Freiheit - Ludger Tebartz van Elst - E-Book

Freiheit E-Book

Ludger Tebartz van Elst

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Beschreibung

Ist Freiheit aus neurowissenschaftlicher Perspektive eine Illusion? In diesem Buch wird gezeigt, dass dies nur dann der Fall ist, wenn Unfreiheit so definiert wird, dass sie entsteht, wenn menschliches Verhalten vom eigenen Körper gesteuert wird. Dementgegen wird ein positives Verständnis von Freiheit entwickelt als Qualität einer Untergruppe von behavioralen Sequenzen. Sie ist als psychobiologische Komplexleistung höherer Lebewesen kein Phänomen außerhalb der Naturgesetze, sondern Ausdruck körperlicher und damit wesentlich zerebraler Prozesse. Dieser Freiheitsbegriff ist empirischer Untersuchung zugänglich und gut vereinbar sowohl mit neurobiologischen Forschungsansätzen als auch mit alltäglichen, psychotherapeutischen und juristischen Konzeptualisierungen.

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Ludger Tebartz van Elst

Freiheit

Psychobiologische Errungenschaft und neurokognitiver Auftrag

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-028682-5

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-028683-2

epub:    ISBN 978-3-17-028684-9

mobi:    ISBN 978-3-17-028685-6

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Für Silla undHannah, Antonia, Ansgar und Henrike

 

 

 

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung« (Immanuel Kant: Was ist Aufklärung?, 1784)

Inhalt

 

 

 

Vorwort

1    Einleitung

2    Freiheit im Alltag – eine Analyse des alltäglichen Redens über Freiheit

2.1 Meinungsfreiheit

2.2 »Ich bin so frei«

2.3 »I Want to Break Free«

2.4 »Die Gedanken sind frei«

2.5 Freiheit und Vorhersage

2.6 Freiheit und Kontrolle

3    Signale aus dem Gehirn: Haben wir Freiheit gemessen?

4    Vorherbestimmt oder nicht? Die großen Lager in der Freiheitsdiskussion

5    Kausal verursacht, final angestrebt oder komplex bedingt? Wie denken wir über Wirkungen?

6    Von der Freiheit zur Willensfreiheit: über die Vielfalt behavioraler Sequenzen

7    Kaffee, Tee oder Bier? Eine phänomenologische Analyse des Willensprozesses

7.1 Spezifizierung der Fragestellung

7.2 Ist ein Entscheidungsprozess vollständig determinierbar?

7.3 Analyse einer Willenshandlung aus der Perspektive des Gehirns

7.4 Zeitliche Aspekte des Entscheidungsprozesses

7.4.1 Welche Rolle spielt die individuelle Vergangenheit beim Entscheidungsprozess eines Menschen?

7.4.2 Welche Rolle spielt die Zukunft bei dem betrachteten Entscheidungsprozess?

7.4.3 Welche Rolle spielt die Gegenwart beim Entscheidungsprozess von Willenshandlungen?

7.5 Störungen der Entscheidungsfindung

7.5.1 Entscheidungsprozesse in manischen Zuständen

7.5.2 Entscheidungsprozesse in depressiven Zuständen

7.5.3 Entscheidungsprozesse bei Zwangssyndromen

7.5.4 Entscheidungsprozesse bei schizophreniformen Syndromen

7.6 Der Moment der Entscheidung als »Battle Ground«

7.6.1 Das Für und Wider deterministischen Denkens

7.6.2 Der Begriff der Endogenität

7.6.3 Freiheit als Wahrscheinlichkeit

8    Freiheit als psychobiologische Komplexleistung lebendiger Systeme

8.1 Frei, unfrei oder mehr-oder-weniger-frei? Ist Freiheit kategorial oder dimensional strukturiert?

8.2 Bewusst oder nicht? Können unbewusste Handlungen frei sein?

8.3 Falsch gefühlt: Was sagt Täuschung über Freiheit aus?

8.4 Die zeitliche Auflösung der Freiheit

9    Konklusionen und Reflexionen

9.1 Freiheit und Recht: Juristische Überlegungen zum Phänomen der Freiheit

9.2 Neuropsychiatrische Reflexionen zum Phänomen Freiheit

9.2.1 Die empirischen Stigmata der Unfreiheit

9.2.2 Psychopharmakologie und Freiheit

9.2.3 Psychotherapie und Freiheit

9.3 Freiheit als neurokognitiver Auftrag

9.3.1 Die Funktion des Normativen

9.3.2 Sprache als Mittler zwischen ökologischer Außen- und Innenwelt

9.3.3 Sprache und Semantik als normative Begrenzung der Welt

Literatur

Vorwort

 

 

 

Die Freiheit ist eine Illusion. Neurobiologische Experimente belegen, dass wir uns das unmittelbare Gefühl, über unsere eigenen Handlungen bewusst entscheiden zu können, nur einbilden. Wir entscheiden uns nicht – wie wir irrtümlicherweise annehmen – aus bewusst ausgesuchten Gründen für oder gegen eine Handlungsalternative, sondern es ist in Wirklichkeit unser Gehirn, welches ursächlich die Entscheidung herbeiführt. Das Gefühl, über unsere Handlungen bewusst entschieden zu haben, ist nur ein eingebildetes Gefühl.

Mit dieser Botschaft werden die Menschen des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts immer wieder konfrontiert. Manchmal kann der Eindruck entstehen, dass die postmodernen Menschen eine gewisse masochistische Lust daran verspüren, das Ideal der Aufklärung zu demontieren, nämlich die Herrschaft der rationalen Vernunft.

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert war es die Psychoanalyse, die zeigen konnte, dass der bewusste rationale Verstand bei Weitem nicht in dem Ausmaße Herr im Hause des menschlichen Handelns ist, wie er es von sich selber glaubte. In dem Maße, in dem die Psychoanalyse im Verlauf des 20. Jahrhunderts an Überzeugungskraft verlor, scheint die neurobiologische Hirnforschung die Rolle als metaphorische Leitwissenschaft für das humanistische Selbstverständnis übernommen zu haben. Und mit der scheinbaren Unterstützung neurobiologisch-empirischer Forschungsergebnisse treten immer wieder neurobiologische Protagonisten auf der Bühne populärwissenschaftlicher Medien auf, die behaupten, die Freiheit menschlichen Handelns sei wissenschaftlich widerlegt – und ernten damit viel Aufmerksamkeit.

In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts waren es Forscher wie Benjamin Libet, die zeigen konnten, dass bereits einige hundert Millisekunden, bevor ein Mensch subjektiv das Gefühl hat, frei zu entscheiden, zuverlässig Messsignale aus dem Gehirn nachweisbar sind. Die sicher nicht zwingende Schlussfolgerung, dies widerlege die menschliche Entscheidungsfreiheit, wurde Gegenstand zahlreicher erregter Diskussionen. Der gleiche Vorgang scheint sich in letzter Zeit in völliger Analogie zu wiederholen. Nur sind es dieses Mal nicht elektrophysiologische Signale, die vor dem Gefühl der freien Entscheidung gemessen wurden, sondern Signale der funktionellen Bildgebung, die nicht die elektrophysiologische Aktivität des Gehirns, sondern dessen Blutfluss repräsentieren.

Auch wenn es müßig erscheint, die gleiche Debatte mit ähnlichen Argumenten zu wiederholen, so zeigt das allgemeine Interesse an dieser Thematik, dass der Begriff der menschlichen Freiheit fragwürdig geworden ist. Damit verbunden scheint auch die Vernunft – als menschliche geistige Fähigkeit, universelle Zusammenhänge in der Welt und ihre Bedeutung zu erfassen und danach zu handeln – keine konzeptuelle Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Beide Begriffe, Vernunft und Freiheit, sind ideengeschichtlich aufeinander bezogen, weil die Grundüberzeugung der Aufklärung, mittels der Vernunft das Denken von doktrinären Instanzen wie der damals dominanten kirchlichen Lehrmeinung zu befreien, Freiheit voraussetzt. Heute dominieren andere Kreise als die damalige kirchliche Oligarchie das Denken der Vielen. Aber die Aktualität der Aufforderung Kants, den Mut zu haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und die Vernunft anstelle doktrinärer Mehrheitsmeinungen zu setzen, hat in den Augen des Autors nicht an Aktualität verloren.

Doch wie oben erwähnt, fußt das Konzept der Vernunft implizit auf der Möglichkeit zur Freiheit des Denkens. Diese Freiheit ist aber für den postmodernen Menschen keine Selbstverständlichkeit. Mit großer Begierde konsumiert er neue Deutungsangebote der Wirklichkeit, die die Idee der Freiheit negieren – vor hundert Jahren psychoanalytische Deutungsmodelle und heute neurobiologische Befundmuster.

Aber was meinen wir überhaupt, wenn wir von Freiheit reden? Meinen wir politische Freiheit, die Freiheit, die eigene Meinung zu sagen, die Freiheit zu wählen? Oder denken wir eher an die innere Freiheit, Freiheit von Zwängen, eine innere Ungebundenheit und Eigenständigkeit, die Freiheit, nicht mit dem Strom der sozialen Referenzgruppe oder Peer Group zu schwimmen?

Diese Thematik wird im Folgenden aufgegriffen. Das Buch ist essayistisch verfasst und hat den Anspruch, systematisch und klar verschiedene Facetten der Freiheitsthematik aufzuzeigen und zu bedenken. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden:

•  Wie kann ich Freiheit denken?

•  Macht der Begriff überhaupt Sinn?

•  Kann angesichts der Erkenntnisse der Hirnforschung wirklich an dem scheinbar antiquierten Freiheitsbegriff festgehalten werden?

•  Oder muss der nüchtern und logisch scharf denkende Mensch den Protagonisten einer populären Wissenschaft Recht geben, die die Freiheitsannahme eher für eine romantische Schwäche oder intellektuelle Ängstlichkeit halten?

•  Ist die Annahme der Freiheit nur eine konzeptuelle Krücke, um mit der Komplexität der Welt umgehen zu können, oder aber ein Trostpflaster, weil es der intellektuelle Narzissmus des Menschen nicht erträgt, sich selber als komplexe biologische Maschine zu sehen?

•  Oder hat der Freiheitsbegriff einen empirisch begründeten Geltungsraum bei der behavioralen Analyse höherer Lebewesen?

Im vorliegenden Buch werden diese Fragen auf eine systematische, hoffentlich klare und auch etwas unterhaltsame Art und Weise aus der Perspektive eines klinisch neurowissenschaftlichen Arztes, Psychotherapeuten und Hirnforschers durchdacht.

1         Einleitung

Dieses Essay thematisiert die Frage nach der Möglichkeit und Sinnhaftigkeit des Konzepts der Willensfreiheit im Zusammenhang mit eigenen Erfahrungen als klinischer Hirnforscher, neuropsychiatrischer Arzt und Psychotherapeut.

Der von mir sehr geschätzte Rudolf Carnap und der Wiener Kreis hätten eine solche Diskussion wohl eher abgelehnt und für unsinnig erklärt, weil die Bedeutung des Begriffs Freiheit zu vage und unbegrenzt sei, als dass man sich überhaupt sinnvoll darüber unterhalten könne. Und wenn man sich in den Feuilletons die öffentliche Diskussion der klassischen Experimente Libets zur Neurophysiologie der Willensfreiheit und jüngerer Variationen dazu mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) anschaut, so kann man durchaus geneigt sein, ihm in dieser Kritik Recht zu geben. Es wird viel, heftig und kontrovers gestritten über Begriffe, deren gemeinte Bedeutung zuvor gar nicht geklärt wurde.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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