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Seit Andrea von Warwitz ihren neuen Job als Assistentin der Fürstin von Erlbach angetreten hat, geht ihr ein Mann nicht mehr aus dem Kopf: Erbprinz Leon, erfolgreicher Anwalt, gut aussehend, ungeheuer charmant - und leider überhaupt nicht interessiert an der biederen Angestellten seiner Mutter, die so gar nichts gemein hat mit den glamourösen Schönheiten, mit denen er sich normalerweise umgibt. Nur manchmal da glaubt Andrea, so etwas wie Sympathie in seinem Blick zu lesen. Aber obwohl ihr Herz seit der ersten Begegnung lichterloh für ihn brennt, käme die zurückhaltende junge Frau niemals auf die Idee, dem Prinzen eindeutige Avancen zu machen.
Doch dann kommt das jährliche Sommerfest auf Schloss Erlbach und mit ihm eine Nacht, die die Weichen in Andreas und Leons Leben entscheidend stellt ...
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Seitenzahl: 134
Cover
Impressum
Zu schüchtern für die Liebe
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / Gelner Tivadar
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4661-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Zu schüchtern für die Liebe
Ergreifender Roman um die ungestillte Sehnsucht einer Prinzessin
Von Anja von Stein
Seit Andrea von Warwitz ihren neuen Job als Assistentin der Fürstin von Erlbach angetreten hat, geht ihr ein Mann nicht mehr aus dem Kopf: Erbprinz Leon, erfolgreicher Anwalt, gut aussehend, ungeheuer charmant – und leider überhaupt nicht interessiert an der biederen Angestellten seiner Mutter, die so gar nichts gemein hat mit den glamourösen Schönheiten, mit denen er sich normalerweise umgibt. Nur manchmal, da glaubt Andrea, so etwas wie Sympathie in seinem Blick zu lesen. Aber obwohl ihr Herz seit der ersten Begegnung lichterloh für ihn brennt, käme die zurückhaltende junge Frau niemals auf die Idee, dem Prinzen eindeutige Avancen zu machen.
Doch dann kommt das jährliche Sommerfest auf Schloss Erlbach und mit ihm eine Nacht, die die Weichen in Andreas und Leons Leben entscheidend stellt …
Raschen Schrittes durchquerte Andrea Gräfin von Warwitz den Innenhof des großen Schlosses, das seinen Platz am Ufer eines idyllischen Sees in Bayern hatte. Die Gräfin strebte das Büro der Fürstin an, das sich im Erdgeschoss des Mittelflügels befand.
Seit einem halben Jahr arbeitete sie nun für Johanna von Erlbach und hätte es nicht besser treffen können. Die Fürstin war eine freundliche, aufgeschlossene Frau, die nicht hochmütig auf Menschen herabsah, denen es verwehrt war, in die goldene Wiege hineingeboren worden zu sein oder denen das Schicksal übel mitgespielt hatte, wie Andreas Familie.
Einst von angesehenem Adel und mit einem großen Besitz in Litauen gesegnet, war ihr Großvater Bernhard Graf von Warwitz nach dem Krieg in bittere Armut abgerutscht. Man hatte ihn enteignet und mit seinen Angehörigen außer Landes gejagt.
Als er starb, war seinem einzigen Sohn Lorenz nicht mehr als der altehrwürdige Name geblieben und eine kleine Entschädigung vom Staat für das verlorene Gut. Trotzdem hatte Andreas Vater den Adelstitel nicht abgelegt, sondern ihn auch weiterhin mit Stolz getragen. Da tat es auch nichts zur Sache, dass er den Unterhalt für die Familie als Angestellter eines kleinen Betriebs verdienen musste.
Als der Vater dann vor sechs Jahren überraschend starb, hatte Andrea geschworen, ihren Namen ebenfalls immer mit Stolz zu tragen. Das war nicht einfach. Sie hatte gerade erst ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert, und der jähe Tod des Vaters hatte alle ihre Zukunftspläne zerstört. Sie hatte Pädagogik studiert und Erzieherin werden wollen.
Doch nun musste sie die Familie unterstützen. Die kränkelnde Mutter und die fünf Jahre jüngere Schwester Gabriele konnten von der mageren Witwen- und Waisenrente nicht leben. Zwar hatte der Vater für seine Familie Vorsorge getroffen. Aber die Versicherung weigerte sich aufgrund eines Formfehlers, zu zahlen.
Daraufhin hatte Andrea schweren Herzens ihr Studium aufgegeben und war dem Rat einer alten Tante gefolgt, sich als Gesellschafterin adeliger Damen zu verdingen. Das hatte ihr manchen Hohn und Spott eingetragen.
Aber sie hatte sich nicht unterkriegen lassen und sich zur persönlichen Assistentin einer schon betagten Baronin hochgearbeitet. Als diese in eine Seniorenresidenz umzog, hatte sie Andrea der Fürstin von Erlbach empfohlen, die gerade händeringend nach einem Ersatz für ihre jahrelange Assistentin suchte, die in Pension gegangen war.
Andrea konnte ihr Glück noch immer nicht fassen und wäre rundherum zufrieden – gäbe es da nicht den Wermutstropfen.
In ihren grüblerischen Gedanken gefangen, stolperte die junge Gräfin über eine Stufe der Freitreppe, die zum Portal des Mitteltrakts des vierflügeligen Schlosses hochführte. Haltsuchend griff sie um sich und fand sich unversehens in den Armen des Erbprinzen Leon von Erlbach wieder.
»Hoppla!« Er lachte, schalt dann aber gutmütig: »Sie sollten ein bisschen mehr auf den Weg achten, statt in den Tag zu träumen, Gräfin.«
Andrea wurde puterrot. Ausgerechnet dem jungen Prinzen musste sie in ihrer Tollpatschigkeit in die Arme fallen – dem Wermutstropfen. Sie hatte sich Hals über Kopf in Leon von Erlbach verliebt, als sie ihm erstmals vorgestellt worden war, jedoch ohne Hoffnung, dass er ihre Gefühle jemals erwidern würde.
Für den attraktiven, dreißigjährigen Prinzen war sie nicht mehr als die Assistentin seiner Mutter und kaum eines Blickes wert. Aber wie sollte sie auch mit all den Schönheiten konkurrieren, die diesen Adonis von einem Mann umschwärmten? Mit seiner athletischen Figur, dem markanten Antlitz und dem umwerfenden Lächeln stellte er jeden Filmstar in den Schatten. Auch ihr hatte sich dieses Lächeln sofort ins Herz gebrannt, obwohl es eine Spur zu arrogant war. Aber einem Mann wie ihm verzieh man alles.
Sie hingegen war der Inbegriff einer biederen Gouvernante. Man bescheinigte ihr hohe Intelligenz und rasche Auffassungsgabe. Aber sonst war sie ziemlich unscheinbar. Zwar war sie schlank und an den richtigen Stellen wohlgerundet. Ebenso behaupteten manche, sie wäre sehr apart, wenn sie nicht die unvorteilhafte Hornbrille tragen würde, die ihre wunderschönen braunen Augen verschattete.
Aber sie war nun mal kurzsichtig und vertrug keine Kontaktlinsen. Auch der strenge Dutt, zu dem sie ihr langes, brünettes Haar zusammensteckte, und die spießigen Kostüme waren nicht dazu angetan, einen Mann dahinschmelzen zu lassen.
Leider hatte sie nie gelernt, ihre Vorzüge ins rechte Licht zu rücken, und eine Freundin, die sie diesbezüglich hätte beraten können, gab es ebenfalls nicht. Sie war ein bescheidener Mensch, der laute Geselligkeiten hasste und nur schwer Anschluss fand. So arteten ihre halbherzigen Versuche, ihren Typ zu ändern, stets in katastrophale Ergebnisse aus.
Dann wirkte sie verkleidet und mochte sich selbst nicht mehr. Also blieb sie bei ihrem bewährten, wenn auch altbackenen Stil, wohl wissend, dass sie damit Prinz Leon niemals das Herz rauben würde.
Das Räuspern des Prinzen riss sie aus ihrer Versunkenheit. Erst jetzt wurde sie sich bewusst, dass sie ihn unverwandt anstarrte. Ihre Wangen brannten schier vor Verlegenheit.
»Entschuldigen Sie bitte, Durchlaucht, aber ich war in Gedanken«, hauchte sie verschämt und senkte den Kopf.
»Das war nicht zu übersehen«, entgegnete Prinz Leon ein wenig belustigt. »Ich dachte schon, Sie wollten durch mich hindurch marschieren, nachdem sie mich so nachhaltig ignoriert haben. Hoffentlich haben nicht die neuesten Pläne meiner Mutter Sie so durcheinandergebracht. – Zu Ihrer Kenntnisnahme, ich bin dagegen.«
Jetzt wischte eine Unmutsfalte das Lächeln aus dem Gesicht des Prinzen, und die sinnlichen Lippen wurden zum schmalen Strich. Er ließ Andrea einfach stehen und ging davon.
Verwirrt blickte die Gräfin Prinz Leon nach. Fürstin Johanna hatte sie am Haustelefon zu sich gebeten, um etwas Wichtiges zu erörtern. Aber mehr war ihr noch nicht bekannt. Hoffentlich hing nicht wieder der Familiensegen schief. Die Fürstin war eine liebenswerte, nachsichtige Frau, aber auch resolut und unbeugsam, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Plötzlich beschlich Andrea eine Ahnung, warum der junge Prinz so erbost war. Johanna von Erlbach war Schirmherrin vieler sozialer Einrichtungen, darunter auch Heime für Waisenkinder, was ihr besonders am Herzen lag. Nun musste eines dieser Heime wegen gravierender Baumängel saniert werden, und bisher war noch kein Gebäude gefunden worden, das als Ersatz dienen könnte. Deshalb hatte die Fürstin überlegt, die Kinder in einem ungenutzten Vorbau des großen Schlosses einzuquartieren, war damit aber auf erheblichen Widerstand ihrer Familie gestoßen.
Besonders Prinz Leon verwehrte sich energisch dagegen. Er war Anwalt für Wirtschaftsrecht und hatte seine Kanzlei in einem Seitenflügel des Schlosses, dessen Haupteingang zu den Vorgebäuden ausgerichtet war. Nun befürchtete er, dass sich seine durchweg noblen Klienten an den lärmenden Kindern stören könnten, wenn diese bei schönem Wetter draußen spielten.
Andrea zog ärgerlich die Stirn in Falten. Trotzdem war die Reaktion des Prinzen überzogen. Mit etwas gutem Willen fand sich immer eine Lösung. Außerdem würde Kinderlachen die tristen Schatten verscheuchen, die in jedem Winkel des alten Gemäuers nisteten.
Doch sowohl der junge Prinz wie auch sein Vater waren der Meinung, dass ein Waisenheim in unmittelbarer Umgebung des ehrwürdigen Schlosses zu viel Unruhe mit sich brachte und dem Ansehen des Fürstenhauses schaden würde. Immerhin gingen hier auch gekrönte Häupter ein und aus. Andrea seufzte. Die Fürstin würde einen schweren Stand haben, ihre Pläne durchzusetzen.
***
Die junge Gräfin stieß die schwere Eichentür zum Foyer auf und wurde sofort von der prachtvollen Halle in den Bann geschlagen, die jeden Besucher in ehrfürchtiges Staunen versetzte.
Grün schillernder Marmor bedeckte den Boden ebenso wie die geschwungene Treppe, die ins Obergeschoss auf einen rundumlaufenden Balkon führte. Auch die Säulen, welche die kuppelartige Decke trugen, waren mit dem Marmor verkleidet, der bei aller Pracht ein warmes Flair verströmte. Letzteres war auch den hohen Fenstern zu verdanken, die viel Licht hereinfluten ließen, und einer Buntglasrosette am obersten Absatz der Treppe.
Dazu schmückten kostbare Bilder die Wände, und eine behagliche Sitzgruppe versüßte den Wartenden die Zeit, bis der Fürst oder die Fürstin sie empfangen konnte.
Vom Balkon aus hatte man Zugang zu den Privatgemächern des Fürstenpaares sowie den Appartements des Erbprinzen und seiner sechs Jahre jüngeren Schwester Sarah. Letztere weilte zurzeit nicht im Schloss.
Die Prinzessin studierte Psychologie und absolvierte gerade ihr Masterstudium an einer Eliteuniversität in den USA. Andrea war ihr noch nicht begegnet, hörte aber nur Gutes über sie. Genau wie ihre Mutter war sie ein warmherziger Mensch, dem das Wohl anderer wichtig war, und ließ ihren hohen Stand nie heraushängen.
Zwar war auch der Prinz ein umgänglicher Mann und würde niemals einen Untergebenen schikanieren. Aber ebenso wie sein distanzierter Vater hielt er höflichen Abstand zu weniger Privilegierten.
Abermals entrang sich ein Seufzer der Brust der Gräfin. So charmant und zuvorkommend der Prinz auch sein konnte, so oberflächlich und verletzend war er manchmal. Auch sie behandelte er oft wie eine beliebige Angestellte und ließ sie spüren, dass sie in seinen Augen von niederem Adel war.
Trotzdem konnte seine herablassende Art die Flamme nicht mehr löschen, die seit der ersten Begegnung in ihrem Herzen loderte. Auch war sie überzeugt, dass Leon in Wahrheit gar nicht so hochmütig war, sondern ihn sein vornehmer Umgang und die Erziehung zum Erbprinzen geprägt hatten. Von klein auf waren ihm Etikette und Verhaltensregeln eingetrichtert worden, um eines Tages die Verantwortung als Fürst von Erlbach tragen zu können.
Bis dahin aber genoss der junge Prinz sein Leben in vollen Zügen. Kaum ein Event oder eine Party, wo er nicht zu finden war. Auch dachte er zum Leidwesen seiner Eltern noch lang nicht daran, sich fest zu binden, und wechselte ständig seine Begleiterinnen. Die Boulevardpresse war voll mit Negativschlagzeilen über den Partyprinzen. Dabei hatte er auch eine seriöse Seite und sich trotz seiner Jugend schon einen Namen als Wirtschaftsanwalt gemacht. Er stand in dem Ruf, korrekt und zielbewusst, aber auch knallhart zu sein.
Ein Hüsteln riss Andrea aus ihren Gedanken. Mit fahriger Geste wischte sie über ihre Stirn. Bekam sie den jungen Prinzen heute gar nicht mehr aus dem Kopf?
Es war der Butler, der sie etwas befremdet musterte.
»Ihre Durchlaucht warten auf Sie«, tadelte er unmissverständlich und stelzte vorweg zum Büro der Fürstin.
Ein bisschen mehr Menschlichkeit würde dieser Marionette auch nicht schaden, dachte Andrea verdrossen. Sir Jakob, wie der Butler allgemein genannt wurde, weil er seine Ausbildung in einer renommierten Schule in England absolviert hatte, tat schon lang im Schloss Dienst. Aber seine stocksteife Art und sein Hochmut machten ihn nicht gerade beliebt. Selbst in der heitersten Situation kam ihm kein Lächeln aus.
Abermals räusperte sich der Butler und maß Andrea diesmal mit unverhohlenem Spott. Sie wäre fast auf ihn aufgelaufen, so sehr war sie schon wieder ins Grübeln verfallen. Was war nur heute mit ihr los?
Sie war doch sonst so korrekt. Aber offenbar hatte sie die Begegnung mit dem Prinzen so aufgewühlt. Seit sie im Schloss war, war sie ihrer heimlichen Liebe noch nicht so nahegekommen. Noch immer umwehte der herbe Duft seines Rasierwassers ihre Nase.
»Ihre Durchlaucht lassen bitten«, näselte Sir Jakob und hielt Andrea die Tür auf, bevor er sich diskret zurückzog.
Johanna von Erlbach stand am Fenster und blickte ihrer Assistentin ungeduldig entgegen.
»Da sind Sie ja endlich, Andrea«, tadelte sie unmissverständlich und runzelte die Stirn. »Ich dachte schon, Sie hätten mich vergessen.«
Die Fürstin war eine zierliche, sehr aparte Frau, die sich ihre Jugendlichkeit bewahrt hatte und noch immer mit ihrer ungewöhnlichen Schönheit bestach. Ihr schwarzes Haar war modisch kurz geschnitten, was gut zu ihrem schmalen Gesicht mit den lebhaften blauen Augen passte. Das schlichte, aber elegante Jackenkleid unterstrich ihre stilvolle Erscheinung noch. Dazu war sie mit ihren fast sechzig Jahren noch sehr agil.
»Verzeihen Sie, Johanna, ich wurde aufgehalten«, erwiderte Andrea schuldbewusst.
Das war noch eine harmlose Untertreibung für den Gefühlssturm in ihrem Inneren, der sie so gänzlich aus dem Lot gebracht hatte.
»Ja, mein Sohn ist Ihnen in die Quere gekommen«, entgegnete Johanna trocken und verriet damit, dass sie das kurze Zusammentreffen des Prinzen mit ihrer Assistentin vor dem Portal beobachtet hatte. »Und ich kann mir auch denken, was er von Ihnen wollte«, interpretierte sie jedoch falsch.
Andrea atmete auf. Die Fürstin hatte ihren Fehltritt nicht bemerkt. Es wäre ihr doch etwas peinlich. Man lief nicht mit Scheuklappen durchs Schloss, wenn man den Eindruck einer dynamischen Assistentin erwecken wollte, die stets auf dem Laufenden war, und keine Träumerin, die dummen Sehnsüchten nachhing. Zwar war Johanna, wie sie die Fürstin nennen durfte, wenn sie unter sich waren, sehr nachsichtig. Trotzdem legte sie großen Wert auf Disziplin.
»Der Prinz hatte sich nicht weiter geäußert«, wich Andrea aus. »Er meinte nur, er sei strikt gegen Ihre Pläne. Deshalb nehme ich an, dass es das Waisenhaus betrifft.«
»Das tut es in der Tat.« Johanna seufzte und stieß sich von ihrem Standplatz ab.
Sie wies zu der Sitzgruppe in einer Ecke des großen Raumes, die mit üppigen Grünpflanzen von der sonst nüchternen Einrichtung ablenkte.
»Bitte nehmen Sie Platz, ich habe einiges mit Ihnen zu besprechen.«
Andrea nickte und setzte sich aufs Sofa, wobei sie streng darauf achtete, dass ihr Rock nicht über die Knie rutschte. Auch auf gute Umgangsformen legte die Fürstin Wert.
Johanna nahm ihrer Assistentin gegenüber Platz und kam gleich zur Sache.
»Ich kann nicht länger auf das Unbehagen meines Sohnes Rücksicht nehmen, für den Kinder nur Störenfriede sind. Aber das ist auch kein Wunder, nachdem er so gar keinen Familiensinn besitzt und nur noch auf Karriere bedacht ist. Dabei ist es wirklich an der Zeit, dass sich der Erbprinz Gedanken über die Zukunft macht und nach einer passenden Gattin umsieht. Von seinen derzeitigen Favoritinnen ist leider keine geeignet, das Fürstenhaus würdevoll zu repräsentieren. Aber das kann man von den Models und Filmsternchen auch kaum erwarten, die sich nur im Glanz eines echten Prinzen sonnen wollen.«
Sie schnaubte verächtlich. Vor ihrer Assistentin, die auch ihre privaten Probleme kannte, musste sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Andrea war loyal und verschwiegen, was sie sehr an ihr schätzte. Die Fürstin wischte mit der Hand durch die Luft.
»Vergessen wir das, sonst kommt mir nur noch mehr der Ärger hoch.« Sie lehnte sich zurück und forderte: »Zücken Sie Ihren Notizblock, mein Kind. Ich habe etliche Aufgaben für Sie, die Sie bitte so schnell wie möglich erledigen wollen.«
Sofort nahm Andrea ihr elektronisches Notizbuch zur Hand und wartete auf die Anweisungen der Fürstin.
»Die Unterbringung der Waisenkinder in ein Ersatzheim drängt immer mehr«, erklärte Johanna und knetete unruhig ihre Hände. »Jetzt hat man festgestellt, dass auch die Sanitäranlagen des alten Waisenhauses völlig marode sind. Es macht nun wenig Sinn, das Gebäude zu sanieren. Es muss abgerissen und neu aufgebaut werden, was natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Deshalb müssen wir jetzt Nägel mit Köpfen machen.«
Andrea nickte zustimmend, obwohl sie noch nicht wusste, was die Fürstin meinte.
»Ich habe mir die Vorbauten des Schlosses angesehen und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Räumlichkeiten der ehemaligen Schlossschenke hervorragend als Ersatzheim für die Kleinen geeignet wären«, fuhr Johanna fort. »Die Zimmer bieten viel Platz, es sind ausreichend Toiletten und Waschgelegenheiten vorhanden, und die Großküche mit dem Kühlraum muss ebenfalls nur mit ein paar neuen Geräten modernisiert werden.«
Andrea wog zweifelnd den Kopf. Die bei Ausflüglern beliebte Schlossschenke war in einen Neubau am Ufer des Sees umgesiedelt worden, weshalb das alte Gebäude schon geraume Zeit leer stand. Trotzdem war nicht zu verleugnen, welchem Zweck es einmal gedient hatte.