Inhaltsverzeichnis
btb
Buch
Autor
Robert Hültner bei btb
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
Copyright
btb
Buch
Eigentlich hatte sich Ex-Kommisar Türk doch damit abgefunden, in den Streifendienst verbannt worden zu sein und sich mit Verkehrssündern statt mit Mordfällen herumschlagen zu müssen. Aber wer wie er den alten Friedemann Lamm kannte, mag nun einmal nicht glauben, dass er den Immobilien-Hai Gerd Losswitz umgebracht haben soll. Türk beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Er bekommt es mit alten Münchner Dickschädeln zu tun und mit den scheinbar sanften Modernisierern. Und mit seinem Vorgesetzten, dem er seine Nachforschungen verheimlichen muss. Aber bald entdeckt er, was Lamm und Losswitz verbindet: eine gemeinsame Geschichte aus ihren »wilden Jahren«…
Autor
Robert Hültner wurde 1950 in Inzell geboren. Er lebt als freier Autor in München und in einem Bergdorf in den südfranzösischen Cevennen. Bevor er sich dem Schreiben zuwandte, war er Schriftsetzer, dann Regieassistent und zog mit einem Wanderkino durch die Dörfer. Hültner ist vielfacher Deutscher-Krimipreis-Träger, Glauser-Preisträger und Tatort-Drehbuchautor.
Robert Hültner bei btb
Walching. Roman (72141)
Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski. Roman (72144)
Die Godin. Roman (72145)
Das schlafende Grab. Roman (73169)
Der Hüter der köstlichen Dinge. Roman (75042)
Inspektor Kajetan und die Betrüger. Roman (75119)
KAPITEL 1
Irgendetwas war hier faul.
Die beiden Männer standen gelangweilt an der Ecke zur Gasse des alten Zerwirkgewölbes in der Altstadt. Betont gleichgültig musterten sie die vorbeigehenden Passanten. Ihre Mienen waren ausdruckslos, ein wenig herablassend. Hin und wieder trafen sich ihre Blicke und ruhten für Sekundenbruchteile ineinander, ohne sich etwas zu sagen zu haben.
Waren sie mit jemandem verabredet? Mit auswärtigen Geschäftspartnern, die sie in das nahe gelegene Hofbräuhaus auszuführen hatten? Mit ihren Frauen, die sich beim Stadtbummel zum Shoppen ausgeklinkt und dabei die Zeit vergessen hatten?
Türk verlangsamte unwillkürlich seinen Schritt. Da war es wieder, dieses innere Alarmsignal. Dieses stete Misstrauen. Die Polizisten-Macke eben, die wieder drauf und dran war, ihm seinen freien Tag zu versauen, den er doch mit einem Spaziergang durch die Altstadt verbringen wollte, ganz entspannt. Er hatte das Viertel innerhalb des ersten Stadtmauerrings vor kurzem wieder für sich entdeckt und herausgefunden, dass es nicht, wie er befürchtet hatte, bis in den letzten Winkel von Scharen lärmender Touristen belagert war.
Natürlich war vieles nicht mehr, wie er es in Erinnerung hatte, und wie er es erlebt hatte, als er während seiner Ausbildung in einem winzigen Appartement in der Maderbräu-Straße wohnte. Die verwinkelten Innenhöfe der Gebäude am Platzl waren öffentlich und hatten keine Geheimnisse mehr. Aus dem kleinen Café in der Ledererstraße war ein turbulenter, von Italo-Pop durchpulster Szene-Treff geworden. Der Kaffee war in Ordnung, doch das einst verschwiegene Hinterzimmer, in dem nicht nur er, sondern so manche Prominenz aus den nahe gelegenen Kammerspielen mit der jeweils Angebeteten geturtelt hatten, war zu einer kühlen Lounge umgemodelt worden, in der sich schlaffe Yuppies auf unbequemen Sitzen flezten.
Beruhigend war, dass zumindest das Weiße Bräuhaus sich nicht von der überdrehten Modernisierungshast hatte anstecken lassen. Wenig hatte sich in der Einrichtung des Gasthauses geändert. Noch immer waren es die bodenständigen, mit robustem Humor ausgestatteten Kellnerinnen, die über diesen Ort herrschten und das Menschengewühl energisch wie machtvolle Fregatten durchpflügten.
Aber natürlich war es wieder vergeblich gewesen, sich vorzunehmen, an diesem Tag nicht an den Job zu denken. Zwar wäre Türk nichts eingefallen, was ihm in letzter Zeit an seiner Arbeit in der 29er-Inspektion besonders auf die Nerven gegangen wäre. Er hatte sich – als Streifenbeamter im wenig aufregenden Münchner Osten – längst eine gewisse Gelassenheit zugelegt. Die Einsätze unterschieden sich nur unwesentlich voneinander. Immer wieder bestätigte sich ihm, was er schon immer vermutet hatte: Die Menschheit war, was ihr Konfliktverhalten und ihre moralische Festigkeit betraf, eher einfach gestrickt. Welcher Schicht die jeweiligen Kontrahenten angehörten, war dabei nahezu egal. Der emeritierte Philologen-Feingeist konnte übergangslos zum mordbereiten Neandertaler mutieren, wenn er den Fußball eines Nachbarjungen in seinem Garten entdeckte, wie auch die mildherzigste Witwe, deren Haus die vorweihnachtlichen ›Misereor‹-Sammler vermutlich nie ohne ordentliche Spende verließen, sich zur flammenden Thusnelda auswachsen konnte, wenn es darum ging, das Aufstellen von Asylantenbaracken in der Nachbarschaft zu verhindern. Und so manch angesehenes Parteimitglied, dessen staatstragende Rechtschaffenheit über jeden Zweifel erhaben schien, ließ sich, in sträflicher Überschätzung seiner Bedeutung und seines Einflusses, von der Aussicht, seine Finanzen aufbessern zu können, zu strafbarer Mauschelei verführen.
Nein, auch in München war man nicht gesetzestreuer als an irgendeinem anderen Fleck dieser Erde. Der erfahrene Kollege Öttl hatte es neulich auf den Punkt gebracht, als er meinte, dass er diesbezüglich zwischen München und Palermo die Hand überhaupt nicht umdrehe. Dass die Stadt dennoch ein verhältnismäßig sicheres Pflaster schien, hatte gewiss nichts mit der besänftigenden Wirkung des voralpenländischen Klimas oder mit einer vom Bierkonsum beförderten Behäbigkeit, geschweige denn mit südländischer Gelassenheit oder gar Liberalität zu tun. Sondern mit der schlichten Logik: Wer schon hat, braucht nicht zu klauen. Und viele – wenn auch beileibe nicht alle – Münchner hatten. Noch hielt sich die Arbeitslosigkeit in Grenzen, noch konnten, zumindest in den von alteingesessener Bevölkerung geprägten Vierteln, viele Notlagen durch ein solides nachbarschaftliches Netz abgemildert werden, und noch ließ sich der eine oder andere Investor vom sorgsam gepflegten Image der Kulturhaftigkeit und Lebensleichtigkeit bezirzen. Für pompöse hochkulturelle Spektakel mochte dieses Bild gerade noch zutreffen, für den Alltag aber immer weniger. Schon gab es ganze Straßenzüge in der Innenstadt, in denen man vergeblich nach einer Metzgerei suchte, dafür aber von einem neckischen Frisörlädchen in den anderen stolpern konnte. Auch mit dem Bäcker- und Konditorenhandwerk war es erschütternd bergab gegangen. Deren Auslagen bestachen zwar durch überbordende Opulenz, das darin Angebotene aber schon lange nicht mehr durch seine einst gerühmte Qualität.
Türk gönnte sich diese gelegentlichen Granteleien. Dabei war es ganz egal, worüber er sich aufregte. Was konnte er schon daran ändern? Nichts. Aber er war für jede Gelegenheit dankbar, seine Gefühle ein wenig aufwallen lassen zu können – dann spürte er sie wenigstens. Meist gelang es ihm, sich mit seinem Alltag abzufinden. Dann war er mit sich im Reinen. Doch das schaffte er immer seltener.
Gelegentlich fühlte er eine schmerzliche Gereiztheit. Er ahnte, dass es gerade die Ereignislosigkeit seines Lebens war, die ihn in diesen Zustand versetzte. Nagte vielleicht doch noch an ihm, dass er nicht freiwillig auf seinen Posten als Streifenbeamter geraten war? Dass er mindestens das Gehalt eines Kripo-Kommissars beziehen würde und sich damit ein paar Annehmlichkeiten mehr leisten könnte, wäre er nicht vor einem halben Jahr degradiert worden?
Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich damit abgefunden hatte. Er sah ein, dass niemand außer ihm selbst für seine Degradierung verantwortlich zu machen war. Er hatte damals eben eine Entscheidung gefällt, die seinen Vorgesetzten und damit dem Disziplinarausschuss nicht gefallen hatte. Aber er hatte sie fällen müssen, weil er sich sonst nicht mehr im Spiegel hätte ansehen können. Dafür hatte er bezahlt, und damit basta.
Türk blieb stehen. Umständlich kramte er nach einer Packung Zigarretten. Schließlich fand er sie in der Innentasche seines Blousons, entnahm ihr eine Zigarette und stippte sie wie abwesend auf den Handrücken. (»He; du wolltest aufhören«, moserte seine innere Stimme, um postwendend zu parieren: »Ist ein Sonderfall, halt’s Maul«.)
Was stimmte hier nicht?
Dass die zwei Männer – hochgewachsen und sportlich schlank der eine, etwas kleiner und stämmig der andere – so gelassen nicht waren, wie sie mit ihren betont desinteressierten Mienen demonstrierten? Dass die beiden nicht leger in sich ruhten, dass sie stattdessen federnd und in kaum kaschierter Sprungbereitschaft verharrten?
Die Hand schützend vor das Feuerzeug haltend, zündete sich Türk die Zigarette an. Er nahm einen tiefen Zug. So umständlich, wie er sie hervorgezogen hatte, verstaute er Packung und Feuerzeug wieder in seinen Taschen, ohne die beiden Männer aus den Augenwinkeln zu lassen.
Machte er sich gerade wieder einmal zum Narren? Wieso sollten zwei Mitt-Dreißiger nicht einfach in einer Altstadtgasse stehen und den Herrgott einen guten Mann sein lassen können, während alles um sie herum in Bewegung war? Macht man sich heutzutage schon verdächtig, wenn man nicht in Eile war, nicht auf ein Ziel zuhastete? Und das ausgerechnet in München, der Stadt der Gemütlichkeit?
Doch um zur aussterbenden Spezies des genießerischen Flaneurs zu zählen, waren die Bügelfalten ihrer Hosen zu scharf gezogen. Männer mit makellosen Bügelfalten aber stehen nicht einfach herum. Sie haben Termine, machen Geschäfte, haben keine Sekunde ihres Lebens zu verschenken, geraten in Panik, wenn Umstände sie zum Nichtstun zwingen.
Nein. Die beiden Männer führten etwas im Schilde. Und sie waren – ja, verdammt, sie waren ihm nicht sympathisch.
Nur: Was hatten sie vor? Ein Verbrechen am helllichten Tag etwa? Vor Hunderten von Zeugen? Was bedeutete es, dass durch den Torbogen am Ende der Gasse, der einen schmalen Blick auf die Burgstraße zuließ, die rasche Vorbeifahrt mehrerer Einsatzfahrzeuge zu sehen gewesen war? Dass die Passanten, die die Gasse jetzt von oben betraten, sich immer wieder neugierig nach hinten drehten? Dass ihre Gesichter ernst waren, ihre Schritte schneller wurden, als versuchten sie, einer unangenehmen Situation zu entkommen?
Als wäre sie an ihrem oberen Ende nun abgeriegelt worden, war die sonst so bevölkerte Gasse plötzlich menschenleer. Die beiden Männer hatten ihre Position nicht verlassen. Winzige Gesten jedoch verrieten, dass sich ihre Anspannung verstärkt hatte.
Plötzlich erstarrten sie. Sie riefen sich etwas zu, das wie ein kurzer Befehl klang, und stürzten, wie von einer Sprungfeder aus dem Stand geschleudert, mit weiten Schritten zu einer schmalen Nische in der Nähe des Gasseneingangs. Türk überquerte beunruhigt die Straße, das ärgerliche Hupen eines Taxis ignorierend.
Bereits nach wenigen Schritten bot sich ihm das Bild eines verbissenen Kampfes. Eine schlaksige Gestalt in verwaschenem Parka, von der Türk nur ein schmales, noch sehr junges Gesicht unter einem stacheligen, rot und schwarz gefärbten Schopf wahrnehmen konnte, versuchte verzweifelt, eine Dachrinne emporzuklettern. Die Männer packten den Fliehenden an den Beinen und versuchten, ihn auf den Boden zu zerren. Der Schlaksige stöhnte auf und trat wild um sich. Die Männer fluchten gepresst, dann hatten sie ihr Opfer im festen Griff und schleuderten es zu Boden.
Die rechte Hand des Gejagten war blutverschmiert. Er musste sich an der kantigen Blechrinne verletzt haben. Dennoch gelang es ihm jetzt, sich den Griffen seiner Verfolger zu entwinden. Mit wieselhafter Geschmeidigkeit schlüpfte er zwischen den Beinen des Athletischen hindurch und versuchte, auf allen vieren zu fliehen. Er kam nicht weit. Der Stämmige hechtete ihm nach, presste ihn zu Boden und begann auf ihn einzuprügeln. Der Junge wand sich verzweifelt. Der Athletische zerrte sein Opfer empor, stemmte es an die Ziegelmauer und versetzte ihm mehrere wuchtige Schläge. Der Junge stöhnte auf. Türk löste sich aus der kleinen Gruppe von Passanten, die das Geschehen begafften, vor Entsetzen gelähmt.
»Aufhören!«, schrie er, packte den Arm des Schlägers und bog ihn mit einem Ruck nach hinten. Der Mann brüllte auf. Sein Komplize hatte seine Verblüffung rasch überwunden, warf sich von hinten auf Türk, umklammerte ihn, um aber im gleichen Moment mit aufgerissendem Mund zurückzutaumeln, von wuchtigen Ellenbogenstößen in die Brust getroffen. Mit vor Zorn verzerrtem Gesicht stürzte sich der Athletische jetzt wieder auf Türk, der den blindwütig gesetzten Schlag abfing und seine Faust auf dem Kinn des Angreifers landen ließ. Der Angreifer wankte benommen zurück. Türk schwang herum, duckte sich unter den sausenden Hieben des Stämmigen, ließ ihn ins Leere laufen und setzte mit einer Kombination nach, die den Kampf mit einer gezielten Geraden beendete. Der Mann ging in die Knie, dann kippte er mit leisem Stöhnen auf das Pflaster. Der zweite machte einen letzten Versuch, doch auch der endetete damit, dass er sich auf dem Pflaster wiederfand. Ungläubig glotzte er auf seinen Gegner. Der Junge hatte das Weite gesucht.
Türk richtete sich keuchend auf. In seinen Fäusten pochte heftiger Schmerz.
»Und jetzt keine Bewegung mehr, klar?«, herrschte Türk die beiden an.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er sein Handy aus der Tasche und hielt es an sein Ohr. Seine Hand flatterte. Die Einsatzzentrale meldete sich.
»Türk hier, Inspektion 29. Ich hab zwei Schläger gestellt. Schickt mir sofort -«
»Herrgott, ist das ein Arschloch«, sagte der Athletische mit heiserer Stimme. Ächzend schob er sich an der Wand hoch und befingerte zitternd sein Kinn, als müsse er es wieder in die richtige Position renken. »Das… das wird ein Nachspiel haben, Kollege.«
KAPITEL 2
Wieder mal super gemacht, Türk«, sagte Inspektionsleiter Schwab. »Ich bin restlos begeistert.«
»Das freut mich.«
Schwab schoss aus seinem Sessel. Seine Faust donnerte auf den Tisch. »Halt deinen dummen Schnabel!«, brüllte er. »Zu blöden Witzen gibt’s absolut keinen Anlass!«
Er sank auf den Stuhl zurück, schüttelte stumm den Kopf und sah zum Fenster.
»Warum ich«, murmelte er. »Warum immer ich? Der Kerl ist mein Sargnagel.«
Türk räusperte sich.
»Sollen nicht so wehleidig tun, die Kollegen«, maulte er. »Die haben schließlich selbst gut hingelangt.« Türk rieb den Rücken seiner rechten Hand. Sie schmerzte noch immer.
»Angebrochenes Nasenbein und wehleidig?!«, fuhr Schwab auf. »Ein Idiot bist du! Wenn die Sache verhandelt wird, hast du zwei gegen dich! Ist dir das klar? Und ist dir ebenfalls klar, dass die beiden den Teufel tun werden und zugeben, dass sie dich nicht sofort darauf hingewiesen haben, dass es sich um eine Festnahme gehandelt hat?«
»Wenn das eine Festnahme gewesen sein soll, heiß ich Meier.«
»Dann beantrag schon mal einen neuen Pass, Kollege Meier. Die Kollegen haben auf der Vorderseite gerade ein besetztes Haus ausgeräumt. Der junge Kerl muss einer von den Chaoten gewesen sein. Wollt sich wahrscheinlich über den Hinterhof davonmachen. Ergo war’s eine Festnahme, und genauso ergo ist Gewaltanwendung erlaubt, wenn sich einer der Festnahme entziehen will.«
»Eine Hausbesetzung?«, wunderte sich Türk. »Ist das nicht schon lang aus der Mode, in München wenigstens?«
»War ja auch keine Besetzung, um drin zu wohnen«, erklärte Schwab brummig. »Es waren die Mitglieder einer ziemlich militanten Initiative, die gegen den Abriss protestieren wollten. Das Haus soll über dreihundert Jahre alt sein, aber irgendeine Firma hat ihre Beziehungen spielen lassen, um an dieser Stelle was Neues hin pfuschen zu können.«
»Jetzt versteh ich«, meinte Türk.
»Ganz was Neues«, knurrte Schwab. »Was die Schlägerei mit den Kollegen betrifft, warst du ein Idiot.«
»Kann sein. Aber die zwei -«
Schwab fiel ihm ins Wort: »Sind ausgerastet, ist mir schon klar! Du aber auch! Was sagen die Vorschriften in so einem Fall? Du hättest dich sofort als Beamter zu erkennen geben müssen. Warum hast du das nicht getan?«
»Erstens, weil ich mir in diesem Moment sicher war, dass die zwei durch nichts mehr zu bremsen gewesen wären.«
»Ausgezeichnetes Argument, gratuliere«, ätzte Schwab. »Das Verfahren wird sofort eingestellt, wenn du mit so was daher kommst. Und zweitens?«
Türk zuckte die Schultern. Schwab beugte sich wieder vor und fixierte sein Gegenüber.
»Soll ich’s dir sagen, du elender Dickschädel?«
»Ja«, bat Türk.
»Weil du ebenfalls ausgerastet bist, als du es gesehen hast!«
Türk sah zur Seite.
»Weiß nicht. Ist alles so schnell gegangen.«
»Aber ich weiß, dass es so war. Ich weiß es auch deswegen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich mich nicht ähnlich verhalten hätt.« Schwab seufzte tief. »Es ist wirklich ein Kreuz mit dir. Jetzt haben wir uns halbwegs an dich gewöhnt. Und dass du dich nicht bewährt hättest, wird dir auch keiner im 29er nachsagen. Ich am allerwenigsten.«
Er schüttelte ratlos den Kopf.
Türk beendete das kurze Schweigen: »Was… was meinst du, was die jetzt tun werden?«
Schwab hob die Schultern. »Das kannst du dir ja denken, oder?«
»Ja«, gestand Türk.
»Dann frag nicht so deppert.«
Der Inspektionsleiter warf Türk einen giftigen Blick zu, stand auf, ging zum Fenster und verschränkte seine Finger hinter seinem Rücken.
Türk drehte sich zu ihm.
»Und ich? Was soll ich jetzt tun?«
Schwab blieb eine Weile stumm. Dann sah er über die Schulter.
»Als Erstes wenigstens mir gegenüber zugeben, dass du ebenfalls Mist gebaut hast«, sagte er müde.
»Aber -«
Schwab wirbelte herum und fauchte: »Nichts aber, Türk! Siehst du ein, dass du dich nicht im Griff gehabt hast? Und komm mir jetzt nicht mit akut oder übergesetzlich und so Zeugs. Also?«
Der Sessel knarzte, als er wieder auf ihm Platz nahm.
»Kann sein«, räumte Türk zögernd ein.
»Es war so!«, wetterte der Inspektionsleiter.
»Aber -«
Schwab schlug dröhnend auf die Tischplatte. »Von einem Beamten verlange ich, dass er in solchen Situationen sein Hirn einschaltet! Vorausgesetzt, er hat eins! Wenn Kollegen beteiligt sind, schon gleich dreimal. Also? Wie willst du dich bei der Untersuchung rauswinden? Hast du da auch schon eine grandiose Idee?« Er sah Türk abwartend an. »Ich höre?«
Türk betrachtete seine Hände. Er hob den Kopf.
»Ich – ich bin keine Sekunde auch nur auf die Idee gekommen, dass es Kollegen sein könnten. Die hätten sich mehr im Griff haben müssen. Der Bub hat gegen die beiden null Chance gehabt, es war total unnötig, ihn zusammenzuschlagen. Ich jedenfalls hab sie für brutale Typen aus dem Milieu gehalten. So haben sie sich ja auch aufgeführt.«
Schwab kippte die Augen zur Seite. Nachdenklicher fuhr er fort: »Also warst du der Meinung, dass es eh nichts genützt hätte, wenn du dich als Polizist ausgegeben hättest. Darauf willst du doch raus, hm?«
»Ich sag doch: Es ist alles so schnell gegangen. Ich bin einfach der Meinung gewesen, dass ich eine schwere Körperverletzung -«
Der Inspektionsleiter unterbrach mit einer ungeduldigen Handbewegung: »- oder Schlimmeres verhüten müsste. Ist mir doch längst klar, Türk.«
»Ich hab mir jedenfalls in dieser Situation nichts davon versprochen, mich mit irgenwelchen vorgeschriebenen Prozeduren aufzuhalten.«
»Hm. Okay.« Schwab wiegte den Kopf. »Du willst drauf raus, dass du schnellstens hast reagieren müssen.«
Türk nickte eifrig.
»Genau. Ich will aber auch darauf raus, dass es zuerst diese zwei Superkollegen sind, die vor den Ausschuss gehören. Ich frag mich die ganze Zeit, wie man derart die Beherrschung verlieren kann.«
Schwabs Miene verdüsterte sich wieder.
»Das brauchst du dich nicht lange zu fragen«, brummte er. »Du brauchst dir bloß anschauen, was für einen Frust viele von uns schieben. Und bei manchen scheint’s an der Souveränität zu fehlen. Die kommen damit nicht klar, wenn sie von zwei Seiten Druck kriegen – von dem, was die Politik ihnen aufhalst, und dem, was sich die Leute nicht bieten lassen wollen. Wenn da einer dann auch noch das Gefühl hat, dass ihm kein Respekt entgegengebracht wird, und dann auch noch was Privates dazukommt, dann haut’s einem schnell die Sicherung raus.« Der Inspektionsleiter beugte sich vor. »Aber auch wenn du zehnmal Recht hast, Türk – das wird dir bei dieser Sache nichts nützen. Frag dich lieber, ob du mitgekriegt hast, dass sich die zwei dem Jungen gegenüber als Beamte ausgegeben haben.«
»Bestimmt nicht. Hätt ich sonst -«
Schwab unterbrach gereizt: »Was heißt ›bestimmt nicht‹? Haben sie oder haben sie nicht? Darauf kommt’s an.«
»Sicher nicht«, bestätigte Türk mit Nachdruck. »Sie haben sich unbeobachtet gefühlt.«
»Hm«, knarrte Schwab. »Aber auch das werden die zwei kaum zugeben, wenn sie sich nicht selber in die Scheiße reiten wollen.«
»Ich hab Zeugen«, sagte Türk.
»Mach dich nicht lächerlich!«, fuhr der Inspektionsleiter auf. »Du wirst doch nicht so blöd sein und darauf hoffen, dass sich der junge Kerl freiwillig stellen wird? Um gleich darauf eine Anzeige wegen Widerstands und Hausfriedensbruchs zu kassieren?«
Türk schüttelte den Kopf.
»Ein paar Leute waren auf der Gasse. Ich hab die Namen.«
»Das sagt er erst jetzt!«, brauste Schwab auf. »Der Kerl bringt mich noch ins Grab. Ich sag dir eins, Türk: Allein schon um meiner Gesundheit willen hätt ich nichts dagegen, wenn sie dich endlich feuern würden.«
»Gesundheit geht vor, klar.«
»Spiel du auch noch den Eingeschnappten«, knurrte Schwab. »Nimm’s lieber als Training dafür, wenn du dir in nächster Zeit ein paar unangenehmere Sachen anhören musst. Das hast du dir aber ganz allein zuzuschreiben.« Der Inspektionsleiter wies zur Tür. »Und jetzt’nüber zu den anderen. Dalli.«
Türk stemmte sich aus seinem Sessel. Er wollte gerade nach der Türklinke greifen, als Schwab sagte: »Übrigens, Türk – Respekt.«
»Wofür?«
Schwab schmunzelte verhalten. »Na – einer gegen zwei solche Brocken. Hab gar nicht gewusst, dass du so sportlich bist.«
Türk winkte bescheiden ab.
»Ich hab eben die Überraschung auf meiner Seite gehabt, das war alles.«
»Die hast du öfter auf deiner Seite«, seufzte Schwab. »Für mein Nervenkostüm allerdings ein bisserl zu oft.«
Als hätte er vor der Tür gehorcht und das Ende des Gesprächs abgewartet, steckte Ali Baier seinen Kopf durch den Türspalt.
»Habt ihr’s endlich?«, fragte er launig. »Hin und wieder wär nämlich ein Einsatz dran, so komisch euch das vorkommen mag.«
KAPITEL 3
Baier schwang sich in den Fahrersitz und startete den Motor, während Türk noch am Gurt hantierte.
»Krieg ich vielleicht noch ein paar Informationen, Ali, wo es hingeht?«, fragte Türk. »Und um was es geht?«
»Die Anruferin hat gesagt, dass im Nachbarhaus jemand umgebracht wird.«
Türk glotzte. Die rasante Abfahrt drückte ihn in den Sitz.
»Worden ist oder wird?«
»Wird.« Baier trat scharf auf die Bremse. Eine Katze hechtete panisch auf eine Gartenmauer. »Dummes Viech.« Der Motor röhrte wieder auf.
»Das meinst doch nicht wirklich ernst, oder?«, fragte Türk. »Das mit dem Umbringen, mein ich.«
Baier sah angestrengt geradeaus. »Die Einsatzzentrale ist normalerweise kein Humorsender«, gab er mürrisch zurück. »Aber wenn’s dich beruhigt: Die Anruferin soll sich angehört haben, als wär sie ein bisserl durch den Wind.«
Türk machte eine Trinkbewegung. »So?«
Baier nickte. Er verlangsamte die Fahrt und sah nach draußen.
»Da müsst es schon sein.«
Sie stellten den Wagen ab. Die schmale, von Einfamlienhäusern gesäumte Vorortstraße wirkte wie ausgestorben. Türk umrundete den Einsatzwagen, vergewisserte sich der Hausnummer und ging auf das Gartentor zu. Baier folgte ihm.
»Dr. J. Schön«, lasen sie. Türk drückte den Klingelknopf.
»Vielleicht operiert er daheim weiter«, meinte Baier. Er stellte den Kopf schräg.
»Hörst du was?«
Türk verneinte. »Aber im Erdgeschoss ist Licht. Es muss jemand da sein.«
Sie warteten einige Sekunden. Baier klingelte erneut, diesmal nachdrücklicher.
Die Sprechanlage krächzte. Die Stimme klang ärgerlich.
»Polizei. Bitte machen’s uns auf.«
Der Öffner schnarrte, und am Ende des Gartenweges öffnete sich die Haustür.
»Herr Doktor Schön?«, riet Baier.
Der ungefähr eins siebzig große Mann mit der leicht fülligen Figur eines eher unsportlichen Mittfünfzigers zog den Gürtel seines Morgenmantels enger. Er runzelte fragend die Stirn, ließ seine Blicke misstrauisch über die Nachbarhäuser gleiten und fuhr sich mit der Hand durch den zerzausten Haarschopf. Seine Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er sich gestört fühlte.
»Schön.« Seine Stimme klang beunruhigt. »Dr. Justus Schön. Was -?«
Türk stellte sich und seinen Kollegen vor.
»Wir haben einen Hinweis bekommen, dass in diesem Haus möglicherweise ein Verbrechen geschehen ist. Können wir hereinkommen?«
Schöns Blicke, in denen sich Ungläubigkeit und Ärger mischten, flog zwischen den Beamten hin und her. Dann lachte er gezwungen auf.
»Wie? Ein Verbrechen? In meiner Wohnung?« Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Das müsste ich wissen, meine Herren. Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht in der Adresse geirrt haben?«
Türk warf Baier einen fragenden Blick zu.
»Wir können grad noch lesen«, sagte Baier missmutig. Er setzte seinen Fuß auf die Schwelle. »Bitte – ja?«
»Aber…«, Schön wich einen halben Schritt zur Seite, machte aber noch immer keine Anstalten, den Weg in das Innere des Hauses frei zu geben. Türk musterte ihn rasch. Der Mann wirkte nicht aufgeregter als andere Menschen, wenn sie überraschenden Besuch von der Polizei erhielten.
»Aber sagen Sie mir doch bitte um Himmels willen: Um welches Verbrechen soll es sich denn handeln?« Schön versuchte einen Scherz: »Ein Mord vielleicht?«
»Wird sich gleich rausstellen,« sagte Baier.
»Wie bitte?!« Schön schnappte nach Luft. »Das kann doch nur ein Witz sein! Allerdings ein nicht sehr geglückter, das muss ich schon sagen.«
»Schauen wir vielleicht aus wie Komiker?«, blaffte Baier. Wieder fiel Türk auf, dass sein Kollege miserabel gelaunt war. Baier, sonst so begabt darin, vertrackte Situationen mit einer aufgeräumten Bemerkung zu entspannen, war seit einigen Tagen wortkarg und gereizt.
Auch Schön hatte den gereizten Ton bemerkt.
»Natürlich nicht!«, beteuerte er. »Aber hören Sie: Das ist doch absurd. Bei mir soll jemand umgebracht worden sein? Wie kommen Sie denn auf so was?«
»Wir müssen es überprüfen.« Türk wies mit einer Kopfbewegung in das Wohnungsinnere: »Können wir endlich – ja?«
Dr. Schön runzelte die Stirn. Schließlich trat er zur Seite und wies in den Flur.
»Wenn’s denn sein muss«, sagte er ergeben.
»Es muss«, knurrte Baier. Er würdigte ihn keines Blicks und ging einige Schritte in den breiten Flur. Nichts rührte sich im Haus.
Doktor Schön schob die Türe hinter sich zu und folgte den Beamten. Noch immer fassungslos, schüttelte er den Kopf. Er sah Hilfe suchend zu Türk.
»Wie kommen Sie denn überhaupt auf eine derartige Idee?«
»Wir haben einen Anruf bekommen. In der Nachbarschaft ist eine entsprechende Beobachtung gemacht worden.«
»Und wen, bitteschön, soll ich umgebracht haben? Ist doch absurd!«
»Man hat eine Frau schreien hören.«
»Ich soll eine Frau ermordet haben? Haha! Und welche Frau, bitte sehr?«
Baier streifte ihn mit einem ärgerlichen Blick.
»Ihre Frau oder -«
»Meine Frau?«, prustete Schön. »Mein Herren! Also jetzt wird’s langsam zur Komödie, ja? Ich bin gar nicht verheiratet!«
»Dann halt Ihre Freundin«, sagte Baier säuerlich.
Schön lachte vergnügt auf: »Die und ermordet! Noch besser! – Einen Augenblick, ja?« Er ging zu einer der Türen, stellte sich seitlich und rief nach innen: »Schatz?« Als er keine Antwort bekam, wiederholte er es, eine Spur ungeduldiger: »Schatz!!?«
Durch das Türblatt drang ein verunsichertes Stimmchen.
»Was ist denn, Jussi?«
»Frag nicht. Komm her. Und zieh dir bitte was an, ja? Wir haben Besuch.«
Minuten später öffnete sich die Türe. Die junge Frau riss die Augen ängstlich auf, als sie die beiden Beamten sah. Sie hielt ihren Kimono mit der Linken vor der Brust geschlossen und zog ihn enger, als sie das Glotzen der beiden Männer bemerkte. Sie ließ die Klinke los, strich sich eine Locke aus der Stirn und schenkte Baier ein entschuldigendes Lächeln, als wäre es ihr peinlich, sich nicht in perfektem Aufputz präsentieren zu können. Eine träge Sinnlichkeit ging von ihren Bewegungen aus. Das Bett hinter ihr war so zerwühlt wie ihr seidenblondes Haar, und zwei Sektkelche auf dem Nachttisch ließen kaum einen Zweifel zu, was sich bis vor kurzem in diesem Raum zugetragen hatte.
»Polizei?« Sie richtete ihre großen dunklen Augen auf Schön. »Jussi, was... was ist denn passiert?«
Der Angesprochene wandte sich lächelnd an die beiden Beamten.
»Lissi. Meine – wie sagt man?« Er schien nach der geeigneten Bezeichnung zu suchen.
»Freundin«, half Türk aus.
Schöns Stolz war der des erfolgreichen Eroberers. »Eine sehr nahe, gewissermaßen.«
Er wies auf das Mädchen, das noch immer verlegen in die Runde blickte. »Aber jetzt sagen Sie selbst, meine Herren – sieht so eine Tote aus?«
»Nicht direkt«, gestand Türk ein.
Schön nickte zufrieden. »Da muss ich Ihnen zustimmen.«
»Was ist denn passiert?«, wiederholte die junge Frau.
»Nichts, Schatz. Kannst wieder gehen.« Schön sah die beiden Polizisten an. »In Ordnung?«
»In Ordnung«, bestätigte Türk verlegen. »Tja... haben Sie vielleicht so einen, äh, Lärm gemacht, den jemand hätte missverstehen können?
Schön lachte satt.
»Lärm gemacht? Naja, die Lissi ist nicht gerade eine, die kein Temperament hat – was, Schatz?«
Sie senkte verschämt die Augen.
»Aber... jetzt sag halt...?«, setzte sie noch einmal an.
»Ist alles in bester Ordnung, Schatz. Mach dir keine Sorgen. Geh wieder rein, ja? Die Herrschaften haben alles gesehen -«, er zwinkerte den Beamten komplizenhaft zu, »- was es zu sehen gibt. Nicht wahr?«
Türk räusperte sich betreten. Baier wich seinem Blick aus. Die junge Frau lächelte mädchenhaft und zog sich zurück. Ihr Liebhaber schloss die Schlafzimmertür hinter ihr und ging einige Schritte in Richtung Eingang. Die beiden Beamten folgten seiner Handbewegung.
»Sagen Sie: Wann soll dieser so genannte Mord denn eigentlich geschehen sein?«, wollte Schön wissen.
»Wir sind vor ungefähr fünfzehn Minuten angerufen worden«, erklärte Türk.
»So gegen halb elf Uhr also«, folgerte Schön. »Dann, würde ich sagen, dürfte das Rätsel ja gelöst sein, nicht wahr?«
»Sieht so aus«, musste Türk zugeben. »Seit wann sind Sie beide denn schon daheim?«
Schön lachte leise. Er steckte seine Hände in die Taschen seines Bademantels.
»Sie können es nicht lassen, was? Nun gut, wenn Sie es genau wissen wollen: Wir haben uns seit dem frühen Abend, sagen wir ab etwa 19 Uhr, nicht mehr aus der Wohnung bewegt. Zuerst haben wir uns ein exzellentes Abendessen gegönnt – bitte, wenn Sie Hunger haben, ein Rest vom Gratin wäre noch übrig -?«
Türk winkte ab. »Schon recht. Und weiter?«
»Anschließend haben wir es uns, wie man so sagt, gemütlich gemacht, nicht wahr? Ins Detail werde ich jetzt aber nicht gehen. Ich sage Ihnen nur so viel: Mord war es nicht, was da passiert ist.« Er schmunzelte. »Das Gegenteil davon hoffe ich allerdings auch nicht.«
Türk sah zu Baier. Klingt wohl glaubwürdig, signalisierte dieser mürrisch zurück.
»Tja, dann... gibt’s im Haus noch andere Bewohner?«
Schön schüttelte den Kopf.
»Ich wohne hier allein. Bitte, Sie können gerne nachsehen. Außerdem – wenn es hier im Haus etwas Verdächtiges gegeben hätte, dann wäre ich der Erste gewesen, der etwas hätte hören müssen, oder?« Er zog die Eingangstür auf. »Und Sie sind angerufen worden, sagten Sie? Darf ich fragen, wem ich Ihren Besuch – den ich Ihnen natürlich nicht übel nehme, es ist ja schließlich Ihre Pflicht – zu verdanken habe?«
Türk blieb auf die Schwelle stehen. Baier wand sich hinter ihm ins Freie.
»Der Anruf war anonym.«
»Anonym… Na gut, ich verstehe, dass Sie mir das nicht sagen dürfen.« Schön sah grimmig zur Seite. »Und das müssen Sie auch nicht. Ich glaube, ich kann es mir denken.«
Türk war mäßig interessiert. »Ahja?«
»Sehr gut sogar. Ich glaube, ich kann dafür sorgen, dass Sie in Zukunft nicht mehr mit derartig hanebüchenen Anrufen traktiert werden.«
»Das lassen’s lieber bleiben, Herr Doktor«, sagte Türk streng. Versöhnlicher fuhr er fort: »Wer, meinen Sie, könnt’s denn gewesen sein?«