brauche einen Zeit-Ballon, da setz ich mich rein.“

Der Standesbeamte meint nur, wir sollten mit der Zeremonie beginnen, offensichtlich macht er sich Sorgen um meinen rasch zerfallenden Geisteszustand.

„Es gab auch mal einen Mann, der mit einem Gartenstuhl gen Himmel fuhr - 5000 Meter hoch. 42 Heliumballons trugen ihn empor. Und dabei bestimmte Ludwig XVI., dass der Himmel nur dem Adel vorbehalten sein soll - oder draufgängerischen Tieren.“

Der Standesbeamte räuspert sich. Er hat jetzt schon mehrfach seinen Stichwortzettel auf- und zugefaltet - und ich mache auf Museumsführer, als ob ich von dem Geschehen etwas verstünde, kommentiere einen mir an sich fremden Bereich, den ich mir aber gedanklich unterwerfen will. Wir sind eben keine Zugvögel, nicht mal zu kleinen Hüpfern von Baum zu Baum in der Lage - wir besiedeln den Boden; das ist unser Schicksal. Dennoch - so nah überm Boden sich erkühnen, vom 7. Himmel zu sprechen, ihn in die Lebensplanung miteinzubeziehen - er soll involviert sein: Wir planen einen Pakt, der uns diesen Aufenthalt auf Dauer ermöglichen soll. Ich tanze mit Tira - und der Standesbeamte rauft sich die Haare. Von CD erklingt: „Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein.“ Ich will diesen Moment hinauszögern - fast so, als ob man den Höhepunkt vorerst verhindern möchte - es ist das Refugium der Vorfreude, vorerst ist es ihr Fest. Um das Maß an Kitsch vollzumachen, entsenden wir herzförmige Luftballons als Liebesboten in die Welt hinaus. Die Ansprache des Standesbeamten ist sehr detailliert, meiner Meinung nach betont er meine Schwächen - ich muss ihn da mehrmals korrigieren - er ist drauf und dran, mich aus dem Korb zu schmeißen. Endlich kommt er zur Eheschließungsformel. Ich hatte schon überlegt, statt Ja Yep oder Yeah zu rufen; vielleicht fehlt doch das Förmliche? Man ist unverantwortlich relaxed - ich stelle mir gerade einen schwebenden Altar vor, über dem sich keine Kathedrale gen Himmel streckt, sondern ein 10.000 Kubikmeter Ballon. Wir sagen beide artig Ja. Ich bin eifrig am Mental-Foto-Knipsen. Dieser Moment verdient es, festgehalten zu werden; ich hätte auch den Ring festhalten sollen; er entgleitet mir.

„Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,

ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“

Soll das jetzt meine aufflackernden Bedenken beschreiben, oder bin ich nur unglaublich schlecht darin, auf diplomatische Art Zitate unterzubringen? Ich drück schnell auf dem CD-Player „One moment in time“.

„Da heißt es: Give me one moment in time - when I’m more than I thought I could be. So ist mir zumute: Vollendet werden durch Ergänzung - als ob einer Farbe die Komplementärfarbe gefehlt hätte. Statt monochrom: Kontrastvielfalt. Wie roter Mohn auf grüner Wiese - das sind wir nun.“

„Bin ich der Klatschmohn oder das Gras?“, erkundigt sich Tira.

Ich deute auf die Festwiese, die in der Ferne schon erkennbar ist.

„Die Erfahrung lehrt uns, dass die Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man in die gleiche Richtung blickt“, zitiere ich Antoine de Saint-Exupéry.

Immer gut, wenn man ein Brevier mit Hochzeitssprüchen zur Hand hat. Wir fühlen uns magnetisch von unserem Ziel angezogen, nur der Heißluftballon macht Sperenzien. Als ob er einer plötzlichen Laune oder einer Eingebung folgen würde, setzt er neuen Kurs.

„Kein Problem; eine Schicht über uns weht ein anderer Wind; nehmen wir den.“

„Die Zuversicht des Piloten sagt mir, dass es nicht die schlechteste Entscheidung ist, seine Fahne nach dem Wind zu hängen - bei entsprechender Mobilität kann man sich Wunsch-Wind aussuchen. Unsere Location verkündet Freiheit; Realitäts-Flüchtlinge sein, wenn die Illusion genügend Tragkraft hat. Man muss nur entsprechende Menge an Wunsch-Kraft mitführen, so wie Propangas.“

Tira meint: „An so einem Tag wie heute bin ich gewillt, Deiner Weltsicht zuzustimmen; aber was wird sein, wenn wir den einen oder anderen Systemabsturz erlebt haben - wie viel Optimismus bleibt dann?“

„Das ist der Vorteil, wenn man zu zweit ist: Wie beim Tauchen - einer hat immer noch Optimismus-Reserve - so wie Sauerstoff, den man sich vorübergehend teilt.“

Der Ring findet sich wieder an, der Ballon schwenkt reumütig wieder auf den richtigen Kurs und wir besiegeln den Ehekontrakt mit einem Kuss, den man umständehalber durchaus auch als Dauerbrenner bezeichnen könnte. Gibt zumindest jede Menge Auftrieb.

ENDE

Im Gespräch mit dem Aschaffenburger Maulaff

Wie komme ich mit jemandem ins Gespräch, der Maulaffen feilhält? Und dazu noch ein Holzkopf ist. Ach, ganz einfach, Empathie löst jedem die Zunge, macht ihn mitteilsam. Empathie als bewährtes Mittel, um denen Worte zu verleihen, die sprachlos vor einem stehen, sei es aus Gründen des Staunens oder weil ihnen die Würde abhandengekommen ist. Mich interessiert es, wie es um den Aschaffenburger Maulaff bestellt ist. Er steht im Schlossmuseum, ist aus Eichenholz - und zunächst gar nicht gesprächswillig. Ich muss mich mehrmals räuspern, bevor er den Blick unwillig zu mir wendet. Zunächst versucht er, den Mund weiterhin offenzuhalten, aber er muss einsehen, dass seine Worte recht unverständlich sind. Ich fange an zu gähnen, da ich ihn so intensiv anstarre; seine Mimik überträgt sich auf mich - tja, man sollte es mit der Empathie nicht übertreiben - aber genau da beginnt die Magie. Er lockert seine Kiefermuskeln - und ist jetzt endlich in der Lage, Stellung zu beziehen. Ich bin ganz Ohr.

Der Maulaff krächzt: "Frag mich nicht, was die Maulaffen kosten, die ich feilhalte. Ich bin es leid, dumme Sprüche zu hören; aber ein anständiges Gespräch wäre eine Wohltat."

Er ist beinahe mannshoch - und er stützt sich auf einen langen Stock. Ich will ihm zeigen, dass ich informiert bin, und erzähle ihm das, was er schon längst weiß: "Du wurdest 1778 geschnitzt. Du trägst die Spessart-Kleidung eines Bauern: Schiffhut, grüner Rock, rote Weste, kurze gelbe Lederhose, Wadenstrümpfe und Schnallenschuhe. Geboren zu dem einzigen Zweck, die Hofgesellschaft zu unterhalten: Sie versuchten, Dir Spielkugeln aus einiger Entfernung in den Mund zu werfen - und diese rollten dann auf Deiner Rückseite wieder raus. Amüsanter Zeitvertreib. Normalerweise hält man Maulaffen feil, weil da wirklich etwas Staunenswertes ist; aber Du bist zu dieser Haltung seit Jahrhunderten verpflichtet, bist eventuell ein bisschen stolz darauf, dass Du es bis zu einem Wahrzeichen der Stadt Aschaffenburg gebracht hast; ein schöner Job; nahe dran an einer Legende."

Ich scheine sein Interesse geweckt zu haben, er sagt: "Wie werde ich denn legendär? Mir ist es schon ein wenig peinlich, durch Nichtstun so viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen."

Um die Möglichkeit zu haben, selber darüber nachzudenken, also um Zeit zu gewinnen, beschließe ich, auf die Funktion eines Maulaffen einzugehen.

Er wehrt ab: "Kein Exkurs. Ja, ein Maulaffe ist ein Kienspanhalter. Also eigentlich jemand Wertvolles. Er hält das Licht; so als ob der Mensch selber mit den Zähnen den brennenden Kienspan hielte, damit es licht um ihn sei und er was erkennen kann. Bin ich lächerlich? Ich nehme Schwingungen wahr, die darauf hindeuten. Ich will nicht das Gespött sein, jeder will doch was Ehrenhaftes darstellen; nur berühmt sein, weil man lächerlich ist? Sprachst Du mich deshalb an, um mich darauf hinzuweisen? Dann lass mich in meiner Unwissenheit, ich mag nicht reflektieren. Dumpfes Brüten ist da besser. Nicht zu heller Verstand - um so mehr tut es weh."

Ihm rinnt eine Träne aus dem Auge; weit aufgerissene Augen. Das habe ich nicht gewollt. Ich reiche ihm ein Taschentuch.

Er meint: "Ich will mich nicht überanstrengen; ich traue meiner Bewegungsfähigkeit nicht; was ist, wenn sie mich anderntags verändert vorfinden? Sie werden erschreckt sein; ich bin ihnen vertraut in dieser Stellung. Man klammert sich an das, was man hat: ein Wahrzeichen - das ist doch was. Wobei der Belustigungs-Faktor mich beunruhigt; wo finde ich Trost? Sind Clowns wertvoll?"

Nach dem Sprechen nimmt er sogleich die Maulaffen-Mimik wieder ein, reißt dabei aber seinen Mund zu weit auf.

Ich sage: "Nicht übertreiben; Du willst es wettmachen durch Über-Gehorsam. Du fällst aus Deiner Rolle; man hat ein schlechtes Gewissen, möchte der Gesellschaft gefallen, will ihren Beifall. Für welchen Preis? Wie oft muss der moderne Mensch sich zum Affen machen? Oh nein, es ist nicht beschränkt auf die vergangenen Jahrhunderte, man geht dieser Tätigkeit auch weiterhin nach, weil sie einträglich ist. Es ist anderen etwas wert, wenn sie sich aufspielen können, man degradiert seine Untergebenen, ja sogar seine Freunde, nur um zu beweisen, dass man nicht ganz so äffisch ist. Darum bemüht sich die Menschheit: Abstand zu gewinnen vom Affen, seinem Griff, seinem Zugriff zu entkommen, aus dieser elenden Umklammerung der Natur. Wie freut man sich, wenn dann jemand freiwillig Maulaffen feilhält, er ganz unserem Spott ausgeliefert ist. So wie bei der Hofgesellschaft und ihrem Ballwerfen auf Dich. Amüsement. Harmlos?"

Er erwidert: "Nun bring mich nicht in Verlegenheit. Letztlich schiebst Du mir ja Deine Gedanken unter. Ich will nicht Deine Gedanken denken, niemand sollte das: Aber wie bin ich zu eigenen fähig? Verrate mir das. Magie der Empathie - geht das auch vice versa? Ginge das auch für Dinge, Figuren, dass sie im Sinne des Pantheismus Anrecht haben auf Gott-Anteil?"

Ich antworte: "Nun ja, Gott ist keine Aktien-Gesellschaft. Aber wer sagt denn, dass wir alle nicht deshalb beseelt sind, weil Seine Empathie es uns ermöglicht. Ausströmen des Heiligen Geistes. Input in Form von Anteilnahme."

Maulaff sagt: "Du siehst mich betroffen; da klaube ich mir mein bisschen Würde zusammen, aus dem Tatbestand, dass ich ein Wahrzeichen bin - und hoffe, dass es das andere wettmacht: Spielfigur zu sein, dazustehen wie ein Lackaffe, als ob ich mir was einbilden würde auf meine Spessart-Tracht. Trägt ja keiner mehr. Worauf stütze ich mich? Auf diesen Stock?!"

Er will den Stock wegwerfen, doch ich hindere ihn daran.

Maulaff schimpft: "Die sollen mich kennenlernen. Verdonnern mich dazu, den begriffsstutzigen Gaffer zu machen, als ob die, die an mir vorüberpilgern, so schwer zu durchschauen wären. Ich danke Dir für Deine Empathie."

Er hält mich fest. Er sagt: "Ich könnte meinem Gesichtsausdruck zufolge namenlosen Schrecken erblicken; oder es ist ein eingefrorenes Staunen, so als ob die ganze Welt ein Kuriosum sei, unaufhörliches Wunder, das zu empfinden, Ihr nicht in der Lage seid? Ich muss es Euch vermitteln - und Ihr freut Euch, wenn ich Euch an Euer einstiges Kinder-Staunen erinnere, darauf stoße, wie fantastisch das Drumherum - und dass man ein Teil dieses Etwas ist, was es eigentlich nach allen Gesetzen der Logik nicht geben dürfte. Wir erheben uns über die Logik; einst sensationslüstern - doch wir finden nur noch Banalität. Jetzt schließe ich mich mit ein in diese Betrachtung, werde zum Menschen für eine Weile - und erkenne, dass Ihr zuweilen zu gerne Maulaffen kaufen würdet: Aber so einfach lässt sich Unmittelbarkeit, das Maulaffen-Feeling nicht kaufen."

Ich antworte: "Ich staune über Dich; Du bist aus ganz anderem Holz geschnitzt, als der erste Eindruck vermuten lässt."

Maulaff sagt: "So bin ich doch auch Reflexions-Figur. Ihr kommt ins Grübeln, wenn Ihr einen Eurer Gesichtsausdrücke eingefroren vorfindet, damit konfrontiert, kein Übergangs-Stadium; fortwährendes Staunen, die Augen aufgerissen - eigentlich sollte ich nur zu einem Buchstaben befähigt sein: Dem A, dem lang gezogenen Vokal des Staunens, der Ehrfurcht - eventuell auch der Urlaut des Singens - oder der Bereitschaft, sich einen Zahn ziehen zu lassen. Na ja, diese Sorgen habe ich nicht. Ich werde hier stehen, wenn die derzeitigen Bewohner dieses Planeten einen Abgang gemacht haben, ihre Kinder und Kindeskinder werde ich begrüßen und sie an das Staunen erinnern. Das scheint mir, ist eine recht würdige Tätigkeit; damit komme ich klar."

Er nickt selbstzufrieden. Er nimmt allmählich seine andächtige, fast bittende Pose wieder ein - und mir ist, als könnte ich ihm kein weiteres Wort entlocken.

Kurioserweise ertappe ich mich in den nächsten Tagen dabei, dass ich dazu neige, Maulaffen feilzuhalten - Mimik hat wie Dialekt etwas Ansteckendes, man wird zu dem, was man schaut oder hört. Das Staunen ist nicht der schlechteste Zug an uns Menschen.

ENDE

AnimalSpeech-App

Endlich habe ich es geschafft: Die Sprachen der Tiere sind für uns jetzt super deutlich zu verstehen - dank der AnimalSpeech-App. Drei Jahre Entwicklungszeit - jetzt noch mal im Zoo testen, die Reporter sind mit dabei, ein bisschen Promotion, um das Geschäft anzukurbeln. Eventuell bei den Pinguinen anfangen, die waren immer sehr kooperationswillig; man will ja schließlich nicht hören, wie Zootiere lamentieren und die Gelegenheit nutzen, um lang angestaute Unzufriedenheit vor laufenden Kameras in alle Welt hinauszuposaunen. Zuversichtlich, wie ich bin, habe ich ein leeres Buch bei mir - ich will den Tieren die Gelegenheit geben für poetische Ergüsse, das notiere ich dann und eventuell lässt sich das prima vermarkten: Tierische Gedichte - live von der Front. Nun ja, es sind keine Wildtiere im eigentlichen Sinne, das macht es wohl leichter, sie an die Gepflogenheiten menschlicher Kommunikation heranzuführen; keine Obszönitäten, Small Talk mit tagesaktuellem Bezug. In dieser Erwartung steh ich mit meinem Handy vor den Pinguinen und sage: "Dann legt mal los, antreten zum App-Appell." Die AnimalSpeech-App funktioniert in beide Richtungen - also müssten mich die Pinguine wunderbar verstehen; aber sie tun so, als ginge sie das alles nichts an; Bestechung? Ich ködere sie mit Fischen. Endlich der erste Kommentar.

"Wurde auch Zeit", meint Pinguin 1. "Wer gut schmiert, der gut fährt."

Ich sage ihm: "Oh nein, so haben wir nicht gewettet; für Allerweltsweisheiten gibt es keinen Fisch; da muss was Spezifischeres geliefert werden."

"Ich verstehe nur Spezi-Fisch." Der Pinguin zuckt mit den Schultern und steckt mir die Zunge raus. Dabei hat der gar keine Schultern. Die Reporter filmen wie verrückt und halten den Pinguinen ihre Mikrofone hin.

"Wird das jetzt eine Pressekonferenz?", erkundigt sich Pinguin 1 - er hat sich offenbar zum Interessenvertreter dieser zwei Dutzend Pinguine erklärt.

"Die anderen sollen auch mal", ereifere ich mich. Ich richte mich bewusst an Pinguin 2 - doch der flieht vor mir. Wahrscheinlich eine Zoobesucher-Aversion, diagnostiziere ich.

Pinguin 1 watschelt zu mir. "Was kann denn Deine App so? Könnte ich mich auch mit den Elefanten unterhalten - will sagen, die inter-tierische Kommunikation hätte für uns einigen Nutzwert. Lässt Du mir Dein Handy da?" Er greift danach. Da er nur Flossen hat, gelingt das nicht so recht. Er sieht sehr enttäuscht aus.

"Ich könnte das für Eure Bedürfnisse modifizieren."

"Flossentauglichkeit hat oberste Priorität." Seine Kumpels stimmen ihm zu.

Ich hole einen Elefanten aus dem Nachbargehege und bitte ihn darum, sich mit den Pinguinen zu unterhalten. Der hält das für eine willkommene Gelegenheit, seine Trompeten-Kunst vorzuführen, lässt sich davon auch nicht abbringen und gibt eine Zugabe nach der anderen. Dass er zunächst noch Wasser im Rüssel hat, macht die Sache nicht erfreulicher.

"Wassermusik", meint Pinguin 1 mit Kennermiene. Woher er Händel kenne?

"Ach, hier laufen jede Menge Freaks mit ihren MP3-Playern rum - manchmal besorge ich mir derlei; das merkt doch keiner."

Die anderen zischen ihm zu, dass er von ihrem Diebesgut lieber nichts erwähne.

Der Elefant erkundigt sich: "Okay, was soll ich tun? Ich will niemandem ins Gehege kommen, aber ich steig da mal einfach so rüber - so, Pinguine, heißt mich willkommen in Eurer Mitte; nett habt Ihr es hier; ich nehme mal ein Bad."

"Das läuft sehr zu unserem Nachteil, da wäre eine Aufwandsentschädigung fällig - und eine Pool-Reinigung", meint Pinguin 1.

Also ich bin bis jetzt begeistert von der AnimalSpeech-App. Die Reporter scheinen das auch so zu sehen, es hagelt Vorschläge, wen wir noch dazuholen sollten. Ein Bär drängelt sich ins Geschehen, ich drück ihm ein Glas Honig in die Hand - vorbereitet sein, ist alles. In meinem Rucksack habe ich Bestechungsfutter, Gimmicks - eben alles, was man für eine perfekte Promotion benötigt. Leider durchwühlt Pinguin 4 das soeben und zeigt freudestrahlend, was er so zutage fördert. Sehr nachlässig - ich hätte einen der Tiger als Wache abkommandieren sollen.

Pinguin 1 hopst auf die Mauer und deklamiert:

"Wir stoßen auf Verständnis - man erhört

der Pinguine sehnsuchtsvolle Bitte:

Mehr Hightech, mehr Brimborium! Uns stört

die Langeweile. Bringt Leben in die Hütte!

Und apropos, ein Iglu, das wär fein -

und Batman-Filme mit dem Pinguin.

Als Kino-Futter: Packung Iglo-Stäbchen;

der Fisch ganz ohne Gräten - dazu Wein.

Sag an, sind meine Bitten allzu kühn?

Doch dies ist nicht der Südpol - ist ein Kittchen."

Ich äußere meine Zuversicht, dass sich wohl Sponsoren finden lassen. Dann liefer ich mir ein Tauzieh-Duell mit Pinguin 4 und einigen seiner Kumpels, die ihm zu Hilfe gekommen sind - aber sie lassen meinen Rucksack nicht los. Der Elefant kommt mir zu Hilfe, dann kommt der Bär den Pinguinen zu Hilfe - macht Spaß. Der Zoodirektor verspricht, Tauzieh-Wettbewerbe öfters stattfinden zu lassen. Ich notiere mir das Pinguin-Gedicht in meinem Buch, vielleicht kommen ja noch weitere. Aber man soll Tiere nicht drängen, das Schöngeistige hat immerhin Millionen Jahre gebraucht, um im Menschlichen zur Entfaltung zu kommen.

"Who's next?" "Darf ich, darf ich?", fragt Pinguin 3 hippelig und völlig übermotiviert. Er kaut auf Koffein-Kapseln, die eigentlich für mich gedacht waren. Ich bin ein wenig übermüdet vom Programmieren, Testen - da geben Koffein-Kapseln den nötigen Kick. Der Elefant will auch welche. Er kann sich nach Bedarf welche nehmen. Okay, wir teilen uns hier den Planeten mit den Tieren - aber sie hatten bislang unzulängliche Artikulationsmöglichkeiten; das könnte sich ändern. Ich halte die AnimalSpeech-App-Broschüre in die Kameras, lächle zuversichtlich - doch die Pinguine kaspern nur rum. Da sie inzwischen pappsatt sind, macht weitere Bestechung mit Fischen keinen Sinn.

Der Elefant philosophiert: "Hungrig sei das Volk - dann kann man es lenken."

Ein Reporter meint, dass er zunächst sehr skeptisch gewesen sei, er hielt das für eine Münchhausiade. Pinguin 1 ist sofort begeistert und meint, er würde jetzt gerne auf einer Kanonenkugel reiten. Er nimmt stattdessen mit einer Drohne vorlieb. Saust über unseren Köpfen.

Ich notiere mir noch einige Gedichte, zu denen ich die Tiere nötige; sollen sie sich ins Zeug legen, endlich einmal haben sie Dichter in ihren Reihen; Maler und Musiker schon seit Längerem. Ich halte eine motivierende Ansprache, bis mich die Tiere unterbrechen. Das Reden mit uns Menschen hätten sie sich nicht so anstrengend vorgestellt, sie seien eher die einsilbigen Typen. Ich halte dagegen: Wäre aber doch nett, wenn ihre Gedichte eine breite Öffentlichkeit fänden. Sie entgegnen: Ja schon, aber das müsse ja alles nicht so tierisch ernst sein.

"Ein hoher Spaßfaktor ist elementar wichtig", sagt der Elefant - und besprüht mich mit einem Wasserstrahl.

"Ich habe tierischen Durst", meint der Bär - und ob wir ihn auf ein Glas Honigwein einladen würden. Ich lasse Met servieren - wird per Drohne gebracht; die Restaurants haben ihren Fern-Service erheblich verbessert. Minuten später sind alle ein wenig beseligter als zuvor, man schunkelt, umarmt sich - Met hat was Völkerverbindendes.

"Dann hätte ich gerne einen fernlenkbaren Jeep", bittet mich Pinguin 2, der inzwischen - eventuell dank des Mets - sehr viel zutraulicher ist. Die Drohnen landen noch einige Male bei uns, bringen herrliche Sachen, ich finanziere das mit den zu erwartenden Gewinnen der App - und eventuell des Gedicht-Buches, das sich kurioserweise immer schneller füllt. Met beschleunigt geistige Prozesse.

Der Elefant dichtet:

"Nice to meet you, Met; Du schmeckst sehr lecker.

Die Musik ist meine Leidenschaft;

das Trompeten - geht's Euch auf den Wecker?

Habt mich deshalb oftmals angeblafft.

Dank des Mets posaun ich doppelt laut.

Buddy, hast Du noch ein stärk'res Kraut?"

Er scheint gut drauf zu sein. Gönnen wir dem Elefanten einen Joint. Der Zoodirektor gibt sein Okay, macht keine Zicken - aber da ist eine Zicke. Ich spreche sie gleich an: Nahm man bislang an, dass sie vor allem meckere, könnte sie nun das Gegenteil beweisen. Die Reporter halten ihr die Mikros hin.

Die Ziege guckt dumm aus nicht vorhandener Wäsche. "Ihr verblüfft mich, was soll ich sagen, ich bin so satt, ich mag kein Blatt?"

"Ja, das hat schon sehr viel Schönes", ermuntere ich sie, "wir testen die AnimalSpeech-App und erkunden in diesem Zusammenhang, ob Deinem Meckern Inhaltsschweres innewohnt."

"Häh?"

Eine Hyäne mischt sich ein: "Wie kann ich mich ins Darknet hacken? Ich suche Lieferanten für hochklassiges Aas."

"Hast Du ein Gedicht für mich?", frage ich. Die Hyäne nimmt einige Züge vom Joint und legt dann los:

"Ihr Menschen habt es gut, Ihr habt die Drohnen,

sie bringen Euch im Nu die tollsten Sachen.

An sowas könnte ich mich gut gewöhnen,

dann hätt ich endlich einen Grund zum Lachen."

Vor allem der Zoodirektor ist begeistert. Ich stelle mir gerade vor, wie ich Goldfische interviewe - vielleicht schafft das AnimalSpeech-App 2.0? - man könnte auch Mikroben befragen oder die Sterne. Der Enthusiasmus könnte vom Met verstärkt worden sein oder von der Tatsache, dass die Tiere mich auf ihren Schultern tragen. Komme mir vor wie Dr. Dolittle. Die Verständnisbarriere zu dem Tierreich ist durchbrochen. Ich befürchte nur, dass sich das als Münchhausiade herausstellen könnte. Ich lasse die Tiere ihr Gedicht-Buch unterschreiben: Mit Tatzen, Pfoten, Flossen, Hufen - was sich mir da so entgegenstreckt.

ENDE

Alexander Puschkin spricht mit Eugen Onegin

Man kommt ins Sinnen hier im Elysium - wie viel mehr hätte ich erreichen können, wenn ich der Forderung der Gesellschaft nicht nachgegeben hätte: Mit 37 Jahren von der Bildfläche zu verschwinden - nach solchem Anlauf, den Vorbereitungen - einfach abdanken - und d'Anthès, mein Duellgegner, hat mich um 58 Jahre überlebt. Alexander Puschkin, Du Narr - überlässt ihm den ersten Schuss. War es eingefädelt, lag Zar Nikolaus I. was daran, mich loszuwerden, sah in mir den Konkurrenten? Hat sofort meine Frau Natalja hofiert; brauchte mich nicht immerfort in die Verbannung zu schicken, war es eventuell auch leid, dass ich seinen Regierungsstil kritisierte. D'Anthès hat er begnadigt - ich vermute, er hatte den Auftrag, mich zu provozieren; d'Anthès schrieb Schmähbriefe, spielte den Beleidigten, weil Natalja mich geheiratet hat und nicht ihn; ist es fatal, eine schöne Frau zu haben? Dann wäre es auch fatal, wenn das Fatum es gut mit einem meint, es befördert den Neid, beschwört das Gespenst der Missgunst herbei.

Zur Untätigkeit verdammt, der Schaffensprozess liegt danieder; schönes Elysium, wenn der Blick rückwärtsgewandt alle Möglichkeiten noch einmal durchspielt - das 'Könnte und das 'Was wäre, wenn'; vertan, mich festgelegt auf die schlechteste aller Möglichkeiten; und weshalb? Ehre - hat er sie wahrlich verletzt? Es gehört doch dazu, dass ich es zulasse; wie kann die Gesellschaft bestimmen, zu welchem Zeitpunkt meine Ehre nicht mehr intakt sei? Und weshalb das Beharren auf Untadeligkeit? Gerade ein Schriftsteller muss sich Fehler leisten können, er betritt Gedankenreiche, versuchsweise, er ist ein Pionier, ein Erkunder - er darf sich verlaufen; sei es ihm zugestanden. Es war mein 11. Duell; bin ich eine Spielernatur, so leicht lenkbar durch die Gesellschaft, was ist es, was mich im realen Leben so unfrei agieren lässt - und in der Fiktion eröffne ich mir Freiheit? Das passt natürlich nicht in ein System, was der Freiheit misstraut. Man hielt fest an der Leibeigenschaft, man wollte nicht, dass die Zukunft zu schnell Einzug hält - und ich lade die Zukunft geradewegs ein. Doch der Zar ist der Hausherr, nicht der Schriftsteller; einstmals gab man etwas auf die Sicht des Dichters, ein Visionär, jemand, der das Bisherige zusammenfasst, es bündelt, dass es handlich ist und als Mittel dient, die Welt zu verstehen. Doch wenn man ihn mit Exil droht, mit der Verbannung, er solle schweigen, bloß nicht stören - ja dann versteckt man seine Botschaft in den Zeilen, man flüchtet ins Mehrdeutige.

Eugen Onegin traf ich hier im Elysium; scheint, ich vermochte ihm so viel Realität mit auf den Weg zu geben, dass er mehr ist als ein Schemen. Er meint auch, dass Zar Nikolaus I. sehr schuldig sei, er schließt sich meinem Verdacht an. Heutzutage zaubert man durch Flugzeug-Abstürze die 'Persona non grata' weg; ein provoziertes Duell - ein wunderbarer Zaubertrick; und ich durchschaue nicht deren Machenschaften. Festhalten an dem, was man hat; warum es hergeben? Mit welcher Verve begonnen - und nun Winter, der Schreibfluss zugefroren; man denkt an den Sommer zurück, beschwört die liebgewonnenen Figuren herbei, dass sie einem Gesellschaft leisten, auch auf die Gefahr hin, in den Wahnsinn abzugleiten. Boris Godunow, mein Blankvers-Experiment - der Zar und sein Herausforderer - sich wie ein Zar gebärden, sich das Recht anmaßen, dass man ein Zarewitsch sein könnte, sich da hineinsteigern und wahrlich den Thron zu fordern - ich denke, diese Denkübung täte jedem gut; sich wie ein König fühlen, dem Besonderen zum Durchbruch verhelfen; jeder verwahrt da in sich so etwas wie Talent-Samen, man muss sie begießen, ihnen die Sonne der Begeisterung zukommen lassen. Das ist natürlich konträr zur Ansicht, dass man es mit Leibeigenen zu tun habe.

Ach, hier liegen die Kaputten; zerstörte Träume, man grübelt - und möchte da weitermachen, wo einen der Tod so rüde unterbrochen hat. Unhöflicher Geselle - aber man kann mit ihm verhandeln, er lässt sich gewinnen, wenn man ihn mit einbezieht in den Prozess des Schreibens und ihm eine Rolle zubilligt im Vers-Roman, im Gedicht. Da steht er dann und murmelt: carpe diem. Ab wann wäre es ein vollendetes Leben? Nicht so unsäglich töricht mitten im Schwung unterbrochen zu werden, man stürzt aus der Kuppel - kein Netz, was einen auffängt, kein erneutes Hochsteigen, kein Dazulernen. Ich hatte nicht das Recht, es einfach darzubringen, als sei es ein Opfer - darüber verfügen, wie ein Grandseigneur über Spielgeld im Casino. Ach, im Grunde sind es Fragmente - alles unfertig - zur Unzeit fortgegangen. Unbetreutes Werk, ich ließ Dich zurück - wie ein Hund vielleicht seinen Herrn vermisst, eine Weile bellt und dann tieftraurig leidet. Es drängt sich die Frage auf, wie reparaturfähig ist dieser Zustand? Gibt es Fluchtplan? Man entkommt dem Elysium auf die eine oder andere Art - es sei denn, man vermag es nicht, die Lethargie abzuschütteln; gerade dem dient dieses Gespräch, diese Beschwörung meines Ichs, dass ich es vor mich stelle, seiner habhaft werde.

Wie ich als 15-Jähriger dem Poeten Gawriil Derschawin mein Gedicht vorlas - er war beeindruckt, das macht Mut. Man möchte gar nicht aufhören zu deklamieren, verschreibt sich der Poesie, gewinnt auch die Prosa lieb; zwei Geliebte; man möchte sämtliche Genres testen, will sich ausprobieren - die Vorbilder ermuntern einen, sie scheinen einem zuzurufen: Lass Dich nicht abschrecken, habe Mut. Zar Nikolaus I. lag viel daran, den zunichtezumachen, das sei seine Zeit, er wolle dieser Zeit seinen Stempel aufdrücken; ein Rivalitäts-Streit - wer formt den Zeitgeist, wessen Skulptur ist er? Man ficht im Geistigen, Thesen prallen aufeinander, verbale Leichtigkeit trifft auf plumpes Drohen. So zerstört er, was ihm unlieb ist. Ich müsste aus diesem Elysium wieder mich emporarbeiten - will nicht akzeptieren, dass ich nichts Weiteres hinzufügen soll; mein Werk ruft mich; ich möchte ihm antworten im Blankvers, habe Strophen parat. Verdammt dazu, zu schweigen, nur der Monolog ist hier gestattet - und das Ausweichen auf das Gespräch mit den Figuren meiner Fantasie; eine Fantasie, wenn sie auf Papier gebracht, zu etwas Realem wird. Man lernt es in den Schulen auswendig, man zitiert mich; man bewahrt mein Andenken. Aber gerade das ist es auch, was mich unruhig macht, was mich nicht verweilen lässt - das Unvollendete, das Weiterführen, das Gefühl, das alles Fragment bleibt - egal, wie lange man sich bemüht.

Ist die Welt kaputt? Haben wir sie zerstört, mit unserem Drang nach Erkenntnis? Bleibt sie nur intakt, wenn wir in Unkenntnis verharren? Vielleicht muss man sie zerstören - im Sinne von Bausteinen, die zum Spielen uns gereicht wurden, damit immer neue Varianten, Variationen unter unseren Händen entstehen? Ich will wieder funktionsfähig sein, das Elysium ist auf Dauer anstrengend - es ist wie Verbannung; zum Heilsein gehört Gemeinschaft, ein Wirkungsfeld.

Eugen Onegin gesellt sich zu mir; er hat wie ich sein Glück zerstört - bei ihm war's Langeweile; er hat Tatjana abblitzen lassen; sie schien ihm nicht geeignet, nicht fähig genug, ihn der Langweile zu entreißen; da müssen Kräftigere her. Noch immer folgt ihm der Ennui, ich hab ihn so erschaffen. Er empfindet sich als überflüssigen Menschen, jemand, der dieser Welt gar nichts Neues hinzufügen möchte, es verlangt ihn nicht danach. Er hat die Spöttel-Sucht, unfähig oder unwillig, der Welt eine Ernsthaftigkeit zuzubilligen.

Eugen Onegin:

"Du sollst mich in den höchsten Tönen loben,

Du trägst die Kämpfe aus, die in Dir toben -

an mir lässt Du es aus; doch was, wenn ich

Dein Autor wär? Figürchen sprich:

Ein abgeschlossener Roman ist's nicht -

Dein Leben ist ja ziemlich fragmentarisch."

Ich:

"Ein Happy End wär schön, ist nicht in Sicht -

dank Dir und Deinesgleichen bin ich frisch,

noch immer irgendwie vorhanden. Komm,

und lass uns plaudern, sei kein Griesgram, brumm

nicht rum, nimm's mir nicht krumm, dass ich Dich mit

viel Leid befrachtet; da ich mit Dir litt."

Er tobt eine Weile, meint, er hätte Tatjana allzu gerne, ich hätte sie ihm gönnen sollen - und lauter solche Vorwürfe. Erstaunlich, dass er selbst beim Toben noch im Versmaß bleibt; ich weiß nicht, ob ich ihm seine Raserei abkaufen soll? Er fühlt sich wohl weiterhin seiner Rolle verpflichtet; wann ist es Zeit, andere Attitüden anzunehmen - eventuell muss ich mich transformieren, dann gelingt der Coup und ich kann hier raus? Erst will man die Diesseitsgrenzen durchstoßen, beständig auf der Suche nach Jenseits-Portalen, wähnt sie an lieblichen Orten oder in ekstatischen Momenten. Dann wiederum will man ins Diesseits zurück, weiß dessen Vorteile zu schätzen, nimmt sich vor, dem Diesseits seine Fehler nicht beständig vorzuhalten, will über so was hinwegsehen - und ist von heißem Begehren erfüllt, das Diesseits zu flicken, das Kaputte zu reparieren - man weiß ja jetzt wie: Mit der Weisheit des Jenseits, aufgetankt mit der Kraft des Ennuis - hier ist nichts los, Meditation pur. Und ich habe mich hierhin katapultiert aus Ehrgefühl - bin in die Falle gerannt. Ist es nicht ehrbarer über allem zu stehen, dass die Leidenschaften der Welt unter einem tosen? Eugen Onegin bemerkt, er hätte dazu auch was zu sagen.

Eugen Onegin:

"Tatjana war von den Romanen high,

ganz zugedröhnt mit Inbrunst der Romantik;

hab Acht und stillgestanden liebes Jahr:

Na klar, bei ihr war jeder Monat Mai,

ja, diesen Wonnemonat fest im Blick,

verklärt - so nahm sie mich genauso wahr.

Doch meine Ehre, sie verlangt, dass ich

es bin, den sie begehrt, lebendig Wesen,

kein Pseudo-Ideal - tja, und ich schlich

davon. Woll'n wir das Epos nochmals lesen?"

Er hält mir ein Exemplar des 'Eugen Onegin' hin. Ich blättere zuweilen gern darin; Rückbesinnung.

Eugen Onegin:

"Kaputt vom Nichtstun, selbst zur Selbstbetrachtung

fehlt mir Elan; was ödet mich die Welt an.

Nichts Interessantes jüngst geschehen? Achtung

zu hegen für die Welt, für jedermann?

Das will mir nicht gelingen; Du bist schuld.

Wieso ersannst Du mich nicht mit mehr Wert?

Ich könnt' im Wahn Charaktergröße haben,

nicht diese bleierne Schwere, pures Gold.

Gedankenfülle - bin nicht unbeschwert.

Beim Müßiggang soll ich mich also laben?

Ach, was für ein Menü; der nächste Gang?

Ich hab die Schnauze voll - und ich bin krank."

Ich frage ihn, was ich für ihn tun könne, fühle ihm die Stirn. Er ist liebeskrank; was habe ich ihm da eingebrockt? Tatjana ihm auf ewig vorzuenthalten; was denke ich mir dabei? Eine Entschuldigung wäre fällig, aber ich rede mich heraus.

Ich:

"Du bist ein Held im Leiden - und Deine Welt

kaputt; das mach ich nicht zum Spaß, das Drama

verlangt's - und sei versichert, es gefällt."

Eugen Onegin:

"Ich hätte aber gern ein andres Karma."

Ich stimm ihm zu; was man da so mitschleppt - und ich bin mein eigener Autor; welche Ausrede habe ich? Wie nah darf die Muse sein? Ich habe ihm Tatjana weggenommen - und beim Versuch, die Ehre meiner Muse zu verteidigen, da landete ich hier, im Abseits; wieder Verbannung. Wenn man vollenden könnte, wenn man Zugriff hätte auf den Schwung, die Verve von damals ... Sieh mich an, wo ich gelandet bin: bei der Larmoyanz. Ich fürchte mich davor, ihm immer ähnlicher zu werden - stoße Eugen Onegin von mir - aber er ist einer der wenigen Gesprächspartner, die mir geblieben sind; gefangen in der eigenen Fantasie; Gefangener heraufbeschworener Gefühle; und das Ehrgefühl - ich achte es nicht mehr so hoch, stelle ihm keine Unbedenklichkeits-Bescheinigung aus, räume ihm nicht mehr diese Macht über mich ein. Ich sehne mich nach meiner Muse.

Ich will schreiben, mit Versen mir einen Ausweg hauen, Figuren erfinden, die mich hinausführen. Eugen Onegin betrachtet mich amüsiert.

Eugen Onegin:

"Einen Schwärmer und 'nen Zyniker

zu kombinier'n - geraten aneinander -

Du schaffst Kontraste; doch an uns bleibt's hängen:

Ja, wir Figuren baden's aus, Du seifst

uns ein, beschwatzt uns, dass wir Deinen Plot

begierig unterstützen. So endet's im

Duell - und ich erschieße meinen Freund.

Ich:

"Du hast die Reime weggelassen."

Eugen Onegin:

"Die Reime sind nicht zum Verprassen.

Ich geh behutsam damit um.

Hey, hast Du ein Problem damit?"

Er wirft mir vor, dass ich ihn gezwungen hätte, im Reim zu sprechen, so etwas könne nur schief gehen, wenn man exaltiert sei und seiner Geliebten den Hof machen wolle. Courschneiderei verlange Derbheit, Anzüglichkeit; ich habe ihn da in eine Rolle gedrängt ... da müsse man ja zum Misanthropen werden. Zumindest sei er im Versmaß so tief verwurzelt, dass er sich ohne Iambus haltlos fühle; wie käme ich denn zurecht - er wäre auch gern prosaisch.

Ich habe der russischen Literatur den Weg geebnet, die russische Sprache gleichberechtigt neben die anderen gestellt; stolz sein auf das kulturelle Erbe, testen, wofür die Sprache alles taugt. Und wenn sie Schwierigkeiten beim Übersetzen haben, dann ist das ein Zeichen für Verwurzelung in der Sprache. Komme mir umgetopft vor; einzig der Widerhall meiner Empfindungen, ein Deklamieren bis zur Verzweiflung. Ich bin froh, wenn Eugen Onegin sich wieder äußert, bin ihm dankbar für seine Vorwürfe. Ein Robinson Crusoe mit unzähligen Freitagen; immerwährender Freitag; wie ich Kalender-reglementiertes Leben vermisse. Eine kaputte Uhr, kein Vorrücken der Minuten.

Eugen Onegin:

"Du bist mir gleich geworden:

Sind außerhalb der Zeit.

Wir können überborden -

und ich bin Dein Geleit."

Ich danke ihm dafür - es ist ein Segen, in der Mitte der Nacht für Licht gesorgt zu haben: Wie ein Kienspan voller Harz sind gute Gedanken. Was Erfreuliches - das können Figuren sein, auf die man stolz ist, oder kostbare Erinnerungen. Das Elysium ist nicht per se elysisch, man muss schon ein bisschen nachhelfen. So wie man in ein unmöbliertes Haus zieht: Die Möbel und eventuell auch Nippes sollte man mitbringen.

ENDE

Supermodel an Bord

Bin ich ein Glückspilz - aber warum dann das plötzliche Verlangen nach Magic Mushrooms? Na ja, verbringen Sie mal eine Woche mit einem Supermodel, da wollen die Nerven gestärkt sein, damit man um 100 % cooler rüberkommt; sie soll von mir beeindruckt sein; sie hat zu viele Vergleichsmöglichkeiten - das ist, als ob man bei der Olympiade mitmischen will und ist gänzlich unvorbereitet. Ich habe bei einer Quizsendung im Fernsehen den 1. Preis gewonnen: Es gilt, eine Woche lang mit einem Supermodel auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen - yeah ... Nun liege ich neben ihr an Deck, ihre Bodyguards sorgen dafür, dass die Sonnenliegen rund um uns unbenutzt bleiben - es ist also ein Privileg, es bis hierher geschafft zu haben, ich habe das Gefühl, ich gehöre zum ersten Mal dazu. Sie heißt Christine - und ich überlege, ob ich mit einem Zitat von Goethe beginne, um den Bereich des Small Talks hinter uns zu lassen und tieferes Fahrwasser anzupeilen. Andererseits ist das Urlaub - und die gesamte Situation gebietet Oberflächlichkeit.

Christine: "Eigentlich bin ich eher ein It-Girl, präsent sein als Beruf; dadurch bekannt, weil man präsent ist - das ist wie eine Angewohnheit; wenn da 1000 Menschen im Saal sind, musst Du derjenige sein, der auffällt - aber nicht durch Auffälligkeit, sondern durch unaufdringliche Präsenz; das habe ich von einem Schauspieler: Er meint, das mache einen guten Schauspieler aus, die Unaufdringlichkeit in Verbindung mit einem Charisma, was man zu bändigen versucht, damit es bloß nicht hervorscheine."

Ich: "Ist natürlich von Vorteil, wenn man eine Augenweide ist. Das öffnet dem Charisma Tür und Tor; manch anderer bekommt sein Charisma nicht aus seinem Wesen - es steckt dort fest, weiß nicht so recht, wie es sich den Weg bahnen soll; schon traurig, wenn man als Einziger davon überzeugt ist, dass man wertvoll sei."

Christine: "Das leidige Thema, ob man schon genug Bonus-Punkte gesammelt hat, um Anrecht auf eine Persönlichkeit zu haben. Bekannte Persönlichkeit oder starke Persönlichkeit - was wäre Dir lieber? Wenn man sich entscheiden müsste ... Das Traurige ist, ich würde es vorziehen eine bekannte Persönlichkeit zu sein - ich bin daran gewöhnt - und immer fragt man sich, ob man als Schwindler enttarnt wird; es ist viel Bluff dabei, es ist eine Kunst, der Mittelpunkt zu bleiben."

Ich habe das Gefühl, sie will mich ihrerseits durch Darbietung von Tiefsinnigkeit davon überzeugen, dass sie es wert sei, mit ihr durch die Gefilde jenseits des Small Talks zu streifen. Eine Einladung zum Nachhaken, zum Philosophieren - und ich betrachte angelegentlich, wie sie sich eincremt. Na, sie rückt doch gerade ihren Geist ins Blickfeld, da wäre es doch unhöflich an Äußerlichkeiten hängen zu bleiben. Aber sehr ansehnliche Äußerlichkeiten. Ich danke den Erfindern des Bikinis; der Stoff, aus dem die Träume sind. Sie verdreht die Augen; soll ich vor ihrer Schönheit kapitulieren - oder das Offensichtliche ignorieren? Bewunderer dürfte sie genügend haben.

Christine: "Ich habe Dich in der Quiz-Show gesehen - die Aufzeichnung - ich habe mich tatsächlich auf unser Treffen gefreut; was gibt es Schöneres, als sich von der Sonne verwöhnen zu lassen und dabei zu plaudern, zu lästern - vielleicht den Horizont zu erweitern, denn wir stehen auf den Schultern von Riesen, wenn wir diese Akrobatik-Nummer hinbekommen - sich besinnen darauf, was Vorwelt gedacht, es weiterdenken, ein Stücken hinzufügen wie bei einer Sand-Pyramide; kommst Du mit auf die Wasserrutsche?"

Sie springt von einem Thema zum anderen, soll mir recht sein; dieses Schiff bietet allerhand; man will seine Zeit sinnvoll verbringen - den Besonderheiten dieses Schiffes gerecht werden, seine Möglichkeiten zu schätzen wissen. Es ist eine Stadt für sich - man könnte auf so einem Schiff sogar heiraten - meine Gedanken schweifen zu Christine - und wie eigenartig es ist, dass jeder sie stante pede heiraten würde.

Nach der Wasserrutsche möchte sie noch im Pool bleiben - ich bin mit allem einverstanden; ich komme ins Schwimmen - dieses Gefühl habe ich schon die gesamte Zeit; aber es hat auch was Angenehmes, wenn die Umstände einen berauschen; weshalb sollte man auf Kontrolle bestehen? Ausrutscher meiden? Meine Hormone feiern Party. Und die Stimmung steigt im Whirlpool.

Christine: "Du kannst ja als Nächstes vorschlagen, welcher Aktivität wir uns widmen sollen; überrasch mich."

Soll ich ihr gestehen, dass ich das in den Liegestühlen sehr bequem fand? Ich will nicht in die Kletterwand oder ein Drahtseil entlangrutschen. Bei ihr zu sein, genügt mir vollauf. Warum jogge ich dann mit ihr - und das unter der Karibik-Sonne? Eine Runde hat mehr als 600 Meter - vorbei an Hunderten von Liegestühlen, die sehr einladend aussehen. Sie scheint ein sehr aktiver Geist zu sein - oder aber, sie hat ein schlechtes Gewissen wegen der Riesen-Portion Eis, zu der ich sie überredet habe. Wieder abtrainieren. Komme mir vor wie Mephisto, tue ihrer Disziplin gar nicht gut. Wird das ein Kräftemessen - wer zieht wen zu sich ran? Ihre Disziplin gegen meine Schludrigkeit? Ich spreche sie beim Joggen darauf an. "Du bist den Umgang mit nachlässigen Zeitgenossen nicht gewohnt, es könnte Deiner Disziplin schaden; es ist ein anderer Lebensstil - Schlendrian hat das Sagen."

Christine: "Was sagt er denn? Zeige ihm das Ziel, mal sehen, ob es ihn begeistert; man muss motiviert sein, dann werden Berge zu Maulwurfshügel, man fliegt darüber hinweg wie mit Siebenmeilenstiefeln."

Ich: "Hast du 'nen Coach gefrühstückt? Ich weiß, Du hast ein eigenes Mode-Label; sehr engagiert, aber bleibt Zeit für Fun?"

Christine: "Dienstags von 9 bis 10 - da ist Lach-Seminar."

Ich blicke sie von der Seite an; sie scherzt? Bloß nicht zugeben, dass ich keine Ahnung habe, ob sie das ernst meint oder mich auf den Arm nimmt. Vielleicht ist sie Disziplin-süchtig - dann liegt es an mir, dass sie ihre Zeit mit mir nicht als Fehlinvestition ansieht. Mal sehen, welche Lebensweisheits-Sprüche kann ich zusammenklauben - was ist die Essenz meines Daseins? Verdammt, ich stehe mit leeren Händen da. Ich bin die Inkarnation der Zeitverschwendung. Komme mir vor wie Ikarus, der der Sonne zu nahe kam. Andererseits berauscht mich ihre Nähe, finde es faszinierend, ihr so nah sein dürfen; ein Aphrodisiakum, ein joggendes Aphrodisiakum. Ich schaffe es, dass mir ihre Haare beim Laufen die Sicht versperren - pardauz! - irgendein Stahlträger im Weg; ich würde mir am liebsten ein Rettungsboot schnappen und mir mit ihr einen romantischen Abend machen - allerdings wüsste ich am nächsten Morgen nicht, in welche Richtung wir rudern müssten. Sie geleitet mich zu meinem Liegestuhl - nimmt mich bei der Hand - ich könnte glatt noch mal gegen den Stahlträger laufen, wenn das die Belohnung ist: Händchen halten zu dürfen mit ihr.

Ich: "Ist seltsam auf einem Kreuzfahrtschiff - diese Verpflichtung, die Zeit mit etwas zu verbringen, was nur hier möglich ist; die Aktivität muss das Meer einbeziehen, the blue sky, sich immer wieder mit dem Horizont beschäftigen; wann hat man schon so freies Blickfeld? Natürlich könnte man auch im Spa-Bereich oder in der Bibliothek, im Fitness-Center seine Bord-Zeit verbringen, aber es wäre wie Betrug am Urlaub, man wird der Sache nicht wirklich gerecht, es ist ein Fliehen vor den wahren Möglichkeiten; ich finde, wir machen es richtig, bitten das Meer, sich an unserer Unterhaltung zu beteiligen; es hat nicht viel intelligente Gesellschaft - die Delfine sind nicht so redselig, können hinwiederum andere Aspekte des Meeres besser würdigen."

Was rede ich denn da? Nur weil sie mich aufmunternd ansieht, ist das kein Grund, ohne Punkt und Komma zu schwadronieren über das Meer, als sei es einer meiner besten Freunde. Aber erwirbt man sich das Recht dazu erst, wenn man z. B. als Fischer jahrelang mit dem Meer gekämpft hat - kann man nicht auch das Meer wertschätzen, wenn man es nicht von seiner düsteren Seite kennt? Ich frage sie etwas in der Art - und sie fragt mich, ob ich Interesse habe, ihre düsterste Seite kennenzulernen. Nur nicht übereilt antworten.

Christine: "The dark side of a person - der Schatten hat seinen Auftritt. Immer dann, wenn man lächeln muss - und wieder keine Gelegenheit für Wahrheit. Immer dann, wenn man lächeln muss - weil die Kameras es so wollen; auf Knopfdruck ein Lächeln hervorzaubern können - was muss man dafür alles übersehen, über was alles hinwegblicken, es ignorieren? Das Lachen hätte keinen Platz auf der Welt, nicht ein Quäntchen, wenn man genau hinsähe. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut - das kann er nur vollbringen, indem er die Welt leugnet, sich so etwas baut wie diesen Mikrokosmos des Schiffes: gewissermaßen beständiger Urlaub vom Sein; ja, das Lächeln hat seinen Preis ..."

Sie wirkt nachdenklich; bin ich etwa ein Stimmungskiller? Wir lassen uns Drinks bringen, auf mein Anraten hin - denn erscheint Dir das Leben hohl, hol Alkohol. Tolle Idee; sie schläft nach zwei Drinks ein. Zeit, um in Casanovas Buch zu blättern - oder mir selber ein paar Ohrfeigen zu geben. Mangelnde Ziel-Definition - ich hatte mir vorgenommen, lediglich mit ihr zu sprechen, zu tanzen - warum so bescheiden? Jackpot. Habe ich dämonisches Glitzern in den Augen? Wenn Mephisto hier wäre, ich würde alles unterzeichnen. Wie traurig, sich einzugestehen, dass man Mephisto bemühen müsste, um sagen zu können: Der Adler ist gelandet.

Ich glaube, auch wenn ich vier Wochen Zeit gehabt hätte, würde der Adler noch immer kreisen. Aber sie hat sich immerhin meine Telefonnummer auf ihrem Handy gespeichert. Ein kleiner Schritt für Casanova aber ein großer für mich.

ENDE

Ghostwriter

Ich bin Ghostwriter, sitze in einem Ghost Train, unterwegs nach Ghost Town. Nicht freiwillig; man könnte sagen, von Erinnyen getrieben. Dabei ist es vor allem eine: Tisiphone - es ist ihr Job; den zu verfolgen, der schuldig ist. Ich habe die getötet, für die ich geschrieben habe, konnte es nicht ertragen, dass sie die Nutznießer sind, und mich haben sie abgespeist mit einigen Euro. Ja, ich würde es wieder tun, keine gute Voraussetzung, um Tisiphone milde zu stimmen. Jahrzehntelang Ghostwriter - habe ich mir damit nicht das Anrecht erworben, sie zu Geistern zu machen? Verquere Logik. Tisiphone verdanke ich diese Reise, sie sitzt mir gegenüber. Von ihr habe ich erfahren, dass es nicht nur ein Jenseits gibt. Es gibt da auch nette Orte, aber dafür müsste man schon ein Heiliger sein. Für jemanden wie mich kommt nur Ghost Town infrage. Ist es immer noch Morgen? Wir fahren seit Stunden, es scheint immer dieselbe Tageszeit, derselbe Tagesanbruch zu sein. Die Schlangen auf ihrem Haar schauen mich böse an. Seltsame Gestalten steigen aus und ein; was sind das für Stationen? Schon seltsam, auf welche Reise man sich begibt, wenn der Lokführer Wut heißt.