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Eine Novella aus der Welt der Gestaltwandler
Sieben Jahre ist es her, dass Kenji das Herz von Garnet brach. Doch jetzt begegnen sich die beiden Wolfswandler erneut, denn sie müssen einem grausamen Mord in ihrem eigenen Rudel nachgehen. Mit jeder Minute, die die beiden gemeinsam ermitteln, verfällt Kenji mehr und mehr der Frau, zu der sich Garnet entwickelt hat. Doch mit dem düsteren Geheimnis, das Kenji in sich trägt, ist jeder neue Anfang zum Scheitern verurteilt ...
"Nalini Singh ist eine begnadete Geschichtenerzählerin!" MAYA BANKS, SPIEGEL-BESTSELLER-AUTORIN
Diese Novella ist bereits in der Anthologie "Wilde Umarmung" veröffentlicht
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Seitenzahl: 267
NALINI SINGH
Flirt mit dem Schicksal
Ins Deutsche übertragen von Patricia Woitynek
Sieben Jahre ist es her, dass Kenji das Herz von Garnet brach. Doch jetzt begegnen sich die beiden Wolfswandler erneut, denn sie müssen einem grausamen Mord in ihrem eigenen Rudel nachgehen. Mit jeder Minute, die die beiden gemeinsam ermitteln, verfällt Kenji mehr und mehr der Frau, zu der sich Garnet entwickelt hat. Doch mit dem düsteren Geheimnis, das Kenji in sich trägt, ist jeder neue Anfang zum Scheitern verurteilt …
Diese Novella ist bereits in der Anthologie »Wilde Umarmung« veröffentlicht.
Willkommen bei Wilde Umarmung, einer Sammlung von Geschichten aus der Welt der Gestaltwandler. Sollte dies eure erste Reise dorthin sein, wünsche ich euch viel Vergnügen! Man muss die früheren Bände der Reihe nicht kennen, um in die vorliegenden Storys einzutauchen.
Allen langjährigen Leserinnen und Lesern der Serie gewähren diese Episoden tiefere und nuanciertere Einblicke in die vielfältigen Facetten des Gestaltwandlerkosmos. Ich habe sie deshalb geschrieben, weil ich finde, dass sie wichtig sind, obwohl sie sich in der Peripherie der Haupthandlung abspielen. Jede einzelne Figur trägt dazu bei, dieser Welt Detailreichtum zu verleihen, auch wenn wir in den eigentlichen Büchern nur einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen.
Aus demselben Grund verfasse ich die kostenlosen »Slice of Life«-Beiträge für meinen Newsletter. Ich will über jeden Winkel der Gestaltwandlerwelt auf dem Laufenden sein und wissen, was die Charaktere treiben, selbst wenn sie nicht im Scheinwerferlicht stehen. (Solltet ihr meinen Newsletter noch nicht abonniert haben, könnt ihr das schnell und einfach nachholen über: www.nalinisingh.com.)
Hinsichtlich der Chronologie der Ereignisse trägt sich jede dieser Kurzgeschichten zu einem anderen Zeitpunkt innerhalb der Reihe zu. Das Echo der Stille schließt sich an Jäger der Nacht an, wohingegen Dorian mehrere Jahre überspannt und bis in die Monate nach Gefangener der Sinne hineinreicht. Die Novelle Tanz der Gefährten beginnt gegen Ende von Einsame Spur, während das Rätsel in Flirt mit dem Schicksal sich zeitlich mit dem Schluss von Geheimnisvolle Berührung überschneidet.
In welcher Reihenfolge auch immer ihr die Geschichten lest: Ich wünsche euch spannende Unterhaltung bei eurem Streifzug durch die verschiedenen Regionen des Gestaltwandlerkosmos und bei der Erforschung kleinerer, privaterer Enklaven, die von diesen Figuren bevölkert sind.
Viel Spaß bei der Lektüre, und gebt gut auf euch Acht.
Nalini
Kenji bemerkte, dass Garnet zwischen den Bäumen verschwand.
Die Party, die sie anlässlich der Paarung ihres Leitwolfs feierten, war in vollem Gang, und so, wie Garnet getanzt und gelacht hatte, amüsierte sie sich offenbar prächtig. Trotzdem hatte er geahnt, dass sie sich früher oder später zum See davonschleichen würde. Genau wie die anderen SnowDancer-Wölfe war auch sie ein Rudeltier, aber sie liebte den tief im Herzen des Reviers gelegenen See und suchte ihn jedes Mal auf, wenn sie in der Sierra Nevada war.
Wider besseres Wissen folgte er ihr. Er hatte sich vor langer Zeit in Bezug auf Garnet ein Versprechen gegeben, und das konnte er nur einhalten, wenn er Abstand zu ihr wahrte. Doch in dieser Nacht standen die Sterne am Himmel, er hatte ein paar Bier getrunken und beobachtet, dass sie mit jedem tanzte, außer mit ihm – abgesehen von dem einen Mal, als er sie mitten in einem Song für sich beansprucht hatte. Seine Schutzmechanismen befanden sich auf dem Nullpunkt.
Er wollte einfach nur ein paar Minuten mit ihr allein sein.
Ach ja? Und wenn sie nun am See gar nicht die Einsamkeit sucht, sondern mit irgendjemandem Körperprivilegien teilen will?
Bei dem Gedanken wurde ihm übel, und er spürte die Krallen unter der Haut.
Sollte er Garnet mit einem anderen Mann erwischen, würde er sich dazu zwingen, weiterhin auf Abstand zu bleiben, wie er es schon seit ihrem einundzwanzigsten Geburtstag vor sieben Jahren tat. Auch wenn er den Rivalen am liebsten in Stücke gerissen hätte. Er hatte viel Zeit gehabt zu lernen, seine Urinstinkte zu unterdrücken, wenn es um Garnet ging.
Er verdrängte den Gedanken, dass es nicht leichter, sondern immer schwerer wurde, seine Besitzgier zu zügeln. Sein Verlangen nach ihr schien mit zunehmendem Alter noch größer zu werden – es würde sich wahrscheinlich an seiner Liebe zu Garnet Sheridan nichts ändern, bis er starb.
Aber heute musste er nicht auf seine schwindenden Kräfte zurückgreifen, denn es erwies sich schnell, dass Garnet sich nicht mit einem Liebhaber traf. Lächelnd betrachtete sie die Sterne, während sie barfuß und ohne Eile durch den Wald in Richtung See spazierte. Froh darüber, sie so glücklich zu sehen, folgte er ihr, indem er sich immer gegen den Wind vorwärtsbewegte.
Du benimmst dich absolut nicht wie ein unheimlicher Stalker, Tanaka.
Halt verdammt noch mal die Klappe, und gönn mir diesen einen Augenblick.
Die restliche Zeit leitete sie die Höhle in Los Angeles, genauer gesagt im Santa-Ana-Gebirge, während er für die Höhle in den südlichen Ausläufern des San-Gabriel-Gebirges zuständig war, das auch des San Fernando Valley mit einschloss. Garnets Gebiet war zwar kleiner, dafür aber bevölkerungsreicher, wodurch es entsprechend häufiger zu Problemen kam. Folglich trugen sie in etwa dasselbe Maß an Verantwortung.
Aufgrund ihres hohen Arbeitspensums begegneten sie sich nur bei Videokonferenzen oder gelegentlich bei einem festlichen Anlass. Sie arbeiteten zusammen, um das Land der Wölfe zu schützen, und ihr Flirt steckte voll beißendem Witz und verletzendem Spott, doch weiter ging es nicht. Und diese Grenze konnte und würde er nicht übertreten. Selbst wenn er einen Fauxpas begehen und sein Verlangen nach ihr versehentlich preisgeben sollte, wäre es keine totale Katastrophe. Nach all den Jahren war er sich ziemlich sicher, dass Garnet keine Bemerkung von ihm tatsächlich ernst nehmen würde.
Er beobachtete, wie sie einen tiefen Atemzug in der kühlen Bergluft tat und sich einmal um die eigene Achse drehte. Sie hatte die weichen, blonden Haare zu einem modischen Knoten hochgesteckt und trug ein figurbetontes, orangerotes Kleid, das ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Sie bewegte sich, als wäre sie eine Elfe in einem hauchzarten Gewand, mit Blumen im Haar.
Der Vergleich entlockte ihm ein Lächeln. Garnet würde sich niemals kleiden wie eine Elfe. Obwohl sie eine dominante Offizierin war, hatte sie aufgrund ihrer zierlichen Statur lange darum kämpfen müssen, ernst genommen zu werden. Inzwischen würde nur einem Dummkopf entgehen, dass sie genauso gefährlich war wie alle ihre Kollegen. Und doch gab es äußerlich nichts Hartes an ihr. Sie war nicht nur eine der grazilsten und kleinsten Frauen im Rudel, sondern hatte ein feines, von der Sonne golden getöntes Gesicht, das von winzigen Löckchen eingerahmt wurde.
Mit geballten Fäusten kämpfte er gegen das Bedürfnis an, die Hände in ihre weiche Mähne hineinzuwühlen und sich ihrer verführerischen Lippen zu bemächtigen.
Garnet genoss die klare, sternenhelle Nacht, bemüht, nicht an einen bestimmten Mann zu denken oder daran, wie gut es sich angefühlt hatte, mit ihm zu tanzen, als ihr der Geruch von Eichenholz und Feuer, in den sich eine deutlich männliche Note mischte, in die Nase stieg. Derselbe Duft hatte sie vor einer halben Stunde eingehüllt, als Kenji ihren Tanz mit einem ihrer Kollegen unterbrochen hatte. Er hatte danach an ihrer Haut gehaftet, als wollte er sie leise verhöhnen.
Bei der Erinnerung daran kam ihre Wölfin hervor und knurrte tief in der Kehle. »Geh weg, Kenji.« Sie musste die Stimme nicht erheben, sein Gehör war so gut wie ihres, und er war ganz in der Nähe. Offenbar hatte er sich gegen den Wind an sie herangepirscht.
»Wieso bist du nur immer so?« Groß und elegant trat er unter den Bäumen hervor und kam zu ihr. Mit seinen klaren, wie gemeißelten Gesichtszügen sah er aus wie ein attraktiver japanischer Popstar. Seine halblangen, knallviolett gefärbten Haare mit den aufgesprühten goldenen Sternchen verstärkten diesen Eindruck noch.
Sie hätte es affektiert gefunden, wenn er nicht schon als Kind einen ausgefallenen Geschmack gehabt hätte, als er noch viel zu jung gewesen war, um cool sein zu wollen. So hatte er sich zum Beispiel als Siebenjähriger mit Permanent-Marker »Tätowierungen« auf die Haut gezeichnet.
Bis er eines schönen Tages seine Haare mit Fassadenfarbe verschönert hatte. Sie erinnerte sich noch gut an seinen rasierten Kopf danach – seine Eltern hatten keinen anderen Weg gesehen, die giftige Farbe loszuwerden. Zumal die Gefahr bestanden hatte, dass beim Wandeln auch das Fell seines Wolfs in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Der Vorfall hatte die beiden mehr mitgenommen als Kenji, der den Friseur gebeten hatte, ein Zickzackmuster in die zurückgebliebenen Stoppeln zu rasieren.
Seine jetzige Frisur gefiel ihr, die dichten, seidigen Haare waren gerade lang genug, um ein wenig rebellisch zu wirken.
»Willst du zum See?« Seine grünen Augen taxierten sie.
Sie trat ein paar Schritte zurück, weil sie wusste, dass es keine gute Idee war, mit dem hinreißenden, spöttischen Kenji Tanaka allein zu sein, wenn sie getrunken hatte und ihre Hemmschwelle niedrig war. »Richtig geraten. Um allein zu sein.«
Er beschleunigte seine Schritte, bis seine Stiefelspitzen ihre nackten Zehen berührten, aber keine Seite ihrer Gestaltwandlernatur erlaubte ihr zurückzuweichen. Ihre Füße bewegten sich keinen Zentimeter, als sie den Kopf in den Nacken legte, um ihm in die Augen zu sehen.
Er runzelte die Stirn und trat zurück. »Entschuldige. Ich vergesse immer wieder, dass du kleiner bist als ich.«
Sie wusste nicht, ob das als Kompliment oder als Beleidigung gemeint war. »Ich werde jetzt weitergehen. Wage nicht, mir zu folgen.«
»Eins steht fest, Garnet, du weißt, wie man richtig schön nachtragend sein kann«, bemerkte er, als sie sich abwenden wollte. »Wie ein Elefant, der niemals etwas vergisst.« Sein Ton war spöttisch und locker, wie auch ihr Umgang miteinander seit so langer Zeit.
»Geh weg«, wiederholte sie, in ihrem Innersten das Echo eines überwältigenden Gefühls von Verlust. Nein, ermahnte sie sich, denk nicht einmal daran. Kenji und sie hatten ihre Chance gehabt und vertan. Eine zweite würde es nicht geben, nachdem Kenji ihr gezeigt hatte, wie grausam er sie verletzen konnte, wenn sie ihn in ihr Herz ließ.
Der Mann, zu dem er geworden war, hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem klugen, witzigen Jungen, in den sie sich einst verliebt hatte. Kenji war ein großartiger Offizier und ein Rudelgefährte, auf den sie sich in einer Krise blind verlassen konnte, der sie mit seinem übermütigen Geschäker zum Lächeln brachte. Aber was die Verpflichtungen einer Frau gegenüber bedeutete, davon hatte er keine Ahnung.
»Husch, husch!«, befahl sie, als er stur vor ihr stehen blieb. »Ich möchte allein sein.«
»Ist es jetzt mittlerweile so weit mit uns gekommen?« Sein schwarzes Hemd umhüllte lässig seine breiten Schultern, als er die Hände in die Jeanstaschen steckte und sich zusammen mit ihr wieder in Bewegung setzte. »Früher hat es dich nie gestört, von mir begleitet zu werden.«
»Damals war ich zwölf.« Und sie hatte geglaubt, er würde ihr die Sterne vom Himmel holen.
Er zog sie am Haar. »Wir waren Freunde.«
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Das ist lange her.« Genauer gesagt sieben Jahre und zwei Monate – bekanntlich ihr einundzwanzigster Geburtstag. Aber sie hatte nicht vor, diesen Abend anzusprechen, an dem ihr verletzbares, hoffnungsvolles Herz zerbrochen war.
Andererseits musste sie sich fairerweise auch in Erinnerung rufen, dass er gleichzeitig ihre Rettung gewesen war.
Es wäre noch viel schlimmer gewesen, hätte sie sich mit Kenji eingelassen, nur um kurze Zeit später wegen einer anderen von ihm sitzen gelassen zu werden. Anders als er hatte sie von einer festen Beziehung geträumt, im besten Fall sogar von einem Paarungsband. »Wie geht es Britney?«, fragte sie, anstatt den verlorenen Träumen ihres jüngeren Ichs nachzuhängen.
»Britney?« Ein Ausdruck von Verwirrung zeigte sich in seinen grünen Augen, die er von seiner Urgroßmutter väterlicherseits geerbt hatte. Dann leuchteten sie auf. »Britney Matthews?«
Ihre Krallen wollten ausfahren, dabei lächelte sie honigsüß. »Kennst du noch andere Britneys, denen du es nach allen Regeln der Kunst besorgt hast?«
Heiße Röte schoss ihm in die Wangen. »Das ist ewig her. Ich war achtzehn! Bist du deswegen wütend?« Er schüttelte den Kopf und zog die Brauen zusammen. »Ich dachte, du –«
Garnet brachte ihn zum Schweigen, bevor er die Nacht ansprechen konnte, über die sie nie geredet hatten, nie reden würden, weil es nichts zu sagen gab. Kenji hatte ihr etwas vorgemacht, ihr das Herz gestohlen und sie anschließend mit einem Tritt ins Aus befördert. Aber es gab etwas anderes, das sie erörtern konnten, denn nachdem sie nun Britney zur Sprache gebracht hatte, war sie tatsächlich wütend. Vielleicht lag es am Alkohol, aber sie hatte Kenji »Casanova« Tanaka einiges in Bezug auf seinen Frauengeschmack mitzuteilen.
»Du weißt, wie fies sie zu mir war, dass sie mir das Leben zur Hölle gemacht hat, trotzdem hast du sie nicht nur zum Abschlussball begleitet, sondern bist ein ganzes Jahr mit ihr gegangen!«
Er schaute sie verdutzt an. »Sicher, ihr zwei mochtet euch nicht, aber ich dachte, es sei einfach nur Gezicke unter Mädchen.«
Gezicke unter Mädchen? War er wirklich so ahnungslos? »Sie wollte mir den Spitznamen Gnom verpassen.« Er war nur deshalb nicht hängen geblieben, weil der Großteil ihrer Freunde und Rudelgefährten sie zum fraglichen Zeitpunkt bereits Jem gerufen hatten und sie schon mit sechzehn dominant genug gewesen war, um die meisten Leute so einzuschüchtern, dass sie lieber ihre verdammte Klappe hielten, als sie anders zu nennen.
Kenji hatte sie immer Garnet gerufen. Er mochte ihren Vornamen.
So wie sie es mochte, ihn aus seinem Mund zu hören.
»Ich dachte, sie wollte dich damit nur ärgern.« Er zog die Stirn kraus. »Es hat dich nie gestört, wenn ich dich Winzling nannte.«
Das lag daran, dass er ihr Freund gewesen war und es nicht böse gemeint hatte. So wie sie ihn liebevoll als Bohnenstange bezeichnet hatte, als er in die Höhe geschossen war. Mit achtzehn hatten die Muskeln mit seiner Körperlänge gleichgezogen und ihn unwiderstehlich gemacht. »Lieber Himmel, Kenji, Britney war ein Riesenmiststück.« Garnet würde sich nicht zurückhalten. »Sie hat es genossen, auf jüngeren Mädchen herumzuhacken.«
»Es ist ja nicht so, als wärst du nicht mit ihr fertiggeworden.«
Trotzdem war sie ein Teenager mit entsprechend mangelhaftem Selbstvertrauen gewesen … und bis über beide Ohren verknallt in den besten Kumpel ihres älteren Bruders. In genau denselben, der in diesem Moment vor ihr stand. »Kann schon sein. Jedenfalls habe ich an dem Tag, an dem du mit ihr angebändelt hast, jeden Respekt vor dir verloren.«
Ihm blieb der Mund offen stehen. »Ich war ein Halbwüchsiger!«, wiederholte er. »Sie hatte Wahnsinnsmöpse, dazu Beine bis zum Hals, und sie war total scharf auf mich!«
Garnets Brüste hatten, großzügig ausgedrückt, die Größe von Äpfeln, und aufgrund ihrer Körperlänge würde sie nie die Beine eines Topmodels haben. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und entblößte ihre Zähne zu einem spöttischen Lächeln. »Jeder. Respekt. Dahin.« Sie beugte sich vor zu ihm. »Simsalabim!«
»Ach ja?« Plötzlich von Streitlust gepackt, ging er zum Angriff über. »Und was ist mit dir? Hast du dich nicht mit diesem Erbsenhirn Bacon getroffen?«
Sie wurde rot und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust. »Sein Name war Barton, und er war ein netter Kerl!«
»Mit jeder Menge Hohlraum in der Birne. Muss an den vielen Remplern liegen, die er sich auf dem Fußballplatz eingefangen hat.«
Garnet würde nicht zugeben, dass der niedliche Barton geistig tatsächlich etwas minderbemittelt gewesen war. »Wenigstens wusste er, wie man eine Frau behandelt.«
Kenjis Knurren bewirkte, dass es auch in ihrer Brust herausfordernd grollte. »Du warst verfluchte fünfzehn, als er dich angebaggert hat«, stieß er zähneknirschend hervor. »Ich hätte mehr tun sollen, als ihn k. o. zu schlagen.«
In Garnets Augen wurde die Wölfin sichtbar. »Du warst das?« Barton hatte ohne Vorwarnung mit ihr Schluss gemacht, nachdem er mit einem Veilchen aufgetaucht war, das er schulterzuckend als Trainingsverletzung abgetan hatte.
Kenji spannte die Muskeln an. »Er war, verdammt noch mal, älter als du, und du warst –«
Garnet versetzte ihm einen Fauststoß ins Gesicht.
Sein Kopf flog zur Seite, dann fasste er sich an die Wange. »Was zur Hölle soll das, Garnet?«
»Das war für Barton.« Ihr Atem ging stoßweise. »Und für mich. Deinetwegen musste ich allein zum Schulball gehen.«
Angesichts seines Auges, das sich schon jetzt zu verfärben schien, spürte sie einen Anflug von schlechtem Gewissen, als Kenji konterte: »Besser, als von einem Kerl ausgenutzt zu werden, der sein Hirn hätte einschalten sollen.«
Zornesröte stieg ihr in die Wangen und vertrieb jede Reue. »Ich wusste, was ich tat!«
»Du warst fünfzehn!«, wiederholte Kenji knurrend. »Und sahst aus wie ein Kind. Der Typ war ein beschissener Perversling!«
»Ich hatte Brüste!« Sie hob sie mit den Händen an. »Nur weil du auf Monstertitten abfährst, ist noch lange nicht jeder, der sich für mich interessiert, ein Perversling!«
Er riss den Blick von ihrem Busen los, und wieder drang ein leises Knurren aus seiner Kehle. »Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Ach nein? Genauso hat es sich aber angehört.«
»Gottverdammt, Garnet, ich –« Ohne Vorwarnung vergrub er seine starken, schönen Hände in ihrem Haar und presste den Mund auf ihren.
Pure Lust, wild und ungestüm, durchfuhr sie mit der Kraft eines Orkans. Endlich, seufzte ihr Körper, endlich.
Auf die Wonne folgte sogleich der Zorn. Sie riss das Knie hoch und hätte es ihm zwischen die Beine gerammt, wäre er nicht ausgewichen. »Netter Schachzug.« Sie funkelte ihn böse an, während die Wölfin an ihrer Haut kratzte, sich nach mehr, sich nach ihm verzehrend. »Was bildest du dir eigentlich ein?«
»Ich hätte das schon tun sollen, als du einundzwanzig warst.« Er atmete schwer, und die Haare fielen ihm vors Gesicht, als er sie aus Augen ansah, die die blasse Bernsteinfarbe seines Wolfs angenommen hatten.
Sie spürte, wie ihre Wölfin ebenfalls in den Vordergrund trat, und diesmal kam das Knurren aus ihrer Kehle. »Du hast die Gelegenheit verstreichen lassen«, sagte sie mit kühler Stimme. »Und ich bin gerade noch mal davongekommen.«
Er zuckte zusammen, aber sie war noch nicht fertig. »Behalte in Zukunft deine Hände bei dir, andernfalls werde ich sie dir abreißen. Ich habe kein Interesse daran, eine Kerbe in Kenji Tanakas Bettpfosten zu sein.«
Sie stolzierte an ihm vorbei und tat so, als würde unter dem Zorn nicht dieses grausame Gefühl von Verlust schmerzen wie eine offene Wunde. Auf dieselbe Weise hatte sie die Tränen zurückgehalten, als Kenji sie an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag versetzt hatte. Sie hatte sich für ihn herausgeputzt, sich sogar von einer Freundin schminken und frisieren lassen. Jeder hatte angenommen, sie würde diesen Aufwand wegen der Party betreiben, die ihre Altersgenossen für sie gaben, doch in Wahrheit hatte sie es für Kenji getan. Für ihren Freund, an den sie sich stets gewandt hatte, um ihm von ihren Problemen, Hoffnungen und Träumen zu erzählen.
Selbst als er wie ein hormongesteuerter Idiot mit Britney gegangen war, hatte er sie nie im Stich gelassen.
Mit knapp einundzwanzig war sie endlich alt genug gewesen, um von ihm als Frau und nicht mehr nur als Mädchen wahrgenommen zu werden. Sie war unendlich glücklich gewesen, weil sich ihre Vernarrtheit in ihn nie wirklich gelegt hatte. Er hatte sie umworben und sie ausdrücklich gebeten, auf der Party als ihr Begleiter auftreten zu dürfen. Dann war er nicht erscheinen. Sie war in Sorge geraten, hatte verzweifelt herumtelefoniert … nur um festzustellen, dass er nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei anderen Frauen aus dem Rudel tanzen gegangen war.
Ihretwegen konnte Kenji Tanaka sich in dem verflixten See ertränken.
Drei Monate nachdem Garnet ihm ins Gesicht geboxt hatte, war Kenjis Veilchen längst verschwunden. Umso besser. Vielleicht würde er bald auch vergessen, wie sie geschmeckt und sich angefühlt hatte, ihren Duft und den überwältigenden Zorn, der das Blau ihrer Augen in das warme Gold ihrer Wölfin verwandelt hatte. Was zum Teufel hatte ihn bloß geritten? Auch ohne seinem tiefen Verlangen nach ihr nachzugeben, war es schon schwer genug gewesen, Distanz zu ihr zu halten.
Und jetzt?
War es schier unmöglich.
Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war er gerade bei ihrer Höhle eingetroffen und sollte die nächsten vier Tage hier verbringen. Vier Tage. Allein der Umstand, dass Riaz und Indigo ebenfalls anwesend waren, um unwissentlich als Puffer zu fungieren, konnte vielleicht verhindern, dass er durchdrehte. Zu viert würden sie die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Teil des SnowDancer-Territoriums, also hauptsächlich in Kenjis und Garnets Sektoren, erörtern.
Cooper trug die Verantwortung für die Höhle am anderen Ende des San-Gabriel-Gebirgszugs, aber da er zudem eine der Grenzen im Auge behalten musste, würden Indigo und Riaz zu ihm fahren, sobald sie hier fertig waren. Sie würden neue Sicherheitskonzepte einem Praxistest unterziehen, um den Bericht für ihren Leitwolf mit den Ergebnissen zu untermauern.
Der Zeitpunkt für diese dringend erforderliche Überprüfung war günstig, weil die Medialen momentan hauptsächlich auf sich selbst fokussiert waren. Wegen der unmittelbar aufeinanderfolgenden Ereignisse des letzten Jahres waren die Wölfe zu sehr damit beschäftigt gewesen, eine Strategie nach der anderen zu entwickeln, um Zeit für eine umfassende Analyse zu finden.
Indigo und Riaz hatten dafür zu sorgen, dass sich die Details nahtlos aneinanderfügten und die gesamte Führungsriege genauestens darüber Bescheid wusste, wie es um die Sicherheit im Territorium bestellt war. Der Zusammenhalt zwischen den SnowDancer-Wölfen war trotz ihrer geographischen Ausbreitung extrem stark, weil sie niemals vergaßen, dass sie alle ein Rudel waren.
Garnet mochte ihm in einem persönlichen Zwist einen Fausthieb versetzen, aber sie wäre sofort zur Stelle, wenn Kenji in einer anderen Situation ihre Hilfe brauchte.
Er drängte seine Sehnsucht zurück und fuhr sich grinsend mit den Händen über das Haar, das er nur für Garnet gefärbt hatte. Seine von Natur aus schwarze Mähne leuchtete derzeit in grellem Pink und war mit knalligen kobaltblauen und saphirgrünen Strähnen durchzogen. Für seine Verhältnisse war das eher zahm, aber er bezweifelte, dass Garnet das auch so sehen würde. Sie verzog jedes Mal, wenn er sich bei einer Videokonferenz in einem anderen Look präsentierte, den Mund.
Louisa, seine Friseurin und Koloristin, vergötterte ihn, sie bezeichnete ihn als wandelnde Reklametafel für ihre Dienste, auch wenn er ihr nicht erlaubte, eine dauerhafte DNA-Bindung herzustellen, wodurch die Farbe auch nach einer Verwandlung an ihm »haften« würde. Meistens übertrug sich nichts auf seine Tiergestalt, wenn sich seine Moleküle zu einem neuen Muster anordneten, dem des Timberwolfs, der seine zweite Hälfte war, aber einmal hatte er anschließend ein golden leuchtendes Ohr davongetragen.
Nie wieder.
Das war zwar ein gewisses Handikap, weil kaum ein Look länger als einen Tag hielt – häufig sogar nur ein paar Stunden –, aber zumindest brauchte er Louisa nicht extra aufzusuchen. Wenn sie meinte, dass es Zeit für eine Veränderung sei, kam sie zu ihm. Einmal, als er schwer beschäftigt gewesen war, hatte sie ihn gleich am Schreibtisch umgestylt, während er sich weiter um die Angelegenheiten des Rudels, inklusive des neuen Bündnisses mit den BlackSea-Gestaltwandlern, gekümmert hatte. Am Ende hatten in seinen Haaren silberne Sternchen gefunkelt.
Die Wölfchen in seiner Höhle waren begeistert gewesen.
Garnet hatte ihn gefragt, ob er in der Kindertagesstätte in einen Tuschkasten gefallen sei.
Wieder glitt ein Grinsen über sein Gesicht. Vielleicht würde er Louisa bitten, ihm diese Frisur noch einmal zu machen. Nein, lieber nicht. Seine Belustigung schwand, als er wieder seine Haare betrachtete. Garnet zu piesacken, war immer ein Mittel gewesen, um mit ihr in Kontakt zu bleiben ohne in ihre Nähe kommen zu müssen. Aber wenn er ernsthaft vorhatte, sie aufzugeben, musste er damit ebenso aufhören wie mit dem Flirten und dieses letzte zarte Band zwischen ihnen zerschneiden. Ihre Freundschaft, ihr Lachen, die Art, wie sie ihn früher angesehen hatte, das alles war für ihn bereits verloren. Nun blieb nur noch das.
Noch nicht, flüsterte seine Seele voll Verzweiflung. Sie hat keinen Gefährten gewählt, ist mit niemandem zusammen. Noch müssen wir sie nicht vollständig aufgeben.
Kenji seufzte bei diesem Gedanken, der seine Sehnsucht nach Garnet nur verschlimmerte, und verließ das Gästezimmer, das ihm zugewiesen worden war. Er war vor einer Viertelstunde in Garnets Höhle eingetroffen, hatte in aller Ruhe seine Sachen versorgt und versucht, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber jetzt wurde es Zeit, sich bei ihr zu melden und an die Arbeit zu gehen.
Die erste Person, der er begegnete, war die hochschwangere Ruby.
Garnets ältere Schwester eilte ihm entgegen – oder versuchte es vielmehr. »Kenny!« Ihre Beine steckten in bunten Leggings, ihr Oberkörper in einem elastischen schwarzen Top.
Er umarmte sie behutsam und tat, als bisse er sie ins Ohr. »Lass das, sonst nenne ich dich wieder Hefeklops.« Den berüchtigten Spitznamen hatte er ihr während eines Vorkommnisses in ihrer frühen Jugend verliehen.
Sie versetzte ihm einen Stups mit dem Ellbogen und blitzte ihn unter ihrem glänzenden, zerzausten blonden Bob aus großen blauen Augen an. »Wage es ja nicht. Ich bin inzwischen eine hoch angesehene Mutter.«
»Und ich ein Offizier.« Er küsste sie auf die Wange.
»Und was für ein hübscher.« Sie tätschelte ihm mit ihrer zarten Hand, deren Fingernägel leuchtend rot lackiert waren, das Kinn und lächelte ihn voller Zuneigung an. »Danke für den Fußpflege-Gutschein. Woher wusstest du, dass ich zurzeit Knöchel wie ein Elefant habe?«
»Ich wette, deine Knöchel sind so sexy wie eh und je.« Abgesehen von ihrem runden Bauch und den etwas volleren, rosigen Wangen sah Ruby exakt aus wie immer: zierlich und bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen.
Genau wie ihre jüngere Schwester.
»Du bist ein Schmeichler, wie er im Buche steht, Kenji Tanaka, aber als deine ehemalige Schulkameradin bin ich immun dagegen. Erinnerst du dich noch an unsere Schlammschlachten? Du hattest einen hundsgemeinen linken Arm.« Ein Lachen stand in ihren blauen Augen, die Garnets Augen so ähnlich waren. »Jetzt heraus mit der Sprache. Hat Steele etwas gesagt?« Ihr Zwillingsbruder war zugleich Kenjis bester Freund.
»Er würde es nicht wagen, Rubys Rache heraufzubeschwören.«
Besagter Racheengel versuchte, ihn ins Ohr zu kneifen.
»Die Idee stammt von Louisa«, bekannte er grinsend. »Ich wollte dir eine Freude machen, und sie erzählte mir, dass sie während ihrer Schwangerschaft für eine Fußmassage gemordet hätte.« Die Friseurin hatte ihm gerade goldenen Glimmer auf das Haar gesprüht, während er Aufwendungen für die Höhle per Unterschrift absegnete.
Er hatte bereit sein wollen für eine bevorstehende Videokonferenz mit Garnet.
»Tja, damit hast du wirklich ins Schwarze getroffen.« Ruby winkte ihn näher zu sich heran, und als er sich vorbeugte, küsste sie ihn auf die Wange. »Apropos Nachwuchs … Ich dachte immer, dass du und Garnet … du weißt schon.«
Ein Messerstich in sein Herz hätte nicht schmerzhafter sein können als diese saloppe, humorvolle Bemerkung. »Im Ernst?« Er lächelte verschmitzt und gab die entsprechende Antwort, ohne die offene Wunde in seinem Herzen preiszugeben. »Keine Sorge, sie wird meinem Charme irgendwann erliegen.«
Eine steile Falte erschien zwischen Rubys Augenbrauen. »Hmm.« Sie sah sich um, bevor sie sagte: »Wie es scheint, weißt du das mit Revel nicht.«
»Revel?« Kenji überlief ein Frösteln. »Ich kenne ihn natürlich. Er wurde vor ein paar Monaten befördert, hat für einen höheren Posten die Höhle gewechselt.« Er war ein drahtiger, im Nahkampf gefährlich schneller Rudelgefährte, den Kenji immer gemocht hatte.
»Richtig. Nach seinem Transfer hierher wurde er Garnets Assistent.«
»Willst du damit sagen, die beiden sind ein Paar?« Es hatte kein Ritual stattgefunden, davon hätte Kenji erfahren.
Ruby hob die linke Hand und bewegte sie hin und her. »Zwei Rendezvous, und ein drittes steht kurz bevor.« Sie senkte den Arm und streichelte über ihren Bauch. »Ich mag dich, und ich mag Revel, darum werde ich nicht Partei ergreifen, aber falls du vorhast, ihr Avancen zu machen, Kenji, solltest du es gleich tun. Garnet nimmt die Sache mit ihm ernster als mit jedem anderen, den sie je gedatet hat.«
»Komm schon, Ruby, du weißt, dass du mich am liebsten hast.« Kenji spielte mit, obwohl er wie vor den Kopf geschlagen war. Garnet und ihre Schwester standen sich sehr nah. Wenn Ruby also den Eindruck hatte, dass zwischen Garnet und Revel etwas Ernsthaftes entstehen könnte, konnte sie ihn nur von Garnet selbst bekommen haben.
Ruby verdrehte die Augen, aber ihre Mundwinkel hoben sich, und es erschien auf einer Seite ein kleines Grübchen daneben. Garnet hatte das gleiche. Kenji hatte sich unzählige Male vorgestellt, es zu küssen, bevor sie lachend die Wange an seiner riebe.
»Ich mag dich, aber du hast dich wie ein geiler Bock aufgeführt.«
Ihre Bemerkung war wie ein Guss Eiswasser auf seine Fantasien. »Dann hatte ich halt mal eine Schürzenjäger-Phase.« Er setzte jenes strahlende Lächeln auf, das die Leute davon abhielt, zu tief in ihn hineinzusehen und zu erkennen, dass Kenji Tanakas Reputation zu jener Zeit vielleicht weit skandalträchtiger gewesen war als die Realität.
Diese Reputation war eine weitere Verteidigungslinie, um Garnet auf Abstand zu halten. »Ich war nicht der erste Wolf, der in den Jahren, wenn die Hormone verrückt spielen, über die Stränge geschlagen hat.« Zumindest das entsprach der Wahrheit. Junge Männer waren bekannt dafür, dass sie sich auf sexueller Ebene auf eine Weise ausließen, als gäbe es kein Morgen.
Erst letzte Woche hatte Kenji beim Betreten des Kraftraums in seiner Höhle zerrissene Klamotten auf den Geräten verstreut vorgefunden. Die Gerüche in der Luft hatten verraten, dass nicht ein Kampf die Ursache war, und da die Trainingsbereiche zu den Gemeinschaftsräumen zählten, war es ein klarer Regelverstoß gewesen.
Er hatte ein fast noch intaktes T-Shirt an die Tür geheftet und dazu geschrieben: Fundstück – lasst euch bei Kenji blicken.
Eine Stunde später hatten sich die Missetäter mit hochroten Gesichtern zu ihm ins Büro geschlichen, nachdem sich der Vorfall in Windeseile herumgesprochen hatte. Da Kenji nicht nur wusste, wie schwer es sein konnte, den von seinen ureigenen Bedürfnissen beherrschten Körper unter Kontrolle zu halten, sondern auch, dass die Hänseleien, die die beiden ohnehin von den anderen einstecken mussten, Strafe genug waren, ermahnte er sie nur, sich künftig auf ihre privaten Zimmer zu beschränken und hinterher aufzuräumen.
»Aber du hast erheblich über die Stränge geschlagen, Kenji.« Ruby piekte ihn mit dem Finger in die Brust. »Du schienst entschlossen, jede willige Frau, derer du habhaft werden konntest, flachzulegen.«
»Hör auf, so zu reden.« Er vergewisserte sich mit einem Blick in ihr Gesicht, dass sie einverstanden war, und berührte sanft ihren Bauch. »Dein Kind bekommt sonst ein völlig falsches Bild von seinem zukünftigen Onkel Kenji.« Es tat schrecklich weh, weiter mitzuspielen, obwohl er wusste, dass nicht der Hauch einer Chance bestand, Garnet je für sich zu gewinnen.
Und das hatte er sich durch sein ganz bewusstes Handeln selbst zuzuschreiben.
Er ertrug es nur deshalb, weil es noch schlimmer gewesen wäre, diesen schmerzlichen Ausdruck von Verlust in Garnets Augen zu sehen. Vor Jahren, bevor er alles darangesetzt hatte, das Band zwischen sich und ihr zu zerstören, hatte sein Wolf ihn beschworen, ihr die Wahrheit zu sagen und sie selbst entscheiden zu lassen, ob sie mit ihm zusammen sein wollte. Aber er hatte es nicht gekonnt, weil er ihr Herz kannte. Sie war wesentlich selbstloser, als ihr guttat. Sie hätte sich für ihn entschieden, ohne sich darum zu scheren, was das für sie bedeutet hätte.
Kenji hätte heute so wenig mit dieser Entscheidung leben können wie damals – Garnet ihre Träume zu nehmen. Und den einen, den das Zusammensein mit ihm zerstören würde, hegte sie schon seit ihrer Kindheit. Er konnte ihr alles geben, nur nicht die eine Sache, die sie sich seit Jahren unvermindert stark wünschte.
Ruby streckte sich und stützte sich mit einer Hand im Rücken ab. »Ich erleide noch einen Bandscheibenvorfall, wenn dieses Baby nicht bald kommt.« Lächelnd streichelte sie ihren Bauch. »Mama hat dich lieb, mein Kleiner. Sie möchte dich im Arm halten.«
Kenji strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr, dann sprudelten die Worte einfach aus ihm heraus. »Dann meinen es Garnet und Rev wirklich ernst miteinander?« Er hatte kein Recht, das zu fragen, aber er konnte sich so wenig beherrschen, wie er aufhören konnte, Garnet zu lieben.
»Du kannst nicht mit Revel konkurrieren.« Rubys Miene wurde weich. »Genau das versuche ich dir zu sagen. Garnet mag dich süß finden, gleichzeitig hält sie dich für einen Weiberhelden.« Sie zog das letzte Wort in die Länge. »Und meine kluge, hinreißende Schwester hat nicht das Bedürfnis, sich mit einem Weiberhelden einzulassen. Sie ist auf der Suche nach einer dauerhaften Beziehung, nicht nach einer flüchtigen Affäre.«