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Der erste Teil des Buches enthält vorwiegend Landschaftsgedichte und Gedankenlyrik (u. a. auch Reflexionen über 'Die fünf Beleidigungen der Menschheit'). Der zweite Teil besteht aus Gedichten auf der Grundlage von Fabeln (von Aesop bis Rudolf Kirsten). Humoresken und Witzeleien sind im dritten Teil in Metrik und Reim gesetzt und bilden den Ausklang.
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Seitenzahl: 83
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Undine Leverkuehn
Für Weltenbummler und Lebenskünstler
Lyrik
Impressum:
© 2017 Undine Leverkuehn
Layout Buchblock und Umschlag:
Angelika Fleckenstein; spotsrock.de
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN Taschenbuch:
978-3-7345-9652-0
ISBN Hardcover:
978-3-7345-9653-7
ISBN eBook:
978-3-7345-9654-4
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Undine Leverkuehn
Lyrik
Wohlan, kleine Möwe, schwing dich in die Höh,
erobere das Weite, bewache die See!
Bewege dich durch der Gezeiten Lauf
und schaue mit Staunen zum Adler auf!
Und mag dir sein Flug die Seele beschenken,
musst eines du wissen, verstehn und bedenken:
Auch letztlich bewegt sich der König im Kreis,
solange er nichts von Albatros weiß.
Bewundere der Lerche Lied,
wenn sie sich in die Lüfte hebt,
erschaudre, wenn der Berg erbebt,
wenn rot die Glut am Himmel glüht.
Beneid den Baum um seine Kron,
begrünten, hohen, stolzen Wipfel,
den Triumphator auf dem Gipfel,
den Adler auf dem Königsthron.
Was dir begegnet, nährt den Traum
von Trugbild, Wahn und Leidenschaft.
Verborgenes stärkt Schöpferkraft. –
Dem Albatros gehört der Raum.
Über Spuren der Empfindung,
die Gebrechlichkeit verleiht,
über Adhäsion und Bindung
schwebt er – Hauch der
Ewigkeit.
Selbstvergessen wähnt dein Sehnen:
ferner Ahnungsdünste Saum.
Albatros kennt keine Tränen –
Albatros kennt nur
den Raum.
Schaudern erfasst dich, tief innig Verehren
beim Anblick hinauf in die Höhe;
ein glühend Begehren wird dich verzehren
beim wahnhaften Wunsche nach Nähe.
So kämpfe und lerne auf hohem Ross
den Höhenrausch zu bezwingen;
denn dem, der vom Flügel des Albatros
berührt, kann kein Leben gelingen.
Des Kindes Lauschen auf die Weisung
ohn‘ Hinterfragung, unbeirrt –
glückliche Mittelpunkt-Umkreisung,
in der sich Geist und Sinne verliert.
Der Jugend Skepsis lässt, was als
Bezugspunkt galt, so nicht bestehn.
Ihr Forschen sucht gegebenenfalls
des Zentrums Mitte zu verstehn.
Weise das Alter, das – dem Planen
voraus – auf jene Sphäre weist,
um die – wohl offen dem Erahnen –
der Mittelpunkt des Zentrums kreist.
Sowohl Trabant bist du wie auch Zentralgestirn,
ein stolzes Ich, das sich als Mittelpunkt gebiert –
ein schwacher Geist mit programmiertem Superhirn,
das sich in tausend flüchtigen Details verliert.
Und wurden dir die Fragen nach dem Sinn auch ausgetrieben,
so hat dein Inneres doch niemals aufgehört zu lieben.
Weh dem,
der in der Eigendrehung sich verfangen,
ohne den Blick auf das zu wagen,
was ihm Bahn und Weg bestimmt! –
Nie wird er an sein Ziel gelangen.
Nichts ist für ihn bedeutsam, das ihn
da hinanzieht, über seinen Wendekreis
hinaus ins Wagnis: in des Ursprungs
Ew’ges Haus.
Schmerzlich an das Ich gebunden –
Selbstumkreisung – voller Hohn
für den, der sich nicht gefunden
im Vollzug der Rotation.
Glückliches Trabanten-Dasein,
das den Mittelpunkt umkreist!
Nimmermehr wird ihm gewahr sein,
was es ist und wie es heißt!
Selig, so sich zu verlieren
an das, was als Wert erkannt,
wunderbar, die Macht zu spüren,
die verwandelt, fesselt bannt!
Traum aus trügerischen Bildern,
die dir zum Verhängnis werden –
heimliches Gefängnis – Erden-
Dasein scheinbar nur als Glück
empfunden. Seelenkräfte wildern,
wuchern ausweglosen Fährten
wüst entgegen, streun Beschwerden,
wachsend, über dein Geschick.
Wenn des Zentrums unsichtbare Mitte
sich als Trugbild offenbart
und in Widrigkeiten,
fern von Sitte,
Netzwerk dich verstrickt, bewahrt
die Seele ihre letzte Kraft,
um der Verblendung Leidenschaft
zu bannen und das Zentrum
neu zu wählen:
ins Innre des verborgnen Selbst
zu stellen.
Geheimnisvoll gleich jenem Stern,
den unabhängig dein Ich umkreist,
bleibt dir der eigene innere Kern. –
Verleugne nicht um der Erhaltung
des Ganzen willen die Entfaltung
des individuellen Geistes,
der dir unbekannten Kraft,
die Neuerung und Wandlung schafft.
Fern dem Blick und jenseits jeder Unterweisung,
nur der Ahnung und dem Eingeschrieben-Sein
im Seelengrunde eigen, thront Erinnerung,
Gewissheit der Verheißung –
Ursprung aller Sternenlicht-Umkreisung.
Aufhebung des Widerspruchs bewohnt
Urgrund, Gipfel, Quelle allen Liebens.
An diesem Orte pflegt
der Künste Flügel
der Tiefe Rückbindung
zu wahren;
und dennoch hat des Ernstes ehern Siegel
die Leichtigkeit des Seins
erfahren.
Paradiesisch Wald und Hügel
und der Himmel wolkenlos,
Gipfelstürmern wächst kein Flügel;
doch der Ausblick ist grandios.
Edelweiß und Enzian blühen.
Du sitzt mit verstauchten Haxen
mittendrin im Alpenglühen,
hast kein Handy, nix zum Faxen.
Was hat dich dahin geführt?
Cognac, Droge nicht und Wein.
Sel’gen Rausch hast du verspürt,
Glück, dem Himmel nah zu sein.
Wenn einer so was nie erlebt
und nichts ihn in die Höhe treibt,
bedenk er: wer am Erdkern klebt,
Nanosekunden jünger bleibt.
Wer ein richtiges Donnerwetter
in den Alpen miterlebt,
glaubt, dass da die Erde bebt. –
Wer sich mal als mut’ger Retter
irgendwann erwiesen hat,
saust, vom Grollen hörgeschädigt
und vom Blitzen ganz erledigt,
ohne Blick auf Blüt und Blatt
heimwärts in die sichre Hütte
mit der ‘Vater-unser-Bitte‘
der ‘Erlösung von dem Übel‘
auf den Lippen – unsensibel
gegenüber jedem andern,
gleichgültig, ob der am Wandern,
Stolpern, Schrei’n oder im Mist-
haufen am Ersticken ist.
Wie Blitz und Blendwerk weicht der trübe,
verblasste Drang nach Nächstenliebe.
Rauschende Wälder,
Baumkronen, Wipfel,
blühende Felder,
gleißende Gipfel.
Strahlenden Sternes
glutroter Glanz –
leuchtende Ferne –
erfüllt dich ganz.
Wandre auf Moos
oder steinigen Wegen –
dein Wandel ist groß:
dem Licht entgegen.
Höhe des Lebens –
Blick in den Raum –
kein Hoffen vergebens,
ein Rätsel – ein Traum?
Du hast viele Fragen,
du stellst sie doch nicht,
weißt nichts mehr zu sagen –
so nahe dem Licht.
Lichtblaue Klarheit, Glut des Himmels spürend,
bezwangst du Hügel, Berg. Des Gipfels Klang,
noch still an der Materie Rätsel rührend,
setzt schon die reine Anschauung in Gang.
Verwoben in des Glanzes hohes Licht,
lebt Fernsten-Liebe in dir, Weite, Raum;
von Gegenstand und Krümmung frei und Dichte,
bist du auserwählt, und wie im Traum
treibt Sehnsucht dich, Verlangen, ungestillt,
das machtvoll sich verzehrt nach Gottes Ebenbild.
Erhebend Gefühl
und zögerndes Sinnen –
gar fern ist das Ziel. –
Hoch ragen die Zinnen
empor; und geblendet,
ins Schaudern gewendet
von bläulicher Ferne –
erahnst du die Sterne.
Des Gipfels Glühen – und ein neuer
Impuls lässt Herzen höherschlagen.
Zu Hügeln, Höhn und Zinnen tragen
und schwingen Flügel inn’res Feuer
empor; und Phantasien wagen
den Flug ins große Abenteuer,
zu Sternen-Nebeln, ungeheuer –
hinauf ins Jenseits aller Fragen.
Vermag dein Fuß des Gipfels Höhe zu betreten,
jene Nähe lichter Welten zu erspüren
und mag dein Geist in trächt’gen
Wehen Sonn und Sternenbahn berühren,
tritt schon das Sehnen in den Kreis,
erobert ahnungstrunken Türen
zu dem, was nur die Seele weiß.
Wodes Mittags goldne Glut
blendet, sich auf Bergeszinnen
spiegelt, Quellen silbrig rinnen,
sprudelnd in des Sturzes Flut
sprühen, sich verwandeln, brausen,
aufbegehren, niedersausen,
eifernd um die Wette beben,
wird dich Fülle, reiches Leben,
Urbeginn zurückgewinnen.
Wo sich unter Palmenhainen
eine Welt dir offenbart,
Felsen triumphieren, seinen
Zauber mancher Sternenpfad
über wilde Wogen sendet,
wendet zu des Schweigens Stille
sich dein Staunen – ganz geblendet
von des Lebens reicher Fülle.
In des schwülen Sommers Gluten
stapeln sich Erinnerungen,
eh‘ Gedanken dir gelungen,
wühlen sich zu wilden Fluten
auf, verschwimmen, taumeln, fallen.
Tief in dem Tumult des Lebens
kreiselt Willenskraft vergebens –
schon bist du dem Rausch verfallen.
Flutender Abendglanz