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Geheime Bruderschaften, undurchsichtige Rituale und rätselhafte Symbole - da findet sich reichlich Stoff für Spekulationen und Verschwörungstheorien. "Freimaurer für Dummies" schafft Klarheit. Es beschreibt, wann und warum die Freimaurer gegründet wurden, erläutert die Rituale, erklärt die Symbole und deren Entwicklung über die Jahrhunderte und geht auch auf die unterschiedlichen Verschwörungstheorien ein. Der Autor, selbst Freimaurer, nennt Künstler und Politiker, die Freimaurer sind oder waren, und beschreibt den Einfluss der Freimaurer auf die heutige Gesellschaft.
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Seitenzahl: 485
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Sonderauflage 2015
© 2015 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original English language edition Copyright © 2005 by Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, Indiana. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation is published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe © 2005 von Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, Indiana. Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
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Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.
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Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Print ISBN: 978-3-527-71159-8ePub ISBN: 978-3-527-69241-5mobi ISBN: 978-3-527-69240-8
Über den Autor
Chris Hodapp ist seit 1998 Freimaurer. Er ist Altstuhlmeister der Broad Ripple Lodge Nr. 643 und der Loge Vitruvian Nr. 767 der Freien und Angenommenen Maurer des Staates Indiana. Er ist Mitglied des Kapitels Nr. 5 der Royal Arch Masons von Indianapolis, des Rates Nr. 2 der Cryptic Masons (Königlichte und Erwählte Meister) von Indianapolis und der Raper Commandery Nr. 1 der Knights Templar. Er hat den 32. Grad des Alten Angenommenen Schottischen Ritus des Indianapolis Valley inne. Hodapp ist Gründungsmitglied des Allied Masonic Degrees Imhotep Coucil Nr. 434 und Mitglied der Ancient Arabic Nobles of the Mystic Shrine, Murat Oasis. Darüber hinaus ist er Mitglied der Southern California Research Lodge, der Scottish Rite Research Society, der Philalethes Society und der Dwight L. Smith Lodge of Research. Im Jahre 2003 wurde er mit dem Philatheles Society Award of Merit und einem speziellen Grand Master’s Award für die Einführung des Masonic Angels-Programms in Indiana ausgezeichnet.
Er hat im Indiana Freemason Magazine Artikel über die Geschichte der Freimaurerei und ihre aktuellen Entwicklungen veröffentlicht und in Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern über freimaurerisches Brauchtum referiert. Er ist einer der Moderatoren des Hiram’s Forum, eines freimaurerischen Internet-Projekts der Großloge von Indiana.
Chris ist seit über 20 Jahren in der Werbebranche tätig. Er hat zahlreiche Werbespots gedreht und produziert und Texte für kommerzielle und gemeinnützige Unternehmen geschrieben. Er lebt mit seiner Frau Alice, die auch als Autorin tätig ist, und einem französischen Pudel namens Wiley in Indianapolis.
Widmung
Für Alice, im Andenken an ihren Vater und eine kleine Gruppe texanischer Freimaurer, die mich, ohne es zu wissen, auf diesen Weg brachten.
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Widmung
Vorwort
Einführung
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Was Sie nicht lesen müssen
Törichte Annahmen über den Leser
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Teil I: Was ist Freimaurerei?
Teil II: Die Strukturen der Freimaurerei: Wie alles abläuft
Teil III: Ritter, Schwerter, Fese und Kleidung: Die angegliederten Organisationen
Teil IV: Freimaurerei heute und morgen
Teil V: Der Top-Ten-Teil
Teil VI: Anhänge
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I Was ist Freimaurerei?
Kapitel 1 Logen, Schurze und komische Handgriffe: Freimaurerei für Anfänger
Was ist Freimaurerei?
Was Freimaurer so tun
Die drei Grade
Logen, Blaue Logen, Symbolische Logen und andere
Die öffentlichen Zeremonien der Freimaurer
Echte Männer tragen Schurz!
Eine »Geheimgesellschaft«
Ist es eine Wohltätigkeitsorganisation? Eine Religionsgemeinschaft? Ein Verein?
Sind ... auch Freimaurer?
Kapitel 2 Von den Steinbrüchen zur Loge: Die Geschichte der Freimaurer
Die großen Baumeister: Die Freimaurerei 1700
Operative Maurer: Die großen Baumeister
Spekulative Maurer und der große Wandel
Das 18. Jahrhundert: Baumeister des Menschen
Die erste Großloge
Freimaurerei in Amerika
Französische Revolution und danach
Das 19. Jahrhundert: Wachstum, Wandel und Verästelungen
Alte und Moderne wieder vereint
Das Amerika der Freimaurer
Das 20. Jahrhundert: Vor und nach den Weltkriegen
Soziale Sicherung im frühen 20. Jahrhundert
Der Zweite Weltkrieg
Neues Wachstum
Der Rückgang in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts
Das neue Jahrtausend: Der Wandel geht weiter
Die Freimaurerei in Deutschland
Die erste deutsche Loge
Die Freimaurerei breitet sich aus
Wichtiger Neubeginn
Eine neue Zeit bricht an
Die Weimarer Republik
Die »dunklen Jahre« 1933 bis 1945
Neubeginn und Einigung nach 1945
Die drei Lehrarten in Deutschland
Kapitel 3 Die Philosophie der Freimaurerei
Woran Freimaurer glauben
Brüderliche Liebe, Hilfe und Wahrheit
Grundprinzipien
Eine neue Weltordnung?
Mystisches
Das mystische Band
Die Symbolik der Freimaurerei
Kapitel 4 Politik, Religion und Freimaurerei vertragen sich nicht
Religion und Freimaurerei
Freimaurerei und Katholizismus
Freimaurerei und Protestanten
Freimaurerei und Juden
Freimaurerei und Islam
Politik und Freimaurerei
Politische Unruhen im Europa des 18. Jahrhunderts
Französische Anarchie
Revolution!
Diktatoren und die Freimaurerei
Das Misstrauen ist nicht auszurotten
Teil II Die Strukturen der Freimaurerei: Wie alles abläuft
Kapitel 5 Wie die Freimaurer organisiert sind: Wer macht was und warum
Was ist eine Loge?
Was machen die Freimaurer in ihrer Loge?
Wer ist hier zuständig?
Kontinuierlich aufsteigende Beamte
Weitere Beamte
Was macht eine Großloge so groß?
Der Großmeister
Die Regeln
Was ist eine reguläre, anerkannte Loge?
So viele Großlogen: Welche ist denn maßgeblich?
Irregulär, nicht anerkannt und überall zu finden
Kapitel 6 Die Zeremonien der Freimaurer
Woher kommen die freimaurerischen Rituale?
Die historischen mittelalterlichen Zunftrituale
Die Arbeit der modernen Loge
Der Lehrling: Initiation und Jugend
Der Geselle: Erwachsen werden
Meister: Erhebung, Alter und Tod
Weiter geht’s!
Kapitel 7 Die Symbole der Freimaurerei
Die Bedeutung der Symbolik in der Freimaurerei
Freimaurerische Symbole
Die Zahl Drei
Arbeitstafeln: Das PowerPoint des 18. Jahrhunderts
Der Salomonische Tempel
Winkelmaß und Zirkel
Weitere Symbole der Freimaurerei
Sichel und Stundenglas
Das 47. Problem des Euklid oder der Satz des Pythagoras
Jakobsleiter
Anker und Arche
Sonne, Auge, Mond und Sterne
Lamm und Lammlederschurz
Der Pantoffel
Der Punkt mit Kreis und Parallelen
Das Weihrauchgefäß
Der Bienenstock
Das Senkblei
Die Wasserwaage
Der Buchstabe G
Der fünfzackige Stern
Nacktes Herz und Schwert
Das Schwert des Tempelhüters und die Alten Pflichten
Kelle
Handschlag
Rauer und kubischer (behauener) Stein
Säulen
Sarg, Schaufel, Setzhammer und Akazienzweig
24-zolliger Maßstab und Maurerhammer
Kapitel 8 Mythen und Irrtümer über Freimaurer
Warum die Freimaurerei falsch verstanden wird
Verbreitete Mythen über die Freimaurerei
Der Logenbock
Das Allsehende Auge und der US-Dollar
Die Freimaurerbibel
Die Freimaurer und der Teufel
Onkel Albert und Luzifer
Freimaurer und die Weltherrschaft
Freimaurer und Gesetzesverstöße
Ein paar Bemerkungen zu den Rosenkreuzern
Die Ballade von Christian Rosenkreutz
Amerikanische Rosenkreuzer
Modernes Rosenkreuzertum
Und wie steht es mit den freimaurerischen Rosenkreuzern?
Teil III Ritter, Schwerter, Fese und Kleidung: Die angegliederten Organisationen
Kapitel 9 Die angegliederten Organisationen: Wer gehört dazu und wer nicht
Was sind angegliederte Organisationen?
Die angeschlossenen Organisationen
Die angegliederten Organisationen
Und was gibt es noch?
Die Service Clubs
Andere eigenständige bruderschaftliche Gruppen
Kapitel 10 Der York Ritus
Das System des York Ritus
Warum York?
Der Aufbau
Royal-Arch-Freimaurerei
Die Tempelritter
Die ritterlichen Orden
Geschichte der Templer – ein Crashkurs
Kapitel 11 Der Alte und Angenommene Schottische Ritus
Das System des Schottischen Ritus
Vorhang auf, Licht an!
Organisation: Kreuze, Ritter und Prinzen
Frankreich: Hochburg der Freimaurerei
Der Schottische Ritus in den Vereinigten Staaten von Amerika
Kapitel 12 Die erweiterte Familie der Freimaurer
Frauen in der Loge
Die Jugendgruppen
Freimaurerische Forschungsgesellschaften
Teil IV Freimaurerei heute und morgen
Kapitel 13 Hat uns die Freimaurerei heute noch etwas zu sagen?
Sie haben da etwas verloren ...
Wir vereinzeln
Keine Verbundenheit
Und was hat die Freimaurerei damit zu tun?
Aus guten Männern bessere machen
Gut für Sie – und wohlschmeckend
Brüderliche Liebe
Hilfe
Wahrheit
Zeitlosigkeit
Kapitel 14 Die Freimaurer und die Zukunft
Die Zukunft der Königlichen Kunst
Eintägige Veranstaltungen
Werbung
Beiträge
Zurück in die Zukunft
Klein ist gut
Alles Alte wird wieder neu
Alte Lehren, neue Technologie
Das Internet: weg mit den Barrieren
Kapitel 15 Sie wollen also Freimaurer werden
Warum Männer Freimaurer werden
Was bringt es Ihnen
Wenn Sie einer werden wollen, fragen Sie einen
Freimaurer finden
Logen finden
Einer Loge beitreten
Was qualifiziert Sie für die Mitgliedschaft
Um Aufnahme nachsuchen
Befragung
Ausgekugelt
Planung der Gradzeremonien
Herzlich willkommen, Bruder
Teil V Der Top-Ten-Teil
Kapitel 16 Drei mal zehn berühmte Freimaurer
Zehn Politiker, die Freimaurer waren
Zweimal zehn Schriftsteller, Musiker und Schauspieler, die Freimaurer waren
Kapitel 17 Nicht ganz zehn Verschwörungen, Anti-Freimaurer-Kampagnen und Lügenmärchen
Leo Taxil und das große Lügenmärchen!
Die Illuminaten!
Trilats, CFRs und Bilderbergers, meine Güte!
Der geheime 33. Grad!
Jack the Ripper: Ein Freimaurer?!
Der Skandal um die italienische P2-Loge!
Aleister Crowley, Satanist und Freimaurer!
Kapitel 18 Zehn sehenswerte Orte
Freemason Hall (London)
Templar Church (London)
Rosslyn Chapel (Roslin, Schottland)
Grande Loge Nationale Française und andere (Paris)
Logenhaus Emser Straße (Berlin)
Ordenshaus Peter-Lenné-Straße (Berlin)
Logenhaus Moorweidenstraße (Hamburg)
Grabkapelle Georg Adolph Demmler in Schwerin
Freimaurer-Museum in Bayreuth, Hofgarten 1
Freimaurer-Museum St. Michaelisdonn, Meldorfer Str. 2
Teil VI Anhänge
Anhang A Das Regius-Manuskript
Die Gesetze und Verfassungen der Maurer
Anhang B Andersons Constitutionen von 1723
Die Pflichten eines Freimaurers
I. Von Gott und der Religion
II. Von der obersten und den nachgeordneten staatlichen Behörden
III. Von den Logen
IV. Von Meistern, Aufsehern, Gesellen und Lehrlingen
V. Von der Leitung der Bruderschaft bei der Arbeit
VI. Vom Betragen – nämlich
Zum Abschluß
Anhang C Großlogen im deutschen Sprachraum
Deutschland
Österreich
Schweiz
Anhang D Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
Vorwort
Dieses Buch wurde von einem amerikanischen Freimaurer geschrieben. Es gehört in eine Reihe von populärwissenschaftlichen Werken, die dort und inzwischen auch in deutscher Übersetzung sehr erfolgreich ist. Dieses Buch zeugt davon, dass die Menschen in den USA ein anderes Verhältnis zu den Freimaurern haben, als das in Europa der Fall ist. Bruderschaften finden sich in jedem größeren Ort. Die Logenhäuser sind deutlich als solche zu erkennen und in den Außenbezirken vieler Städte stehen Schilder, die auf die Tätigkeiten der Odd Fellows oder Lions, der Kiwanis oder Freimaurer hinweisen.
Wie man mit dem Thema Freimaurer umgehen kann, erleben deutsche Leser in diesem Buch. Auf eine leicht lesbare, aber nie oberflächliche Weise vermittelt der Verfasser geschichtliche Tatsachen und persönliche Ansichten. Eine Fülle von Kenntnissen wird in erfrischender Freimütigkeit mitgeteilt.
Im deutschen Sprachraum gehen die Autoren, die sich dem Thema Freimaurerei widmen, mit großer Gewissenhaftigkeit an die Arbeit. Das hat viele Gründe. Zu oft haben sich Menschen veranlasst gefühlt, den Freimaurern alles Übel dieser Welt in die Schuhe zu schieben. Nicht zuletzt waren es die Nationalsozialisten, die »Juden und Freimaurer« für all das verantwortlich machten, was nicht in ihrem Sinne war. Einer angeblichen Weltverschwörung wollten sie mit ihrer »Ideologie« ein Ende setzen.
Auch die Kirchen haben der ihnen verdächtigen Bruderschaft gegenüber nicht immer eine wohlwollende Haltung eingenommen. Das ist auch heute noch so. Auf diese Schwierigkeiten, die die Kirchen mit den Freimaurern, die Freimaurer aber nicht mit den Kirchen haben, geht der Verfasser ein.
Sollten Sie bei der Lektüre von Büchern über die Freimaurerei Ausdrücke lesen, die nicht in diesem Buch zu finden sind, so darf Sie das nicht überraschen. Auch der Sprachgebrauch in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist nicht immer einheitlich. Das liegt daran, dass es allerlei verschiedene Lehrarten der »Königlichen Kunst« gibt, die ihre eigenen Bezeichnungen für die Beamten der Loge oder ihre Einrichtungen hat.
Leser, die sich nach der Lektüre dieses Buches noch eingehender über die Freimaurerei informieren möchten, finden im Anhang ein Literaturverzeichnis, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Natürlich ist auch aus dem Internet viel zu erfahren. Am einfachsten ist es jedoch, mit einer Loge am Ort Verbindung aufzunehmen. Eine Freimaurerloge ist im Telefonbuch leicht zu finden. Dort kann man sich nach Gästeabenden oder anderen öffentlichen Veranstaltungen erkundigen.
Martin BarnutzMitglied des Schwedischen Freimaurerordens
Einführung
Sehen Sie sich das Symbol auf dem Einband dieses Buches an. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr daran, aber Sie haben dieses Symbol schon öfter gesehen: an Gebäuden, als Schmuckstück oder im Internet. Es kann sogar durchaus sein, dass Sie täglich an einer Freimaurerloge vorbeifahren, ohne dass Ihnen das je aufgefallen wäre. Wahrscheinlich wissen Sie auch nicht so genau, was ein Freimaurer eigentlich ist. Das macht gar nichts. Da sind Sie nicht allein.
Die Freimaurer sind die erste, größte und bekannteste Organisation von Ehrenmännern der Weltgeschichte. Unter den Hunderten von Büchern, die Freimaurer für Freimaurer geschrieben haben, sind sowohl langweilige dicke Wälzer als auch aufsehenerregende Spekulationen mit einem Gemisch aus mythologischem und metaphysischem Kauderwelsch auf der Grundlage äußerst dürftiger Fakten. Zudem gehen einige paranoid anmutende Nicht-Freimaurer immer wieder mit Büchern hausieren, in denen sie die Freimaurer zahlreicher Verschwörungen und haarsträubender Intrigen beschuldigen, angesichts derer sich selbst hartgesottene Akte-X-Fans an die Stirn fassen.
Was bisher fehlte, war eine Art Einführung in die Freimaurerei, geschrieben von einem Insider, der die Tatsachen, die Geschichte, die Symbolik und, nicht zu vergessen, die wirklichen Geheimnisse der Freimaurer kennt. Nun, ich bin Ihr Mann, und das Buch halten Sie gerade in der Hand. Ich bin Freimaurer, ein Altstuhlmeister zweier Logen, und möchte Ihnen weiterhelfen – bis zu einem gewissen Punkt. Denn es gibt Geheimnisse, die ich Ihnen nicht offenbaren kann und will. Aber letztlich werden Sie sehen, dass ich weit weniger verschweigen werde, als Sie vielleicht befürchten.
Über dieses Buch
Die Freimaurerei ist ein merkwürdiges Thema. Freimaurerei ist keine Religion, hat aber etwas mit Religiosität zu tun. Sie ist keine politische Bewegung, zu ihren Mitgliedern zählen jedoch einige der größten politischen und sozialen Reformer der Geschichte. Sie ist kein Wohltätigkeitsverein, obgleich viele ihrer Organisationen reichlich Gutes tun. Ihre Sprache geht auf das 18. Jahrhundert zurück, aber ihre Lehren sind auf das 21. Jahrhundert ausgerichtet. Wenn Sie das genauer verstehen wollen, müssen Sie sich ein wenig mit Geschichte, Religion, Politik, Philosophie, Mythologie, Sprache und Symbolik auseinander setzen. All das, und ein bisschen mehr, möchte ich Ihnen mit diesem Buch ermöglichen.
Wenn also die Freimaurer eine Geheimgesellschaft bilden, werden Sie sich vielleicht fragen, wie ich dann ein Buch darüber schreiben kann, ohne mit diesen Geheimnissen in Konflikt zu geraten. Das ist recht einfach. Als Freimaurer kann und werde ich Ihnen ein paar Dinge verschweigen. Tut mir Leid, aber so sind nun mal die Regeln. Freimaurer müssen schwören, über die Geheimnisse der Bruderschaft Stillschweigen zu bewahren, um sie vor der Entdeckung durch Nicht-Freimaurer zu schützen. So weit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass die allgemeinen Annahmen über die »Geheimniskrämerei« der Freimaurer auf einem fundamentalen Missverständnis gründen. Geheim sind bei den Freimaurern hauptsächlich die Erkennungszeichen und -gesten (Passwörter, Gesten und Handgriffe) sowie einige Einzelheiten der dritten und abschließenden rituellen Zeremonie der jeweiligen Loge.
Nach den Treffen der ersten Logen dauerte es nicht lange, da begannen Gegner der Freimaurerei, opportunistische Ex-Freimaurer und andere zweifelhafte Charaktere, die Geheimnisse der Freimaurer herauszuposaunen. Die Ergebnisse stehen in den Regalen vieler Bibliotheken und Buchhandlungen. In diesem Buch werden Sie diese wenigen geschützten Einzelheiten nicht finden. Aber selbst mit diesen Informationen könnten Sie sich keinen Eintritt in eine Freimaurerloge verschaffen. Versuchen Sie es also erst gar nicht. Wir schützen unsere Räumlichkeiten mit scharfen, spitzen Schwertern, von denen ich Ihnen in Kapitel 5 mehr erzählen werde.
Konventionen in diesem Buch
Ungewöhnliche Konventionen werde ich in diesem Buch nicht bemühen – das überlasse ich den Freimaurern. Wann immer ich einen neuen Begriff einführe, wird dieser kursiv gedruckt und anschließend erklärt. Alle Webadressen erscheinen in Schreibmaschinenschrift.
Was Sie nicht lesen müssen
Freimaurer für Dummies ist so angelegt, dass Sie Informationen schnell und ohne große Umstände finden. Sie müssen dabei nicht vorn anfangen zu lesen und sich Seite um Seite vorarbeiten, sondern können sich von Ihrer individuellen Interessenlage leiten lassen. Im Zweifelsfall können Sie immer das Inhaltsverzeichnis oder das Stichwortverzeichnis zu Rate ziehen. Darüber hinaus finden Sie aber auch Zusatzinformationen, die Sie links liegen lassen können, ohne die wesentlichen Aspekte der Freimaurerei zu verpassen. Dazu gehören:
Texte in Kästen: Die Kästen bieten interessante Informationen, die für das Verständnis der gerade behandelten Materie aber nicht unbedingt notwendig sind. Sie können sie nach Belieben lesen oder überblättern.
Alle Texte mit einem Technik-Symbol: Vielleicht wollen Sie das, was in diesen Passagen steht, gar nicht so genau wissen. Seien Sie versichert, dass ich Ihnen das nicht übel nehme. Ich wollte Ihnen diese Informationen nur nicht vorenthalten.
Törichte Annahmen über den Leser
Freimaurer für Dummies wendet sich an ein breites Publikum, von dem ich allerdings eine gewisse Vorstellung habe. Ich nehme mal an, dass einige der folgenden Aussagen auf Sie zutreffen:
Sie haben keine Ahnung von der Freimaurerei. Wenn das auf Sie zutrifft, ist das nicht weiter schlimm. Ich erkläre, was es mit dem Quadrat und dem Kompass auf sich hat, wo das herkommt, was es mit dem Bauwesen zu tun hat und warum sich so viele Männer eine kleine weiße Schürze umbinden und hinter den Türen einer Freimaurerloge einschließen. Wenn Sie den Freimaurerring Ihres Großvaters in einer alten Zigarrenkiste gefunden und sich immer gefragt haben, was das für ein Ring ist, finden Sie die Antwort hier.
Sie denken darüber nach, Freimaurer zu werden oder sind erst kürzlich einer Loge beigetreten. Dieses Buch ist eine recht knappe und genaue Referenz. Es beschäftigt sich mit den Ursprüngen und der Definition der Königlichen Kunst, mit der Bedeutung der Rituale, dem Aufbau der Logen und der Frage, warum die Freimaurer das tun, was sie tun. Ich möchte Ihnen außerdem das komplexe Gebilde freimaurerischer Organisationen näher bringen, damit Sie verstehen können, warum ein Shriner ein Freimaurer ist, der ein Tempelritter sein kann, aber nicht unbedingt ein Meister des königlichen Geheimnisses sein muss – oder umgekehrt.
Sie sind die Frau, Freundin oder ein Verwandter eines Freimaurers oder eines Mannes, der sich mit dem Gedanken trägt, Freimaurer zu werden, und wollen wissen, was es mit der Freimaurerei auf sich hat.
Ihnen sind die Freimaurer nicht ganz geheuer. Sie halten das Ganze für einen bizarren Kult, wollen der Sache aber auf den Grund gehen. Für alle Neugierigen, die bisher nur die gängigen Vorurteile über die Freimaurerei kennen, nehme ich die üblichen Mythen, Anschuldigungen und Legenden auseinander, die sich in den letzten 300 Jahren um die Freimaurer gerankt haben. Wenn Sie nach ernsthaften Antworten suchen, werden Sie sie in diesem Buch finden.
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Wenn Sie das Inhaltsverzeichnis überflogen haben, wird Ihnen aufgefallen sein, dass dieses Buch in sechs Teile gegliedert ist. Sie können sich diese Teile in beliebiger Reihenfolge zu Gemüte führen. Und das werden Sie vorfinden:
Teil I: Was ist Freimaurerei?
Dieser Teil bringt Ihnen näher, was die Freimaurerei ist und was nicht. Wenn Sie noch gar nichts über die Freimaurerei wissen, sollten Sie mit Kapitel 1 anfangen. Kapitel 2 bietet einen umfassenden Crashkurs in der Geschichte der Freimaurer von 1000 v. Chr. bis heute. Kapitel 3 geht auf die grundlegenden Überzeugungen der Freimaurer, die Philosophie freimaurerischer Organisationen und die Lehren ein, die diese ihren Mitgliedern zu vermitteln suchen. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit zwei Themenbereichen, über die Freimaurer in ihren Logen nie sprechen, nämlich Politik und Religion, und die Auswirkungen dieser beiden Bereiche auf die Entwicklung der Freimaurerei.
Teil II: Die Strukturen der Freimaurerei: Wie alles abläuft
In diesem Teil werfen wir einen näheren Blick in das Innere einer Loge. Kapitel 5 stellt alle Amtsinhaber einer Loge vor und erläutert die Verwaltungsbefugnisse der Großlogen sowie die schwierigen Fragen rund um die Anerkennung und die Regularität der ausländischen Freimaurerei. In Kapitel 6 werden die Rituale und Zeremonien der Freimaurerei erklärt, einschließlich geheimer Dinge, Blutschwüre und der drei freimaurerischen Grade. Kapitel 7 widmet sich der Frage, was die zahlreichen mysteriösen Symbole der Freimaurer bedeuten und warum sie verwendet werden. Kapitel 8 schließlich wendet sich den Mythen, falschen Vorstellungen und Witzeleien über die Freimaurerei zu und fragt, woher sie kommen und warum sie immer noch verbreitet werden.
Teil III: Ritter, Schwerter, Fese und Kleidung: Die angegliederten Organisationen
Dieser Teil beleuchtet die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der großen Familie der Freimaurer (man nennt sie auch angegliederte Institutionen oder Organisationen) und geht den Fragen nach, wer ihnen beitritt, wer ihnen beitreten kann und welche Motivationen hinter diesen Beitritten stehen. Kapitel 9 bietet einen Überblick über die angegliederten Organisationen und grenzt sie gegen andere Gruppen ab, die zwar freimaurerisch wirken mögen, es aber nicht sind. Kapitel 10 widmet sich eingehend den Graden des York Ritus. Kapitel 11 konzentriert sich auf die 29 zusätzlichen Grade des Schottischen Ritus und den 33. Grad. Kapitel 12 erweitert die Perspektive wieder auf die gesamte Freimaurerei, einschließlich Frauen und Kinder.
Teil IV: Freimaurerei heute und morgen
Wie kann eine sehr alte und in sich geschlossene Bruderschaft, die den Glauben, die Moral, Harmonie und persönliche Verantwortung hochhält, in einem Zeitalter der Vereinzelung, der Gleichgültigkeit und des »alles geht« überleben? Kapitel 13 beschäftigt sich mit den abrupten Veränderungen einer Gesellschaft, die früher einmal an den Gemeinsinn glaubte, heute aber alles dafür tut, dass wir einander fremd bleiben, und versucht herauszuarbeiten, inwieweit die Freimaurerei diesen Entwicklungen entgegenwirken kann. Kapitel 14 widmet sich der Frage, wie die Freimaurerei heute junge Menschen für sich interessieren möchte. Manches ist gut, anderes eher nicht, und wieder anderem kann sich die Freimaurerei gar nicht entziehen. In Kapitel 15 erfahren Sie, wie Sie eine Loge finden und Freimaurer werden können.
Teil V: Der Top-Ten-Teil
In diesem Teil des Buches können Sie sich mit Material für die zwanglose Konversation eindecken. Kapitel 16 stellt Ihnen berühmte Freimaurer vor. Kapitel 17 macht Sie mit berühmt-berüchtigten Verschwörungstheorien und Lügenmärchen vertraut, die Ihnen nahe legen, den historischen »Fakten« in Büchern, Filmen und Comics nicht einfach blind zu vertrauen. Kapitel 18 steckt für Sie zehn Fähnchen auf die Landkarte, wo Sie interessante Orte finden, die mit den Freimaurern zu tun haben. Ob Sie nun Freimaurer sind oder nicht, in jedem Fall können Sie mit Ihrer Familie ja mal den einen oder anderen Ort besuchen.
Teil VI: Anhänge
Damit dieses Buch ein umfassendes Bild der Freimaurerei bietet, sind zwei der wichtigsten Dokumente der Geschichte der Freimaurer als Anhänge beigefügt: das Regius-Manuskript, die früheste erhaltene schriftliche Quelle der Abläufe innerhalb einer Loge, und die Alten Pflichten, das Regelwerk für die Führung der Freimaurerlogen und das Verhalten ihrer Mitglieder. Und um das Ganze abzurunden, erhalten Sie noch eine Liste mit Informationen zu den Großlogen im deutschen Sprachraum und außerdem eine Aufstellung mit weiterführender Literatur zur Freimaurerei.
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Hier und da finden Sie kleine Symbole. Mit deren Hilfe können Sie um möglicherweise weniger interessante Passagen herummanövrieren. Ansonsten bieten sie einfach ein paar zusätzliche optische Reize.
Wenn ein neuer Kandidat eine Freimaurerloge betritt, sieht er sich ungewöhnlichen Ritualen, befremdlichen Ausdrucksweisen und mitunter verwirrenden Traditionen gegenüber. Neue Freimaurer werden immer ermutigt, den Altstuhlmeistern (das sind die Yodas der Freimaurer) Löcher in den Bauch zu fragen. Sie kennen sich mit den Ritualen und Regeln bestens aus und wissen, wie man etwas richtig, aber auch, wie man etwas falsch macht. Dieses Symbol ist Ihr persönlicher Altstuhlmeister. Lassen Sie ihn bloß nicht in Ruhe.
Dieses Symbol macht auf unumgängliche Ausflüge in die Geschichte aufmerksam, entweder in die Geschichte der Freimaurer oder ein Ereignis der Weltgeschichte, das sich in irgendeiner Weise auf die Bruderschaft ausgewirkt hat. Manchmal werden diese Ausflüge kurz und prägnant sein. Gelegentlich lässt es sich aber nicht vermeiden weiter auszuholen, um etwas näher zu erklären. Wenn Sie sich nicht besonders für historische Fakten interessieren, überspringen Sie diese Abschnitte. Sie vermitteln einen tieferen Einblick in die Ereignisse, die zur Entstehung der modernen Freimaurerei führten, und lassen verstehen, warum wir heute so sind, wie wir sind.
Dieses Symbol weist auf wichtige Informationen hin, die für das Verständnis der Freimaurerei unerlässlich sind.
Dieses Symbol finden Sie überall dort, wo ich Ihnen zusätzlich Informationen, Erklärungen verwirrender Rituale und Praktiken oder anderes Interessantes anbiete, das aber für das Verständnis der Thematik des jeweiligen Kapitels nicht unbedingt erforderlich ist und deshalb auch übersprungen werden kann.
Die Freimaurerei ist eine internationale Bruderschaft, die allerdings keinen internationalen, übergeordneten Verwaltungsapparat hat. Es gibt deshalb von Land zu Land zahlreiche Unterschiede, was die Bräuche, Zeremonien und andere Einzelheiten angeht. Dieses Buch ist aus der Perspektive eines amerikanischen Freimaurers geschrieben. Dieses Symbol weist deshalb auf Textstellen hin, die Sie auf wesentliche oder ungewöhnliche Unterschiede in anderen Ländern aufmerksam machen sollen.
Keine andere Einrichtung auf der Welt hat mit so vielen Lügen, Halbwahrheiten, Legenden und Mythen zu kämpfen wie die Freimaurerei – von den Scharlatanen, Hochstaplern, Fälschern und Schwindlern will ich gar nicht reden. Dieses Symbol weist auf solche Mythen und falsche Vorstellungen hin und rückt sie wieder gerade.
Wie es weitergeht
Ich kann Ihnen versprechen, dass dieses Buch kein Lehrbuch ist. Ich möchte es eher mit einem reichhaltigen Büfett vergleichen. Wenn Sie sich nur für die Symbole der Freimaurerei interessieren, lesen Sie Kapitel 7. Haben Sie schon öfter vom 33. Grad gehört und können es gar nicht erwarten zu erfahren, was es damit auf sich hat, blättern Sie gleich zu Kapitel 11 vor. Schließlich können Sie jederzeit wieder zurückblättern und ein anderes Mal etwas über die Schurze der Freimaurer oder die Shriner lesen.
Teil I
Was ist Freimaurerei?
In diesem Teil ...
Vielleicht haben Sie das Symbol auf Gebäuden oder Schmuckstücken schon einmal gesehen. Vielleicht kennen Sie den Begriff Freimaurer aus Büchern oder Filmen. Vielleicht war sogar Ihr Großvater Mitglied einer Loge. Was ist die Freimaurerei? Was ist sie nicht? Was ist das große Geheimnis?
Dieser Teil ist eine Art Crashkurs in Freimaurerei. Es geht um Mythen, Legenden und historische Hintergründe. Sie erfahren etwas über die grundlegende Philosophie und die Lehren, die die Freimaurerei ihren Mitgliedern zu vermitteln hofft.
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Logen, Schurze und komische Handgriffe: Freimaurerei für Anfänger
In diesem Kapitel
Der Begriff »Freimaurerei«
Die Ursprünge kennen lernen
Was Freimaurer so treiben
Was es mit den Geheimnissen auf sich hat
Mysterien lösen Verwunderung aus, und Verwunderung ist die Wurzel des menschlichen Verlangens zu verstehen.
Neil Armstrong
Fahren Sie einfach mal durch die nächstgelegene Stadt und halten Sie die Augen offen. Früher oder später kommen Sie an einem Haus oder einem Schild vorbei, auf dem Sie einen Zirkel und ein Winkelmaß sehen, wie sie Abbildung 1.1 zeigt. Es kann sich dabei um ein großes, eindrucksvolles Gebäude oder ein kleines, unscheinbares Haus handeln, es kann ein großes Schild im Vorgarten stehen oder nur ein einfacher Grundstein: Irgendwo werden Sie das Symbol sehen können. Zirkel und Winkelmaß sind seit Jahrhunderten das weltweite Symbol für die Wahrheit, die Moral und die brüderliche Liebe, der sich die Freimaurer verschrieben haben.
Abbildung 1.1: Zirkel und Winkelmaß sind das weltweite Symbol der Freimaurer
Die größte Verlockung der Freimaurerei entspringt der geheimnisvollen Anziehungskraft der geschlossenen Tür. Jenseits dieser Tür spielen sich die symbolischen Rituale und Zeremonien ab, die nur den Mitgliedern und Meistern bekannt sind. Jenseits dieser Tür werden seit jeher die ungeschriebenen Geheimnisse von Generation zu Generation weitergegeben.
Die Bibliotheken der Freimaurer sind voll alter Bücher. In den Werken gelehrter Freimaurer laufen wissenschaftliche, philosophische, historische, religiöse und symbolistische Fäden zusammen. Die Literatur der Bruderschaft ist durchwebt von Legenden, Mythen und alten Mysterien.
Neben Voltaire, Mozart, George Washington und Winston Churchill gehörten auch Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und 14 amerikanische Präsidenten zu den Freimaurern. Die Gründerväter der Vereinigten Staaten stützten sich auf freimaurerische Prinzipien und schrieben sie in den Grundlegungen der amerikanischen Regierung fest. Diktatoren wie Hitler, Stalin und Saddam Hussein dagegen stellten die Zusammenkünfte der Freimaurer unter Strafe. Auch viele Religionen verbieten ihren Angehörigen die Mitgliedschaft bei den Freimaurern. Im Übrigen müssen sich Mitglieder der Bruderschaft immer wieder mit Anschuldigungen auseinander setzen, die ihnen Attentate, Verschwörungen, das Streben nach der Weltherrschaft oder andere schreckliche Taten vorwerfen. Obwohl weltweit Millionen von Männern den Freimaurern beigetreten sind, setzen sie sich in manchen Ländern immer noch der Gefahr aus, bestraft, inhaftiert oder gar getötet zu werden.
Ungeachtet dessen ziehen in beinahe jedem Land der Welt Woche für Woche Hunderttausende Männer einen festlichen Anzug an, schnüren sich sorgfältig kleine, weiße Schurze um die Taille und begeben sich in die fensterlosen Räumlichkeiten ihrer Logen. Dort entziehen sie sich für ein paar Stunden der Außenwelt und genießen die Annehmlichkeiten der Freundschaft in Verbindung mit jahrhundertealten rituellen Zeremonien.
Wie kann diese nach eigenem Bekunden von den Gedanken der Brüderlichkeit und der Güte getragene Organisation solch entgegengesetzte Reaktionen hervorrufen? Ist die Freimaurerei eine mythische Messfeier bewusstseinserweiternder, magischer und mystischer Manifestationen? Eine verbrecherische Organisation von Wirtschaftspiraten? In diesem Kapitel möchte ich zunächst grob umreißen, was die Freimaurerei tatsächlich ist, wo ihre Wurzeln liegen und was Freimaurer so machen.
Was ist Freimaurerei?
Es ist für Freimaurer nicht immer einfach, sich selbst und ihr Tun zu definieren. Das liegt oft daran, dass Nicht-Freimaurer einfach zu komplizierte Antworten erwarten. Die Freimaurerei ist eine Gesellschaft von Männern, die sich für moralische und spirituelle Werte einsetzen, und eine der ältesten und bekanntesten Bruderschaften der Welt.
Dabei ist die Freimaurerei wahrscheinlich die am häufigsten und gründlichsten missverstandene »Geheimgesellschaft«, die je vor der Welt verborgen wurde – und die augenfälligste dazu. In beinahe jedem Land der Welt gibt es eine Großloge der Freimaurer und jede hat ihre eigene Website. Freimaurer tragen Ringe und Abzeichen mit den Symbolen des Zirkels und des Winkelmaßes. Die Gebäude der Freimaurer sind ebenfalls deutlich gekennzeichnet, Adressen und Telefonnummern können Sie im Internet oder im Telefonbuch nachschlagen. Wenn es sich bei den Freimaurern also um eine Geheimgesellschaft handelte, müsste man ihnen einen Auffrischungskurs in Tarnstrategien empfehlen.
Die Freimaurerei lässt sich nicht in einem Satz erklären. Sie ist sowohl Philosophie als auch ein ethisch-moralisches System – und ein recht grundlegendes dazu. Die wesentlichen Punkte, in denen sich die Freimaurerei von anderen Organisationen unterscheidet, sind die folgenden:
Die Freimaurerei geht auf die Steinmetzzünfte des Mittelalters zurück und verbindet Männer durch freiwillige Eide zu Bruderschaften.
Die Gesetze, Regeln, Legenden und Bräuche der Freimaurer gründen in den Alten Pflichten, den Regeln dieser Handwerkerzünfte (siehe Anhang B).
Die Freimaurerei lehrt soziale und moralische Tugenden und stützt sich dabei auf die Symbolik der Werkzeuge und der Sprache des alten Bauhandwerks. Der Aufbau eines Gebäudes ist also ein Symbol für den Aufbau des menschlichen Charakters.
Freimaurer verpflichten sich zur brüderlichen Liebe, zur gegenseitigen Unterstützung, zur Anerkennung des Gleichheitsprinzips, zur Geheimhaltung und zum gegenseitigen Vertrauen.
Freimaurer haben geheime Erkennungszeichen, wie Handgriffe, Zeichen, Gesten und Passwörter (Losungen).
Freimaurer treffen sich in so genannten Logen, denen ein Meister vorsitzt, der wiederum von Aufsehern unterstützt wird. Wer die Aufnahme in eine solche Loge begehrt, wird auf seine moralische und geistige Eignung hin geprüft und im Rahmen geheimer ritueller Zeremonien, die auf die Legenden der alten Zünfte zurückgehen, in die Gemeinschaft eingeführt.
Die Freimaurerei ist weder eine Religion noch zwingt sie ihre Mitglieder zur Anerkennung religiöser Dogmen. Freimaurer müssen lediglich von der Existenz einer höheren Macht überzeugt sein, wie auch immer diese aussehen mag. Ihre persönlichen Überzeugungen bleiben ihnen unbenommen und werden auch nicht Gegenstand der Diskussion.
Die Freimaurerei ist keine Wissenschaft, aber sie vermittelt ihren Mitgliedern die Werte des Lernens und der Erfahrung. Sie ermutigt ihre Mitglieder zum Denken, schreibt ihnen aber nicht vor, was sie zu denken haben.
Freimaurer betrachten sich als Gleiche unter Gleichen, tolerieren die Überzeugungen anderer und respektieren und unterstützen demzufolge ihre Mitmenschen.
Was Freimaurer so tun
Freimaurer treffen sich meist einmal in der Woche oder alle 14 Tage an einem bestimmten Wochentag, wobei es in jeder Loge andere Gepflogenheiten gibt. Ein- oder zweimal im Monat kommen sie festlich gekleidet zu so genannten rituellen Arbeiten zusammen, bei denen ein neues Mitglied aufgenommen wird oder ein Bruder einen Vortrag über die Rituale, die Geschichte, die Philosophie oder die Symbole der Freimaurer hält. Dabei wird auch über neue Mitglieder abgestimmt. An anderen Abenden trifft man sich zwanglos, es wird über dies und das geplaudert. Ein Gastredner oder ein Mitglied berichtet über Themen, die alle Anwesenden angehen. Auch Gästeabende werden regelmäßig abgehalten, bei denen Männer, oft mit ihren Frauen, die Brüder kennen lernen können.
Besondere Zusammenkünfte werden abgehalten, wenn neue Mitglieder im Rahmen verschiedener Einweihungszeremonien zu Vollmitgliedern erhoben werden. Und weil ein Hauptziel der Freimaurerei die Brüderlichkeit ist, wird vor oder nach einem Treffen auch etwas gegessen, entweder in der Loge oder in einem nahe gelegenen Restaurant.
Die moderne Freimaurerei brachte Versammlungen in Gasthäusern mit sich, in deren Verlauf man sich ein schönes Essen gönnte. Und so gehen Freimaurerei und kulinarische Kunst bereits über 300 Jahre Hand in Hand. Solche Festessen nennt man Tafellogen oder auch weiße Tafeln, und es ist Tradition, dass anlässlich dieser Feste eine Reihe zeremonieller Trinksprüche ausgebracht und Lieder gesungen werden.
Das Ziel der Freimaurerei ist es aber, neue Freimaurer zu gewinnen, und das geschieht durch die Verleihung von Graden.
Die drei Grade
Die Zeremonien, die ein neues Mitglied durchlaufen muss, nennt man Grade. Es gibt drei Grade: Lehrling, Geselle und Meister. Diese Grade gehen auf die Mitgliedsränge der mittelalterlichen Zünfte zurück, an deren Rituale sich auch die Zeremonien orientieren.
Viele dieser Zeremonien mit ihrer altmodisch anmutenden Sprache haben die Freimaurer bis heute bewahrt. Folgende Merkmale sind ihnen gemeinsam:
Die Grade bauen aufeinander auf und müssen in der richtigen Reihenfolge durchlaufen werden. Das verbindende Element ist dabei die Geschichte vom Bau des Salomonischen Tempels.
Jeder Bewerber nimmt bei jedem Grad durch ein Gelöbnis eine Pflicht auf sich. Er verspricht, die ihm anvertrauten Geheimnisse zu bewahren, anderen Freimaurern und deren Familien zu helfen und die Regeln der Bruderschaft einzuhalten.
Je nach den Gepflogenheiten einer Loge können zwischen dem Erreichen der jeweiligen Grade Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre liegen.
Ein Mitglied muss sich in seinem Grad bewähren, bevor er den nächsten Grad erreichen kann. Diese Bewährung besteht in der Regel darin, dass man sich Wissen über die Symbole und das Brauchtum des jeweiligen Grades aneignet. Manche Logen verlangen auch einen ausgearbeiteten Vortrag zu einem Thema, mit dem nachgewiesen wird, dass sich der Bewerber mit der Geschichte der Bruderschaft auseinander gesetzt hat.
Keiner »vertritt« die Freimaurerei
Sie sollten wissen, dass es so etwas wie eine übergreifende weltweite Zentralver waltung bei den Freimaurern nicht gibt. Anerkannte Autoren haben Tausende von Büchern mit langen, wohlklingenden Titeln veröffentlicht, in denen sie ihre Theorien über die Geschichte, die Philosophie und die Symbolik der Freimaurerei präsentieren. Ebenso zahlreich sind die erhabenen Titel der Amtsinhaber, besonders in den außerhalb der Logen angesiedelten freimaurerischen Organisationen – Groß dies und Oberster das oder gar Allmächtiger was auch immer.
Das spielt aber gar keine so bedeutende Rolle. Es gibt niemanden und hat niemanden gegeben, der alle Freimaurer vertritt. Auch einer, der ein Buch in der Reihe ... für Dummies schreibt, kann dies nicht für sich in Anspruch nehmen. Das ist wichtig zu wissen, wenn es um die Einordnung von Kritik und Anschuldigungen geht, die Freimaurern immer wieder entgegengebracht werden, insbesondere wenn »maßgebliche Quellen«, »oberste Führer« oder »ungenannte leitende Personen« erwähnt werden.
Fast jedes Land der Welt hat eine übergeordnete Großloge, manchmal auch mehrere. Jede dieser Großlogen hat Regeln und Richtlinien, die für die Logen in ihrem Bereich gelten, und jeder Großloge sitzt ein Großmeister vor, der über die Einhaltung der Regeln in diesem Bereich wacht. Die Großmeister haben allerdings keinerlei Machtbefugnisse außerhalb der Grenzen ihres Zuständigkeitsbereichs. Es gibt auch keine nationale oder internationale Vertretung, die für die Kontrolle und Steuerung der Großlogen verantwortlich wäre. Das sind alles in allem schlechte Voraussetzungen für die Umsetzung teuflischer Pläne zur Erlangung der Weltherrschaft, meinen Sie nicht auch?
Logen, Blaue Logen, Symbolische Logen und andere
Die Loge ist die Grundeinheit der Freimaurerei. Loge ist der Begriff sowohl für die einzelne Gruppe von Freimaurern, die sich zusammenfinden, als auch für den Raum oder das Gebäude, in dem sie zusammenkommen. Dabei können sich, wie das oft in größeren Städten der Fall ist, mehrere Logen einen Raum und seine Einrichtung teilen. In kleineren Städten und Gemeinden oder bei sehr wohlhabenden Logen wird ein Gebäude eher von einer einzelnen Loge genutzt.
In diesem Buch spreche ich gelegentlich von der Blauen Loge oder Johannisloge. (Was es mit der Farbe Blau auf sich hat, erkläre ich in Kapitel 7.) Andere Begriffe sind Symbolische Loge, Werkloge und Alte Werkloge. All diese Begriffe beschreiben sozusagen das Fundament im Gebäude der Freimaurerei: die örtliche Loge nebenan, in der man die ersten drei Grade der Freimaurerei – Lehrling, Geselle und Meister – erlangen kann.
In der Freimaurerei gibt es verschiedene Verzweigungen, was die Mitgliedschaft und die inhaltliche Arbeit betrifft. Diese Verzweigungen oder Gruppen, auf die ich im dritten Teil dieses Buches näher eingehen werde, nennen sich angegliederte Organisationen. Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von Freimaurern des 32. oder gar 33. Grades gehört. Es gibt diese weiteren Grade, und ich werde sie, weil sie auch etwas zur Verwirrung beitragen, ebenfalls im dritten Teil dieses Buches näher vorstellen. Im Prinzip ist es aber so, dass es in der traditionellen Freimaurerei keinen Grad gibt, der im eigentlichen Sinne höher oder wichtiger ist als die drei Grade, die ein Freimaurer in seiner Johannisloge erhalten kann. Alle zahlenmäßig darüber hinausgehenden Grade sind einfach nur andere, zusätzliche Zeremonien und bedeuten keinesfalls eine inhaltliche Höherstellung über den Grad des Meisters hinaus.
Die öffentlichen Zeremonien der Freimaurer
Die meisten freimaurerischen Zeremonien werden in den Räumlichkeiten der Logen begangen. Es gibt bei den Freimaurern aber zwei besondere Ereignisse, die in der Öffentlichkeit vollzogen werden. Sie symbolisieren den Anfang und das Ende.
Grundsteinzeremonien
Weil die Freimaurerei historisch mit dem Bau von Kathedralen und anderen öffentlichen Bauwerken verbunden ist, haben die Freimaurer oft auf Wunsch der jeweiligen Bauherren besondere Zeremonien im Zusammenhang mit der Grundsteinlegung für neue Gebäude durchgeführt. Heutzutage werden diese Ereignisse kaum noch öffentlich wahrgenommen. In früheren Jahrhunderten war die Grundsteinlegung für ein neues Gebäude jedoch ein sehr wichtiger und festlicher Anlass. Sofern es sich um Gerichtsgebäude, Rathäuser oder andere Regierungsgebäude handelte, wurden Paraden veranstaltet und Reden gehalten, bevor dann die Freimaurer symbolisch den Grundstein für das Gebäude legten.
Während der Grundsteinlegung wurde überprüft, ob der Stein auch rechteckig, lotrecht und waagerecht war. Denn einem Gebäude, das auf einem schwachen Fundament stünde, würde es an der nötigen Standfestigkeit fehlen. Anschließend wurde der Grundstein mit Getreide, Wein und Öl gesegnet, den freimaurerischen Symbolen für Wohlstand, Gesundheit und Frieden. Und schließlich wurde der Stein mit einem Hammer symbolisch festgeklopft.
Beisetzungen
Heute sind Beisetzungen eines verstorbenen Freimaurers oft die erste Gelegenheit, bei der Verwandte oder Freunde des Verstorbenen mit der Freimaurerei in Berührung kommen. Auf Wunsch der Hinterbliebenen halten die Freimaurer für verstorbene Mitglieder eine würdevolle Abschiedszeremonie ab. Die während dieser bewegenden Zeremonie gesprochenen Worte erlauben einen kleinen Einblick in die Glaubensgrundsätze der Bruderschaft. Viele Männer – so auch ich – haben sich im Anschluss an eine solche Beisetzungszeremonie um die Aufnahme in eine Loge bemüht.
Echte Männer tragen Schurz!
Es ist tatsächlich so: Der kleine rechteckige Schurz gehört zur textilen Ausstattung eines korrekt gekleideten Freimaurers. Er erinnert symbolisch an den Schurz der historischen Steinmetze, die damit ihre Kleidung schützten und ihre Werkzeuge darin verstauten. Traditionell wurden die Schurze aus weißem Schafsleder gefertigt – ein Symbol für die Unschuld. Heute sind sie meist aus weißem Stoff genäht. Mitunter sind die Freimaurerschurze recht aufwändig verziert. Solche Verzierungen können die Position eines Würdenträgers, etwa als Altstuhlmeister, deutlich machen oder einfach nur Ausdruck künstlerischer Kreativität sein. Der Freimaurerschurz ist das Erste, was ein angehender Freimaurer bei seiner Initiation in der Loge mit der Maßgabe in die Hand gedrückt bekommt, diesen Schurz sauber und in Ehren zu halten, eine Aufgabe, die symbolisch für die Reinheit seiner Gedanken und Handlungen steht.
Freimaurer tragen ihren Schurz auf eine ganz bestimmte Weise, je nachdem, welchen Grad sie erreicht haben. Niemand außer den noch nicht initiierten Kandidaten darf eine Loge ohne den Schurz betreten.
Eine »Geheimgesellschaft«
Freimaurer bestreiten in der Regel, dass die Freimaurerei eine Geheimgesellschaft sei. Sie sprechen lieber von einer Gesellschaft mit Geheimnissen. Es trifft die Sache aber eher, wenn man die Loge als geschlossene Gesellschaft bezeichnet und alles, was in deren Räumlichkeiten passiert, als privat bezeichnet.
Lange haben Väter, Großväter und Nachbarn junge, an der Sache der Freimaurer interessierte Leute vor den Kopf gestoßen, indem sie sich aus einem falschen Verständnis des freimaurerischen Geheimnisses heraus weigerten, überhaupt irgendetwas über die Freimaurerei zu erzählen. Sie hatten einfach das Gefühl, nichts sagen zu dürfen. »Komm einfach dazu, dann wirst du schon sehen«, lautete die Standardantwort. Nachdem sich diese Haltung – glücklicherweise – gewandelt hat, sind die Freimaurer heute wesentlich mitteilsamer.
Worüber ein Freimaurer eher nicht spricht, sind die Handgriffe, Passwörter (Losungen) und Gesten, die als Erkennungszeichen dienen, sowie Einzelheiten der rituellen Zeremonien im Zusammenhang mit dem Erreichen eines Grades. Zweifelsohne gibt es aber auch noch Freimaurer der alten Schule, die der Meinung sind, jemanden wie mich sollte man in einen Kofferraum verstauen, über die Staatsgrenze bringen und dort aussetzen.
Das Wissen um der Erkennungszeichen allein verschafft Ihnen noch keinen Zutritt zu einer Loge. Wenn Sie erwägen, Freimaurer zu werden, sollten Sie sich nicht von irgendeinem Plappermaul in einem Buch oder im Internet um die unvoreingenommene Erfahrung der rituellen Zeremonien bringen lassen. Wenn Sie jedoch nur daran interessiert sind, mit der Kenntnis geheimer Informationen zu prahlen, gibt es indes unzählige Bücher und Websites, die Ihnen alles bis ins Kleinste enthüllen. Natürlich könnten Sie in eine Freimaurerversammlung stürmen, laut »Aha!« brüllen und den Versammelten das Passwort entgegenschleudern. Das wirkliche Geheimnis der Freimaurerei kann man jedoch nicht erklärend vermitteln, man muss es erleben. Deshalb würde ein solcher Auftritt auch einfach ignoriert.
Ist er einer von uns?
Reisende Freimaurer können Logen in der ganzen Welt besuchen, aber nicht jede Loge benutzt dieselben Erkennungszeichen. Jede Großloge hat ihre eigenen Gewohnheiten. Amerikanische Logen geben Mitgliedsausweise aus. Außerhalb der Vereinigten Staaten bekommt man einen Freimaurerpass. Ein fremder Freimaurer, für den kein Mitglied einer Loge bürgt, muss sich unter Umständen viele Fragen stellen lassen, bevor er eingelassen wird.
Zusätzlich verwirrend wird das Ganze dadurch, dass in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen unterschiedliche Rituale, Passwörter und Erkennungszeichen verwendet werden. Kommt dann noch eine Sprachbarriere hinzu, wird der Besuch einer Freimaurerloge zur Herausforderung.
Ist es eine Wohltätigkeitsorganisation? Eine Religionsgemeinschaft? Ein Verein?
Die Freimaurerei hat so viele Gesichter wie Mitglieder. Je nachdem, mit wem man spricht oder welche Loge man besucht, kann man sehr unterschiedliche Eindrücke gewinnen.
Ein Teil der Freimaurer konzentriert sich auf die vielen wohltätigen Aufgaben, in denen sich die Bruderschaft engagiert. Ein anderer Teil widmet sich der Geschichte, der Philosophie oder der Symbolik der Bruderschaft. Für manche ist die Loge hauptsächlich ein Ort, an dem man zusammen Karten spielt und einmal im Monat ein großes Frühstück veranstaltet, zu dem man sich mit Freunden trifft und neue Freunde findet. Wieder andere haben ihre Freude an den Ritualen und freuen sich ein Leben lang darauf, dabei bedeutende Rollen übernehmen zu dürfen.
Für die Männer, die in einer Loge Ämter übernehmen und in Komitees mitarbeiten, wird die Freimaurerei zu einem Teil ihrer persönlichen Entwicklung. Sie erwerben Führungsqualitäten, üben das öffentliche Sprechen und dergleichen mehr. Männer aus allen Bereichen des Lebens können in einer Loge Dinge tun, die ihnen ihre Arbeit oder ihr gesellschaftlicher Status sonst nie gestattet hätte. Natürlich gibt es auch diejenigen, die hochtrabende Titel, Abzeichen, Bänder, Smokings und schicke Klamotten lieben. Sie sehen, es ist für jeden etwas dabei.
Sind ... auch Freimaurer?
Weil Freimaurer aus allen möglichen Lebensbereichen kommen, haben sich im Laufe der Zeit andere freimaurerische Organisationen gebildet, die das in den Logen erlebte nach außen weitertragen. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist in jedem Fall das Erreichen des Johannis-Meistergrads in einer Loge. Die Liste dieser so genannten angegliederten Organisationen und Gruppen ist lang.
Drei wichtige Organisationen sind:
Der York-Ritus, dem drei verschiedene Gruppen angehören: die Royal Arch Masons, die Cryptic Right Masons und die Tempelritter.
Der Schottische Ritus, der 29 Grade verleiht, die vom 4. bis zum 32. reichen. Zusätzlich kann der Oberste Rat, die übergeordnete Instanz des Schottische Ritus, besonders verdienten Mitgliedern den 33. Grad verleihen.
Die Ancient Arabic Nobles of the Mystic Shrine (Alter arabischer Orden der Edlen vom mystischen Schrein), dessen Mitglieder besser unter dem Namen Shriner bekannt sind. Genau, das sind diese Kerle mit den lustigen Hüten und den kleinen Autos. Der Orden wurde im Jahre 1872 von einer Gruppe von Freimaurern gegründet, denen es in ihrer Loge allzu ernst und muffig geworden war. Er bietet seinen Mitgliedern, die nur einen einzigen Grad erreichen können, die Möglichkeit, das Kind im Manne wiederzuentdecken. Die Shriner sind durchweg gemeinnützig tätig und betreiben mehrere Krankenhäuser, die für Kinder kostenlose orthopädische Behandlung und Versorgung bei Brandverletzungen gewähren. Shriner gibt es nur in den USA.
Es gibt noch viele weitere solcher Gruppen und Organisationen, darunter den Order of the Eastern Star (eine Gruppe, die auch Frauen aufnimmt), die Tall Cedars of Lebanon, den Order of Amaranth, der White Shrine of Jerusalem, DeMolay (für heranwachsende Jungen) oder Rainbow und Job’s Daughter (beide für Mädchen). All diese Gruppen entwuchsen dem sich im 19. Jahrhundert weltweit rapide wachsenden Interesse an der Freimaurerei. Mehr über diese Organisationen und Gruppen erfahren Sie in Teil III dieses Buches.
Frauen müssen draußen bleiben!
Die moderne Freimaurerei, wie sie sich 1717 in London konstituierte, baute auf den alten Steinmetzzünften auf. Die ursprünglichen Regeln der Zünfte waren nun einmal ausschließlich für Männer gemacht (siehe Anhang A). Das liegt zum Teil daran, dass die Frauen im frühen 18. Jahrhundert den gleichen rechtlichen Status hatten wie Minderjährige.
In den letzten drei Jahrhunderten hat sich an der rein männlichen Orientierung der Bruderschaft im Wesentlichen nichts geändert: Die überwiegende Mehrheit der Freimaurer haben gelobt, einer Initiation von Frauen weder zuzustimmen noch an einer solchen Zeremonie teilzunehmen. Das macht man einfach nicht.
So weit die offizielle Erklärung der Durchschnittsfreimaurer. Die Wahrheit ist allerdings immer vielschichtiger. Die moderne Freimaurerei nahm ihren Ausgang in Schottland und England und breitete sich rasch über Europa aus. Schon um 1740 nahm man in französischen Logen die ersten Frauen auf.
Mit der Zeit bildeten sich verschiedene Gruppen aus gemischten und rein weiblichen Logen in ganz Europa. Frauen wollten sich nicht unbedingt in reine Männerlogen einmischen, wollten aber an den Initiationsritualen, dem Symbolismus und der Philosophie der Freimaurer teilhaben. In England wurden im Jahre 1908 der Order of Women’s Free-Masons, 1923 die Honourable Fraternity of Ancient Free-Masons und 1925 der Order of Ancient, Free, and Accepted Masons for Men and Women gegründet. In Frankreich gibt es ebenfalls mehrere solcher Gruppen, darunter der 1893 gegründete Le Droit Humain und die 1945 gegründete Grande Loge Féminine de France. In Deutschland gab es in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gemischte Logen der Droit Humaine. 1949 wurde dann in Berlin die Großloge Zur Humanität als reine Frauenloge gegründet.
In Amerika gab es um 1790 kurze Zeit eine Frauenloge in Boston, der Hannah Mather Crocker als Meister vom Stuhl vorstand. Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein pseudo-freimaurerischer Orden, der Order of the Eastern Star. Um nicht mit den regulären Freimaurern in Konflikt zu geraten, achteten die Gründer jedoch peinlich darauf, dass Frauen nicht richtig initiiert werden konnten. Deshalb stand einer Aufnahme in die Familie der amerikanischen Freimaurerei auch letztlich nichts im Wege, was bis heute so geblieben ist (siehe Kapitel 12).
Heute ist die Welt durch das Internet wesentlich kleiner geworden. Freimaurerisch orientierte Gruppen profitieren von einem weltweiten und unmittelbaren Gedankenaustausch. Die weibliche und gemischte Freimaurerei sucht sich weltweit ihren Raum. Die American Federation of the Human Rights hat ihr Hauptquartier in Washington D.C. und unterhält in den Vereinigten Staaten mehrere gemischte Logen. Andere gemischte Organisationen sind die George Washington Union und die Grand Symbolic Lodge of Memphis Misraïm. Die Women’s Grand Lodge of Belgium hat mittlerweile in New York, Washington D.C. und Los Angeles wenigstens vier Logen registrieren lassen.
Weibliche und gemischte Freimaurergruppen werden von den regulären Freimaurern im Prinzip mehr oder weniger ignoriert. Die Freimaurerinnen haben deswegen aber keine schlaflosen Nächte. Sie wissen, dass sie Freimaurerinnen sind und dazu nicht die Erlaubnis der großen Jungs brauchen.
Inzwischen ist es den regulären Freimaurern verboten, gemischte oder rein weibliche Freimaurergruppen in freimaurerischen Angelegenheiten zu besuchen, und zwar unter Androhung des Ausschlusses aus der Bruderschaft.
2
Von den Steinbrüchen zur Loge: Die Geschichte der Freimaurer
In diesem Kapitel
Die ersten Freimaurer
Die Entwicklung vom Bau der Kathedralen zum Bau des Menschen
Verbreitung rund um den Globus
Die Entwicklung der Freimaurer in Amerika
Rückgängige Entwicklung und die Zukunft
Freimaurerei in Deutschland
Die ersten Freimaurer vollbrachten in der Tat Mystisches. Sie gingen in die Steinbrüche und schlugen große Steine aus dem Fels. Sie schafften riesige, tonnenschwere Steinblöcke zu den Baustellen, hievten sie in schwindelerregende Höhen und formten daraus Kathedralen, die der Schwerkraft zu trotzen schienen. Sie warfen einen Blick auf eine Zeichnung und schufen mit Hilfe der geheimnisvollen Kunst der Geometrie Bauwerke, die seit fast 1000 Jahren Bestand haben. Das waren Wunder. Das war Magie. Und wie sie das machten, war ihr Geheimnis.
Wie wurde nun aus einer Gruppe mittelalterlicher Bauleiter und Steinmetze die größte philosophische Bruderschaft? Es gibt viele Theorien über den Ursprung der Freimaurer. Im 19. Jahrhundert breiteten freimaurerische Gelehrte die Geschichte der Freimaurer in dicken Wälzern wortreich aus. Bis ins alte Ägypten, das biblische Jerusalem oder zu den Tempelrittern des 12. Jahrhunderts, so glaubten sie, reichten die Quellen der Freimaurerei zurück. Die Gelehrten unserer Tage sehen das etwas nüchterner und sind mit Schlussfolgerungen vorsichtiger.
Dieses Kapitel widmet sich den mittelalterlichen Zünften der Kathedralenbauer und ihrer Entwicklung hin zu dem, was wir als moderne Freimaurerei bezeichnen. Ein großer Teil der Frühgeschichte der Maurer bleibt aufgrund der dürftigen Quellenlage im Dunkeln. Vieles hat die Freimaurerei zudem einigen gesellschaftlichen Entwicklungen der damaligen Zeit zu verdanken.
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit der so genannten blauen oder Johannis-Freimaurerei, die ihren Mitgliedern das Erreichen der schon genannten drei Grade in der »Loge um die Ecke« ermöglicht. Ähnlich wie bei der Geschichte der zahlreichen Strömungen des Christentums könnte man auch mit den Werken zur Geschichte der Freimaurerei ohne weiteres mehrere Regale in einer Bibliothek füllen. Allein die Vielgestaltigkeit der Freimaurerei in Frankreich in den letzten 300 Jahren wäre ein riesiger Themenbereich für sich. Um das Ganze so übersichtlich wie möglich zu halten, wird hier auf die wichtigsten Wendepunkte in der Bruderschaft und ihre Auswirkungen auf die freimaurerische Praxis in Europa und Amerika aufmerksam gemacht.
Die großen Baumeister: Die Freimaurerei 1700
Die Begriffe operativ und spekulativ beschreiben heute den Unterschied zwischen zwei verschiedenen Freimaurer-Gattungen. Die operativen Maurer lebten vor 1700 und bearbeiteten Steine mit Hammer und Meißel. Nachdem der Anteil der »angenommenen« Maurer immer mehr zunahm und schließlich überwog, wandelte sich der Orden zu einer philosophischen, brüderlichen und wohltätigen Organisation, deren Mitglieder sich spekulative Maurer nannten. Als Erkennungszeichen wählten die spekulativen Maurer die Arbeitsgeräte der operativen Maurer: Zirkel und Winkelmaß.
Operative Maurer: Die großen Baumeister
Die mythischen Ursprünge der Bruderschaft reichen zurück bis zum Bau des Salomonischen Tempels in Jerusalem um das Jahr 1000 v. Chr. Der Salomonische Tempel war das größte und prächtigste Bauwerk der biblischen Ära, ein Monument des Glaubens an Gott. Sein Allerheiligstes, das Kodesh Hakodashim, war dazu bestimmt, die Bundeslade aufzunehmen, in der das Wort Gottes aufbewahrt wurde, jene Steintafeln, auf denen Moses die Zehn Gebote festgehalten hatte. Der Tempel wurde später zerstört, zuerst von den Babyloniern, dann von den Römern. Heute ist von der Tempelanlage nur noch die Westmauer übrig, die als Klagemauer bekannt ist.
Die allgemein anerkannten historischen Ursprünge der Freimaurer sind in den Steinmetzzünften zu sehen, die sich im Mittelalter in Europa zusammenschlossen. Bereits im 8. Jahrhundert n. Chr. wurden die Maurer von Karl Martell in Frankreich organisiert. Den frühesten englischen Quellen zufolge bildete Aethelred II., König des angelsächsischen Königreichs Wessex und Herrscher über die übrigen englischen Teilreiche, im Jahre 926 n. Chr. eine Maurerzunft.
Wie bei vielem anderen, was die Freimaurerei betrifft, ist der Ursprung des Begriffs Freimaurer nicht eindeutig geklärt. Einige Historiker vertreten die Ansicht, dass die Mitglieder der Steinmetzzünfte nicht in einer bestimmten Stadt oder einem Land bleiben mussten, sondern frei umherziehen und nach Arbeit suchen durften. Sie waren also freie Maurer. Eine andere Theorie besagt, dass es sich um eine Verkürzung des Begriffs freestone mason handelt. Freestone ist das englische Wort für Sandstein, einen weichen Stein, der sich schneiden und bearbeiten lässt (anders als hartes Gestein, das gespalten werden muss).
Die Freimaurer wussten, wie man aus Steinblöcken Kathedralen und Burgen errichtete, und beherrschten die Kunst der Geometrie, mit deren Mitteln sie kleine Pläne in riesige Bauwerke verwandeln konnten. Die Geheimnisse dieser Kunst wurden sorgsam gehütet und waren nicht einmal den Bischöfen, Priestern oder Königen bekannt, von denen die Maurer ihre Aufträge bekamen. Auch heute noch spricht man von der Freimaurerei als der Kunst. Das hat nichts mit Zauberei zu tun, aber etwas Magisches haben die gewaltigen Bauwerke schon.
Erste schriftliche Niederlegungen
Das älteste überlieferte Dokument, das die Regeln der Freimaurer wiedergibt, ist das so genannte Regius-Manuskript (auch unter dem Namen Halliwell-Manuskript bekannt, nach dem Litera turhistoriker James Orchard Halliwell-Phillipps, der es im Jahre 1840 herausgab), das heute im British Museum in London aufbewahrt wird. Es wurde um 1390 von einem unbekannten Autor verfasst, geht aber nach Meinung der meisten Historiker auf noch ältere Dokumente zurück. (Eine moderne Übersetzung des Regius-Manuskripts können Sie in Anhang A lesen.) Die Schrift beschreibt in Gedichtform die moralischen Richtlinien und Verhaltensregeln, an die sich die Maurer halten sollten. Dazu gehören handwerkliche Standards, ein Ehrenkodex, Regeln für die Mitgliedschaft in der Zunft und der ausdrückliche Wunsch nach Freundschaft unter den Mitgliedern. Wenn sich diese Regeln auch im Laufe der Jahrhunderte ein wenig verändert haben, so finden sich in diesem Dokument doch die wesentlichen Grundsätze der heutigen Freimaurerlogen.
Gotische Architektur
Die gotische Architektur war der Baustil des 12. bis ins 15. Jahrhundert. Zu den berühmtesten gotischen Kathedralen zählen Notre Dame in Paris und West-minster Abbey in London, das Straßburger Münster und die Marienkirche in Lübeck. Vor dieser Zeit hatten die Bauwerke dicke, schwere Wände, kleine Fenster und hölzerne Dachkonstruktionen. Aufgrund der technischen Gegebenheiten der Zeit waren diesen älteren Baustilen hinsichtlich der Größe und Form gewisse Grenzen gesetzt. Diese Grenzen sprengte die Gotik.
Die Wände im Innern von Notre Dame in Paris (siehe Abbildung) wirken, als seien sie aus Buntglas gefertigt – typisch für gotische Kathedralen. Die hoch aufragenden Mauern wurden dabei so angelegt, dass sie das immense Gewicht des Gebäudes und des Daches auf so genannte Strebebögen übertrugen, durch die eine Verglasung größerer Flächen erst möglich wurde. Die Dächer wurden mit einem Kreuzrippengewölbe ausgesteift, das ebenfalls zu einer gleichmäßigeren Gewichtsverteilung beitrug. Die Strebebögen sorgten dafür, dass die ganze Konstruktion nicht wie ein Kartenhaus zusammenfiel, und verlegten die schwere Stützstruktur aus dem Innenraum nach außen.
Der Macht der Kirche verliehen die neuen Kathedralen Ausdruck, waren sie doch in der Regel die größten Bauwerke weit und breit. Eine wichtige Funktion der Kathedralen war aber auch die religiöse Unterweisung der Gläubigen. Symbole fanden sich buchstäblich überall. Der klassische gotische Grundriss war kreuzförmig. In den gewaltigen, hohen Innenräumen fühlte der Einzelne die Gegenwart des allmächtigen Gottes. Weil das gemeine Volk nicht lesen konnte, erzählten die Buntglasfenster und Tausende an allen Ecken und Enden in den Stein gemeißelte Reliefs die biblischen Geschichten.
Gestaltet wurde das Ganze oft von äußerst talentierten und visionären Bischöfen, Priestern und Äbten, aber auch von Architekten, die nicht zum Klerus gehörten. Wenn sich auch die ganze Gemeinschaft in der Aufgabe zusammenfand, über Jahre und Jahrzehnte die nötigen finanziellen Mittel und die Arbeitskraft für den Bau dieser prächtigen Kirchen aufzubringen, so brauchte man immer noch gelernte Fachkräfte, die in der Lage waren, die phantasievollen Pläne in Bauwerke umzusetzen, die ein Jahrtausend oder mehr überdauern würden. Dazu bedurfte es profunder Kenntnisse der Geometrie, des genauen Messens und des Bauwesens. An dieser Stelle waren die Handwerkerzünfte und die Freimaurer gefragt.
Aufgabe der Zünfte war es, den Männern die für den Bau dieser mächtigen Bauwerke benötigten Fertigkeiten zu vermitteln, handwerkliche Standards durchzusetzen und ihre Mitglieder zur Einhaltung dieser hohen Standards zu bewegen – und natürlich auch die wertvollen Geheimnisse ihres Handwerks zu schützen. Denn wenn jeder erfahren hätte, worauf es in diesem Handwerk ankam, wäre es vorbei gewesen mit der gut bezahlten Arbeit. Und wer die richtigen Geheimnisse kannte, konnte das ganze Land bereisen und arbeiten, wo immer die Zunft arbeitete.
Die Zunftmeister waren im Besitz des Meisterwortes (Passwort), des Handschlags oder anderer Erkennungszeichen, mit denen sich die Handwerker einer Zunft untereinander auf recht einfache Weise als ausgebildete Mitglieder der Zunft erkennen konnten – Visitenkarten, Diplome und Ähnliches gab es ja damals noch nicht. Diese Erkennungszeichen ersparten einem Stellenbewerber, erst jedes Mal einen Wasserspeier aus Stein hauen zu müssen, nur um einem scharfäugigen Meister zu zeigen, dass er sein Handwerk gelernt hatte.
Die Lehrzeit trat man im Alter von zwölf Jahren an, es folgten sieben Jahre Ausbildung bei einem Meister. Nach drei Jahren nahmen die Lehrlinge an einer Initiationszeremonie teil, bei der man ihnen die Erkennungszeichen verriet, mit denen sie sich als Lehrling eines Meisters ausweisen konnten. Dazu durften sie fortan ihr eigenes Zeichen verwenden, eine kleines Symbol, das man als Signatur in den Stein ritzte. Nach der siebenjährigen Lehrzeit erreichten sie den Status eines Gesellen und konnten, nachdem sie noch mehr Erfahrung gesammelt hatten, zum Meister aufsteigen. (Mehr über Lehrlinge, Gesellen und Meister erfahren Sie in Kapitel 6.)
Die Renaissance
Renaissance heißt so viel wie »Wiedergeburt«. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts zog sich Europa aus dem Sumpf des Mittelalters und machte sich daran, Wissenschaft, Kunst und das Lernen überhaupt neu zu beleben. Die Erfindung der Druckerpresse kam da gerade recht. Plötzlich konnten die Menschen ihre Gedanken und Ideen auch auf größere Entfernungen austauschen, und gleich in großen Mengen.
Mit dem gesellschaftlichen Wandel änderte sich auch für die Maurer vieles. Das gemeine Volk Europas kam zunehmend in den Genuss von Bildung, und die Maurerzünfte erhielten ihre großen Aufträge nicht mehr ganz so selbstverständlich. Es musste nur noch einer eine Anleitung drucken, wie man einen Bogen mauerte und den Schlussstein einsetzte, und plötzlich brauchte man die Zünfte nicht mehr. Dazu kam, dass der gotische Stil nach und nach an Popularität verlor. Während die operativen Maurer kaum noch Arbeit fanden, wartete die spekulative Freimaurerei schon darauf, ihren Platz einzunehmen (siehe den Abschnitt »Spekulative Maurer und der große Wandel« weiter hinten in diesem Kapitel).
Mit dem Beginn der Renaissance geriet die katholische Kirche in Turbulenzen. Die Notwendigkeit interner Reformen einerseits und die zunehmenden Proteste der Gläubigen andererseits machten es erforderlich, einen Teil ihres weitreichenden Einflusses auf die europäischen Nationen aufzugeben.
Die Schottland-Connection
Die Maurer hatten eine herausragende gesellschaftliche Position inne. Päpste, Grafen und Bischöfe brauchten ihre Fertigkeiten, und die Nachfrage war groß.