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Virginia Woolf hielt 1931 eine Rede vor berufstätigen Frauen, die unter dem Titel ›Professions for Women‹ in die Geschichte einging. Sie erzählt darin nicht nur von den Extravaganzen, die sie sich von ihrem ersten Lohn leistete. Vor allem ermutigt sie alle Frauen dazu, errungene Freiheiten zu nutzen und Selbstzweifel zu überwinden, um den eigenen Weg gehen zu können. Ihre immer noch hochaktuellen Gedanken sind ein Geschenk an alle nachfolgenden Generationen.
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Seitenzahl: 25
Virginia Woolf
Freiheit ist erst der Anfang
Gedanken zum Selbstvertrauen
Aus dem Englischen von Isabel Bogdan
Mit Illustrationen von Aino-Maija Metsola
Am 21. Januar 1931 hielt die schon damals berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf vor der Londoner National Society for Women’s Service die hier vorliegende Rede, die unter dem Titel Professions for Women in die Geschichte eingehen sollte.
Als Ihre Generalsekretärin mich hierher einlud, erklärte sie mir, dass Ihre Society sich mit der Berufstätigkeit von Frauen beschäftigt, und schlug mir vor, über meine eigenen beruflichen Erfahrungen zu sprechen. Es stimmt: Ich bin eine Frau, und ich bin berufstätig. Aber welche beruflichen Erfahrungen habe ich? Das ist schwer zu sagen. Mein Beruf ist die Literatur; und in diesem Beruf gibt es weniger Erfahrungen für Frauen als in jedem anderen, mit Ausnahme der Bühne – weniger Erfahrungen, die spezifisch sind für Frauen, meine ich. Denn der Weg wurde schon vor vielen Jahren geebnet, von Fanny Burney, Aphra Behn, Harriet Martineau, Jane Austen, George Eliot – von vielen berühmten Frauen und noch viel mehr unbekannten und in Vergessenheit geratenen.
Sie waren vor mir da, haben den Weg bereitet und meine Schritte gelenkt. Als ich mit dem Schreiben anfing, lagen nur wenige Steine auf meinem Weg. Schreiben war eine angesehene und harmlose Beschäftigung. Der Familienfrieden wurde durch das Kratzen eines Stifts nicht gestört. Die Haushaltskasse nicht belastet. Man kann für kleines Geld genügend Papier kaufen, um sämtliche Shakespeare-Stücke zu schreiben – wenn man es schafft. Klaviere oder Modelle, Paris, Wien und Berlin, Meister und Affären, all das braucht man als Schriftstellerin nicht. Dass Papier so billig ist, ist natürlich der Grund dafür, dass Frauen als Schriftstellerinnen bereits Erfolg hatten, bevor sie in allen anderen Berufen reüssierten.
Aber um Ihnen meine Geschichte zu erzählen: Sie ist einfach. Stellen Sie sich ein Mädchen in einem Schlafzimmer vor, einen Federhalter in der Hand. Sie musste den Stift nur von links nach rechts bewegen, von zehn Uhr bis um eins. Dann kam ihr in den Sinn, noch etwas ganz Einfaches und Billiges zu tun: ein paar dieser Seiten in einen Umschlag stecken, eine Briefmarke in eine Ecke kleben und den Umschlag in den roten Kasten an der nächsten Straßenecke werfen. So wurde ich Journalistin. Meine Bemühungen zahlten sich schon am ersten Tag des folgenden Monats aus – ein herrlicher Tag für mich: Ich erhielt einen Brief des Herausgebers mit einem Scheck über ein Pfund, zehn Shilling und Sixpence.
Aber damit Sie verstehen, wie wenig ich es verdient habe, als berufstätige Frau bezeichnet zu werden, wie wenig ich von den Kämpfen und Widrigkeiten eines solchen Lebens weiß, muss ich Ihnen gestehen, dass ich das Geld nicht etwa für Brot und Butter, Miete, Schuhe und Strümpfe oder die Rechnung des Metzgers ausgegeben habe. Stattdessen bin ich losgegangen und habe mir eine Katze gekauft. Eine wunderschöne Perserkatze, die sehr schnell zum Anlass für unschöne Dispute mit meinen Nachbarn wurde.