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Im heimischen Pool rasiert Carmen, ganz unverklemmt, ihrem Paul einen glatten Schnorchel, der anschließend sehr gerne eintauchen darf. Ja, schon als Teenager machte sie spritzige Erfahrungen in der Umkleidekabine, und es war nicht der Kleiderständer. Inzwischen meldet sich der Ernst des Lebens manchmal uneingeladen, doch den Spaß lässt sie sich nicht verderben. So trifft sie in Fuerteventura auf ihren alten Schulkameraden Marco, der nun nicht mehr alleine surfen muss, sondern Carmens Hand unter seinem Badetuch das Surfbrett sucht. Ran an die Kokosnüsse! Auch Nacktbaden oder Quickie am Strand oder die hocherotische Körperbemalung mit sehr intensivem Abduschen. Vor dem Spiegel, in den Dünen, geiler Strip mit Happy End. Stets besonders, leidenschaftlich, laut, befriedigend. Wieder daheim warten auch ohne kanarische Sonne heiße Abenteuer, die sie nur ihrer besten Freundin Anja erzählen kann ... Inhalt: Sex, Vanilla, Gruppensex, Spanking, Sex Toys, FKK, Andreaskreuz, Handarbeit, Erotik, erotische Geschichten, Sex Geschichten
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Seitenzahl: 381
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Impressum
„Frei und unanständig“ von Carmen Antonio
herausgegeben von: Club der Sinne®, Hinstorffstr. 110, 19412 Brüel, September 2022
zitiert: Antonio, Carmen: Frei und unanständig, 1. Auflage
© 2022
Club der Sinne®
Inh. Katrin Graßmann
Hinstorffstr. 110
19412 Brüel
www.Club-der-Sinne.de
Stand: 01. September 2022
Gestaltung und Satz: Club der Sinne®, 19412 Brüel
Coverfoto: © Pavel Rumme/Shutterstock.com
Covergestaltung: Club der Sinne®
Das vorliegende eBook ist urheberrechtlich geschützt.
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Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden und volljährig.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Carmen Antonio
Vom Innenleben einer Blue Jeans
Hinter der Krawatte
Karussell fahren
Die Friseurin am Pool
Ein wahrer Freundschaftsdienst
Ohne Reiserücktrittsversicherung
Hin und weg
Obstkorb am Strand
Flaschendrehen
Nur ein Chill-Out-Abend
Malen ohne Leinwand
Staffellauf im Wohnzimmer
Der Glühwurm
Nacktbaden
Kamelsafari
Fast über den Wolken
Kätzchen am Strand
Room Service
Ein Traum geht zu Ende
Reiseberichterstattung
Klassentreffen
Klassentreffen 2.0
Badezusätze
Hans im Glück
Kreuzschmerzen und Bänderzerrung
Prinz & Prinzessin
Spieleabend
Hotel-Frühstück der etwas anderen Art
Nach dem Essen sollst du ruhen …
Die Stimmung ist im Keller
Ölkrise
Anjas Abschied
Willkommen im neuen Leben
Je später der Abend
Sahnehäubchen
Hochzeitsglocken
Besuch zum Nachtisch
Fahrt ins Glück
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Meiner Freundin und Privatpatientin kann ich heute meine Abenteuer brühwarm erzählen. Früher hätte ich Hemmungen gehabt, eine bettlägerige junge Frau in ihrer privaten Wohnung mit Geschichten von bettlägerigen Greisen zu unterhalten. Aber Anja mag es lieber, wenn ich nicht verklemmt bin.
Ausführlich schildere ich, wie die Damen und Herren im Pflegeheim die Lachshäppchen und Ingwer-Hähnchenbrüstchen – auch mit wenig Zähnen – verspeisten. Die Snacks hatte eine Kollegin von einer privaten Feier übrig und am nächsten Tag die Heimbewohner damit überrascht. Rein rechtlich durften wir das wahrscheinlich gar nicht.
Doch mein Rechtsempfinden, inklusive des ganzen Pflegeheim-Themas, scheint Anja im Moment kaum zu interessieren.
Sie hakt eher bei der vorhin beiläufig erwähnten Jugendsünde nach.
Eigentlich sollte ich Anja den Rücken und den Hintern eincremen, damit sie sich nicht wund liegt, aber das muss warten.
„Details, Carmen, Details! Was ist da gelaufen zwischen dir und diesem Marco?“
Ich versuche erst gar nicht, mich rauszureden oder abzulenken. Anja scheint in ihrem verstellbaren Pflegebett feinste Antennen eingebaut zu haben. Schon meine kleinste Verlegenheit reicht ihr aus, um mich mit einem ungeduldigen „Moment, Moment“ zu bremsen.
„Moment, ich muss das Rückenteil hochstellen.“ Mit ihren steifen Fingern findet sie zügig den richtigen Knopf auf der Fernbedienung und fährt sich so runter auf mein Sessel-Niveau.
Ich darf dann noch meine Füße auf ihrer Matratze ausstrecken, sodass wir beide es bequem haben. Sie hält nur noch die kleine Haarbürste in der rechten Hand. Die hält sie fast immer, wenn ich sie sehe. Die gibt ihr eine gewisse Illusion von Autonomie. Ein Kerl kann wohl kaum begreifen, wie wichtig es für uns ist, sich die Haare zu kämmen. Es geht nicht um Frisuren. Es geht darum, allein über seinen Körper zu bestimmen, sich gestalten, wie man will, wann man will und wo man will. Und wie oft man will!
Die Muskeldystrophie hat an den Händen angefangen und an den Füßen. Es heißt, der Rückgang der Muskulatur sei nicht aufzuhalten, doch das beunruhigt sie nur bedingt. Sie macht kleine Fortschritte, glaubt sie. Ist ihr scheiß egal, wenn sich die Wissenschaft dagegen wehrt.
Wenn sie sich kämmt, dann funktioniert das am besten, wenn das Rückenteil hochgestellt ist. Der Kopf geht dann eher zur Hand als umgekehrt. Rassig sieht sie aus mit ihrer halblangen blonden Löwenmähne. Hat fast ein bisschen was von Jill Munroe aus Drei Engel für Charlie.
„Und dieser Marco hat also nach eurer Schule Koch gelernt. Und du hast dann mal von seinem Kochlöffel genascht – oder wie war das?“
„Na ja, was heißt gena–“
„Komm, gib’s zu!“
„Es war kurz nach der Mittleren Reife. Im Kaufhaus, in der Umkleidekabine. Wir hatten Klamotten gekauft.“
„Ihr wart also richtig zusammen?“
„Wir waren überhaupt nicht zusammen. Ich war schrecklich schüchtern und wahrscheinlich deshalb solo.“
„Ach! In so einer Umkleidekabine trifft man sich ja oft so ganz zufällig …“
„Ob er eine Freundin hatte, das wusste man damals nie so ganz aktuell. Jedenfalls standen wir uns in den Umkleiden gegenüber, Wand an Wand. Jeder mit einer Jeans überm Arm.“
„Und, wer ist zu wem in die Hütte gekrochen?“
„Ich zu ihm. Es war die dümmste Anmache der Welt, als er fragte, ob ich ihm helfen könne. Er hatte, meine ich, gar nicht damit gerechnet, dass ich eher will als er. Ich glaube, ich hatte mich nicht mal umgeguckt, ob mich jemand verschwinden sieht. Tja, und dann stand er da in der Unterhose.“
„Und dann hast du ihm einen ge...“
Anja merkt nicht, dass sie gerade unruhig am Griff ihrer Haarbürste rumspielt – trotz Kontrakturen an der Hand.
„Ja, puh!“
„Echt? Und wo habt ihr es dann hingeschmiert?“
Ja, Anja macht keine Umwege. Ich muss mich erst für einen Moment wieder fassen, wenn ich daran denke, dass ich das gemacht hatte, noch bevor ich überhaupt einen Jungen richtig geküsst hatte.
Anja deutet diese kurze Verlegenheit anders. „Du hast es geschluckt! Ja, leck mich am A...“
„Nein! Wir haben die neue Jeans genommen – das Hosenbein, innen.“
„Iiieh! Der Nächste wird sich dann gefreut haben.“ Sie lacht laut, fies und erfrischend und bohrt weiter: „Hat er eigentlich gestöhnt, das hört man doch draußen?“
Ich kann mich nur noch an die aufgerissenen Augen und seinen Mund erinnern. „Nee, gestöhnt hat er nicht, glaube ich. Vielleicht ein gepresstes Mmh.“
„Und dann?“
„Es gab nie wieder ein und dann. Ich bin vor ihm raus und habe so getan, als ob nichts gewesen wäre. Aber ich glaube, man hat mir auf hundert Meter angesehen, dass ich gerade meinen ersten Sex hatte. Ich hab’ ja noch nie gut lügen können.“
Die Chemie zwischen Anja und mir stimmt ganz einfach! Sonst würde ich diesen Nebenjob nicht machen. Wir sind beide ziemlich direkt zueinander. Bei anderen kann das auch schon mal als unpassend rüberkommen. Beim sehr geehrten teilhabenden Prokuristen zum Beispiel, meinem Schwiegervater in spe, Herrn Simon.
Der Herr Personalmanager wollte eigentlich zu einem Meeting. Es wurde auf morgen verschoben. Er nutzt die Zeit oben in seinem Arbeitszimmer. Er nutzt Zeit eigentlich immer. Er hat keine Zeit, aber er nutzt sie. Anstandshalber muss ich ihn halt auch zum Abendessen einladen, es ist schließlich seine Küche. Eigentlich wollte ich für Paul und mich was Leckeres im Wok brutzeln und anschließend einen netten Abend mit ihm verbringen. Vielleicht übernachte ich auch dort. Paul bewohnt das Parterre mit der Küche und dem gemeinsamen Wohnzimmer, zusätzlich ein Arbeitszimmer für ihn. Papa besteht darauf.
„Im Arbeitszimmer liegen Portfolio der Firma – unsererFirma“, korrigiert er sich selbst mit einem süffisant-dominanten Augenzwinkern in Pauls Richtung. „Und eine Liste mit den namhaftesten Kunden und die aktuellen Abschlüsse. Du solltest die Daten kennen, wenn du nächste Woche dein Praktikum bei mir machst.“
Motor-Gummidichtungen, die im Winter nicht hart und im Sommer nicht weich werden, dass man damit so viel Geld verdienen kann!
Herr Simon taucht den Kopf wieder gelassen in den Wirtschaftsteil der Zeitung, sodass nur noch der Ansatz seines kurzen gepflegten grau-melierten Pferdeschwanzes auszumachen ist.
Pauls Kinder- bzw. Jugendzimmer ist jetzt sein Schlafzimmer. Großes Bad, Klo. Der Garten hinter dem Haus wirkt ungepflegt, den Pool nutzt hier keiner. Drei Garagen – leck mich am Arsch! Pauls BMW steht drin und eigentlich Frau Simons noch größerer BMW, bevor sie sich vom Hausherrn getrennt hatte. Der Lamborghini vom Schwiegerpapa-Arschloch muss natürlich vor dem Haus geparkt werden, klar.
Noch vor ein paar Monaten hatte Paul brav beim Papa angekündigt, wenn ich bei ihm übernachtete. Den Zahn hatte ich ihm gezogen.
„Aber rasieren darfst du dich schon allein?!“
„Da kannst du wirklich nur hoffen, dass Paul mehr Gene von seiner Mutter hat. Und den Alten musst du ja nicht heiraten“, bringt Anja meine Nöte wieder einmal nüchtern auf den Punkt.
Ich selbst weiß es ja auch nicht, ob Paul wirklich der Richtige für mich ist. Wir kennen uns seit dem letzten Jahr. Ich denke, er liebt mich. Für den Haushalt wäre er noch formbar. Er meint zwar, dass er mal Kinder mit mir haben will, doch ernsthaft auseinandergesetzt hat er sich mit dem Thema noch nie so richtig. Er wird mal ordentlich Kohle heimschleppen. Der Vater ist wohlhabend, Haus mit Pool, und Paul ist das einzige Kind. Es hätte mich schlimmer treffen können.
Einen weiteren Aspekt muss ich nicht bedenken, dafür sorgt schon Anja. „Und wie sind seine anderen Qualitäten?“, fragt sie, während sie die Haarbürste, wie immer in der verkrampften Hand, ziemlich eindeutig von der Bettdecke aufrichtet. Sie schaut dabei zwar schelmisch, aber nicht wirklich frivol. Der Blick ist eher auffordernd, sie will es schlichtweg wissen.
„Also, wenn der Alte nicht zu Hause ist, also dann … also … puh!“
„Mensch! Was heißt puh? Komm schon – Details!“
Paul würde seinen Kumpels nie Delikatessen aus dem Schlafzimmer verraten, mal abgesehen davon, dass er keine Kumpels hat. Mein Intimleben ist auch privat, aber gegenüber Anja ist das anders. Ich kenne sie ungefähr so lange wie Paul, jedoch eine Liebesbeziehung zu einem Mann und parallel dazu eine tolle Freundin: Das ist das Größte. Außerdem habe ich sie schon so oft untenrum gewaschen, wo sollen da noch Hemmungen sein?!
„Na ja, der lässt sich echt noch was einfallen.“ Wobei ich gerade überlege, ob das mehr Wunsch als Wirklichkeit ist. „Einmal hatte er – er muss zuvor ziemlich geübt haben – einen tollen Strip hingelegt, bis er dann, nur noch mit Krawatte bekleidet, vor mir am Bett stand. Dann hat er alles mit mir gemacht. Ihm ist es mordswichtig, dass ich auch meinen Spaß habe, ja, dass ich halt auch ...“
„Komme!“
„Ja!“
„Na, hoffentlich hat er nicht die Krawatte vom Papa genommen. Wäre ganz schön abtörnend, oder?! He-he-he!“
„Blöde Kuh! So, genug jetzt! Haben sie dir heute was Anständiges zum Essen serviert oder soll ich uns was machen?“
„Nee, lass nur, heute war es ganz okay. Kannst den Pudding noch haben, wenn du willst. Heute ist ein neuer Zivi gekommen.“
„Aha!“ Ich gönne ihr ihren Spaß von Herzen.
„Nix aha! Der Bub ist ja dermaßen grün, der reicht nicht mal für die Fantasie!
Ich creme ihr noch mal ihren sogenannten schönen Hollywood-Hintern ein. Die Bettpfanne benutzt Anja nur, wenn der Pflegedienst da ist. Windeln hasst sie, aber nachts muss es sein. Bevor ich wieder verschwinde, sind wir uns einig, dass es die Männer da doch einfacher haben. Die brauchen nur ihren Pimmel in diese Pinkel-Ente reinzuhängen.
„Und wo hängt ihn Paul heute Nacht rein?“ Sie kann es nicht lassen! Das ist ihre Art zu verdrängen, dass sie nicht mehr regelmäßig Sex hat.
„Jedenfalls nicht in den Pool“, kontere ich spontan. Solche Anspielungen spiele ich gerne mit. Das ist meineArt zu verdrängen, dass sie mir leidtut.
Trotzdem, wie immer, der rituelle Abschied: „Ein Zwanziger für meine private Krankenschwester, ein Fünfer für meine Freundin.“
Doch heute Abend will ich einfach nur allein sein. Vielleicht ein Bierchen auf dem Balkon. Für ein zweites muss ich auch niemandem Rechenschaft ablegen. Ich will wieder zu mir kommen, wäre wohl richtig ausgedrückt.
Aber was ist richtig? Bin ich überhaupt richtig? Müsste ich mit meinen 37 Jahren woanders stehen? Immer, wenn ich mir diese Frage stelle, dann weiß ich: Heute ist wieder ein Eigentlich-aber-Abend! In solchen Momenten wäre ich ein gefundenes Fressen für jeden Psychiater. Emotional-instabile Persönlichkeitoder so! Hat alles – ist aber mit nichts zufrieden.
Ja, stimmt, eigentlich habe ich eine tolle Freundin. Die interessiert sich für mich. Für sie gibt es überhaupt keine Tabus. Sie kann sich nicht selbst den Hintern abwischen und hat doch mehr Kraft als ich. Dinge, die sie nicht ändern kann, nimmt sie so, wie sie sind. Aber ich bin grundsätzlich erst mal mit allem unzufrieden, dann reibe ich mich daran auf, um anschließend noch unzufriedener zu sein. Es ist gar nicht mal so, dass Anja sich in ihr Schicksal fügt. Sie hat einfach keine Lust, sich den Spaß verderben zu lassen. Eigentlich sollte ich mich freuen, gesund zu sein. Aber meine ständige Grübelei, was ich in meinem Leben hätte besser machen können, das ist auch schon wieder krankhaft.
Dabei schiele ich auf meinen Nachttisch, oben kleine Schublade, unten große Klappe. Altmodisch, aber praktisch. Ich sollte mir wieder mal was Gutes tun. Meiner ist klein und handlich. Nicht fleischfarben, die haben alle so was Amputiertes an sich. Er ist hellblau-glasig marmoriert, weich und fest, vorne etwas gebogen. Die großen Kollegen mit Batterien, die womöglich an der Spitze noch Karussell fahren, finde ich bescheuert, das Surren würde mir die Lust nehmen. So ein bisschen was kann man schließlich auch selbst tun. Er liegt im großen Klappfach, ganz unten, hinten in der alten Schmuckschatulle ohne Schmuck. Davor noch die Taschenbücher. Klar, in meinen Ein-Personen-Haushalt kommen ja täglich so viele Leute, die meinen Nachttisch durchwühlen. Ich glaube, Anja würde ihren Dildo mitten auf den Nachttisch stellen und noch ‘ne Lichterkette drumbinden. Und wenn der Zivi einen roten Kopf kriegte, dann würde sie ihn noch provozieren: „Keine Angst, Kleiner, der beißt nicht.“
Paul hat sich heute freigenommen. Nach seiner abgeschlossenen Ausbildung zum Industriekaufmann ist das im eigenen Betrieb wohl kein Problem. Wo andere Urlaub nehmen müssen, darf der zukünftige Junior-Chef Ausgleich-für-Praktikum-Tätigkeitenbeantragen. Was heißt „beantragen“, da traut sich niemand zu widersprechen. Vitamin B muss nicht zwingend was Schlechtes sein. Wenn er nur nicht mal so ein Arschloch wird wie sein Vater. Aber da achte ich schon drauf!
Er hat den Frühstückstisch toll gedeckt. Alles da. Ein kulinarisches Verwöhnen auf der ganzen Tafel. Fisch müsste nicht unbedingt sein. Zwei Sorten Marmelade hätten gereicht.
„Da ist Himbeere, Quitte und hier Pflaume – mit einem Schuss Amaretto –, hat meine Mutter gemacht. Hm, die Aprikosenmarmelade musst du unbedingt probieren. Mama hat da immer einen Schuss Mandelsirup reingemacht. Wir haben noch mehr davon im Keller.“
Er vermisst seine Mutter sehr. Das merke ich immer wieder. So schön wie er die Wurst- und Schinkenplatte hergerichtet hat, hat er das Feinfühlige sicher von seiner Mutter. Überhaupt würde er, glaube ich, gerne mehr Gefühle zeigen, aber der Vater zerrt ihn am anderen Ende seiner Seele in eine wirtschaftliche Welt, in der Gefühle nur im Wege sind.
Ich schlage Paul vor, dass wir doch heute Vormittag den Pool mal so richtig auf Vordermann bringen könnten, um am Nachmittag schön zu baden. Nahtlos bräunen fände ich toll. Uns sieht ja niemand.
Der liebe Gott hat Weiblein und Männlein verschieden gemacht, das erkenne ich wieder mal sofort in Pauls Augen: Au ja, Nacktbaden! > mich anglotzen > Ständer kriegen > reinstecken! Ein kleiner Flirt und schon meinen die Kerle, es ist Tag der offenen Tür! Ich hätte ja gar nichts dagegen, wir haben schon ein paar Tage nicht mehr. Männer sind da trotzdem einfacher gestrickt. Nur weiß ich manchmal nicht, ob ich sie darum beneiden soll, dass sie weniger Sorgen haben, oder ob sie zu bedauern sind, weil sie nicht imstande sind, ihren Körper richtig zu spüren.
Die Brüste mal aus dem BH-Gefängnis rauslassen und in die Welt strecken, das Wasser überall fließen lassen. Die Spannung der Haut spüren, wenn sie wieder von der Sonne getrocknet wird. Der warme Wind streichelt so viele Körperhaare, dass man meint, man wäre eine riesige Rasenfläche.
Und die Romantik der Männer? Boah – geile Titten!
Paul hat sofort angebissen. Klar, er ist ein Mann!
„Das Chemiezeug mit diesem Chlor und pH-Minus und pH-Plus und Algenmittel ist mir zu kompliziert. Dirk soll kurz vorbeikommen. Der soll das gleich machen. Das Zeug muss erst richtig gemischt werden, anschließend prüft er das Wasser mit speziellen Stäbchen. Dann können wir bis zum Nachmittag endlich baden. In dieser Zeit können wir ja um den Pool herum noch etwas aufräumen und sauber machen.“
Wie fleißig Männer doch sein können, wenn ihnen Sex in Aussicht gestellt wird. Und wer ist Dirk?
Dirk ist wohl so eine Art Hausmeister, der in Arschlochs Firma arbeitet und wohl hie und da für private Arbeiten abgezweigt wird. Paul erklärt mir, dass Dirk schon viele Jahre in der Produktion als Schweißer beschäftigt ist und nach Feierabend ihr Gartentor geschweißt oder kleine elektrische Sachen am Haus gemacht hat. In dringenden Fällen ist er auch schon während seiner Arbeitszeit gekommen. Er macht das immer gern und Papa gibt ihm jedes Mal ein anständiges Trinkgeld.
Klar, macht er das gern, während der Arbeitszeit ein Nebenverdienst beim Chef! Riecht für mich so routiniert, dass Paul sicher noch nie über Schwarzarbeit nachgedacht hat. Aber das geht mich auch nichts an! Kaum ist der Prokurist verreist, da macht auch schon sein Sohn einen auf Chef und zitiert seinen Haus- und Hof-Schweißer nach Hause.
Dirk braucht nicht lange. Etwa eine halbe Stunde später steht er parat mit Paul in der Gartenhütte. Ich räume in der Zwischenzeit das Frühstücksgeschirr ab. Dabei gebe ich besonders acht, nichts kaputt zu machen und alles pfleglich zu behandeln. Das ist mein Teil, Pauls Mutter zu respektieren. Draußen am Poolrand knien zwei Neunmalgescheite – ein scharfer Liebhaber und einer mit Käppi – wie zwei Jungs mit ihren Eimerchen am Strand.
Zwei geile Knackärsche!
Sie halten Messbecher in das Licht und rühren irgendeine Brühe um. Kurz nimmt dieser Dirk die Mütze ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Das kurze blonde Haar pappt verschwitzt am ganzen Kopf. Auf den ständigen Wegen von der Hütte zum Pool und umgekehrt wechseln Plastikflaschen, Trichter und Stöckchen zum Umrühren die Hände und Regale. Dirk ist etwas kleiner als Paul, hm. Aufgeräumt ist da draußen noch nix, wie ich durchs Küchenfenster sehe. Das hat der Herr Chemiker vor lauter Fachsimpelei wohl vergessen. Ich erinnere sanft daran, dass er die Liegen abwaschen, das Laub fegen und die Fliesen um den Pool schrubben wollte. Ernüchternd sieht er sich vor einem Berg an Arbeiten. Diese funktionieren zusehends schneller, als ich ganz zufällig das Bikini-Oberteil etwas zurechtrücke.
Gegen 14:00 Uhr sind wir mit allem fertig. Das Wasser riecht zwar immer noch etwas modrig, aber vielleicht kommt das auch vom Chlorzeug.
Dirk ist wieder abgedüst. Ich glaube, er hätte gerne mitgebadet.
Ach ja, und dann war da noch so ein Paul, der endlich befriedigt werden will.
Nach einigem Zureden traut er sich tatsächlich nackt auf der Luftmatratze zu liegen. Auf dem Bauch – ich glaube, ich weiß warum.
Ich würde mal von mir behaupten, dass ich ein paar ganz ordentliche Brüste habe. Und wenn ich dann auf dem Rücken so am Poolrand liege, ein Knie angewinkelt, dann kann ein Mann nicht auf dem Rücken liegen. Außer, er will zeigen, was er hat. Aber so mutig ist Paul nun auch wieder nicht. Schade! Mein kleiner Pooltaucher hat nämlich einen stattlichen Schnorchel.
„Na, wie kalt ist denn das Wasser?“, frage ich ihn verschmitzt, nachdem ich neben ihm aufgetaucht bin. Meine Unterarme liegen auf dem Kopfteil. Beide von Angesicht zu Angesicht.
Paul ist in solchen Dingen nicht schüchtern und spreizt Daumen und Zeigefinger seiner Rechten maximal auseinander.
Angeber!
Ich bewege mich etwas mehr zur Mitte und lasse ein paar Tropfen von meiner Hand vom Nacken bis auf die Po-Ritze fallen. Gefällt ihm. Die Hand noch mal eintauchen und gezielt zwischen die Oberschenkel tropfen lassen.
Frech öffnet er die Schenkel. „Mmh, genau da!“
Die ganze Angelegenheit ist zwar sehr reizvoll, aber etwas wackelig, wenn ich zwischen Luftmatratze und nackter nasser Haut nach dem Schnorchel suche. Die beiden Sauerstoff-Fläschchen habe ich schon gefunden. Sie scheinen etwas eng eingepackt im kalten Wasser. Und haarig ist das ganze Ding!
Da fällt mir etwas ein! Ich überrede ihn, sich schon mal auf den Rücken zu legen, ich käme gleich wieder.
In solchen Momenten denke ich an Papa. Er hat mich recht frei erzogen und war auch nackt vor mir herumgelaufen. Es war schön, als Papa noch zu Hause war.
Seit er vor ungefähr zwei Jahren mit seiner Neuen durchgebrannt ist, besuche ich Mama öfter. Es ist seither anders daheim. Stiller. Aber Mama hat die schlimmste Zeit überwunden und ist wieder zu sich gekommen. Gott sei Dank war sie schon immer emanzipiert und selbstständig. Heute macht sie das Beste draus. Manchmal scheint sie es sogar zu genießen. Sie war noch nie ein Kind von Traurigkeit.
Den Platz von Pauls Rasierzeug kenne ich, schließlich habe ich ihm schon mal die Einmalrasierer für meine Beine geklaut. Die kleine Schere, Rasierschaum, die Einmalrasierer, seinen Waschlappen und das flache Wännchen können wir gut gebrauchen. Und das After-Shave-Balsam. Balsam, bloß kein Rasierwasser!
Paul ist mutiger, als ich dachte. Als ich vor dem Pool stehe, hat sich die Luftmatratze gedreht, und er schwebt mit dem Kopfteil zu mir, die Hände lässig unterm Kopf verschränkt. Und weiter unten reckt sich ein strammer Schnorchel in die Sonne. Total ordinär. Total geil. Den Anblick muss ich erst noch einen Moment – oder zwei – genießen, bevor ich mit einem Wännchen voll Frisörutensilien zu ihm heranschwimme.
Er sagt nichts, ich sage nichts.
Ich blicke ihm frivol in die Augen, er weiß nicht so recht. „Komm, mach mal Platz!“
Dann bitte ich ihn, die Beine links und rechts ins Wasser baumeln zu lassen, damit ich das Wännchen dazwischen ablegen kann. Er versucht, mit den Händen unterm Hinterkopf, den Oberkörper zu heben, um zu beobachten, was ich da unten treibe. Er ahnt es natürlich längst. Ich fordere ihn auf, sich wieder ruhig hinzulegen, sonst schwappt hier alles über. Ich bin sicher, er wünscht sich in diesem Moment eher andere sexuelle Aktivitäten von mir, wenn ich so meinen Kopf über seine Erektion beuge. Andererseits ist er halt auch nur ein Mann: Hauptsache sich irgendwie am Pimmel rummachen lassen!
Zuerst mit dem Scherchen die Behaarung außen herum kurz schneiden, immer ins Wännchen damit. Zu einem klaren Schnitt-System habe ich dabei noch nicht gefunden. Eher wie ein Rasenmäher, der unbemannt auf der Wiese rumsaust.
Oder ’ne andere blöde Idee: Es erinnert irgendwie an Petersilie abschneiden im Kräutergarten von Mama.
Da liegt er, entspannt wie beim Psychiater auf der Couch. Für mich ist es eher wackelig, so auf den Zehenspitzen. Die gestraffte Haut am Ständer erweist sich als vorteilhaft. Gut festhalten! Und schon ist der erste Streifen ins Gebüsch gemäht. Hier funktioniert es relativ gut. Diese modernen Einmalrasierer haben mehrere Klingen, die verstopfen so schnell. Ich nehme den zweiten. Zwischendurch mal die Vorhaut vor- und zurückschieben und schon habe ich da einen zahmen Kunden liegen.
Bald ist aus dem buschigen Schwanz eine nackte Wurst geworden. Am Sack wird’s schwierig. Die Kaltwasser-Falten liegen hier dicht nebeneinander wie beim Viennetta-Eis. Immer schön vorsichtig rasieren. Immer wieder abwischen. Im Dammbereich ist das, im wahrsten Sinne des Wortes, eine haarige Angelegenheit. Hier muss ich besonders aufpassen, damit ich mit der Klinge nur gerade von unten hochfahre, denn die Wellenbewegungen dürfen kein waagrechtes Abgleiten verursachen. Ein Schnitt genau da unten wäre saublöd!
Mit einem „Du passt aber auf, ja“, meldet sich der Kunde gelegentlich zurück. Ein einerseits erst verunsicherter, aber dann doch höchst zufriedener Kunde, will ich meinen.
Immerhin, nach einer Viertelstunde bester Frisörkunst scheint die Lust immer noch größer als die Angst. Etwa fünfzehn Zentimeter groß. Obwohl, so nackt rasiert könnten es, rein optisch, auch siebzehn oder achtzehn sein. Das ist der zusätzliche Vorteil beim Mann: Er wirkt zwar anfangs wie ein gerupfter bleicher Hahn, aber ein größerer Hahn eben.
Die letzten Stoppeln in den schwierigen Winkeln. Fertig! Das großzügige Einmassieren mit dem After-Shave-Balsam scheint ihm am meisten zu gefallen, auch wenn vorne eigentlich kaum Haare waren.
Oh! Ein Tropfen davon ist ihm unter die Vorhaut gekommen. Es brennt – sorry!
Da hilft nur kaltes Wasser. Ich versuche, noch das Wännchen in Sicherheit hochzuheben, bevor sich Paul ins kühlende Nass stürzt.
Platsch! Aua!
Aber er ist weder nachtragend noch übermäßig empfindlich. Er fummelt sich noch etwas an der frischen Kahlrasur herum und betrachtet die neue Blöße erst mal vorsichtig durch die verschwommene Optik des Badewassers.
Breit grinsend schaut er zu mir hoch. „Ja, das nenne ich mal nackt baden!“
Er schwimmt zur Einstiegsleiter und untersucht, auf der oberen Stufe sitzend, sorgfältig den Tatort wie ein Affe, der sich laust. Über Läuse muss sich Paul keine Sorgen mehr machen.
Ich stehe auf der unteren Sprosse, halte mich mit der linken Hand am Geländer fest. Mit der Rechten helfe ich intensiv bei der Untersuchung. Paul lehnt sich gerne zurück, sodass ich mich draufsetzen kann. Die Nummer ist ziemlich spannend und total neu für uns beide, aber auch schrecklich unbequem. Ihm drückt der Beckenrand ins Kreuz. Beim mir scharren die Stufen an Waden und Knöchel. Aber saugeil ist es! Also machen wir’s noch eine Weile. Das Finale wollen wir aber nicht in dieser Verrenkung feiern. Beziehungsweise kann ich das auch nicht. Denn wenn ich mich mit beiden Händen am Geländer festkrallen muss, dann kann ich mich nicht entspannen.
Wir verlassen das Becken und sammeln hastig einen Bademantel und Handtücher zusammen, um sie als weiche Unterlage auf den kantigen Fliesen zu drapieren. Beide voreinander kniend fummeln wir hastig an den vorhandenen – beziehungsweise neuerdings nicht mehr vorhandenen – Frisuren des Gegenübers herum. Als wirkliches Vorspiel kann man es eigentlich nicht bezeichnen.
„Lass mich mal näher schauen, ob auch alle Stoppeln weg sind.“
So wählen wir – mal seitlich liegend, mal übereinander – jene Stellung, welche die direkteste Unterhaltung auch ohne Worte erlaubt. Es dauert schön lange.
Eine saubere Dusche danach wäre unromantisch, wenn wir uns gerade so versaut benommen haben. So rollen wir uns, schon wieder kreischend, zurück in den Pool.
Die Spuren werden sich im Wasser bald verteilen.
„Wenn du willst, darfst du dich wieder auf die Luftmatratze legen. Die Pause hast du dir verdient, du altes SchleckermauI! Ich will mich in den Schatten leg-…“ Der pennt schon! Rücklings am Beckenrand, das linke Bein baumelt ins Wasser. Das rechte langgestreckt in der Pfütze. Das mittlere erschöpft und nackig irgendwo dazwischen. Was gibt es Schöneres für einen Mann, als gleich nach dem Sex einzupennen?! Mit dem Sperma scheinen die jedes Mal auch ein paar Tropfen Hirnflüssigkeit zu verlieren. Die blicken danach ja gar nichts mehr. Ich lasse, nackt im Halbschatten liegend, die Fantasie noch ein Weilchen nachbeben …
Paul, das grüne Käppi steht dir überhaupt nicht! Er keschert schwer konzentriert im Pool herum. Klar, die abrasierten Schamhaare will er seinem Vater nicht erklären müssen.
Und ich habe so überhaupt keinen Bock, morgen früh wieder arbeiten zu gehen.
Kann es sein, dass so ein kleiner Orgasmus die Frühdienst-Laune hebt? Denn ruck-zuck ist Mittagspause. Beschwingt greife ich zum Teller in der Pflegeheim-Kantine. Es gibt tatsächlich Würstchen! Nackt und ohne Petersilie! Dann bin ich wohl der Kartoffelsalat. Pfui, Carmen! Benimm dich!
Ich entscheide mich dann doch, das Würstchen in geschnittenen Stücken zu verspeisen, abbeißen ist mir peinlich.
Mmh, lecker! Senf oder Majo? Majo ist authentischer.
Noch ein Schluck Wasser und fertig!
Trotzdem bleibt mir der letzte Bissen fast im Hals stecken, als sich meine ahnungslosen Blicke zufällig hinter der Tür auf dem Dienstplan der Heimküche verlieren: Matthias Holm, Frank Steimel, einige osteuropäisch klingende Namen, Marco Wielcke.
Marco Wielcke! Ja, leck mich am Arsch – der Marco!
Die halbe Stunde früher Feierabend kommt mir sehr entgegen. Es gibt einiges, was ich Anja erzählen muss! O ja! Einiges!
Ob ich Marco wiedersehen und ob ich dabei die uralte Umkleidekabine-Affäre vertiefen will, das wird sicher das Erste sein, wonach sie fragt. Doch bevor ich aus meinem Corsa aussteige, muss ich mich an die Abwehrmechanismen vom Psychologie-Unterricht erinnern. Übertragung wäre wohl der treffende Begriff für Anjas schmutzige Fantasie, die doch wohl meine eigene Fantasie ist.
Sie bezahlt mich für eine Stunde, mehr ist bei ihr nicht drin. Wir verplappern uns so regelmäßig bei meiner Arbeit an ihrem schwerfälligen Körper, dass oft ein Nachmittag daraus wird. Der ambulante Pflegedienst kommt meist zwei Mal täglich für 20 Minuten. Mir scheint, als ob sie manchmal aktiver bei den ganzen Dekubitus- und Kontrakturen-Prophylaxen mitmacht, um mehr Zeit für mich zu haben. Dann lassen wir das ganze krankenpflegerische Gedöns und haben viel Zeit zum Quatschen. Das ist okay – Anja ist wunderbar!
Und heute werden wir viel Zeit zum Quatschen brauchen, wobei ich glaube, dass ich Pauls Spezialrasur weglasse.
„Ach so!“ Damit erwische ich mich selbst, ich habe ja einen festen Freund.
Das Klingeln an ihrer Wohnungstür gilt eher als höfliche akustische Vorwarnung für Anja. Ich habe einen Schlüssel. Beziehungsweise drücke ich seit einigen Tagen routiniert optimistisch auf den Klingelknopf, hör aber nix. Anja hat kein Bock, einen Elektriker zu bezahlen.
Das Begrüßungszeremoniell verliert zwar langsam an Witz, aber wir haben uns daran gewöhnt. Auf mein „Huhu, Anja, ich bin’s“ folgt, als Ironie auf ihre Bettlägerigkeit, ein lautes „Ja, ich bin grad hier im Wohnzimmer.“ Wenn wir dann besonders gut drauf sind, kommt noch von mir: „Ach, da bist du!“ Und sie dann zum Beispiel: „Ja, du, ich war den ganzen Morgen joggen. Jetzt muss ich mich erst mal ausruhen. Schon anstrengend, wenn einem die vielen Männer hinterherrennen!“
Aber heute kriege ich keine Antwort. Sofort streiten Pessimismus und Optimismus in meinem Kopf. Ihr wird doch nichts passiert sein? Ach was, wahrscheinlich schläft sie nur.
So eine Thrombose kommt schnell, bei dieser Unbeweglichkeit. Nee, sie kriegt ja das Heparin gespritzt.
Pessimismus gewinnt – sie hat meinen Besuch noch niemals verschlafen! Die Lust auf ein zweites „Huhu“ vergeht mir auf der Stelle, ich spüre mein Herz klopfen. Bitte lieber Gott, lass mich meine Freundin nicht leblos in ihrem Bett finden! Bitte nicht! Vorsichtig strecke ich den Kopf über die Flurschwelle zum Wohnzimmer.
Ruhe!
„Verdammt! Du hast mir einen scheiß Schrecken eingejagt!“ So oder so ähnlich hätte ich sie gerne zur Sau gemacht, als sie krampfhaft lässig versucht, ihr Haar zu bürsten. Aber irgendetwas stimmt nicht! Auch ihr „Hallo Carmen“ wirkt verkrampft, wenn sie dabei wie beschämt zur Seite blickt. Die halblange strohblonde Mähne kann ihre Hand nicht ganz bedecken. Die Bürste liegt – eigentlich verkehrt herum – mit dem Borstenteil in der rechten Hand. Der Griff guckt lang gestreckt zwischen den Fingern heraus. Er ist schlank und handlich, vorne weich abgerundet und etwas gebogen. Unauffällig.
Mir ist sofort klar: Ich bin viel zu früh dran. Sie hat noch nicht mit mir gerechnet. Ich habe sie gestört. Das tut mir leid. Jetzt nimmt ihr die beste Freundin auch noch die letzte Freude weg!
Sie räuspert sich kurz und bringt ihre Stimme wieder in Ordnung. „Toll, dass du schon gekommen bist“, haut sie blitzschnell mit wieder gefasstem Selbstbewusstsein heraus.
Ob sie ein gezieltes Wortspiel damit beabsichtigte, mag ich mir vielleicht nur eingebildet haben. Jedenfalls drehe ich mich verlegen zur Wohnzimmertür, mit Blick zum Flur. „Die Klingel müsste mal gemacht werden!“
„Hm. Na, wie läuft’s denn so im Hause Simon? Sag mal, so ein Lamborghini, fährt der eigentlich mit normalem Super oder braucht der so ein besonderes Benzin?“
„Das weiß ich doch nicht. Ich kann ihn ja mal fragen. Ach nee, ich lass es lieber, da blamier ich mich nur.“
Meinen Neid auf die teure Küche bei Simons, der Wok-Pfanne und dass wir Sesamöl zum Anbraten nahmen, durchschaut Anja als Ablenkungsmanöver so klar, als ob ich als Schaf unbemerkt an einem Wolf vorbeispazieren wollte.
Nein, da nutzt es dem Schaf auch nichts, sich ein Hirschgeweih aufzusetzen.
In ihrem Ermittlungsrausch plappere ich aus, was ich eigentlich für mich behalten wollte. Aus meinem „Baden“ hat sie sofort „Nacktbaden“ gemacht.
Die abrasierten Schamhaare fand sie interessant. „Aha! Ihr scheint die sturmfreie Bude ja wirklich genossen zu haben.“
Wie immer legt sich der leise Nebel eines schlechten Gewissens auf meine sexuellen Abenteuer, wenn ich an die Immobilität von Anja denke. Obwohl, mir kommt da eine Idee.
Nein, das geht doch nicht. Doch! Später!
Jede von uns trinkt andächtig ihren Sekt aus, nachdem ich auch die Turnübungen am Poolgeländer haarklein beschreiben musste – mit Pflichtteil und Kür.
Ich stehe für einen Moment auf, die Hände in den Gesäßtaschen, gehe ein paar Runden im Zimmer auf und ab.
Puh. Ich kann doch jetzt nicht nahtlos mit der Marco-Begegnung weitermachen.
Ich weiß, Anja wäre da flexibel.
Und während wir beim Thema Hemmungslosigkeit gerade noch grinsten und lachten, betrachte ich stumm die Haarbürste, die neben Anja auf dem Bett liegt, da sie das Sektglas nur mit beiden Händen halten kann.
Anja sagt auch nichts. Sie wirkt verschämt, so kennt man sie nicht.
Ich lächle vertrauensvoll zurück, um ihr die Verlegenheit zu nehmen.
Einen Augenblick verharre ich noch unentschlossen in Gedanken. Dann hebe ich den Kopf, atme tief durch, drehe ich mich entschlossen um. Und ziehe die Vorhänge zu. Es geht nicht um schummrige Beleuchtung und romantische Kerzchen. Das grelle Licht stört ganz einfach.
Ihr Glas ist längst leer, trotzdem krallt sie sich daran fest. Sie schluckt trocken und traut sich nicht den Kopf zu bewegen. Keine sagt es – jede weiß es.
Ich trete an ihre Seite, stelle das Glas auf das Tischchen, sage nur leise und entspannt: „Komm.“ Es bleibt das einzige Wort, welches in der nächsten gefühlten Ewigkeit gesprochen wird.
Das Kopfteil wird flach gestellt; das Kopfkissen aufgeschüttelt, etwas mehr unter den Nacken, damit sie weich und bequem dahinschweben kann. Noch einmal kurz den Oberkörper hoch, damit ich die helle Satinbluse hochziehen kann. Mit der Hose geht es fast von allein. Die Knie stelle ich etwas auf und stütze sie mit Decken nach außen leicht ab. Ein flaches Kissen unter den Hintern, etwas mehr ins Kreuz.
Mein nur angedeutetes Nicken bedeutet: Bequem so?
Anja nickt flach atmend zurück. Sie ist jetzt völlig nackt.
Im Zimmer ist es angenehm warm. Wie bestellt, ist nirgends im Haus Krach zu hören, alles ist ruhig. Auch Anja legt langsam entspannt den Kopf zurück. Wir schauen uns jetzt nicht mehr in die Augen. Das Massageöl für den Physiotherapeuten hat sie selbst kaufen lassen. Es ist besonders samtig, nicht parfümiert, angenehm und unaufdringlich. Ich wärme es in meinen Händen etwas vor, um es anschließend großzügig auf ihr Dekolletee tropfen zu lassen. Dann über dem Bauch. Reichlich gieße ich nach. Es stört nicht, wenn es an den Seiten runter läuft. Dort fange ich es mit langsamen kreisenden Bewegungen auf, wieder nach oben.
Anja lässt sich völlig auf mich ein. An den Kniekehlen und in den Leisten zum Becken hin ist sie besonders kitzlig.
Sie hat einen schönen, noch relativ straffen Busen. Das eher Männer spezifische Kneten daran führe ich nur andeutungsweise aus, sondern spiele lieber in kreisenden Bewegungen. An den Oberschenkeln mag sie es auch gerne. Wenn ich dabei kurz, wie unbeabsichtigt, ihre Scham berühre, zuckt sie zusammen. Ein fremdes Berühren außerhalb der reinen Körperpflege ist sie nicht mehr gewohnt. Das macht nichts, wir haben alle Zeit der Welt. Deshalb lege ich meine Hand einfach nur dort ab. Großflächig ausgestreckt bedeckt die Hand jetzt fast die ganze Behaarung. Sie atmet langsam wieder regelmäßig.
Jeder Mann würde unser Spiel sofort als lesbische Nummer abstempeln, aber das ist es nicht. Es ist einfach nur schön. Unheimlich reizvoll, klar – aber nicht obszön. Einfach nur schön. Die kitzligen Kniekehlen und das Becken verführen mich immer wieder. Die kleine Öl-Pfütze im Bauchnabel quietscht so herrlich, wenn ich mit dem Finger darin spiele.
Wieder gleitet meine Hand über ihr Dreieck. Dieses Mal darf ich schon leicht massieren. Bevor ich Richtung Oberschenkel abgleiten will, drückt sie mir das Becken entgegen. Gegen direktere Berührungen hat sie jetzt nichts mehr einzuwenden. Mal kreisendes Kraulen obendrauf, mal gezielt tiefer. Was bei mir funktioniert, das liebt auch sie. Das Öl ist schon lange nicht mehr nötig. Ein flacher Blick zu ihrem Gesicht, sie wiegt den Kopf leicht hin und her. Sie möchte in ihrer Welt jetzt nicht mehr gestört werden. Nur wenige Male korrigiert sie mich, indem sie das Becken zurückzieht. Wir haben schnell unseren Rhythmus gefunden. Es ist unglaublich schön, diese Hingabe zu spüren. Bald wird der Atem unruhiger, aufgeregt, aber flach, mal nur ausatmen. Es kommt ziemlich schnell. Dann wie ein lauter Riesenknall, den Kopf in den Nacken gedrückt, den Unterleib nach oben gepresst. Wie eingefroren streckt sie sich für einen Moment aus der Matratze. Dann fällt alles in sich zusammen.
Meine Hand liegt vorsichtig nur noch ganz leicht und ruhig auf ihrer Scham. Jetzt nicht mehr reizen – nur darauf ausruhen. Als hätte auch meine Hand einen Orgasmus erlebt. Als würde nun ein Deckel drauf liegen, damit der Höhepunkt nicht entweicht.
„Puh!“ Erst nach einer ganzen Weile verdreht sie die Augen. Dann schauen wir uns an und sagen noch nichts. Wir schämen uns überhaupt nicht. Noch ein Moment Pause.
„Danke, Carmen!“
„Danke für dein Vertrauen, Anja!“
Noch mal Pause. Sie schaut sich im Raum um, als wäre sie in einer fremden Welt aufgewacht.
Sie streckt mir das Kuvert hin. „Heute fünf für meine Krankenschwester und zwanzig für meine beste Freundin.“
Ich bin zwar aufgeklärt und aufgeschlossen, doch solch ein Abenteuer geht auch an mir nicht spurlos vorbei. Man hat den Drang, es jemandem zu erzählen, das darf man halt nicht.
Heute Nacht gehe ich spät ins Bett. Auf meinem mickrigen Balkon drehe ich aufgekratzt und mit meinen Gedanken beschäftigt einige Runden, um abzuschalten. Gott sei Dank rauche ich nicht mehr. Fünf oder sechs wären jetzt weg. Ich überlege, ob ich meine Schmuckschatulle öffnen will.
Inzwischen sind einige Wochen vergangen.
Paul ist mordsmäßig engagiert, seinen Vater in der Firma zu vertreten – auch nachvollziehbar.
Dass ich Marco öfters aus der Kantine zur Küche zuwinke, ist ja nicht verwerflich.
Er erkennt mich sofort wieder. Na, hoffentlich! Wirft das Geschirrtuch hin, greift mich mit beiden Händen an den Schultern. Ui, schweres Hygiene-Verbrechen! Es quält ihn sichtlich, dass er keine Zeit für mich hat.
Einmal rufe ich ihm zu – er beim Fleischkäse wenden, ich beim Suppe schöpfen –, dass ich demnächst in Urlaub fliege. Ich freue mich wahnsinnig darauf, habe ich mir schließlich auch verdient. Unsere gemeinsame Schulkameradin Stefanie hat jetzt ein eigenes Reisebüro. Darf man doch sagen, oder, liebe Leserin?
Paul – nur damit klar ist, dass ich einen festen Freund habe – kann aus beruflichen Gründen nicht mit.
Aber!
Aber wie soll ich erklären, dass es wirklich reiner Zufall ist, dass Marco just nur 2 Tage früher ebenfalls nach Fuerteventura fliegt?
Surfurlaub!
Gleiches Hotel!
Kann ich doch nichts dafür.
„Und warum soll Paul nichts von diesem Zufall wissen?“, bohrt Anja mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
„Äh … na ja …“
„Hast du eine Reiserücktrittsversicherung?“
Ja, habe ich.
„Nein! Warum?“
„Damit könntest du dich in Sicherheit bringen, wenn du willst. Akute Lungenentzündung, Mutter Autounfall, Vater muss ins Pflegeheim – irgend sowas wird dir doch einfallen.“ Anjas Augenbrauen bleiben oben.
„Carmen – Urlaub – Stefanie – Reisebüro. Dieser Marco ist doch nicht blöd!“
Jetzt kommt wieder das Gefühl in mir hoch, dass mich Anja wütend macht.
„Was macht denn der neue Zivi, immer noch so schüchtern?“
„Carmen!“
Langsam müsste sie einen Augenbrauenmuskelkrampf kriegen.
„Bring ihn doch mal mit hierher, deinen Suppenkasper. Ich meine, wenn du dich traust“, lenkt sie geschickt das Thema in eine andere Richtung. Ihr Blick entspannt sich dabei wieder.
„Jo, kann ich machen“, antworte ich betont gelangweilt und merke im gleichen Moment, dass diese Antwort scheiße war.
Anja grinst. Die Augenbrauen muss sie nicht mehr hochziehen. Sie hat ja schon gewonnen.
So etwas wie: „Nee, ich stornier die Reise oder versuche umzubuchen. Marco soll sich bloß nichts einbilden. Paul würde mich nie betrügen“, das wäre die richtige Antwort gewesen.
„Carmen! Es ist, wie es ist!“
So ein eigentlich läppischer Satz klingt aus dem Mund eines schwer behinderten Menschen, der um sein Schicksal weiß, wie ein Richterspruch. Erschreckend klar lautet das Urteil: „Angeklagte, lieben Sie Ihren Lebensgefährten, dann stornieren Sie. Treten Sie die Reise an, dann riskieren Sie keine Affäre, nein, Sie wollen eine.“
Marco bietet mir an, mich nach Feierabend mitzunehmen und nach Hause zu fahren. Mitnehmen heißt allerdings ca. 8 km Umweg für ihn. Ich nehme das Angebot an, lüge ihm jedoch einen anschließenden Arzttermin vor, der ihm suggerieren soll: „Nix mit Noch-kurz-mit-reinkommen in meine Umkleidekabine!“
Und, ich müsste noch kurz nach Anja schauen. Unterwegs erzähle ich ihm, wie ich Anja zum ersten Mal getroffen hatte.
Ich erinnere mich, wie ich Anja kennenlernte.
„Du musst mich mal pflegen, wenn ich nicht mehr kann“, sagte sie zu mir in einer Situation, wo dieses Thema eigentlich gar nicht hingehörte.
Mein Erster – sagen wir mein Letzter vor Paul – war auch KFZ-ler. Da war so ein Verbandstreffen mit Sicherheitsentwicklern und Automobilclubs und was-weiß-ich. Jedenfalls war es ein riesiges Event mit langweiliger Technik überall, aber gutem Sekt. Umsonst! Lachshäppchen gab es leider keine. Dort hatte ich eine lebensfrohe Anja kennen gelernt. Die Chemie zwischen uns stimmte gleich. Sie war die Chaotische, die etwas Ordnung in ihrem Leben brauchte. Ich die Ruhige, die mehr Leben in ihrer Ordnung suchte. Wir hatten uns auf dieser Party tatsächlich darüber unterhalten, wie man Steuerunterlagen übersichtlich sortiert. Wenn man nämlich vorne im Ordner – im Inhaltsverzeichnis – die Steuernummern dazu schreibt. Dann kann man die Post fix zuordnen. Da muss ich wohl einen Sekt zu viel genippt haben. Aber Anja war völlig von den Socken. Sie war ständig unterwegs und hatte keine Geduld für solche Sachen. Sie kann herrlich zuhören und gleich ein Gesamtbild erfassen. Diese unkomplizierte Lebensweise hatte mich so beeindruckt.
Wir hatten uns gelegentlich getroffen. Sie liebte meinen Schoko-Kirschkuchen. Dafür machte sie einen göttlichen Cappuccino. Die leichte Prise Zimt gehörte dort zwar nicht rein, aber das war ihr egal.
Mit ihren Männergeschichten wurde es mir irgendwann zu bunt. Sie ließ nichts anbrennen. Manchmal hatte sie sogar welche parallel. Der Letzte war Geschäftsmann. Aber da lässt sie nichts raus, lenkt immer ab. Er muss älter gewesen sein, wahrscheinlich verheiratet. Er muss sie vergöttert haben. Zu den vielen teuren Klamotten hatte er ihr den Kleiderschrank samt Schlafzimmereinrichtung gleich mitgekauft. Das ist ihr aus Versehen mal rausgerutscht. Ihre Klamotten hatte sie bald nicht mehr überblickt. Sie hat so dermaßen viel davon von diesem Macker geschenkt bekommen. Manche älteren Kleidungsstücke sind in Kartons und Plastikhüllen im Keller gelagert, weil sie für die ganz neuen Platz brauchte. Der Zivi hatte mir mal anvertraut, nachdem er ihr ein bestimmtes Kleid aus dem Keller holen musste, dass da unten eine regelrechte Boutique sei. Er hatte einmal einen Vormittag lang alle Klamotten fotografiert, damit sich Anja wenigstens die Bilder anschauen kann. Wenn ich so nachdenke – diese Bilder habe ich noch nie gesehen.
Sie hatte für den Kerl sogar ihren guten Job im Büro eines betuchten Maklers aufgegeben.
Die Muskelerkrankung hatte sie schon damals. Anfangs scherzte sie noch, sie sei prominent. Bethlem-Myopathie haben nämlich nur ganz Wenige auf der Welt. Dann kamen die Schübe mehr und mehr. Anfangs fuhr sie selbst, dann hatte ich sie zum Physiotherapeuten chauffiert. Aber leider konnte der keine Wunder mehr bewirken.
„Bei Anja würde es mich nicht wundern, wenn sie das Wunder selbst in die Hand nehmen würde“, beende ich voller Respekt die Geschichte.
Anja schaut ihm bei der Begrüßung nicht einfach nur ins Gesicht, wie normale Menschen – nein, sie scannt ihn.
Der Scan-Bericht wird umgehend ausgedruckt:
„Du bist also der nette Meisterkoch, der meine Freundin auf andere Gedanken bringen will? Mach das mal schön!“
Batsch! So ist sie!
„Und lass dir bloß nicht von ihr einreden, dass ich auf sie angewiesen wäre. Der Pflegedienst steht ja ständig in der Tür. Und wenn was ist, brauche ich nur meinem jungen süßen Obermieter zu rufen. Der ist sehr nett.“
Obermieter?
Marco scheint beeindruckt, zumindest sprachlos. Auch dem anschließenden Blödsinn, den diese taffe Frau verzapft, vertraut er voll.
Anja nickt mir mit jener geheimen Unauffälligkeit zu, die nur ich verstehe.
„Magst du schon mal vorausgehen, Marco. Ich will mich nur noch von Anja verabschieden.“
„Klar! Also dann, Anja. Danke für den Sekt. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, wenn wir ein bisschen mehr Zeit haben. War schön. Tschüss!“
Die stark bewegungseingeschränkte Anja versäumt es nicht, den Hals so zu drehen, um möglichst viel von seiner Rückseite zu erhaschen. Auf die Füße schaut sie dabei weniger.
„Ja, leck mich am Arsch, Marco“, sagt sie und ich glaube, das meint sie wörtlich. „Wenn ich laufen könnte …“
„Hm, gut, dass du nicht laufen kannst“, antworte ich egoistisch.
„Also, ich würd’ den nicht stornieren. Wenn der so die Stange hält – beim Surfen meine ich –, da flattern die Segel.“
„Mensch, Anja!“
„Ich sage dir nur eines: Mach dir einen schönen Urlaub. Rauf auf die Palme und greif dir die Kokosnüsse!“
„Auf Fuerteventura gibt es, glaube ich, keine Kokosnüsse.“
„Dann nimm die anderen!“
„Cheers!“
„Prost!“
Ist Marco wirklich so toll? Paul hat doch alles, was suche ich? Mir bleibt also die Wahl zwischen dem Gefühl von Unausgefülltsein und schlechtem Gewissen. Ich spüre, wie der Vorhang zum Kopfkino wieder aufgeht. O nein, bitte nicht! Ich habe Urlaub. Entspann dich, Carmen!
Die Sitznachbarin schiebt die Fensterklappe wieder hoch und lässt die Sonne rein.
Ja, das passt!
Die Zeitschrift stopfe ich wieder in die Rückenlehne des Vordersitzes.
Durchatmen! Ah!
Ob ich heute bequem an Bord Duty-free einkaufen möchte? Die kubischen Formen von Dior und Escada gefallen mir. Eigentlich habe ich ausreichend Eau de Toilette im Koffer. Ach, was! Was heißt schon ausreichend – her damit!
Handtücher für den Pool könnte ich täglich tauschen. W-LAN im ganzen Hotel-Areal. Frühstückszeiten für Langschläfer. Was will ich mehr?
Ein paar sommerliche Abendkleider habe ich zwar mit. Mir ist eher nach der hellen Hose und Bluse.
Wenn ich ehrlich in mich hineinhorche, dann will ich Marco heute, am ersten Tag, eigentlich nicht sehen, auch nicht zufällig. Ich will zuerst ankommen hier. Und wenn ich nur allein an diesem herrlichen Pool hier rumliegen will, dann will ich eben nur allein an diesem herrlichen Pool rumliegen. Am Meer will ich spazieren gehen, Muscheln aufsammeln, lesen, den Tag ohne Uhr verbringen, Fisch essen. Vielleicht nette Leute kennenlernen, aber nur, wenn ich Bock hab.
Marco ist nur eine Option – kein Muss. Keine Pflicht, aber vielleicht die Kür?