Fräulein Spatz will nach Rom, um die Römer zu fragen, warum sie kein Dach über das Kolosseum gebaut haben - Lili Stollowsky - E-Book

Fräulein Spatz will nach Rom, um die Römer zu fragen, warum sie kein Dach über das Kolosseum gebaut haben E-Book

Lili Stollowsky

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Beschreibung

Das Spatzenfräulein Agrippina wohnt mit ihren Eltern und Brüdern im römischen Amphitheater von Trier. Keiner versteht, dass sie immer friert. Um zu erfahren, warum die Römer kein Dach über ihr Kolosseum gebaut haben, beschließt sie, nach Rom zu fliegen. Auf ihrer Reise begegnet sie allerlei Tieren, die ihr helfen, den für einen kleinen Spatzen weiten Weg zu finden. Sie besteht viele Gefahren und hoch in den Alpen wird sie von einem Steinbock aus Lebensgefahr gerettet. Agrippina schafft es tatsächlich, bis nach Italien zu fliegen. Neben ihrem Herzenswunsch, nicht mehr zu frieren, findet sie dort auch noch auf andere Weise ihr Glück.

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Für meine Enkelkinder

Elise, Oscar und Lukas

Illustrationen: Annika Bezema

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 1

"Rück mir nicht so auf die Pelle", sagte Gustl und hüpfte ein paar Schritte seitwärts ins Gebüsch am alten römischen Theater in Trier.

"Mir ist aber kalt“, erwiderte Pina und hüpfte ihrem Bruder hinterher.

"Immer ist Dir kalt. Niemand ist so verfroren wie Du." Gustl neigte seinen Kopf von einer Seite zur anderen und spreizte dabei seine hübschen braun und weiß gesprenkelten Flügel. "Wenn Dir kalt ist, geh zurück ins Nest und lass Dich von Mamas Popo wärmen."

"Ich will nicht ins Nest, ich sitze lieber hier auf dem Boden", zeterte Pina und funkelte Gustl wütend an.

"Dann sitz halt hier auf dem Boden", sagte Gustl.

"Mir ist aber kalt", zeterte Pina.

"Dann geh unter Mamas Popo!"

"Ich will nicht unter Mamas Popo!"

"Dann friere halt!", zeterte Gustl zurück und hüpfte noch ein paar Schritte seitwärts.

"Ich kann nichts dafür, wenn mir immer kalt ist. Seit ich aus meinem Ei geschlüpft bin, friere ich", schrie Pina und hüpfte ihrem Bruder wieder hinterher.

"Du sollst mir nicht auf die Pelle rücken", schrie Gustl.

"Warum streitet ihr Euch?", fragte Aurelio, der gerade versuchte, einen Regenwurm aus der Erde zu ziehen.

"Agrippina friert schon wieder", antwortete Gustl seinem Bruder.

"So ein Mist!", zeterte Aurelio. Der Regenwurm war wieder in die Erde zurückgekrochen.

"Was ist denn hier los?" Mutter Spatz kam angeflogen.

"Der Regenwurm ist weg", schrie Aurelio.

"Mama, Pina ärgert mich", schrie Gustl.

"Nein, Gustl ärgert mich", schrie Pina.

"Hört auf, Euch zu streiten und macht nicht so ein Geschrei. Ihr lockt noch die Minka an, das wisst Ihr doch.“

Minka war die rote Katze, die jeden Tag in der Spatzenkolonie herumschlich und nur die Erwähnung ihres Namens reichte aus, um streitende Vogelgeschwister zur Ruhe zu bringen. Zum Glück war sie eine sehr dicke Katze. Ihr Bauch schleifte beim Laufen fast über den Boden. Minka hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas gefangen.

Noch nicht mal eine klitzekleine Maus. Aber eine Katze ist eine Katze und auch dicke und faule Katzen können Vögel fangen und fressen.

Das wissen auch die Spatzen am alten römischen Theater in Trier.

"Irgendwas stimmt mit Dir nicht", sagte Mutter Spatz und legte ihren Schnabel an Pinas Stirn. "Bist Du krank? Hast Du vielleicht Fieber?"

"Ich bin nicht krank, Mama, mir ist nur kalt."

"Aber es ist Ende Mai. Kein Spatz friert im Mai. Du hast doch warme Federn. Pluster Dich einfach ein bisschen mehr auf."

"Ich bin schon voll aufgeplustert und friere trotzdem", schrie Pina wieder los, "meine Füße sind kalt, mein Schnabel ist kalt und unter meinen Federn ist mir auch kalt."

Mutter Spatz betrachtete sorgenvoll ihre jüngste Tochter.

Dieses Spatzenkind war anders. Entschieden anders als die anderen Spatzenkinder, die sie bislang großgezogen hatte. "Komm zu mir, ich wärme Dich", sagte sie, "mir darfst Du gerne auf die Pelle rücken."

Agrippina kuschelte sich an ihre Mutter und genoss die Umarmung der weichen warmen Federn.

"Weißt Du, mein Schatz, jetzt kommt bald der Sommer. Da wirst Du bestimmt nicht mehr frieren."

"Was ist Sommer, Mama?"

"Sommer ist, wenn es richtig warm ist. Die Tage sind lang und vom blauen Himmel scheint immerzu die Sonne.“

Agrippina seufzte und kuschelte sich noch näher an ihre Mutter. "Wie schön", murmelte sie, "Sommer, Sonne, blauer Himmel, richtig warm, wie schön" und dann schlief sie ein.

Kapitel 2

Angefangen hatte alles wie immer. Mutter Spatz hatte Mitte April in einem bröckeligen Mauersims des alten Theaters ihr Nest gebaut, Vater Spatz hatte es aus Federn und ein paar von den Touristen weggeschmissenen Plastiktütenfetzen gemütlich warm ausgepolstert und bald lagen vier grau-gemusterte Eier darin, die Mutter Spatz bebrütete.

Zwei Wochen später schlüpften aus drei Eiern die drei Geschwister Aurelio, Augustus und Agrippina. Aus dem vierten Ei schlüpfte niemand und Mutter Spatz warf es irgendwann aus dem Nest.

Vierzehn Tage lang flogen Mutter und Vater Spatz von morgens bis abends in der Gegend herum und fingen Fliegen und andere Insekten, um ihre hungrigen Kinder zu füttern. Kaum erschien einer der Eltern am Nestrand, rissen die drei Geschwister ihre Schnäbel auf, piepsten lauthals und schubsten sich gegenseitig weg, um nicht übersehen zu werden.

Wenige Tage nach dem Schlüpfen hatten sie zum ersten Mal ihre Augen geöffnet und bald war ihnen das erste Federkleid gewachsen.

Spatzenkinder werden schnell groß.

Drei Wochen nach dem Schlüpfen wurden sie flügge und starteten vom Nestrand aus ihre ersten Flugversuche. Zuerst stellten sie sich beim Fliegen noch etwas ungeschickt an, aber von Tag zu Tag wurden sie besser.

Im Moment hielten sie sich meistens auf dem Boden auf und die Eltern zeigten ihnen, wie und wo sie etwas zum Fressen fanden.

Augustus wurde immer Gustl genannt. Aurelio bestand darauf, Lollo gerufen zu werden. Er mochte seinen römischen Namen nicht. Und Agrippina, das Nesthäkchen, war Pina.

Mutter und Vater Spatz, die seit ihrer Geburt in dem alten römischen Theater lebten und dort schon einige Generationen von Spatzen großgezogen hatten, wussten zwar nicht, wer die Römer gewesen waren, aber sie wussten, dass ihr Theater vor langer Zeit von diesen Römern erbaut worden war und deshalb fanden sie es passend, ihren Kindern römische Namen zu geben.

Schaden konnte es ja nicht und es hörte sich auch besser an als die Namen, die andere Spatzeneltern für ihre Kinder aussuchten. Namen wie Heinz oder Friedrich oder Sabine. Manche nannten ihre Kleinen auch nur Spätzchen eins, zwei oder drei. Nach der vierten oder fünften Brut verloren sie den Überblick über ihre durchnummerierten Kinder und so kam es, dass mindestens zehn Spätzchen mit dem Namen sechs in ihrer Kolonie lebten.

Lollo, der Älteste, interessierte sich nicht für die Römer, sondern nur für Regenwürmer. Gerade versuchte er wieder, einen aus der Erde zu ziehen. "So ein Mist!“, rief er und die ganze Spatzenkolonie wusste, dass der Regenwurm in die Erde zurückgekrochen war.

Gustl, der Zweitgeborene, interessierte sich nicht für Regenwürmer, aber er liebte es, mit seiner kleinen Schwester zu streiten. "Mama, Pina ärgert mich“, war sein Lieblingssatz und Mutter Spatz musste eilig angeflogen kommen, um den Streit zu schlichten.

An manchen Tagen stritten sich die Geschwister ununterbrochen und Mutter Spatz musste andauernd angeflogen kommen, um den Streit zu schlichten. Manchmal wünschte sie sich insgeheim, dass ihre drei Spatzenkinder bald größer und vernünftiger wurden. Im Moment sah es aber noch nicht so aus.

Aurelio begriff nicht, wie man einen Regenwurm aus der Erde zieht, Augustus hatte ein Spatzengehirn und Agrippina, die Jüngste, war ein Sorgenkind.

Mutter Spatz wusste nicht, was einmal aus diesem frierenden kleinen Spatzenmädchen werden sollte.

Kapitel 3

"Mama?“ Pina war wieder aufgewacht.

"Ja, mein Schatz?“

"Ich habe von den Römern geträumt.“

"Das ist schön. Ich habe auch schon von den Römern geträumt. Ich habe geträumt, wie sie unser Kolosseum gebaut haben“, sagte Mutter Spatz.

"Was ist ein Kolosseum?", fragte Lollo, der gerade angehüpft kam.

"Kolosseum ist ein anderer Name für Theater", erwiderte die Mutter.

"Ach so", sagte Lollo, "dieses alte bröckelige runde Bauwerk, wo wir mit unserer Spatzenkolonie wohnen, das heißt Kolosseum.“

"Ja", antwortete die Mutter, "wir wohnen im Kolosseum. So ein altes römisches Theater gibt es nur hier in Trier.“

"Das war nicht hier", sagte Pina, "ich habe von Römern geträumt, die nicht in Trier waren. Sie waren woanders. Sie waren bei sich zuhause.

In einer Stadt, die Rom heißt.“

"Es gibt keine Stadt, die Rom heißt. Es gibt nur Römer. Und Römer gibt es nicht mehr", erwiderte die Mutter.

"Ach Mama“, zeterte Pina, “ich habe aber von der Stadt geträumt.“

"Was schreist Du so laut?“, fragte Augustus, der auch angehüpft kam, "frierst Du schon wieder?“

"Ich friere nicht. Ich habe von Rom geträumt.“

"War es kalt oder warm in Trom?“

"Es heißt nicht Trom, sondern Rom. Und es war warm. Die Sonne hat geschienen und die Römer saßen im Cafe auf der Strasse und haben Eis gegessen und Kaffee getrunken“, antwortete Pina.

"Bäh, Kaffee schmeckt nicht“, sagte Gustl.

"Aber Regenwürmer schmecken“, sagte Lollo.

"Römer gibt es nicht“, sagte Mutter Spatz.

"Aber sie haben unser Kolosseum gebaut. Dann muss es doch Römer geben, oder?“ fragte Gustl.

"Ja, es gibt Römer und es gibt die Stadt Rom", schrie Pina, "und wenn ich groß bin, fliege ich dahin.“

"Was willst Du denn da?" Gustl schaute seine Schwester erstaunt an.

"Ich frage die Römer, warum sie vergessen haben ein Dach über unser Kolosseum zu bauen", erwiderte Agrippina.

"Warum willst Du ein Dach haben?" Gustl schaute seine Schwester noch erstaunter an.

"Wenn ein Dach über diesem alten bröckeligen runden Bauwerk wäre, würde ich nicht andauernd frieren", zeterte Pina.

"Essen Römer Regenwürmer?“, fragte Lollo.

"Nein", schrie Pina ihren Bruder an, "die essen keine Regenwürmer, die Römer essen Eis und trinken Kaffee.“

"Manchmal trinken die Touristen, die unser Kolosseum besichtigen, auch Kaffee. Kaffee aus Plastikbechern“, sagte Vater Spatz, der jetzt auch angehüpft kam, "und wenn sie ausgetrunken haben, schmeißen sie die Becher einfach auf den Boden“, fügte er hinzu.

"Bestimmt machen die das in Trom genauso“, sagte Gustl, "Kaffee schmeckt nämlich nicht. Ich würde den Kaffeebecher auch auf den Boden schmeißen.“

"Es heißt Rom und nicht Trom“, schrie Pina und vor lauter Wut zitterten ihre Schwanzfedern.

"Schätzchen, reg Dich nicht so auf“, sagte Mutter Spatz. “Nachher frierst Du wieder.“

"Ich friere nicht“, schrie Pina.

"Ich hab ihn“, rief Lollo, "jetzt hab ich ihn“ und weil er beim Rufen seinen Schnabel öffnete, entwischte ihm der Regenwurm und kroch wieder zurück in die Erde.

"Warum frierst Du nicht?“, fragte Vater Spatz.

Agrippina platzte beinahe vor Wut.

Alle ärgerten sie damit, dass sie immer fror. Ihr Vater hatte einen Tick mit Touristen und Plastiktüten und Plastikbechern, Lollo konnte keinen Regenwurm aus der Erde ziehen und ihr Bruder Gustl hatte ein Spatzengehirn.