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Touchdown für die Liebe
Für die ehrgeizige Assistenzärztin Allison zählt nur ihr Job in der Unfallchirurgie - und für ihre kranke Mutter da zu sein. Da bleibt keine Zeit für ein Liebesleben. Dann wird Leroy, der attraktive Runningback der Florida Falcons, verletzt auf ihrer Station eingeliefert. Und er scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, Allison für sich zu gewinnen. Aber sie lässt ihn abblitzen, ihr Leben ist schon chaotisch genug ...
Unerwartet wird Allison die Stelle als Teamärztin der Florida Falcons angeboten, die sie nicht ausschlagen kann. Denn sie bedeutet die Möglichkeit, ihre Schulden zurückzuzahlen, mehr Zeit für ihre Mum zu haben und tatsächlich beruflich weiterzukommen. Doch so kann sie Leroy natürlich nicht mehr aus dem Weg gehen. Wie lange kann sie dem charmanten Footballstar widerstehen?
Erlebe die knisternde Spannung auf und neben dem Spielfeld mit dem zweiten Band der heißen und emotionalen Football-Romance-Reihe rund um die Spieler der Florida Falcons, die dir mit Sicherheit den Kopf verdrehen.
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Touchdown für die Liebe
Für die ehrgeizige Assistenzärztin Allison zählt nur ihr Job in der Unfallchirurgie – und für ihre kranke Mutter da zu sein. Da bleibt keine Zeit für ein Liebesleben. Dann wird Leroy, der attraktive Runningback der Florida Falcons, verletzt auf ihrer Station eingeliefert. Und er scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, Allison für sich zu gewinnen. Aber sie lässt ihn abblitzen, ihr Leben ist schon chaotisch genug …
Unerwartet wird Allison die Stelle als Teamärztin der Florida Falcons angeboten, die sie nicht ausschlagen kann. Denn sie bedeutet die Möglichkeit, ihre Schulden zurückzuzahlen, mehr Zeit für ihre Mum zu haben und tatsächlich beruflich weiterzukommen. Doch so kann sie Leroy natürlich nicht mehr aus dem Weg gehen. Wie lange kann sie dem charmanten Footballstar widerstehen?
Erlebe die knisternde Spannung auf und neben dem Spielfeld mit dem zweiten Band der heißen und emotionalen Football-Romance-Reihe rund um die Spieler der Florida Falcons, die dir mit Sicherheit den Kopf verdrehen.
K A R I T E N E R O
Play me dirty
Der Anblick des Stadions der Florida Falcons ist jedes Mal aufs Neue beeindruckend. Doch heute löst es ganz andere Empfindungen als Begeisterung in mir aus. Nein, heute muss ich mich mit einem Summen von meinem mulmigen Gefühl im Magen ablenken, als ich um die Ecke biege und auf das Stadion zusteuere. Unruhig rucke ich den Gurt meiner Sporttasche auf meiner Schulter zurecht und balle meine Finger zu Fäusten, um ihr Dauerzittern zu verbergen. Ich kann es echt nicht gebrauchen, dass ich für schwach gehalten oder sogar als Weichei bezeichnet werde.
»Leroy!«, kreischt jemand vor mir laut los und kommt mir auf dem Fußweg entgegengerannt. Eine Brünette mit einem breiten Lächeln hält mir einen Stift unter die Nase.
Ich zwinkere ihr gelassen zu und unterschreibe auf ihrem rot-weiß gestreiften Trikot der Florida Falcons auf Höhe ihrer Brust, bevor ich ihr den Stift zurückgebe – mit einem Lächeln, das normalerweise dafür sorgt, dass ich nicht allein nach Hause gehen muss. Aber nicht heute. Heute will ich die neue Saison mit einem Sieg für die Falcons einläuten.
Die Frau seufzt und sieht mich schmachtend an. Doch ich beachte sie nicht weiter und gehe geradewegs auf den Eingang des Footballstadions zu.
»Oh mein Gott, ja, das ist Leroy!«, ruft die nächste Frau.
Langsam drängen sich immer mehr Menschen gegen die Absperrung, die die Fans ins Stadion leitet und von der ich dachte, ich könnte gemütlich an ihr vorbeilaufen. Aber jetzt wackelt sie gefährlich. Einige überqueren sie sogar, um zu mir zu gelangen, und ich verstehe langsam, wieso die anderen Spieler mir geraten haben, nicht zum Stadion zu laufen. Aber da ich bis letztes Jahr noch auf der Ersatzbank saß und erst für diese Saison als Runningback im Hauptkader verpflichtet wurde, bin ich davon ausgegangen, zumindest jetzt zu Beginn relativ unbeachtet zu bleiben. Fehlanzeige.
Prompt zieht jemand an meinem Shirt. Grelles Blitzlicht blendet mich und lässt mich kurzzeitig halb blind an den Wachmännern vorbei ins Stadion taumeln, die die Massen zurückdrängen.
»Leroy, du schaffst das!«
»Mach sie fertig, und zeig, dass wir auch diese Saison gewinnen werden!«
Krampfhaft ziehe ich die Schulterblätter zusammen. So viel Aufmunterung gespickt mit Hoffnung und dem Druck, den ich mir selbst mache, verstärkt das mulmige Gefühl.
»Leroy! Leroy! Leroy!«
Ich atme tief durch, dann setze ich mein Bilderbuchlächeln auf und drehe mich gekonnt, um der Masse zuzuzwinkern. Wie mein viel zu schneller Herzschlag pulsiert der Jubel durch den Betondurchgang, an dem ich stehen bleibe und die Reaktion der Fans auf mich wirken lasse.
Tatsächlich bin ich sogar außerstande, etwas zu sagen. Also mache ich das, was sich gerade am passendsten anfühlt und winke wie der König von England, wenn er in seinem Bentley durch London fährt. Ob er sich dabei wohl erhaben fühlt? – Ich für meinen Teil fühle mich lächerlich. Deswegen drehe ich mich schnell um und marschiere weiter durch den dunklen Gang. Mit jedem Schritt werden die Jubelrufe leiser, auch wenn sie nicht komplett verschwinden, weil sich das Stadion über mir füllt.
Automatisch beschleunige ich meine Schritte und erreiche endlich die rettende Tür. Ich reiße sie auf und trete in die Umkleide, in der sich alle Spieler lauthals unterhalten. Erneut atme ich tief durch. Die Normalität holt mich ein, denn hier drinnen bin ich ein normaler Mann wie jeder andere auch. Nicht der Spieler, von dem in den letzten Wochen immer wieder in kleineren Artikeln sämtlicher Lokalzeitungen die Rede war, nicht der Liebhaber für eine Nacht oder der Hoffnungsträger der Saison.
»Na, wie war deine Dusche in der Menschenmenge?«, fragt mein Runningback-Kollege Trevor mit einem hämischen Grinsen und beißt von seinem Proteinriegel ab.
Ich durchquere den Raum, lege meine Tasche auf die Bank und öffne die graue Metalltür. »So toll, dass ich das nächste Mal mit dem Auto kommen werde«, kontere ich gespielt erheitert, obwohl ich am liebsten vor Aufregung kotzen würde. Schon allein zu sehen, wie Trevor genüsslich auf seinem Riegel herumkaut, lässt meinen Magen rebellieren.
Lautes Gelächter folgt, das jedoch nicht lange anhält, und so ziehe ich mich schließlich um. Alle Geräusche rücken in den Hintergrund, denn gerade möchte ich mich nur in einem Schneckenhaus verkriechen. Aber das würde nicht zu dem Mann passen, den ich der Welt präsentiere. Den starken Kämpfer, dem nichts geschenkt wurde und der endlich für die vielen Mühen und Entbehrungen belohnt wird. Der sonst heute nicht hier stehen würde – obwohl ich das gerade in diesem Moment auch nicht schlecht finden würde.
Nervös lasse ich mich auf die Holzbank fallen und sehe den anderen mit wippendem Fuß dabei zu, wie sie sich gut gelaunt unterhalten. Wie können sie nur so verdammt ruhig sein, wenn man über uns bereits die Massen jubeln hören kann und das Dröhnen der Musik, die laut durch das Stadion schallt?
Wie eine Lawine überrollen mich die Versagensängste. Gefühlt gestern stand ich noch auf dem Rasen der Windham High University in der Nähe von New York und habe mich von den Zuschauern und den Cheerleaderinnen anfeuern lassen, bevor ich meinen Abschluss in Wirtschaft entgegengenommen habe. Und jetzt werde ich dank des Talent-Scoutings plötzlich von Massen in einer kaum vorstellbaren Dimension angefeuert. Dabei ist das Spiel heute eine ganz andere Hausnummer, weil es keine Ersatzbank gibt, die mir einen gewissen Schutz vermittelt.
Schon fast automatisch fahre ich mir durch die kurzen, zurückgegelten Haare, die nun bestimmt in alle Himmelsrichtungen abstehen, und vergrabe mein Gesicht in den Händen.
»Das schaffe ich nicht.« Das sind die motivierendsten Worte, die meine Gedanken wie eine Beschriftungsmaschine ausspucken und mir schwarz auf weiß offenbaren, was ich bereits seit Tagen fühle. Die Fassade eines unerschütterlichen Spielers, der in die Kamera lächelt und die Frauenherzen zum Schmelzen bringt, bröckelt.
Eine Hand landet auf meiner Schulter, und ich zucke zusammen.
»Hey, beruhig dich.«
Ich drehe den Kopf und blicke in das entspannt aussehende Gesicht von Mike, dessen Glatze mit feinen Schweißperlen besetzt ist.
Was mich gar nicht wundert, denn auch mir ist heiß. Dabei trage ich noch nicht einmal meinen Brustpanzer. Er würde mich zusätzlich einengen und mir die Luft zum Atmen nehmen.
»So ging es uns allen, als wir die Ersatzbank verlassen haben. Es wird besser.« Mike zwinkert mir aufmunternd zu.
Bevor ich jedoch eine Antwort zustande bringen kann, geht die Kabinentür auf, und unser Trainer Simon steht in einem rot-weiß gestreiften Jogginganzug samt passendem Cappy in der Tür. Leider allein, weil Coach Jim sich mit seiner Frau ein Strandhaus am anderen Ende der USA gekauft hat.
Schlagartig verstummt das wilde Durcheinandergerede, und alle Anwesenden drehen sich zu Simon um.
Er tritt in die Mitte des Raumes und sieht sich schweigend um. Kurz ruht sein Blick auf mir, als wäre ich für ihn die diesjährige Hoffnung des Teams.
Leg doch noch einen Zementblock mehr auf meine Schultern.
Mein Magen rutscht mir in die Kniekehlen. Am liebsten würde ich mich in die Ecke stellen und endlich die Aufregung auskotzen. Aber auch das würde mir nicht helfen.
Unser Trainer hebt die Hand. »Ein Wort«, sagt Simon so kraftvoll und fast schon furchteinflößend, dass alle an seinen Lippen kleben. Seine Präsenz füllt den gesamten Raum aus und lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass er als ehemaliger Quarterback, mit dem wir letzte Saison gewonnen haben, entschlossen ist, alles aus uns herauszuholen.
»Superbowl«, sagt er kurz und knapp, aber so eindringlich, dass sich die Worte wie ein Laser in meine Brust brennen. »Nicht mehr und nicht weniger ist dieses Jahr das Ziel.« Wieder blickt er beherzt durch die Reihen.
Die ersten Spieler nicken vorsichtig.
»Schaffen wir das?«, fragt er.
Ein leises Brummen geht durch den Raum, und Mike, der immer noch neben mir steht, strafft seine Schultern.
Simon hält sich die Hand ans Ohr. »Ich hab euch nicht gehört, Jungs. Ich hab gefragt, ob wir das schaffen?«, fragt er lauter nach.
»Ja«, antworten alle im Chor.
»Ihr seid das jüngste Team der Saison. Ihr seid stark, ihr seid schnell, und ihr werdet den anderen Teams zeigen, dass dieser Pokal in Clearwater bleiben wird! Habe ich recht?«, schreit er, und seine Stimme hallt bedeutungsvoll von den Wänden wider.
Mühsam schlucke ich all die nagenden Ängste herunter, denn verdammte Scheiße, ja. Ich gehöre zum Team, das es den anderen Mannschaften zeigen wird. Endlich finde ich den Antrieb wieder, den ich kurz verloren hatte.
»JA!«, schreien wir alle gemeinsam zurück.
»Dann will ich euren Kampfgeist da draußen in jedem Spielzug, in jedem Pass und in jedem Tackle sehen!«
»JA, Coach!«
»Kriegen wir das hin?«
»JA, Coach!«
»Werden wir gewinnen?«
»JA, Coach!«
Simon deutet nach draußen in Richtung der immer lauter jubelnden Fans, die nur auf uns warten, uns endlich sehen wollen und die nichts Geringeres als einen Sieg erwarten. »Dann geht da raus und rockt das Stadion!«
Wieder schreien alle durcheinander und folgen unserem frischgebackenen Trainer aus der Kabine.
Von seiner Energie angesteckt, springe ich auf, streife mir Brustpanzer und Trikot über, schnappe mir meinen Helm und laufe zu Mike, der an der Tür auf mich gewartet hat und mir abermals seine Hand auf die Schulter legt.
»Du wirst merken, dass sich durch deinen Aufstieg nichts geändert hat. Am Ende ist es für uns wie atmen.«
Ich nicke, und dann treten wir gemeinsam in den Gang und hinaus auf das Spielfeld, wo mich die Scheinwerfer erst einmal zum Blinzeln bringen. Doch kurz darauf vibriert die aufgeheizte Stimmung durch meinen Körper. Wie ein Schwamm sauge ich die Anfeuerungen, die laute Musik und die gute Laune meines Teams auf. Meine Nervosität rückt in weite Ferne, und ich juble dem rot-weißen Farbenmeer auf der Nordtribüne zu. Nicht wie ein König in einem alten Bentley, sondern wie ein Sportler, der die Saison seines Lebens spielt.
Mit schmerzenden Füßen stehe ich im Bereitschaftsraum und fülle meine Tasse mit frischem Kaffee auf. Ich nippe daran und verziehe sofort das Gesicht. Es gibt nichts Ekligeres als kalten Kaffee.
Vorsichtig taste ich die Wärmeplatte ab, die ihrer Aufgabe mal wieder nicht nachkommt, obwohl das rote Licht des On-Knopfes leuchtet. Zum Glück bin ich mittlerweile kalten Kaffee gewohnt, weil ich ständig den Hilferufen auf meinem Pager nachjage.
Ich seufze und nehme einen weiteren Schluck, denn ohne das Koffein könnte ich diese andauernden Nachtschichten im Krankenhaus nicht mehr bewerkstelligen. Und ehe ich frischen Kaffee gekocht hätte, würde ich mit Sicherheit schon zur nächsten Konsultation gerufen werden.
Gähnend fahre ich mir mit den Fingern über die juckende Stirn, an der ich immer noch die Abdrücke der OP-Haube ertasten kann, die ich die letzten sechs Stunden getragen habe. Wieder einmal durfte ich nur die Haken bedienen, die die Wunde offen halten. Aber es war seit Langem mal eine Chance, überhaupt OP-Luft zu schnuppern.
»Bis morgen!«
Unwillkürlich spanne ich mich an und blicke in den Flur. Dort verabschiedet sich gerade Josh von Lore, der schwarzhaarigen und immer perfekt gestylten Stationsschwester.
Einen weiteren Schluck trinkend, verfolge ich, wie mein sogenannter Mentor mit schlaksigen Schritten an der Tür vorbeigeht und sich selbstverliebt durch das kurze blonde Haar fährt. Dabei bemerkt er mich glücklicherweise nicht.
Ich atme auf, weil ich ihn für die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht sehen muss – und auch, weil ich nicht wieder zu einem gemeinsamen Mittagessen genötigt wurde, nur um ihm seine Erlaubnis für meinen OP-Besuch zu vergelten.
Ich stelle die Tasse zurück und laufe zur Tür, auch wenn ich mich noch nicht von den düsteren Gedanken zu Josh lösen kann.
Sein wohlwollendes Verhalten lag mit Sicherheit nur daran, dass unser Chefarzt ihn gerügt hat, weil er seiner einzigen Assistenzärztin im Fachgebiet Unfallchirurgie auch nach einem Jahr nicht genug beigebracht hat und diese bei der letzten Visite ratlos dastand. Zwar hätte ich die Antwort gewusst, aber die Genugtuung, zu sehen, wie sich Joshs Gesicht rot verfärbt, weil er als unfähiger Mentor dastand, war es mir wert, unwissend zu tun.
Ein kleines Lächeln legt sich auf meine Lippen, während ich auf den Gang trete, über den lautes Getöse hallt. Automatisch drehe ich den Kopf und blicke zur offen stehenden Tür schräg gegenüber. Mr Sires in Zimmer 443 jubelt laut los, und die penetrante und monoton klingende Stimme eines Stadionsprechers hallt über den Flur.
»Touchdown!«
In meinem Kopf rattert es, weil ich diese Geräusche eine Weile nicht gehört habe und mir bei meinen ganzen Zusatzschichten teilweise das Zeitgefühl fehlt. Aber das klingt eindeutig nach Football. Also muss die Saison begonnen haben.
Ungute Erinnerungen fluten meine Gedanken und landen als Wackerstein dumpf in meinem Magen. Ich konnte diesen Hype noch nie nachvollziehen. Und seitdem diese Sportart dafür verantwortlich ist, dass mein Leben vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist, muss ich mich immer dazu zwingen, mein sonniges Gemüt nicht zu verlieren, sobald die Sprache auf Football kommt. Denn seit mittlerweile sechs Jahren stottere ich die Schulden meines Vaters ab, der sich bei Footballsportwetten völlig verkalkuliert hat. Und zum Dank hat er gleich noch meine Mom und mich verlassen.
Ich reibe mir über die schwerer werdenden Augenlider und nehme gleichzeitig mehrere tiefe Atemzüge, um mir den Groll nicht anmerken zu lassen. Wenn Mr Sires sein Interesse für Sport auch in seine eigene Physiotherapie stecken würde, könnte er schon lange zu Hause sein. Aber er scheint lieber dabei zuzusehen, wie sich Männer in bunten und teilweise lächerlich wirkenden Trikots die Köpfe einrennen und sich die Knochen brechen.
Mal ehrlich, wozu macht man solch einen Job, wenn meistens nur Schmerzen und lange Rehabilitationen der Dank sind? Natürlich freue ich mich als Unfallchirurgin über solche Verletzungen, da sie immer wieder eine neue medizinische Herausforderung darstellen. Sonst hätte ich mir dieses Fachgebiet nicht gleich nach meinem Studium ausgesucht. Doch eigentlich sollte ich Menschen helfen, die wirklich wichtiger Arbeit nachgehen und sich dabei verletzen. Nicht irgendwann solch einen Möchtegernspieler zusammenflicken, der eines der teuren städtischen Krankenhausbetten belegt. Sowieso wären solche Menschen besser in einer Privatklinik aufgehoben, wo sie von morgens bis abends umsorgt werden und man es gewohnt ist, dass sich die Reporter die Nase an der Scheibe platt drücken, um ein Bild von deren nackten Hintern zu schießen, wenn sie unter den Krankenhaushemden hervorblitzen.
Mein vibrierender Pager reißt mich aus den missmutigen Gedanken. Schnell sehe ich auf die Anzeige, die mir verrät, dass gerade ein neuer Patient für meine Station über die Notaufnahme angekündigt wurde.
Mit dem lauten Gejubel im Rücken gehe ich zügigen Schrittes die Treppen zur Notaufnahme hinunter. Kaum trete ich durch die Tür, strömen mir die unterschiedlichsten Geräusche entgegen. Das Piepen einer Beatmungsmaschine, deren Parameter neu eingestellt werden müssen. Oder die verständnisvolle Stimme eines Pflegers, der versucht, einen ungehaltenen Patienten zu beruhigen, der nicht auf seiner Pritsche liegen bleiben will. Ja, ein ganz normaler Abend im Federal Memorial Hospital.
Meine eben noch verspürte Müdigkeit verdränge ich und laufe durch das beherrschbare Chaos um mich herum zum Tresen, hinter dem Marlies das Zepter schwingt. Wie immer wirkt sie grimmig, als sie mich über die rechteckigen Gläser ihrer Lesebrille hinweg ansieht.
»Was gibt es?«, frage ich entschlossen und mit einem leichten Kribbeln in der Magengegend, weil Notfälle immer etwas von Überraschungseiern haben. Spiel, Spaß und Spannung, und am Ende bleibt der Geschmack der süßen Freude, wenn man jemandem dabei geholfen hat, wieder gesund zu werden.
»Weiß ich noch nicht«, antwortet Marlies patzig, schaut auf den Bildschirm und klickt wild auf der Maus herum.
Da sie mich nicht demotivieren kann, beachte ich sie nicht weiter, drehe mich um und lehne mich mit dem Rücken gegen die harte Holzkante, um den Eingang besser beobachten zu können. Kaum stehe ich einigermaßen bequem, öffnet sich die Automatiktür, und die Rettungssanitäter schieben eine Liege in die Notaufnahme, gefolgt von einem Mann mit grauen Haaren und rotem Jogginganzug. Sofort drängt er sich an den Sanitätern vorbei und fängt an, wild mit den Händen zu gestikulieren. Dazu die rote Gesichtsfarbe und man könnte meinen, der Teufel persönlich steht vor mir.
Ich verkneife mir das Lachen, weil ich intuitiv weiß, dass das mein Fall wird. Entschlossen drücke ich mich vom Tresen ab und gehe einige Schritte auf sie zu.
»Guten Abend«, begrüße ich den älteren Herrn freundlich und hoffe, ihm etwas von der Anspannung nehmen zu können, die sich durch sein mahlendes Kinn deutlich bemerkbar macht. Dabei wirkt das Bild vor mir nicht gerade wie ein schwerer, lebensverändernder Unfall. Wo ist das Blut? Wo sind die offenen Knochenbrüche? Ich erkenne lediglich einen wenig bekleideten Mann, der leise stöhnend auf der Pritsche liegt. Dabei laufen ihm die Schweißperlen über die bronzefarbene Haut und verraten mir auch ohne Untersuchung, dass er starke Schmerzen hat.
Der Mann im Jogginganzug beachtet mich nicht und stützt sich stattdessen nach Luft schnappend auf den Tresen. »Wo finde ich den verantwortlichen Arzt?«, platzt es aus ihm heraus.
Wenig beeindruckt sieht Marlies auf und blickt auf die Uhr gegenüber dem Tresen, um wahrscheinlich abschätzen zu können, ob der Stationsarzt der Traumatologie noch Dienst hat.
Nein, hat er um halb sieben nicht mehr – zum Glück. Deswegen bin ich ja gerufen worden.
Genervt holt sie Luft und schaut sich um, bis ihr Blick auf mich fällt. Mit einem ihrer dunklen, faltigen Finger deutet sie auf mich. »Allison Marco ist gerade für die Erstaufnahmen in der Unfallchirurgie verantwortlich.«
Sofort schnellt sein Kopf in meine Richtung. Er macht einen großen Schritt, steht genau vor mir, und die Liege mit dem vermeintlichen Patienten folgt ihm. »Wir müssen ihn sofort röntgen!«, fordert er aufgebracht.
Ich hingegen kann ihn bloß mit großen Augen anstarren. Weiß er denn nicht, wie das gängige Prozedere für Patienten in einem Krankenhaus aussieht? Eigentlich habe ich nach der fünften Nachtschicht keine Nerven mehr dafür, die einfühlsame Ärztin zu sein. Aber das gehört zu diesem Job dazu. Also bin ich wie immer nett und freundlich.
»Beruhigen Sie sich erst einmal. Was ist denn überhaupt passiert?«, hake ich nach. Ehe Sie mir einen bereits fertigen Diagnostikplan an den Kopf schmettern, obwohl ich noch nicht einmal wirklich weiß, wer hier wie schwer verletzt vor mir liegt.
Während sich seine Miene verfinstert, wandert mein Blick zu dem Logo auf seiner Brust: rot-weiß gestreift, mit einem gut gelaunten, zwinkernden Adler in der Mitte. Darunter der Name Doc Mitchell. Wieder rattert es in meinem Kopf. Wenn ich eins und eins richtig zusammenzähle, steht hier einer der Ärzte der Florida Falcons vor mir. Die Farbe der Mannschaft verfolgt mich schon mein gesamtes Leben – das Los einer Einheimischen.
Aber sollte der Arzt nicht neben dem Spielfeld stehen und hoffen, dass sich keiner seiner Spieler verletzt? Kurz sehe ich an dem Arzt vorbei zur Liege, auf der der stöhnende Mann den Kopf unruhig hin und her dreht. Sein rechtes Knie wird durch eine behelfsmäßig angebrachte Schiene gestützt.
Ich schlucke, denn sofort erklärt sich, wieso der Mann vor mir so viel Hektik verbreitet.
»Er wird sofort geröntgt«, redet er ruhig, aber mit deutlichem Nachdruck in der Stimme weiter. Eine dicke, fette Zornesfalte zeichnet sich auf seiner Stirn ab.
Okay, also keine Erklärung für die diensthabende Ärztin. Wieso nicht! Macht das Berufsleben gleich viel spannender.
»Das Röntgengerät in der Notaufnahme ist defekt.« Ich blicke zu Marlies. »Sag bitte in der Radiologie Bescheid, dass wir sofort eines der Geräte benötigen.«
Langsam nimmt Marlies den Hörer ab.
Kurz nickend drehe ich mich um und laufe los. »Hier entlang, wir benutzen ein Ausweichgerät«, sage ich ruhig, obwohl es so wirkt, als hätte dieser Doc keine Zeit. Doch jetzt in Hektik zu verfallen, wenn nicht einmal Blut zu erkennen ist, wäre vollkommen fahrlässig.
Außerdem sehe ich nicht ein, wieso ich einen Sportler besser oder schneller behandeln sollte als einen normalen Bürger von Clearwater. Er atmet die gleiche Luft, er isst das Gleiche, daher sollte er wie jeder andere behandelt werden. Wobei, dann wären wir hier ja bei Wünsch dir was. Ich spüre schon, wie mir meine Aversion gegen Football die Kehle hochkriecht. Also atme ich tief durch und versuche, die negativen Gedanken beiseitezuschieben, die gerade keinen Platz haben sollten.
Innerlich seufze ich, denn ich weiß auch, was dieser hohe Besuch für Konsequenzen haben wird. Ich kremple die Ärmel meines Kittels hoch und ziehe das Diensttelefon aus der Tasche, um Josh anzurufen. Leider ist er der Stationsarzt und mein direkter Vorgesetzter. Wenn ich ihn nicht wenigstens darüber informiere, welche Persönlichkeit gerade die Schwelle unserer Lokalität überschritten hat, bedeutet das nur zusätzlichen Ärger für mich.
Es piept in der Leitung. Gleichzeitig folgt mir die Rettungsliege, deren quietschendes Rad unangenehm in meinem Ohr klingelt.
»Guten Tag, der Anrufer mit der Rufnummer …«
Ich lege auf und drücke die Taste des Fahrstuhls. Ohne dass es jemand mitbekommt, zucke ich mit den Schultern. Ich habe es wenigstens versucht. Als Nächstes wähle ich die Nummer meines Oberarztes. Es piept dreimal, und ich lege auf. Auch er hat so einen tollen Pager wie ich und wird sich melden, wenn er Zeit hat – was, sobald er erfährt, wer hier gerade eingeliefert wurde, sofort sein wird.
Der Fahrstuhltüren öffnen sich, wir steigen gemeinsam ein und fahren in den Keller. Wieder stöhnt der Mann vor mir auf. Auf seinem weißen Achselshirt zeichnen sich deutliche Grasflecken ab. Dazu die rot-weiß gestreifte Hose mit Erdflecken und das Bild eines für ihn misslungenen Spiels ist perfekt.
»Was ist passiert?«, frage ich mit festem Blick auf den Spieler, der abermals die Hände zu Fäusten ballt. Dabei zeigt er kaum Erholungsphasen. Sollte er ein Schmerzmittel bekommen haben – was ich bei den Symptomen hoffe –, scheint es nicht gut genug dosiert worden zu sein. Trotzdem kann ich nicht abstreiten, dass mich sein durchtrainierter Körper von meiner eigentlichen Aufgabe ablenkt.
»Das ist Leroy Williams«, erklärt Doc Mitchell. »Er ist einer unserer Runningbacks und wurde bereits in der ersten Halbzeit in die Mangel genommen. Das Knacken seiner Knochen hat man über das halbe Spielfeld gehört.«
Ich nicke. Auch wenn ich nichts von all den Fachsimpeleien verstehe, weiß ich jetzt wenigstens mit Gewissheit, dass ich heute noch einen OP-Saal von innen sehen werde. Denn das alles klingt nach einem komplizierten Bruch, der definitiv invasiv versorgt werden muss.
Im nächsten Moment erreicht der Fahrstuhl sein Ziel, und die Türen öffnen sich wieder. Schnell steige ich aus und entdecke auch schon Loys, eine der medizinisch-technischen Radiologieassistenten, die wir hier mit MTA abkürzen. Sie streckt ihren Kopf aus der ersten Kabine.
Ich lotse die Sanitäter samt Liege dorthin, und kurz darauf befinden wir uns alle in einem Raum, in dem sich nichts weiter als die Röntgenapparatur und einige Röntgenschürzen, die an der Wand hängen, befinden.
Loys schiebt vom Flur eines der Betten hinein, um den Spieler umzubetten. Ich beuge mich über Leroys Körper und greife unter das geschiente Bein. Schlagartig zieht er die Luft ein. Sein Kopf ruckt zu mir, und er sieht mich mit großen, wachen Augen an, ehe er wieder wie ein Häufchen Elend zusammensackt. Was haben sie ihm nur verabreicht?
»Auf drei«, gebe ich die Anweisung.
Alle Beteiligten nicken, und ich zähle an. Gleichzeitig bugsieren wir Leroys muskulösen Körper, der sich dabei völlig verspannt, ins Bett.
»Vielen Dank«, sage ich zu den Sanitätern. »Sie können jetzt gehen. Den Rest übernehme ich.« Damit drehe ich mich bereits zurück zu Leroy und hebe vorsichtig sein Bein an. Loys schiebt die Röntgenplatte darunter.
»Bin ich schon im Himmel?«, fragt Leroy kaum hörbar.
»Bitte?« Leicht irritiert sehe ich ihn an.
»Himmel?«, wiederholt er. Dabei umspielt ein schwaches Lächeln seinen Mund.
Sein Verhalten passt nicht zu seiner Verletzung. Macht er sich gerade über mich lustig?
»Nein, eher nicht«, antworte ich kurz angebunden und konzentriere mich auf die Arbeit von Loys, die das Bein kerzengerade auf der Platte ausrichtet, damit die Kniescheibe genau mittig von dem schwarzen Kreuz des Röntgengerätes beleuchtet wird.
»Mm, schade«, gibt er mit schwacher Stimme von sich. »Dabei könnte ich schwören, dass ein Engel vor mir steht.«
Ich sehe zu Loys, die zu kichern beginnt. Was stimmt nicht mit ihm? Eventuell ist er schwer verletzt, aber er bringt trotzdem total billige Anmachsprüche? Ist er vielleicht komplett high und bekommt es nicht mit?
Emotionslos schaue ich ihn an. »Wenn das Flirten noch funktioniert, steht es ja gar nicht so schlecht«, sage ich und richte seinen Oberkörper so aus, dass er eine etwas schmerzfreiere Liegeposition haben sollte.
Sofort stöhnt er mit leidendem Gesichtsausdruck auf.
Jetzt bin ich es, die sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. »Dafür, dass ein Footballer regelmäßig über den Haufen gerannt wird, ist das ganz schön wehleidig«, entfährt es mir, bevor ich darüber nachdenken kann.
Augenblicklich wird es still im Raum, und ich sehe in die entgleisten Gesichtszüge von Doc Mitchell, der mir gegenübersteht.
Aus meinem Schmunzeln wird ein verhaltenes Lächeln. Wieso kann ich auch nie meine Klappe halten, sondern muss immer laut denken?
Leroy lacht leise auf und fängt erneut an, die Hände zu Fäusten zu ballen. »Das ist wohl wahr. Gerade wenn ich jemanden so Hübsches vor mir habe, sollte ich mir wirklich nicht diese Blöße geben.« Er entspannt sich wieder. »Das merke ich mir für das nächste Mal, in Ordnung, Doktor …?«
Ich blicke zurück zu ihm. »Marco. Aber es klingt nach einem guten Vorsatz«, lege ich nach, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass ihn genau dieses Verhalten wenigstens ein klein wenig entspannt.
Bevor er jedoch reagieren kann, kommt Loys mit einer Lendenschürze, die sie Leroy auf den Schoß legt. Sorgfältig kontrolliere ich ein letztes Mal, ob alles richtig liegt und ausgerichtet ist.
Hinter mir räuspert sich jemand, und die tiefe Tonlage, die mitschwingt, kommt mir bekannt vor. Dazu der Geruch von frischem Zigarettenrauch, und das Bild setzt sich wie ein Puzzle in meinem Kopf zusammen.
»Danke, Allison, du kannst draußen warten.«
Langsam drehe ich mich um und sehe in das ernst dreinblickende Gesicht von Dr. Sage Bane, dem Chefarzt der Unfallchirurgie. Bestimmt war er noch im Haus. Sonst wäre er nicht so schnell hier gewesen. Dann wird sicher auch Josh bald hier aufkreuzen. Auf den Anruf vom Chefarzt wird er bestimmt eher reagieren als auf meinen.
Mit demselben Lächeln, das mir Leroy entlockt hat, nicke ich, gehe schnellen Schrittes aus dem Raum und hinter die Glasscheibe des Kontrollraums. Auch Doc Mitchell und Bane folgen mir, während sie sich angeregt miteinander unterhalten. Das Schlusslicht bildet Loys, die direkt neben der geschlossenen Tür stehen bleibt, um das Röntgengerät zu starten.
Immer wieder scheint Leroy sich durch Mikrobewegungen anders auf der Liege ausrichten zu wollen, obwohl ihm die jetzige Lagerung die beste Schmerzlinderung verschaffen sollte. Das bedeutet endgültig nichts Gutes. Seine Schmerzmedikation ist wirklich unterirdisch. Das muss doch auch sein Teamarzt erkennen. Aber wenn ich mich jetzt wieder wie der Klugscheißer vom Dienst aufspiele, brauch ich erst gar nicht in den Gang zum OP einbiegen, weil mich dieser Mitchell rausschmeißt.
Es piept, kurz wird es im Raum dunkel, und dann ist der ganze Zauber vorbei. Auf dem rechten Monitor erscheint die Röntgenaufnahme, und ich betrachte das komplette Ausmaß seiner Verletzung.
Dr. Bane stellt sich neben mich. »Was sehen Sie, Allison?«, fragt er mich in seiner unerschütterlich wirkenden Art, obwohl er genauso wie ich »Ach du Scheiße!« rufen müsste. Aber dazu macht er den Job wohl schon viel zu lange.
Ich zeige auf die weißen Bruchstellen auf der sonst grau-schwarzen Aufnahme. »Ich erkenne zwei Bruchstellen.« Mit den Fingern fahre ich nacheinander darüber. »Um eine chirurgische Versorgung werden wir nicht drum herum kommen, und ich bin mir fast sicher, dass es auch mindestens eine weitere Bruchstelle gibt, die wir auf dem Bild nicht ausmachen können. Aber ich würde keine Zeit mit einem CT oder MRT vergeuden wollen, weil es an der Behandlung nichts ändert.«
Dr. Bane nickt zustimmend. »Haben Sie Josh informiert?«
Schon bei dem Namen würde ich am liebsten sofort die Augen verdrehen. Stattdessen nicke ich nur. »Ich habe ihn angerufen. Er hat bis jetzt nicht zurückgerufen.«
Mein Chefarzt kratzt sich über den Dreitagebart. »Sind Sie gerade frei und können bei der OP assistieren?«, fragt er und sieht auf die Uhr.
In mir explodiert ein Feuerwerk. Ob ich gerade frei bin? Aber so was von! »Ja«, antworte ich und versuche mir die aufsteigende Freude, gleich aktiv bei einer Operation mithelfen zu können, nicht anmerken zu lassen.
»Ich piepe Seth über den Pager an, und dann sollte das kein Problem sein.«
»Gut, würden Sie dabei helfen, die Röntgenplatte zu entfernen?«
»Natürlich.« Ich tippe Seths Pagernummer ins Telefon, drücke kurz die grüne Taste und lege wieder auf. Er ist der Assistenzarzt auf der Kardiologie. Und da ich öfter für ihn einspringe, wenn er zu einer Not-OP im Nachtdienst eilt, wird er mir bestimmt den gleichen Gefallen erweisen.
Fast schon beschwingt gehe ich zurück zu Leroy und mustere ihn. Immer mehr Schweißperlen rinnen über seine Stirn. Sein Shirt und die sich darunter abzeichnende durchtrainierte Brust sind durchgeschwitzt.
Ich könnte schwören, dass sie ihm eine zu geringe Schmerzmitteldosis gespritzt haben. Das würde auch erklären, wieso es so wirkt, als würden die Beschwerden sekündlich schlimmer werden. Die Halbwertszeit der meisten Mittel ist bei einem so durchtrainierten Spieler viel zu kurz. Trotzdem muss ich zugeben, dass dieser Anblick schon was hat, zumal ich sonst ältere Herren und Damen betreue, deren Körper eindeutig nicht so makellos sind – bis auf das zerstörte Knie, aber das zähle ich jetzt einfach mal nicht mit.
Sofort verpasse ich mir selbst eine Ohrfeige, weil solche Gedanken momentan nicht angebracht sind und ich hier doch tatsächlich den Anblick von etwas genieße, das mit Football zu tun hat. Und wieder zeigt sich, wieso das Singledasein ganz eigene Probleme mit sich bringt. Schon schmachtet man den erstbesten Mann unter vierzig an, der durch die Tür gefahren kommt.
»Und, wie sieht es aus?«, fragt Leroy angestrengt und zieht sich unter starker Kraftanstrengung ein Stück hoch.
Ich blicke über die Schulter. Der Chefarzt und der Teamarzt sehen beide nicht sehr glücklich aus.
»Es scheint noch etwas Redebedarf zu geben«, antworte ich und drehe mich zu ihm zurück. Loys tritt neben die andere Seite der Liege.
»Da hat wohl jemand keine Lust mehr gehabt mitzuspielen?«, rede ich weiter auf ihn ein. »Ich denke zwar, es gibt angenehmere Arten, so etwas kundzutun, aber jeder, wie er es mag, nicht wahr?«, sage ich mehr aus Spaß als aus Ernsthaftigkeit, um ihn von seinen Schmerzen abzulenken.
Wieder lächelt er. »Vielleicht habe ich auch einfach das richtige Gespür gehabt und wollte lieber Bekanntschaft mit einer hübschen Frau machen.«
»Das glaube ich eher nicht«, kontere ich, schiebe meine Hände unter sein Bein und hebe es nur minimal an.
Loys zieht, erneut kichernd, die Platte darunter hervor. Was ihm bereits die nächste schmerzverzerrte Grimasse ins Gesicht zaubert.
Eine starke Zitronennote, die ich jetzt das erste Mal wahrnehme, kribbelt in meiner Nase. Langsam und vorsichtig lege ich sein Bein ab, stelle mich gerade hin, und der säuerliche Geruch verschwindet.
Die Tür zum Kontrollraum geht auf, und die beiden Ärzte betreten den Raum.
»Leroy?«, fragt Mitchell.
Dieser dreht ihm den Kopf zu und nickt. »Mhm?«
»Wir müssen operieren – sofort. Das ist die beste Chance, damit du diese Saison wieder spielen kannst.«
Immer wieder abdriftend nickt er abermals. »Wird die charmante Dame neben mir dabei sein?« Dabei schaut er kurz zu mir.
Was? Charmante Dame? Geht’s noch? Erneut kämpfe ich gegen das Schmunzeln an, das er mir wie mit dem einfachsten Zauberspruch bei Harry Potter ins Gesicht zaubert.
Sage sieht mich an, verzieht fragend die Augenbraue und dreht sich zurück zu Leroy. »Ich denke schon.«
Ein kurzes Zucken seiner Mundwinkel folgt. »Dann sollten wir wohl sofort starten.«
Mit steigender Aufregung blicke ich zurück zu meinem Chefarzt, weil ich es immer noch nicht glauben kann, dass das hier gerade wirklich passiert.
Sage zückt sein Diensttelefon. In der Zeit schiebt Loys zusammen mit einer weiteren Pflegerin das Bett aus dem Raum. Voller Vorfreude halte ich einen Moment inne. Endlich darf ich so richtig mitoperieren.
»Allison?« Jemand berührt meine Schulter, und ich zucke zusammen.
»J-ja?«, frage ich und fahre herum.
Loys sieht mich weiterhin mit leichten Lachfältchen um die Augen an. Bestimmt hat sie noch das Gespräch mit Leroy im Kopf, der eindeutig falsche Prioritäten setzt. »Ich müsste den nächsten Patienten röntgen, und du wirst im OP erwartet.«
Mehrfach blinzle ich, dann komme ich endlich wieder in der Realität an. »J-Ja, du hast recht«, bestätige ich, drehe mich um und gehe auf den Flur hinaus, wo bereits das nächste Bett angerollt kommt.
Doch kaum biege ich in den Hauptgang ab, ertönen schnelle Schritte hinter mir.
»Allison!«
Ein unangenehmer Unterton dröhnt in meinen Ohren. Und dann packt mich jemand ohne Vorwarnung am Oberarm und zieht mich herum. Sofort sehe ich in das aufgewühlte Grau von Joshs Augen, während er selbst nach Luft ringt.
»Was tust du hier?«, fragt er abschätzig und mustert mich mit seinem egozentrischen Blick, als würde ihm die Welt gehören.
Alles in mir verkrampft sich, weil ich ihn einfach nicht ausstehen kann und doch nicht von ihm loskomme, solange mich mein Privatleben an diesen Ort fesselt.
»Ich gehe in den OP«, gebe ich stolz von mir.
Josh hält inne und rümpft seine spitze Nase, wodurch sich die Falten um seine Augen verstärken, die zeigen, dass auch ihm der Schlaf fehlt. »Nein, das tust du nicht.«
Ich reiße mich von ihm los. »Und ob ich das tue, denn es ist nicht deine Entscheidung, sondern die von Sage«, gifte ich und halte seinem immer düsterer werdenden Blick stand.
Leider lässt er sich davon wenig beeindrucken. Er kommt mir so nah, dass sich seine Brust gegen meine drängt. »Auch wenn Sage der Chefarzt ist, bin ich dein direkter Vorgesetzter. Ich entscheide, welche Aufgaben du übernimmst und wann du bereit bist, mehr im OP zu machen, als einen beschissenen Haken zu halten.« Mit der Hand fährt er unter mein Kinn, sodass ich nicht wegschauen kann.
»Es ist meine Expertise, die entscheidet, nicht seine. Und solange du mir einfach nicht entgegenkommen willst …« Kurz sieht er zu meiner Brust. »… wird sich an deinen Aufgaben nichts ändern. Da kann Sage auch persönlich vor mir stehen.« Mit der anderen Hand versucht er, durch meine blonden Haare zu fahren, die ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden habe.
Doch ich reiße mich los. Die Hoffnung, einmal mehr zu bekommen als immer nur die Anfängeraufgaben, wird durch seine Anmaßungen erstickt. Aber die Enttäuschung lasse ich mir nicht anmerken. Ich werde vor ihm keine Schwäche zeigen. Dafür habe ich mir bis jetzt alles zu hart erkämpft.
Ich kremple meine heruntergerutschten Ärmel wieder zurecht. »Dann wünsche ich dir viel Spaß im OP. Du solltest dich beeilen, nicht dass sie noch ohne den Schönling der Klinik beginnen müssen.«
Er mahlt mit seinen Kiefern, wodurch seine stark ausgeprägten Wangenknochen hervortreten. Ich weiß genau, dass es ihn wahnsinnig macht, dass ich nicht auf ihn anspringe.
Als müsste er seine Haare glatt streichen, fährt er sich durchs Haar und geht mit schnellen Schritten an mir vorbei. »Wehe, in den Akten fehlt morgen auch nur eine Angabe oder ein Parameter.«
»Aye, aye, Captain«, rufe ich ihm nach und salutiere, um zu zeigen, was ich von seiner lächerlichen Aufforderung halte. Dann ist er um die Ecke zum OP-Bereich verschwunden.
Wehmütig sehe ich ihm nach. Aber keine OP der Welt ist es wert, dass ich ihm das gebe, was er sich seit dem ersten Tag, an dem er mein Mentor geworden ist, in seinem kranken Kopf wünscht.
Mein Telefon klingelt, und ich gehe ran.
»Was gibt es?«, fragt Seth kauend, der eigentlich für ein paar Stunden meine Patienten übernehmen sollte.
»Nichts, hat sich erledigt«, antworte ich kurz angebunden, drehe mich um und mache mich auf den Weg zu meiner Station, um die Patientenakten zu vervollständigen.
Man sollte meinen, dass der Blick ins Grüne bei den meisten Patienten für Entspannung sorgen würde, doch mich erinnert er nur an das, was ich gestern in Sekundenbruchteilen verloren habe. Und nun liege ich, dank eines unnachgiebigen Verbands um mein rechtes Knie, in diesem Bett im Federal Memorial Hospital und kann nur untätig aus dem Fenster stieren.
Vom gestrigen Tag sind lediglich Bruchstücke vorhanden, die wie ein alter Schwarz-Weiß-Film immer wieder durch meinen Kopf rauschen, ehe das Band zurückspult und der Spuk von vorn beginnt, egal ob es Tag oder Nacht ist, da ich gerade sowieso nicht schlafen kann. Die quälende Frage, wie meine Karriere mit so einer Verletzung von jetzt an verlaufen wird, ist einfach zu präsent. Ich schnaube frustriert auf. Der Horrorstreifen, der gerade mein Leben bestimmt, könnte im Kino schon in der ersten Woche auf Platz eins landen, weil er so spannend und unvorhersehbar ist.
Bevor meine Gedanken jedoch noch düsterer werden können, öffnet sich die gläserne Schiebetür. Im nächsten Moment betritt Mitchell mit zwei weiteren Ärzten und Sophie, einer von unseren Physiotherapeutinnen, mein Einzelzimmer, in dem ich mich wie isoliert fühle.
»Leroy«, begrüßt er mich und versucht, gute Laune zu versprühen.
Leider prallt sie an mir ab, weil ich mich körperlich und emotional wie ein Eisklotz fühle.
Mitchell zeigt nach links. »Das ist Dr. Sage Bane. Er ist der Chefarzt der Unfallchirurgie.«
Der Angesprochene nickt kurz und schaut zurück in die Akte in seiner Hand.
»Und das hier …« Mitchell deutet auf den blonden, hageren Mann neben sich. »… ist Dr. Josh Garner. Er ist der Stationsarzt.«
»Sehr erfreut.« Er verbeugt sich wie so ein Schnösel. Bestimmt rutscht er auch regelmäßig auf der Schleimspur aus, die er hinter sich herzieht.
Mitchell öffnet den Mund. »Wir …«
Ein weiteres Mal geht die Tür auf, und die drei Ärzte drehen gleichzeitig den Kopf. Dr. Garner räuspert sich und zieht genervt die Luft ein.
Das hindert die Frau mit den blonden, störrischen Haaren, die sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden hat, jedoch nicht daran, den Raum zu betreten.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagt sie beim Schließen der Tür, lächelt verhalten, legt den Kopf schief und fordert mit dieser Geste meine gesamte Aufmerksamkeit. Als wäre es das Normalste der Welt, zu spät zu kommen, stellt sie sich mit etwas Abstand neben Dr. Garner.
Blaugraue Augen blitzen in meinen Gedanken auf, die mir hier im Krankenhaus einen Teil meiner Schmerzen genommen haben. Sie ist die Ärztin, die gestern beim Röntgen bei mir stand.
»Das ist unsere Assistenzärztin …«, erklärt Dr. Garner etwas verzögert.
»Dr. Marco«, ergänze ich schnell.
Überrascht zieht sie die Augenbrauen hoch, blinzelt mehrfach und steckt die Hände in die Taschen ihres Kittels. Durch ihre hochgekrempelten Ärmel kann ich ihre helle, glatte Haut bewundern.
Sie öffnet den Mund, und ich hoffe auf genauso spitzfindige Worte, wie sie sie gestern für mich parat hatte.
Doch bevor sie etwas sagen kann, räuspert sich Dr. Garner, und ich bekomme von ihr nicht mehr als ein herausforderndes Lächeln.
Tief hole ich Luft und unterbinde den kurzen Anflug von Wut, den dieser selbstverliebt wirkende Arzt in mir auslöst. Wenn dieser Schnösel sich nicht schon durch seine ersten Worte bei mir unbeliebt gemacht hätte, dann spätestens jetzt, weil er der Frau, die mich allein durch ihre Anwesenheit vollkommen in ihren Bann zieht, das Wort verbietet.
»Also.« Mitchell beginnt von Neuem. »Die Operation lief wie erwartet sehr gut. Dr. Garner hat die Schmerzmedikation so angepasst, dass du zwischendurch, wenn die Beschwerden stärker werden, zusätzlich etwas einfordern kannst. Ab übermorgen starten wir mit der Physiotherapie, die Sophie übernehmen wird. Spätestens Anfang nächster Woche sollten wir dich so fit bekommen haben, dass du entlassen werden kannst und wir die Therapie bei uns im Trainingslager fortsetzen können.«
Nur halbherzig folge ich Mitchells Ausführungen. Immer wieder wandert mein Blick zu Dr. Marco, die so unauffällig wie möglich auf ihrem Kaugummi herumkaut. Sie wirkt so gar nicht wie die anderen stocksteifen Ärzte, die sich in diesem Raum tummeln. Selbst Mitchell macht neben ihr einen verstaubten und altertümlichen Eindruck und stellt sich nicht so modern dar, wie es im Stadion immer den Anschein hat.
»Dr. Marco wird jetzt rein aus Routine etwas Blut entnehmen«, redet Dr. Bane weiter.
Seine Worte bringen wenigstens einen kleinen Lichtblick in meine grauen Gedanken, und ich sehe zurück zu der jungen Frau, die sich gerade eine lose Strähne hinters Ohr schiebt. Wie kann man so etwas nur so beiläufig und doch so perfekt machen?
»Und dann ist erst einmal viel Ruhe vonnöten, um den Genesungsprozess voranzutreiben.«
Ohne einen der drei Ärzte oder Sophie anzusehen, nicke ich und warte darauf, dass sie endlich den Raum verlassen. Doch es ist Dr. Marco, die sich zuerst umdreht, hinausläuft und mich damit gefühlt im Dunkeln liegen lässt.