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Showlegende, Sympathieträger, Fernsehshowentwickler – wie kein anderer hat Frank Elstner die deutsche TV-Landschaft mit seinen Ideen und seinem Charisma bereichert. Als Moderator von bahnbrechenden Shows wie Verstehen Sie Spaß?, Die Montagsmaler oder Spiel ohne Grenzen hat er Fernsehgeschichte geschrieben und Generationen von Deutschen den Abend im Fernsehsessel versüßt. Der größte Coup gelang ihm mit der Erfindung von Wetten, dass..?, einer der erfolgreichsten Unterhaltungsshows weltweit. Was macht Elstners Lieblingswetten aus? Welche Spielshow wurde extra für ihn umbenannt? Weshalb flog er in seiner Jugend fast vom Internat? Das Leben des gebürtigen Linzers hält zahlreiche unvergessliche Anekdotenfür Sie bereit!
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Seitenzahl: 77
ALEXANDER KERN
– KLEINE ANEKDOTEN AUS DEM LEBEN EINER FERNSEHLEGENDE –
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen
Wichtiger Hinweis
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
Originalausgabe
1. Auflage 2021
© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Redaktion: Silke Panten
Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir
Umschlagabbildung: picture alliance / dpa | Rolf Haid
Layout und Satz: Andreas Linnemann
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-1669-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1362-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1363-5
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.rivaverlag.de
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Einleitung
Geboren mit dem Entertainment-Gen
Gelobt von Hermann Hesse: ein Kinderstar im Tonstudio
Cordhose und Querflöte: Jugendjahre im Internat
Auf nach Luxemburg
Vom Lehrling im Archiv zum Marketing-Genie
Spiel ohne Grenzen – und entgrenzte Fans
Aufstieg in die Chefetage
Luxemburger Löwengeschichten
Lichtgriffel, Telestrator und andere Pannen
Heureka!, oder: Die Erfindung von Wetten dass..?
Sprung ins kalte Wasser: die Premiere
Zu neuen Ufern
Nobelpreisträger sind auch nur Menschen
Auf die Nase gefallen
Zu abgehoben, um abzuheben?
Talk und Tierschutz im neuen Jahrtausend
Wetten, das war’s noch nicht?
Quellen
Man fragt sich schon, wie Frank Elstner – der »echte« Frank Elstner – sich damals gefühlt haben muss, als sein jüngerer Bruder Tim ihm eröffnete, dass er künftig ebenfalls unter dem Namen Frank Elstner firmieren werde. War da jemand zu faul, sich lange mit der Suche nach einem Künstlernamen aufzuhalten? Oder war es ein Zeichen der Wertschätzung dem älteren Bruder gegenüber? Der junge Mann, der seinem Bruder den Namen abspenstig machen wollte, arbeitete seit Kurzem als Moderator bei einem modernen, aufstrebenden Radiosender in Luxemburg. Im Gespann mit seinem Kollegen Tom sollte er eine Morgensendung moderieren, aber Tim und Tom, so hatte man befunden, das klinge zu albern. Wie zwei Cartoon-Figuren. Und da Tom beim Sender die älteren Rechte hatte, wurde Tim aufgefordert, sich einen neuen Namen auszusuchen. Na schön, dann würde er künftig als Frank Elstner auf Sendung gehen, so beschloss er es damals vielleicht. Vielleicht gab ihm auch jemand aus der Chefetage den neuen Namen. Die Quellenlage ist da nicht eindeutig. Eines aber kann man Frank Elstner – dem »falschen« Frank Elstner – ganz bestimmt nicht vorwerfen: dass er Schindluder mit dem Namen des Bruders getrieben hätte. Vielmehr hat er ihn zu einer Marke gemacht, zu einem Qualitätssiegel, einem Synonym für gut durchdachte TVUnterhaltung, die Jung und Alt anspricht.
Als Erstes fällt einem da natürlich Wetten dass..? ein, diese absolute Ausnahmeerscheinung in der deutschen TV-Geschichte, die es über Jahrzehnte geschafft hat, die ganze Familie am Samstagabend vor dem Fernseher zu versammeln. Besonders stolz – durchaus zu Recht – ist Elstner zudem auf die insgesamt 138 Gespräche mit Nobelpreisträgern, die er für das ZDF führte. Auch der aus den USA adaptierten Quizshow Jeopardy! verhalf er als erster deutscher Moderator hierzulande zu großem Erfolg, und wer an TV-Klassiker wie DieMontagsmaler und Verstehen Sie Spaß? denkt, kommt an diesem Namen ebenfalls nicht vorbei: Frank Elstner.
Schon lange bevor er zu einem der bekanntesten Fernsehmacher und -moderatoren des Landes wurde, hatte er im Rundfunk Karriere gemacht: zunächst als Kinderstar beim Südwestfunk und anschließend beim bereits erwähnten luxemburgischen Radiosender, aus dem später das Medienunternehmen RTL entstehen sollte. Auch das muss ihm erstmal jemand nachmachen: siebzig erfolgreiche Jahre in diesem Business, das spätestens mit dem Aufstieg des Privatfernsehens in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre immer schnelllebiger geworden ist. Selbst heute, während das lineare Fernsehen mehr und mehr an Bedeutung verliert, erkennt Frank Elstner Chancen, wo andere eine Bedrohung sehen. Erfolgreich entwickelte er ein eigenes Format für das Online-Videoportal YouTube. Und während fast alle seine Zeitgenossen sich längst in den Ruhestand verabschiedet haben, holte er sich im September 2019 – mit zarten 77 Jahren – den YouTube Goldene Kamera Digital Award in der Kategorie »Bester Newcomer«, und zwar sieben Jahre nachdem er den Deutschen Fernsehpreis für sein Lebenswerk gewonnen hat. Und zwei Monate bevor er dann auch noch den Bambi-Award für sein Lebenswerk mit nach Hause nehmen konnte. So macht man das, meine Damen und Herren.
Die Zeiten sind düster, als die Schauspielerin und Tänzerin Hilde Engel-Elstner am 19. April 1942 mit 33 Jahren ihren zweiten Sohn zur Welt bringt. Seit zweieinhalb Jahren tobt der Krieg, mit dem die nationalsozialistische Regierung unter Adolf Hitler Europa überzogen hat. Die Jahre der NSDAP-Herrschaft werden eine Zäsur in der Weltgeschichte darstellen. Aus Angst und Unsicherheit schweigen viele; viele andere werden später beteuern, von den Gräueltaten der Nazis gar nichts mitbekommen zu haben. Fest steht aber: Wer politisch nicht auffallen will, hält sich bedeckt und versucht, sich inmitten der allgegenwärtigen Schrecken so etwas wie einen Alltag zu bewahren. So vermutlich auch die Elstners, die nun noch ein weiteres Mäulchen zu stopfen haben. Tim Franz Maria wird der Junge heißen und Linz, das unter persönlicher Patenschaft Adolf Hitlers steht und neben München, Nürnberg, Berlin und Hamburg zu den fünf »Führerstädten« zählt, ist seine Geburtsstadt. Heimatstadt wird sie ihm jedoch nicht werden, denn auch Vater Erich Elstner, ein Sudetendeutscher, ist Schauspieler, genau wie seine Ehefrau: Die Eltern verlegen den Wohnsitz der Familie immer dorthin, wo sie gerade ein Engagement ergattern können. In den Jahren vor und während des Krieges arbeitet Erich zumeist am Stadttheater Brünn, als Schauspieler und Operettenbuffo sowie später auch »als Regisseur und Oberspielleiter des Lustspiels und der Operette«. Brünn (eigentlich Brno) ist nach Prag die zweitgrößte Stadt Tschechiens. Mehr als 50 000 Sudentendeutsche leben hier, was sich auch im kulturellen Leben der Stadt widerspiegelt. Hier verbringt das in Wien katholisch getaufte Kind also die ersten Jahre seines Lebens.
Als der Krieg endet – der kleine Tim ist da gerade dreieinhalb Jahre alt –, werden jedoch die deutschsprachigen Einwohner aus der tschechischen Stadt vertrieben. Der kollektive Hass auf die Deutschen, der sich hier Bahn bricht, ist eine direkte Folge aus sechs verheerenden, fatalen Jahren des sinnlosen und brutalen Mordens. Dreieinhalb Wochen nach der Kapitulation aller deutschen Truppen beginnt am 31. Mai 1945 der sogenannte Brünner Todesmarsch, dem sich auch die Elstners anschließen müssen: 27 000 Menschen, überwiegend Frauen, Kinder und alte Männer, machen sich zu Fuß auf den Weg an die österreichische Grenze. Körperlich wegen der Entbehrungen des Krieges in schlechter Verfassung, zieht der Tross der Verzweifelten durch Nacht und Regen; geschlafen wird auf dem kalten Betonboden und auch nur ein paar Stunden, bevor es weitergeht. Überall am Wegesrand stehen tschechische und russische Soldaten, die nicht zögern, Peitsche und Gewehr einzusetzen, sobald jemand schwächelt. Mindestens 2000 Personen kommen bei diesem Marsch ums Leben. Am Wegesrand liegen immer wieder tote Menschen und Pferde. Diese Bilder prägen sich dem Kleinkind Tim ein, er habe »jahrelang davon geträumt«, wird er viel später mal erzählen. Die Familie Elstner schafft es schließlich bis nach Wien, von wo aus es schon bald weitergeht nach Berlin. In den Jahren 1947 und 1948 wohnt die Familie dort im Stadtteil Wilmersdorf, der unter britischer Besatzung steht.
Hier wird Tim auch eingeschult. Der jüngere der beiden Elstner-Söhne ist mit einer angeborenen Mikrophthalmie zur Welt gekommen, was bedeutet, dass einer seiner Augäpfel – der rechte – blind und verkümmert ist. Das lässt den Jungen oft zum Ziel des Spotts seiner Mitschüler werden. »Polyphem oder Einäugiger« nennen sie ihn. Da er kein räumliches Sehvermögen hat, muss er lernen, dieses Defizit auszugleichen. Seine Oma versucht ihn zu trösten: Solle er zu allem Übel auch noch kurzsichtig werden, bekomme er ein Monokel – die anderen Kinder nur eine Brille. Und so ein Monokel, das sehe doch viel eleganter aus. Der Enkelsohn ist kaum überzeugt. Wie angebracht seine Skepsis ist, zeigt sich, als er später tatsächlich eine Brille braucht. (Denn natürlich bekommt er eine Brille, kein Monokel.) In der Schule beschmieren ihm die anderen Kinder nun regelmäßig das rechte Brillenglas mit Tinte – er brauche es ja nicht.
In Berlin lebt die Familie »in einer Art Künstlerkolonie«, in einem Mehrfamilienhaus, in dem auch »ehemalige Ufa-Schauspieler wie Horst Caspar oder Hilde Hildebrand« wohnen. Schulanfänger Tim beschäftigt sich in seiner Freizeit aber lieber mit Puck, »einem ausrangierten kleinen Zirkushund«, der zur Familie gehört. Wenn er den Hund Kunststückchen vorführen lässt, bringt ihm das ab und an ein paar Groschen ein. Für eine Weile lebt außerdem noch ein junger Mann bei den Elstners, der oft mit dem 15 Jahre jüngeren Tim spielt, wenn dieser sich langweilt: Lutz Jahoda. Der angehende Operettensänger nimmt privaten Schauspiel- und Gesangsunterricht bei beiden Elternteilen; er gehört quasi zur Familie, und da er noch nicht ganz 21 ist, als er sein erstes Engagement beginnt, unterschreibt Erich Elstner den Vertrag für ihn. Jahoda wird später zu einem der populärsten Entertainer, Sänger und Schauspieler der DDR aufsteigen. Gewissermaßen hat das Ehepaar Elstner also Ost und West mit Ikonen der Medienlandschaft versorgt.