Für den Ernstfall abgesichert - Otto N. Bretzinger - E-Book

Für den Ernstfall abgesichert E-Book

Otto N. Bretzinger

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Beschreibung

Schnell kann es passieren, dass man wegen einer Krankheit, eines Unfalls oder altersbedingt nicht mehr in der Lage ist, selbstbestimmt zu entscheiden. Für diesen Fall gibt es verschiedene Vollmachten und Verfügungen mit denen man sich für den Notfall als Patient oder Pflegefall vorbereiten kann: - Patientenverfügung erstellen: Mit einer Patientenverfügung können Sie festlegen, dass bestimmte medizinische Maßnahmen von einem Arzt durchzuführen oder zu unterlassen sind, falls Sie nicht mehr selbst entscheiden können. - Vorsorgevollmacht erstellen: Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie festlegen, wer Sie in allen wichtigen Angelegenheiten vertreten soll, wenn Sie selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind. - Betreuungsverfügung erstellen: Mit einer Betreuungsverfügung können Sie zwar die Bestellung eines Betreuers nicht vermeiden, Sie können aber Einfluss auf die durch ein Gericht anzuordnende Betreuung nehmen und so die Person des Betreuers benennen und auch Wünsche über die Führung der Betreuung äußern. - Sorgerechtsverfügung erstellen: Mit einer vorbereiteten Sorgerechtsverfügung können Eltern einen Vormund für ihre minderjährigen Kinder benennen, falls Sie als Eltern unvermittelt sterben.Muster für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen von der Stange gibt es viele. Aber nicht jedes Formular bildet auch wirklich Ihre Wünsche und Bedürfnisse ab. Um wirklich sicher zu gehen, dass Ihr Wille auch umgesetzt wird, sollten Sie eine Patientenverfügung, Betreuungsverfügung oder Vorsorgevollmacht unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Lebensumstände erstellen. Das ist auch gar nicht so schwer, wie es vielleicht klingen mag. Unser Ratgeber zeigt Ihnen wie! Schritt 1: Informationen zu Vorsorgevollmacht & Verfügungen Wir stellen Ihnen die verschiedenen Verfügungen vor. Von Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht bis Sorgerechtsverfügung für den Todesfall werden Ihnen alle Möglichkeiten zur Vorsorge erklärt. Schritt 2: Die Beratung und Auswahl der richtigen Verfügung Wir helfen Ihnen bei der Entscheidung, welche Verfügung und Vollmacht Sie wirklich brauchen. Denn maßgebend für den Inhalt einer Vorsorgeverfügung sollte immer Ihre persönliche Lebenssituation sein!  Schritt 3: Die eigene Erstellung einer Vollmacht Wir zeigen Ihnen wie Sie die Verfügungen am besten formulieren und welche formellen Anforderungen es an Verfügungen wie eine Patientenverfügung gibt. Viele konkrete Tipps und Mustertexte helfen Ihnen bei der individuellen und selbstständigen Errichtung Ihrer Verfügung. Auf diese Weise können Sie individueller auf Ihre Situation eingehen als in einem begrenzten Formular. Die 3. Auflage dieses Ratgebers berücksichtigt die Änderungen der Betreuungsrechtsreform zum 1.1.2023. Ihr Plus: Alle Textbausteine & Muster gibt es auch zum Download! Nicht zuletzt soll Sie der Ratgeber "Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung" ermuntern, die für jeden von uns so wichtigen Entscheidungen zu treffen, und frühzeitig für eine umfassende rechtliche Vorsorge zu sorgen.

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© 2022 by Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlagsgesellschaft mbHPostfach 10 01 61 · 68001 MannheimTelefon 0621/[email protected]

(Die Vorauflagen dieses Ratgebers erschienen unter dem Titel "Vorsorgevollmacht, Beutreuungs- und Patientenverfügung".)

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Angaben wurden nach genauen Recherchen sorgfältig verfasst; eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben ist jedoch ausgeschlossen.

Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit verwenden wir allgemein die grammatisch männliche Form. Selbstverständlich meinen wir aber bei Personenbezeichnungen immer alle Menschen unabhängig von ihrer jeweiligen geschlechtlichen Identität.

Alternative Streitbeilegung (Online-Streitbeilegung und Verbraucherschlichtungsstelle)Die Europäische Kommission hat eine Plattform zur Online-Streitbeilegung eingerichtet, die unter folgendem Link abgerufen werden kann: www.ec.europa.eu/consumers/odr. Wolters Kluwer ist nicht bereit und nicht verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

Inhaltsübersicht

1   Vorwort

2   Einleitung

2.1   Notwendigkeit der privaten Vorsorge

2.2   Überblick über die Möglichkeiten der privaten Vorsorge

2.2.1   Patientenverfügung

2.2.2   Vorsorgevollmacht

2.2.3   Betreuungsverfügung

2.2.4   Sorgerechtsverfügung und -vollmacht

3   Patientenverfügung

3.1   Gründe für die Errichtung einer Patientenverfügung

3.2   In sechs Schritten zur Patientenverfügung

3.3   Verbindlichkeit der Patientenverfügung

3.4   Voraussetzungen für die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung

3.4.1   Einwilligungsfähigkeit

3.4.2   Ärztliche Aufklärung

3.4.3   Formale Anforderungen

3.4.4   Aktualisierung

3.4.5   Unzulässige Inhalte

3.5   Inhalte einer Patientenverfügung

3.5.1   Überblick

3.5.2   Festlegungen in der Patientenverfügung

3.6   Aufbewahrung und Hinterlegung der Patientenverfügung

3.6.1   Persönliche Aufbewahrung

3.6.2   Hinterlegung

3.7   Änderung und Widerruf der Patientenverfügung

3.8   Vorsicht Falle: Die häufigsten Fehler bei der Patientenverfügung

4   Rechtliche Betreuung

4.1   Inhalt und Auswirkungen der Betreuung

4.1.1   Gesetzliche Vertretung

4.1.2   Einwilligungsvorbehalt

4.1.3   Geschäftsfähigkeit und Betreuung

4.1.4   Einwilligungsfähigkeit und Betreuung

4.2   Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers

4.2.1   Medizinische Voraussetzungen

4.2.2   Fürsorgebedürfnis

4.2.3   Erforderlichkeit der Betreuerbestellung

4.2.4   Vorrang des Notvertretungsrechts des Ehegatten

4.2.5   Vorrang der Bevollmächtigung

4.3   Umfang der Betreuung

4.3.1   Aufgabenkreis

4.3.2   Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

4.4   Auswahl des Betreuers

4.4.1   Rangfolge bei der Betreuerauswahl

4.4.2   Vorschlag des Betroffenen

4.5   Aufgaben und Pflichten des Betreuers

4.5.1   Allgemeine Pflichten

4.5.2   Vertretung des Betreuten

4.5.3   Vermögenssorge

4.5.4   Gesundheitssorge

4.5.5   Wohnungsangelegenheiten

4.5.6   Aufenthaltsbestimmungsrecht

4.5.7   Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten

4.6   Zwangsmaßnahmen im Rahmen einer Betreuung

4.6.1   Freiheitsentziehende Unterbringung

4.6.2   Freiheitsentziehende Maßnahmen

4.6.3   Ärztliche Zwangsmaßnahmen

5   Vorsorgevollmacht

5.1   Gründe für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht

5.2   In sechs Schritten zur Vorsorgevollmacht

5.3   Generalvollmacht als Vorsorge für den Betreuungsfall?

5.4   Voraussetzungen für eine wirksame Vorsorgevollmacht

5.4.1   Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers

5.4.2   Anforderungen an den Bevollmächtigten

5.4.3   Formale Anforderungen

5.5   Wirksamwerden der Vollmacht

5.6   Der Bevollmächtigte

5.6.1   Auswahl des Bevollmächtigten

5.6.2   Mehrere Bevollmächtigte

5.6.3   Bestimmung eines Ersatzbevollmächtigten

5.6.4   Rechtsstellung des Bevollmächtigten

5.7   Inhalte einer Vorsorgevollmacht

5.7.1   Festlegungen in der Vorsorgevollmacht

5.7.2   Eingangsformel und Bestellung eines Ersatzbevollmächtigten

5.7.3   Einzelne Regelungen

5.8   Aufbewahrung und Registrierung der Vorsorgevollmacht

5.9   Änderung und Widerruf der Vorsorgevollmacht

5.10   Vereinbarung zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem

5.10.1   Regelungen in der Vereinbarung

5.10.2   Eingangsformel

5.10.3   Zweck und Ziel der Vollmacht

5.10.4   Beginn der Vertretung

5.10.5   Wünsche und Weisungen an den Bevollmächtigten

5.10.6   Haftung des Bevollmächtigten

5.10.7    Salvatorische Klausel

5.11   Vorsicht Falle: Die häufigsten Fehler bei der Vorsorgevollmacht

6   Betreuungsverfügung

6.1   Gründe für die Errichtung einer Betreuungsverfügung

6.2   In sechs Schritten zur Betreuungsverfügung

6.3   Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung – was ist besser?

6.4   Persönliche und formale Anforderungen an die Betreuungsverfügung

6.5   Wirksamwerden der Betreuungsverfügung

6.6   Wirksamkeit der Betreuungsverfügung

6.6.1   Vorschläge für die Person des Betreuers

6.6.2   Wünsche zur Durchführung der Betreuung

6.7   Inhalte einer Betreuungsverfügung

6.7.1   Überblick

6.7.2   Eingangsformel

6.7.3   Einzelne Regelungen

6.8   Aufbewahrung und Registrierung der Betreuungsverfügung

6.9   Änderung und Widerruf der Betreuungsverfügung

6.10   Vorsicht Falle: Die häufigsten Fehler bei der Betreuungsverfügung

7   Sorgerechtsverfügung für den Todesfall

7.1   Die elterliche Sorge

7.1.1   Umfang der elterlichen Sorge

7.1.2   Inhaber der elterlichen Sorge

7.2   Die gesetzliche Rechtslage

7.3   Gründe für die Errichtung einer Sorgerechtsverfügung für den Todesfall

7.4   In sechs Schritten zur Sorgerechtsverfügung

7.5   Voraussetzungen für eine wirksame Sorgerechtsverfügung

7.5.1   Benennungsrecht der Eltern

7.5.2   Ausschluss durch die Eltern

7.5.3   Form

7.6   Person des Vormunds

7.7   Inhalt der Sorgerechtsverfügung

7.7.1   Benennung eines Vormunds

7.7.2   Benennung eines Ersatzvormunds

7.7.3   Trennung der Personen- und Vermögenssorge

7.7.4   Ausschluss eines Vormunds

7.7.5   Sorgerechtsverfügung und -vollmacht

7.8   Aufbewahrung und Hinterlegung der Sorgerechtsverfügung

7.9   Vorsicht Falle: Die häufigsten Fehler bei der Sorgerechtsverfügung

Für den Ernstfall abgesichert: Patienten- und Betreuungsverfügung sowie Vorsorgevollmacht für Alter, Krankheit und Unfall

1   Vorwort

Tagtäglich ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu handeln und zu entscheiden. Und solange wir gesund sind, schieben wir das Thema »rechtliche Vorsorge« gerne beiseite. Denn wer beschäftigt sich schon gerne in guten Tagen mit derart »unangenehmen« Fragen? Aber niemand weiß, was morgen sein wird. Und schnell kann es geschehen, dass man wegen einer Krankheit, eines Unfalls oder altersbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen und selbstbestimmt zu entscheiden.

Die meisten Menschen werden (hoffentlich) das Glück haben, dass sich jemand um sie kümmert, wenn sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind. Das Problem ist allerdings, dass den nahen Angehörigen kein gesetzliches Vertretungsrecht zusteht. Sie können also für die handlungsunfähige Person keine Rechtsgeschäfte (z.B. einen Heimvertrag) abschließen. Auch in medizinische Maßnahmen können sie nicht wirksam einwilligen. Gleichzeitig muss allerdings der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass auch die Handlungsfähigkeit einer körperlich, seelisch oder geistig kranken Person im Alltag gewährleistet ist. Deshalb kann der Betroffene entweder selbst rechtliche Vorsorge treffen oder es wird vom Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung angeordnet.

Wenn Sie sich auch im Ernstfall »das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen« und Ihr persönliches Selbstbestimmungsrecht gewährleistet wissen wollen, sollten Sie eine umfassende individuelle rechtliche Vorsorge treffen. In diesem Zusammenhang stehen Ihnen verschiedene Vorsorgeinstrumente zur Verfügung. Von Bedeutung ist, welchen Zweck Sie jeweils verfolgen. Denn die möglichen Verfügungen unterscheiden sich nach Ihrem Inhalt und Ihrem Adressaten.

Mit einer Patientenverfügung können Sie vorsorglich festlegen, dass bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen sind, falls Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Damit wird sichergestellt, dass Ihr Patientenwille umgesetzt wird, auch wenn Sie sich in der aktuellen Situation nicht mehr äußern können. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie festlegen, wer Sie in allen wichtigen Angelegenheiten vertreten soll, wenn Sie selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind. Mit einer Betreuungsverfügung können Sie zwar die Bestellung eines Betreuers nicht vermeiden, sie können aber Einfluss auf die durch ein Gericht anzuordnende Betreuung nehmen und so die Person des Betreuers benennen und auch Wünsche über die Führung der Betreuung äußern. Und mit einer Sorgerechtsverfügung können Eltern einen Vormund für ihre minderjährigen Kinder benennen, falls sie sterben.

In diesem Ratgeber werden die verschiedenen Vorsorgeverfügungen vorgestellt. Viele konkrete Tipps sollen Ihnen bei der Errichtung Ihrer Verfügung helfen. Nicht zuletzt soll Sie der Ratgeber ermuntern, umfassende rechtliche Vorsorge zu treffen. Mustertexte sollen Ihnen bei der Formulierung Ihrer jeweiligen Vorsorgeverfügung helfen. Verstehen Sie die Textbausteine allerdings nur als Vorschläge und Anregungen, wie Sie Ihre Verfügung inhaltlich gestalten können. Letztlich maßgebend für den Inhalt Ihrer Vorsorgeverfügung sollte immer Ihre persönliche Lebenssituation sein.

Die dritte aktualisierte Auflage bringt den Ratgeber auf den aktuellsten Stand und berücksichtigt die ab 1.1.2023 geltende Reform des Betreuungsrechts.

Dr. iur. Otto N. Bretzinger

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Tipp: Alle Textbausteine finden Sie zum kostenlosen Download unter www.steuertipps.de/mustertexte-verfuegungen.

2   Einleitung

Ihr persönliches Selbstbestimmungsrecht bildet den Kern Ihrer durch das Grundgesetz gewährleisteten Menschenwürde. Es umfasst zum einen das Recht, in Ihren Angelegenheiten selbst zu entscheiden, zum anderen aber auch die Möglichkeit, diese Entscheidungsbefugnis anderen Personen zu übertragen. Solange Sie handlungs- und entscheidungsfähig sind, ist die Ausübung Ihres Selbstbestimmungsrechts unproblematisch. Private rechtliche Vorsorge sollten Sie aber für den Fall treffen, dass Sie aufgrund bestimmter Umstände nicht mehr selbst entscheiden können und auf fremde Hilfe angewiesen sind.

2.1   Notwendigkeit der privaten Vorsorge

Ein Unfall, eine schwere Krankheit oder auch fortschreitendes Alter können dazu führen, dass Erwachsene ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Häufig werden bei einem solchen Fürsorgefall dem Hilfebedürftigen der Ehegatte oder Lebenspartner, die Kinder, andere nahe Verwandte oder Freunde beiseite stehen und helfen. Es ist allerdings ein weitverbreiteter Irrtum, dass automatisch der Ehepartner oder die Kinder anstelle der hilfebedürftigen Person entscheiden dürfen, wenn diese ihre Angelegenheiten nicht mehr regeln kann. Die folgenden zwei Fälle sollen die Problematik verdeutlichen:

Fall 1

Der 35-jährige Ingo A. liegt nach einem schweren Motorradunfall seit zwei Monaten auf der Intensivstation im Koma. Beim Sturz hat er lebensbedrohliche Hirnverletzungen erlitten. Er kann zwar selbst atmen, muss aber durch Infusionen künstlich ernährt werden. Selbst wenn er aus dem Koma aufwachen sollte, wird er wahrscheinlich ein schwerer Pflegefall bleiben. Er wird seine Bewegungen nicht richtig koordinieren und nur undeutlich sprechen können. Bei allen persönlichen Tätigkeiten (Toilette, Essen, Körperpflege) wird er auf persönliche Hilfe angewiesen sein.

Weil Ingo A. im Koma liegt, kann er nicht selbst entscheiden, wie er in einem solchen Fall ärztlich behandelt werden will bzw. ob die ärztliche Behandlung beendet werden soll. Da der Patient nicht verheiratet ist, erkundigen sich die behandelnden Ärzte nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, also danach, wie dieser entschieden hätte, wenn er im konkreten Fall noch selbst entscheiden könnte. Weil von Ingo A. keine entsprechenden Äußerungen vorliegen, werden sich die Ärzte für die Fortführung der medizinischen Behandlung entscheiden und den Patienten auf lange Sicht mit dem »Maximalprogramm« der Lebenserhaltung behandeln. Die Eltern und Geschwister haben so gut wie keine Chance, eine Beendigung der Behandlung, sprich »Abschaltung der Geräte« durchzusetzen.

In einer schriftlichen Patientenverfügung hätte Ingo A. vorsorglich festlegen können, dass bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen sind, falls er nicht mehr selbst entscheiden kann. Er hätte also auch festlegen können, dass lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen sind, wenn er wegen einer Gehirnschädigung voraussichtlich dauerhaft nicht mehr imstande sein werde, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten oder mit den Mitmenschen zu kommunizieren.

Fall 2

Die 75-jährige Marta B. wohnt nach dem Tod ihres Mannes allein in einer Mietwohnung. Anfangs war sie noch selbst in der Lage, sich zu versorgen und ihren Tag zu gestalten. In letzter Zeit fällt ihr das aber immer schwerer. Zunehmend wird sie verwirrter. Gedächtnis-, Orientierungs- und Sprachstörungen nehmen zu. Nachdem Marta B. eines Nachts bei dem Versuch, die Kellertreppe hinter zu steigen, gestürzt war und erst am nächsten Morgen unterkühlt und mit starken Prellungen aufgefunden wurde, muss ihre Tochter handeln. Sie lässt ihre Mutter untersuchen. Das Ergebnis: Alzheimer-Demenz.

Zwar will sich die Tochter um ihre Mutter kümmern, es gibt aber Probleme. Weil sie keine Vollmacht hat, kann sie den Mietvertrag nicht kündigen. Das gilt auch für bestehende Versicherungsverträge. Sie hat keinen Zugriff auf das Bankkonto ihrer Mutter, auch kann sie sich keinen Überblick über deren Vermögensverhältnisse verschaffen. Damit bleibt ihr nur die Möglichkeit, beim Gericht für ihre Mutter eine Betreuung zu beantragen. Zwar ist davon auszugehen, dass das Betreuungsgericht nach Durchführung des gerichtlichen Verfahrens die Tochter als Betreuerin und damit als Vertreterin der Mutter bestellen wird, die Tochter steht allerdings unter der Aufsicht des Betreuungsgerichts.

Hätte Marta B. ihrer Tochter eine Vorsorgevollmacht erteilt, wäre ein unter Umständen langwieriges und belastendes gerichtliches Betreuungsverfahren entbehrlich gewesen. Die Tochter hätte aufgrund der vorhandenen Vertretungsbefugnis sofort nach Kenntnis der Notsituation handeln können und sie würde nicht der Kontrolle des Betreuungsgerichts unterliegen. Marta B. hätte in einer Vereinbarung mit ihrer Tochter regeln können, wie sie sich in bestimmten Situationen ihre Vertretung wünscht und wie ihre Tochter im Einzelfall ihre Interessen wahrnehmen soll.

Wenn Sie im Rahmen Ihres persönlichen Selbstbestimmungsrechts für den Fall, dass Sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind, festlegen wollen, wer für Sie handeln und Ihre Interessen wahrnehmen soll und in welchem Sinne Sie betreffende Entscheidungen getroffen werden sollen, müssen Sie eine private rechtliche Vorsorge treffen. Diese hat stets Vorrang vor der staatlichen Rechtsfürsorge. So ist eine gesetzliche Betreuung nicht erforderlich, wenn Ihre Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden können. Und Ihre private Vorsorge geht auch einer mutmaßlichen Einwilligung in medizinische und pflegerische Maßnahmen vor.

2.2   Überblick über die Möglichkeiten der privaten Vorsorge

Für eine umfassende private Vorsorge stehen Ihnen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die sich nach ihrem Inhalt und ihrem Adressaten unterscheiden. In Betracht kommen die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung. Eltern von minderjährigen Kindern sollten darüber hinaus eine Sorgerechtsverfügung und eine Sorgerechtsvollmacht errichten. Auf jeden Fall sollten zur eigenen Vorsorge frühzeitig entsprechende Regelungen getroffenen werden, sodass die entsprechenden Entscheidungen ohne Zeitdruck und äußere Sachzwänge erfolgen können.

Unabhängig davon, welche Verfügung Sie errichten wollen, sollten Sie auf Folgendes unbedingt achten:

Berücksichtigen Sie bei der privaten rechtlichen Vorsorge in erster Linie Ihre privaten Wünsche und Vorstellungen.

Lassen Sie sich gegebenenfalls beraten, wenn Sie Fragen zu den jeweiligen Vorsorgemöglichkeiten haben. Es stehen Ihnen viele Beratungsangebote (z.B. bei Betreuungsbehörden, Betreuungsgerichten, Betreuungsvereinen) kostenlos zur Verfügung. Kostenpflichtig beraten Notare und Rechtsanwälte. In medizinischen Fragen können Sie sich an Ihren Hausarzt wenden; auch Hospizvereine oder Hospizeinrichtungen haben persönliche Beratungsangebote eingerichtet.

Lassen Sie in Ihrer Verfügung gegebenenfalls Ihren Hausarzt oder eine unbeteiligte dritte Person bestätigen, dass keine Zweifel daran bestehen, dass Sie selbstbestimmt mit eigenem Willen die bezeichneten Entscheidungen getroffen haben.

Errichten Sie Ihre Verfügungen schriftlich, unterschreiben Sie diese mit Familiennamen und geben Sie auch Ort und Datum an.

Nehmen Sie in Ihre persönlichen Papiere (z.B. Kreditkarten, Personalausweis) eine Hinweiskarte auf, aus der hervorgeht, welche Verfügung Sie getroffen haben und wo Sie die Verfügung aufbewahren.

Informieren Sie Ihre Angehörigen und Ärzte, dass Sie eine Vorsorgeverfügung verfasst haben.

Überprüfen Sie Ihre einmal getroffenen Verfügungen in regelmäßigen Abständen und aktualisieren Sie diese bei Bedarf.

2.2.1   Patientenverfügung

Die Patientenverfügung ist eine vorsorgliche Verfügung für Ihre medizinische Versorgung. Im Rahmen Ihres Rechts auf Selbstbestimmung bei medizinischer Behandlung geben Sie Vorgaben über Art und Umfang diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen für den Fall, dass Sie sich in einer konkreten Behandlungssituation nicht mehr persönlich äußern können. Sie legen also verbindlich fest, was Ärzte, Pflegepersonal, Bevollmächtigte und Betreuungsgerichte zu tun und zu lassen haben, wenn Sie schwer erkrankt sind oder Sie einen Unfall hatten und Sie sich nicht mehr äußern können.

2.2.2   Vorsorgevollmacht

Mit der Vorsorgevollmacht können Sie im Voraus einen Vertreter bevollmächtigen, Ihre Angelegenheiten zu erledigen, wenn Sie dies infolge von Krankheit, Unfall oder (altersbedingtem) Nachlassen der geistigen Kräfte selbst nicht mehr oder nur noch teilweise können. Eine solche Vollmacht zur Vorsorge ermöglicht Ihnen ein hohes Maß an Selbstbestimmung für den Fall, dass Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Ihre Angelegenheiten wahrzunehmen. Sie benennen eine oder mehrere Personen Ihres Vertrauens, die bereit sind, für Sie im Bedarfsfall zu handeln. In der Vollmacht können Sie im Einzelnen regeln, für welche Aufgabenbereiche sie gelten und welche Befugnisse der Bevollmächtigte haben soll. Liegt eine wirksame und ausreichende Vollmacht vor, so darf in ihrem Regelungsbereich vom Betreuungsgericht keine rechtliche Betreuung für Sie angeordnet werden.

Während die Patientenverfügung allein Ihre Gesundheitsvorsorge, also medizinische Angelegenheiten betrifft, können Sie in der Vorsorgevollmacht alle Angelegenheiten (z.B. neben Gesundheits- auch Vermögensangelegenheiten) regeln. Ihre Patientenverfügung richtet sich an Ärzte, Pflegepersonal, Bevollmächtigte und Betreuungsgerichte, die Ihren geäußerten Willen zu beachten haben, Ihre Vorsorgevollmacht richtet sich allein an Ihren Bevollmächtigten und berechtigt diesen, im Vorsorgefall Ihre Angelegenheiten zu besorgen.

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Tipp: Sinnvoll ist es, Ihre Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht zu kombinieren. Damit haben Sie die Möglichkeit, eine oder mehrere Personen Ihres Vertrauens rechtlich in die Lage zu versetzen, den Festlegungen in Ihrer Patientenverfügung Nachdruck zu verleihen, diesen gegenüber den Ärzten und dem Pflegepersonal Geltung zu verschaffen und Ihre Festlegungen gegebenenfalls auch durchzusetzen.

2.2.3   Betreuungsverfügung

Für eine volljährige Person wird vom Gericht ein gesetzlicher Betreuer bestellt, wenn diese Person wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen kann. Zwar wird der Betroffene vom Gericht zu der Frage angehört, welche Person er als Betreuer wünscht, falls sich jedoch der Betroffene zu diesem Zeitpunkt nicht mehr äußern kann, hat das Gericht Wünsche, die dieser zuvor festgelegt hat, zu berücksichtigen. Dies geschieht zweckmäßig in einer schriftlichen vorsorgenden Verfügung für den Betreuungsfall, der sogenannten Betreuungsverfügung. Darin kann der Betroffene für den Fall seiner eigenen Hilfsbedürftigkeit oder Geschäftsunfähigkeit gegenüber dem Betreuungsgericht Wünsche hinsichtlich der Person des Betreuers äußern und Hinweise geben, wie die Betreuung geführt werden soll.

Die Betreuungsverfügung ist von der Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden:

Wenn Sie eine Betreuungsverfügung errichten, wenden Sie sich damit an das Betreuungsgericht und an den Betreuer. Sie können einen Betreuer für den Fall benennen, dass Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst wahrnehmen können und Wünsche für Ihre Betreuung äußern. In der Patientenverfügung können Sie sich hingegen zu Wünschen einer medizinischen Versorgung äußern, das heißt zu einer medizinischen Behandlung bzw. Nichtbehandlung oder einer Behandlungsbegrenzung, für den Fall, dass Ihnen das in einer späteren Situation nicht mehr möglich sein sollte. Bei der Patientenverfügung geht es allein um die Gesundheitssorge, also um medizinische Angelegenheiten. Sie richtet sich in erster Linie an den behandelnden Arzt oder das Pflegepersonal.

In einer Vorsorgevollmacht erlauben Sie einer Person Ihres Vertrauens, in Ihrem Sinne tätig zu werden, wenn Sie selbst dies nicht mehr können. Die Vorsorgevollmacht richtet sich also an Ihren Bevollmächtigten und berechtigt diesen, im Betreuungsfall Ihre Angelegenheiten zu besorgen. Weil durch die Vollmacht gewährleistet ist, dass Ihre Angelegenheiten wahrgenommen werden, auch wenn Sie diese nicht selbst besorgen können, ist im Regelfall die Bestellung eines amtlichen Betreuers entbehrlich.

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Tipp: Wenn eine Person, der Sie vertrauen können, bereit ist, sich im Falle Ihrer Betreuungsbedürftigkeit um Ihre Angelegenheiten zu kümmern, ist eine Vorsorgevollmacht der Betreuungsverfügung vorzuziehen. Schließlich vermeiden Sie durch die Erteilung der Vollmacht ein gerichtliches Verfahren über die Bestellung eines Betreuers. Sinnvoll ist es, in Ihrer Vorsorgevollmacht klarzustellen, dass diese eine gesetzliche Betreuung ersetzen soll. Zur Sicherheit sollte noch beigefügt werden, dass im Falle einer unter Umständen doch notwendigen gesetzlichen Betreuung der in Ihrer Vorsorgevollmacht eingesetzte Bevollmächtigte Ihr Betreuer sein soll. Darüber hinaus können Sie festlegen, wer Ihr Betreuer für den Fall sein soll, dass Ihr Bevollmächtigter nicht für die Aufgaben als Betreuer geeignet ist.

Haben Sie keine Person, der Sie eine Vollmacht anvertrauen wollen, sollten Sie in einer Betreuungsverfügung festlegen, wer im Falle Ihrer Betreuungsbedürftigkeit vom Gericht als Betreuer bestellt werden soll und welche Wünsche und Vorstellungen Sie im Falle einer notwendigen Betreuung haben. So können Sie auch ohne Vorsorgevollmacht Einfluss auf eine notwendige Betreuung nehmen.

2.2.4   Sorgerechtsverfügung und -vollmacht

Mit einer Sorgerechtsverfügung können Eltern einen Vormund für ihre minderjährigen Kinder benennen, falls sie sterben. Großeltern oder nahe Verwandte übernehmen nämlich nicht automatisch die elterliche Sorge. Liegt eine entsprechende Verfügung vor, darf das Familiengericht nur zum Wohle des Kindes von den Vorgaben der Eltern abweichen. Und für den Fall, dass Eltern schwer erkranken und nicht mehr in der Lage sind, das Sorgerecht auszuüben, können sie mit einer sogenannten Sorgerechtsvollmacht vorsorgen.

3   Patientenverfügung

Durch den medizinischen Fortschritt haben sich die Möglichkeiten, das menschliche Leben zu erhalten und zu verlängern auch bei schwersten Krankheiten und in hohem Alter rasant fortentwickelt. Die Folgen sind, dass damit nicht nur das Leben, sondern auch das Sterben und unter Umständen das Leiden verlängert werden.

Jeder von einem Arzt durchgeführte Heileingriff stellt eine mit Strafe bedrohte Körperverletzung dar, die nur dann nicht rechtswidrig und straffrei ist, wenn der Patient nach vorheriger umfassender ärztlicher Beratung und Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hat. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beinhaltet auch das grundsätzliche Recht, eine ärztliche Behandlung abzulehnen oder deren Fortsetzung zu untersagen. Für den Fall, dass der Patient irgendwann einmal nicht mehr mitteilen kann, welche Untersuchungen und Therapien er wünscht und welche er ablehnt, kann er vorsorgen und im Voraus festlegen, was Ärzte, Pflegepersonal, Bevollmächtigte und Betreuungsgerichte zu tun und zu lassen haben. Eine solche Festlegung nennt man Patientenverfügung.

3.1   Gründe für die Errichtung einer Patientenverfügung

Niemand kann Sie zwingen, einer vom Arzt vorgeschlagenen Behandlung zuzustimmen. Sie können auch jederzeit eine bereits begonnene Behandlung abbrechen. Selbst wenn der Arzt anderer Meinung ist, liegt die letzte Entscheidung immer bei Ihnen.

Problematisch ist das alles aber dann, wenn Sie selbst nicht mehr gefragt werden können.

Sind Sie als Patient handlungsunfähig (z.B. weil Sie bewusstlos sind oder im Koma liegen) muss der Arzt Ihren mutmaßlichen Willen ermitteln und danach entscheiden, ob der vorgeschlagenen Behandlung zugestimmt oder ob sie abgelehnt wird. Ihren mutmaßlichen Willen muss der Arzt anhand konkreter Anhaltspunkte ermitteln. Maßgeblich für das ärztliche Handeln ist dann, wie Sie als Patient selbst entscheiden würden. Dabei kommt es vor allem auf Ihre früheren Äußerungen, Ihre ethischen und religiösen Überzeugungen und Ihre sonstigen persönlichen Wertvorstellungen an, über die Ihre Angehörigen und andere Ihnen nahestehende Personen Auskunft geben können. Im Zweifel wird die Erforschung des mutmaßlichen Willens dazu führen, dass der Arzt sich immer zugunsten der Lebenserhaltung des Patienten entscheiden wird. So darf beispielsweise der Arzt bei einem schweren Autounfall, bei dem ein Bewusstloser vom Notarzt aufgefunden wird, vermuten, dass der Verletzte, wenn er bei Bewusstsein wäre, in die Behandlung einwilligen würde.

Haben Sie eine Vorsorgevollmacht errichtet und darin einen Bevollmächtigten bestellt, der Sie in gesundheitlichen Angelegenheiten vertreten darf, wird der Arzt den Bevollmächtigten in die Ermittlung des Patientenwillens einbeziehen. Der Arzt und Ihr Bevollmächtigter müssen dann herausfinden, wie Sie entscheiden würden, wenn Sie noch entscheidungsfähig wären. Und genau in diesem Zusammenhang gewinnt eine Patientenverfügung ihre Bedeutung. In Ihr können Sie verbindlich festlegen, welche Behandlungen in welchen Situationen Sie in Zukunft wollen und welche nicht. Auch für den Fall, dass Sie nicht mehr imstande sind, selbst über vom Arzt vorgeschlagene Behandlungsmaßnahmen zu entscheiden, können Sie in Ihrer Patientenverfügung festlegen, welche medizinischen Maßnahmen und Behandlungen für Sie ergriffen werden und welche unterbleiben sollen.