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Sammelband 4: Drei Mal Liebe, Luxus, Leidenschaft im Hochadel zum Sparpreis
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"Fürsten-Romane" entführen in die Welt des Hochadels und lassen die Herzen der Leserinnen und Leser höherschlagen. Die Romanzen der Prinzessinnen und Prinzen spielen auf herrlichen Schlössern, erzählen von Mut und Hoffnung, von Glück und Tränen, Glanz und Einsamkeit - und von der ganz großen Liebe! Welche geheimen Wünsche, Träume und Sehnsüchte bewegen die Reichen und Adeligen?
Seit mehr als 50 Jahren bilden die Fürsten-Romane den Inbegriff für Geschichten aus der Welt des Hochadels. Tauchen Sie ein in eine ebenso aufregende wie glamouröse Welt!
In diesem Sammelband sind Folgen 2439 bis 2441 enthalten:
2439: "Fürstin wider Willen?" von Anja von Stein
2440: "Sie fand ihr Glück in den Weinbergen" von Nina Gregor
2441: "Ein Sommer voller Glück" von Sandra Heyden
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
Fürsten-Romane - Luxus zum Lesen
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Seitenzahl: 379
Anja Von Stein, Nina Gregor, Sandra Heyden
Fürsten-Roman Sammelband 4 - Adelsroman
Cover
Impressum
Fürstin wider Willen?
Vorschau
Fürstin wider Willen?
Als sich die hübsche Kathy zwischen Titel und Liebe entscheiden musste
Von Anja von Stein
Nachdem die junge Amerikanerin Kathy Frey mit nur siebzehn Jahren ihre Mutter Sophie verloren hat, ist sie nun – elf Jahre später – endlich wieder glücklich mit ihrem Leben. Die Agraringenieurin ist kurz nach Sophies Tod mit ihrem Vater Tim nach Kalifornien gezogen, wo sie sich inzwischen heimisch fühlt.
Doch dann erreicht sie ein Brief aus Deutschland, der Kathy völlig aus der Bahn wirft. Ihr leiblicher Vater soll gar nicht Tim Frey sein, sondern Albert Fürst von Lüdershausen? Der Fürst ist schwer krank und wünscht sich nichts sehnlicher, als seine Tochter kennenzulernen, bevor er stirbt. Nach dem ersten Schock nimmt Kathy die Einladung des Fürsten an und reist nach Deutschland, um die ganze Wahrheit über ihre Herkunft zu erfahren. Doch dort angekommen stellt sie bald fest, dass das Leben in der fürstlichen Familie ihr äußerst fremd ist. Kathy fühlt sich nicht wohl auf Schloss Lüdershausen – bis sie den jungen Grafen Lothar trifft …
Versonnen ließ Kathy Frey ihren Blick über die Obstplantage schweifen, die inmitten des von hohen Gebirgszügen umgebenen Tals wie ein kleines Paradies wirkte. Ein lauer Wind strich vom nahen Ozean über die Berge und nahm der Sonne ihre Hitze. Selbst im Winter wurde es hier nie wirklich kalt, weshalb sich der Ort ausgezeichnet für den Anbau von Zitrusfrüchten eignete. Die Orangen- und Zitronenbäume standen in leuchtender Fülle auf den Obstfeldern.
Die achtundzwanzigjährige Agraringenieurin seufzte zufrieden. Sie lebte gern in Kalifornien. Hier fühlte sie sich viel heimischer als in dem hektischen New York, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte.
Plötzlich legte sich eine Hand schwer auf die Schulter der jungen Frau und ließ sie erschrocken herumfahren. Es war John Miller, der Besitzer der Farm.
»Ich hab da was für dich, es hat zwischen der Geschäftspost gesteckt«, sagte er grinsend, zog einen Brief aus der Tasche seiner Cargohose und überreichte ihn Kathy.
Er musterte die hübsche junge Frau nachdenklich. Selbst das derbe Arbeitsgewand und die nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen blonden Locken konnten Kathys Anmut nicht verbergen. Dazu trugen auch die strahlenden blauen Augen bei, in denen so viel Lebensfreude schimmerte.
»Ich wusste gar nicht, dass du Kontakt zum europäischen Adel hast«, sagte er gedehnt.
Er deutete auf den Absender des Briefes, der das Emblem des Fürsten von Lüdershausen trug. Dann ging er kopfschüttelnd weiter.
Kathy drehte den Brief argwöhnisch in den Händen. Sie kannte das Fürstenhaus nicht und konnte sich nicht erklären, warum man ihr schrieb. Zögernd öffnete sie den Umschlag und zog das Schreiben heraus. Sie überflog die Zeilen und wurde blass. Fassungslos sank sie auf einen großen Stein nieder und schnappte nach Luft. Das war doch kaum möglich! Das musste ein Irrtum sein!
Ungläubig las Kathy abermals den Brief, den ihr der Sekretär des fremden Fürsten geschrieben hatte:
Sehr geehrte Frau Frey, wir setzen uns heute mit Ihnen im Auftrag von Albert von Lüdershausen in Verbindung, nachdem es uns endlich gelungen ist, Ihre Adresse ausfindig zu machen. Wir hoffen, dass Ihre Mutter, Sophie Langer, Sie bereits über die Art Ihrer Verwandtschaft zu der fürstlichen Familie aufgeklärt hat,. Ihr leiblicher Vater, der Fürst, wünscht, Sie endlich kennenzulernen. Es geht seiner Durchlaucht gesundheitlich nicht sehr gut, weshalb er Sie um einen baldigen Besuch bittet. Selbstverständlich werden alle Kosten dieser Reise von unserem Haus übernommen. Anbei finden Sie einen Scheck, der Ihre ersten Ausgaben decken wird. Wir hoffen, dass Sie den inständigen Wunsch Ihres Vaters nicht ablehnen werden und wir Sie schon bald auf Schloss Lüdershausen am Bodensee begrüßen dürfen.
Es folgte eine Ortsbeschreibung, die Kathy aber nicht mehr wahrnahm, so sehr verschwammen die Buchstaben vor ihren Augen.
Sie schüttelte benommen den Kopf. Dieser fremde Fürst sollte ihr Vater sein? Aber Tim Frey war doch ihr geliebter Daddy! Er hatte sie als Baby in den Armen gehalten und als Heranwachsende durchs Leben geleitet, hatte mit ihr gelacht und sie getröstet, wenn sie traurig war. Seit ihre deutsche Mutter bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen war, kaum dass Kathy siebzehn Jahre alt gewesen war, war er ihr einziger Halt.
Und nun sollte alles eine große Lüge sein? Tim war nicht ihr leiblicher Vater? Kathys Herz klopfte bis zum Hals. War es denn möglich, dass ihre Mutter und dieser fremde Fürst …?
Sophie hatte nur wenig über ihre Heimat erzählt. Sie war im Waisenhaus aufgewachsen, weshalb es auch keinen Kontakt zu irgendwelchen deutschen Verwandten gab. Kathy wusste nur, dass Tim Frey in Deutschland als Soldat stationiert gewesen war und Sophie ihm aus Liebe nach Amerika gefolgt war. Das Glück des jungen Paares war vollkommen gewesen, als Kathy das Licht der Welt erblickt hatte.
Wenn nun aber doch der Fürst ihr Vater war? Kathy schwirrte der Kopf. Sie hatte sich schon oft darüber gewundert, dass sie so wenig Ähnlichkeit mit dem dunkelhaarigen Tim hatte. Von ihrer Mutter hatte sie das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen und die grazile Figur geerbt. Aber auch Sophie war brünett und ein dunkler Typ gewesen.
Woher also kamen ihre auffälligen blauen Augen und das helle Haar? Sie musste Gewissheit haben.
***
Die Sonne versank bereits über den Hügeln. Trotzdem setzte sich Kathy in ihren Wagen und fuhr in das knapp zwei Stunden entfernte San Francisco, wo Tim lebte.
Ihr Herz klopfte heftig gegen die Rippen. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, die Tochter eines Fürsten und womöglich eine Prinzessin zu sein. Sie hatte nicht die geringste Ahnung vom europäischen Hochadel.
Tim wohnte in einem Holzhaus etwas außerhalb der Großstadt. Nach Sophies Tod hatte er es in New York nicht mehr ausgehalten und war mit seiner Tochter über einige Umwege nach San Francisco gekommen. Dort arbeitete er nun als Koch in einem Hotel, während sich Kathy nach ihrem Studium auf den Obstanbau spezialisiert hatte.
Die junge Agraringenieurin runzelte die Stirn. Hatte Tim seine Heimatstadt damals gar nicht aus Trauer um die geliebte Frau verlassen? War er etwa geflohen? Hatte er befürchtet, die Wahrheit um seine Tochter würde ans Licht kommen und man würde sie voneinander trennen? Aber in der Geburtsurkunde stand Tim als ihr Vater.
Benommen schüttelte Kathy den Kopf. Sie fühlte sich, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihre heile Welt schien aus den Fugen zu geraten. Sie stoppte den Wagen, stieg aus und betrachtete versonnen das weiß gestrichene Holzhaus mit den blauen Fensterläden.
Da flog die Tür auf, und Tim trat heraus.
»Kathy, wo kommst du denn so plötzlich her?« Verwirrt runzelte er die Stirn. »Ist was passiert, oder hast du einfach nur Sehnsucht nach deinem alten Vater?«
Er grinste schief und streckte die Arme nach seiner Tochter aus.
Doch Kathy blieb wie angewurzelt stehen und musterte den großen Mann eindringlich. Wie gern hätte sie sich an seine breite Brust gekuschelt! Aber da war plötzlich etwas Fremdes zwischen ihnen.
»Bist du das … mein Vater?«, fragte sie rau.
Tim zuckte zusammen, und seine Miene verlor schlagartig ihre Fröhlichkeit. Er trat zur Seite.
»Komm herein, Kathy«, sagte er ernst. »Ich weiß nicht, warum du diese seltsame Frage stellst. Aber hier draußen sollten wir das nicht erörtern.«
Betroffen biss sich Kathy auf die Unterlippe. Sie hatte nicht erwartet, dass er so ruhig und überlegt reagieren würde. Wieder schlug ihr das Herz bis zum Hals. Schweigend folgte sie Tim ins Haus und ging ins Wohnzimmer, wo sie sich erschöpft auf die Couch fallen ließ.
Tim holte einen Krug mit eisgekühlter Limonade aus der Küche und goss zwei Gläser ein. Er reichte Kathy eines und setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel.
»Und jetzt sagst du mir, woher deine plötzlichen Zweifel kommen«, forderte er sie leise auf.
Er trank einen Schluck Limonade und stellte das Glas ab. Seine Ruhe war jedoch nur aufgesetzt, wie das nervöse Flackern in seinen Augen verriet.
Wortlos gab ihm Kathy das fürstliche Schreiben, und jetzt erbleichte Tim. Er überflog die Zeilen, dann keuchte er auf.
»Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass Albert von Lüdershausen dich doch noch ausfindig macht!« Er schüttelte den Kopf. »Da habe ich alles getan, um unsere Spur zu verwischen, und nun …«
»Dann ist es also wahr, der Fürst ist mein Vater«, stellte Kathy nüchtern fest. Sie wunderte sich, wie ruhig sie plötzlich war. Das nervöse Ziehen in ihrem Magen hatte aufgehört. Ihr Blick bohrte sich in die Augen ihres Daddys. »Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?«
»Weil deine Mutter es nicht gewollt hat«, antwortete Tim seufzend. »Sie wollte mit dieser adeligen Familie nichts mehr zu tun haben und mit allen Mitteln verhindern, dass der Fürst jemals Anspruch auf dich erheben kann – was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie schändlich die alte Fürstin sie abserviert hat, als ihr Verhältnis mit Albert von Lüdershausen ans Licht gekommen ist.«
»Wusste der Fürst von meiner Existenz?«, forschte Kathy argwöhnisch nach.
Tim knetete unruhig seine Hände.
»Er weiß es erst seit deinem siebzehnten Lebensjahr«, gestand er heiser. »Deine Mutter musste damals der Fürstin versprechen, die ›Schande‹ zu verschweigen. Unter keinen Umständen durfte die Welt von dem Fehltritt ihres Sohnes erfahren, der kurz davor stand, als neuer Fürst das Erbe seines kürzlich verstorbenen Vaters anzutreten. Im Gegenzug hat sich Leonora von Lüdershausen bereit erklärt, finanziell für dich zu sorgen.«
Er machte eine kurze Pause und rief sich das Geschehen in Erinnerung.
»Aber irgendwie hat die Fürstin dann wohl doch das schlechte Gewissen geplagt, und sie hat ihrem Sohn auf dem Totenbett ihre Intrige gestanden«, fuhr er dann fort. »Daraufhin hat Albert einen Detektiv mit der Suche nach Sophie und ihrem Kind beauftragt.«
Wieder zog er scharf die Luft ein, und man merkte ihm an, wie schwer es ihm fiel, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.
»Als Sophie den Brief des Fürsten erhalten hat, in dem er sie bat, seine Tochter kennenlernen zu dürfen, ist sie schier außer sich geraten. Um keinen Preis wollte sie, dass du erfährst, wer dein wahrer Vater ist.«
Tims Stimme schwankte, als er sich das Unheil ins Gedächtnis rief, das sein Leben so nachhaltig überschattet hatte.
»Wir hatten bereits einen Umzug in Erwägung gezogen, als Sophie so unglücklich von der Treppe unseres Hauses gestürzt ist, dass sie wenig später in meinen Armen gestorben ist. Vorher hat sie mir jedoch das Versprechen abgenommen, dich vor Alberts Zugriff zu schützen. Sie hat wohl Angst gehabt, du könntest die Bodenhaftung verlieren, wenn du erfährst, dass du in Wahrheit eine Prinzessin bist.«
»Das war also der Grund, warum du mit mir quer durch Amerika geflohen bist«, stellte Kathy heiser fest und nahm hastig einen Schluck aus ihrem Glas, um den Kloß in ihrer Kehle hinunterzuspülen.
Tim senkte den Kopf und knetete abermals seine Hände.
»Ich hatte Angst, dich zu verlieren, wenn du die Wahrheit kennst«, gab er zu. »Deshalb habe ich New York verlassen und unsere Spuren verwischt. Aber offenbar nicht gründlich genug.« Er seufzte tief.
Ungläubig starrte Kathy den großen Mann an, der ihr so vertraut und nun doch so fremd war.
»Willst du mir die Geschichte nicht von Anfang an erzählen?«, fragte sie traurig.
Es war ihr, als habe sie nach der Mutter nun auch den Vater verloren.
»Niemand kann das besser als deine Mutter selbst«, erwiderte Tim rau. Er stand auf, ging zum Sekretär und holte ein kleines Buch hervor. »Sophies Tagebuch«, sagte er leise. »Darin steht alles, was du wissen musst.«
Mit zitternden Händen nahm Kathy das Buch an sich. Sie zögerte, es zu öffnen und darin die geheimsten Gedanken ihrer Mutter zu lesen, doch Tim nickte ihr begütigend zu.
»Deine Mutter würde wollen, dass du es liest.« Er lächelte. »Denn nur so kannst du ihr Handeln verstehen und deine eigenen Entscheidungen treffen, Kathy. Ich lasse dich jetzt allein.«
Mit großen Schritten ging er davon.
***
Beklommen schlug Kathy das Tagebuch auf und begann zu lesen. Sie erfuhr, dass Sophie mit knapp vierundzwanzig als Assistentin der Fürstin nach Schloss Lüdershausen gekommen war und sich Hals über Kopf in den charmanten, zehn Jahre älteren Prinzen verliebt hatte.
Prinz Albert hatte ihre Gefühle erwidert, und es hatte eine Romanze begonnen, von der niemand hatte wissen dürfen. Das sehr standesbewusste Fürstenpaar hatte eine Bürgerliche als Gattin ihres einzigen Sohnes strikt abgelehnt. Trotzdem hatte das Paar nicht voneinander lassen können.
Dann war der alte Fürst gestorben, und der Erbprinz hatte in die Fußstapfen seines Vaters treten müssen. Nun hatte Leonora von Lüdershausen darauf bestanden, dass ihr Sohn standesgemäß heiratete. Ihre Wahl war auf Annika Gräfin von Elster gefallen, eine kühle, egozentrische Schönheit.
Für Sophie war eine Welt zusammengebrochen, als Albert sich daraufhin von ihr getrennt hatte, um dem Wunsch seiner Mutter nachzukommen. Kurz darauf hatte Sophie erfahren, dass sie schwanger war. Doch bevor sie sich Albert hatte anvertrauen können, war die alte Fürstin hinter ihren Zustand gekommen.
Leonora hatte Sophie das Versprechen abgenommen, über den Vater ihres Kindes zu schweigen, um seinem Ruf nicht zu schaden. Im Gegenzug hatte die Fürstin finanziell für das Baby sorgen wollen. Von Albert zutiefst enttäuscht und in ihrem Stolz verletzt, hatte Sophie das Angebot der Fürstin angenommen und das Schloss verlassen.
Benommen ließ Kathy das Buch sinken. Sie konnte kaum glauben, was sie da las. Es gab keine Zweifel: Sie war die Tochter des Fürsten. Aber wie kam Tim ins Spiel? Wieder vertiefte sie sich in das Buch. Sie überblätterte ein paar belanglose Seiten, bis sie zu dem entscheidenden Hinweis kam.
Sophie hatte den in ihrer Stadt stationierten amerikanischen Soldaten durch Zufall kennengelernt. Da war sie bereits schwanger gewesen. Der sieben Jahre ältere Mann hatte sich rührend um die verzweifelte Frau gekümmert und so ihre Zuneigung gewonnen. Sie hatten geheiratet und waren nach New York gegangen.
26. Februar 1985.Tim hat eine Anstellung in seinem Beruf als Koch gefunden. Uns geht es nun so gut, dass ich auf die Unterstützung der Fürstin verzichten kann, las Kathy die Aufzeichnungen ihrer Mutter weiter. Ich will einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Ich bin so froh, in Tim einen fürsorglichen Mann gefunden zu haben, der mir mit seinem Humor und seinem warmen Herzen die Lebensfreude wiedergegeben hat. Genau wie ich kann er es kaum erwarten, dass unser kleines Mädchen, das wir Katharina nennen wollen, endlich das Licht der Welt erblickt. Aufgrund einer Erkrankung in seiner Jugend kann Tim keine Kinder zeugen. Doch Kathy wird seine Tochter sein, wie sie meine ist. Albert hat das Recht auf sein Kind für alle Zeiten verwirkt, selbst wenn ich damit Kathy das Erbe verwehre. Aber ich denke, ein zärtlicher Vater und ein liebevolles Zuhause sind mehr wert als der Titel der Prinzessin von Lüdershausen und alles Geld der Welt.
Der nächste Eintrag erfolgte erst wieder am vierundzwanzigsten März 1985, zwei Tage nach Kathys Geburt.
Hurra, Katharina ist da! Sie ist wunderschön. Tim hatte Tränen in den Augen, als er sie das erste Mal in den Armen gehalten hat. Ganz der stolze Vater, der er auch weiterhin für Kathy sein soll. Ich bin so glücklich! Ich liebe meinen Mann und mein Kind aus tiefstem Herzen. Deshalb beende ich nun dieses Tagebuch und beginne ein neues, das nur dem Glück mit meiner Familie gewidmet sein wird. Albert Fürst von Lüdershausen ist ein Fremder für mich.
Kathy fröstelte. Wie sehr musste das Verhalten des Fürsten ihre Mutter gekränkt haben, dass sie so konsequent die Liebe zu ihm aus ihrem Herzen gestrichen hatte.
Sie runzelte die Stirn. Was sollte sie nur tun? In dem Brief hieß es, der Fürst wünschte ihren baldigen Besuch. Offenbar fürchtete er, aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr viel Zeit zu haben. Durfte sie einem Todkranken den letzten Wunsch verwehren? Immerhin hatte der Fürst versucht, sofort mit ihr in Kontakt zu treten, nachdem er von ihrer Existenz erfahren hatte. Tim hatte es jedoch vereitelt.
»Kannst du nun verstehen, warum deine Mutter nichts mehr mit dieser Familie zu tun haben wollte?«, erklang da die tiefe Stimme des Amerikaners in Kathys Rücken.
Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er zurückgekommen war. Sie nickte zögernd. Verstand sie das wirklich, oder verurteilte sie ihre Mutter doch für ihr Schweigen? Sie spürte einen schmerzhaften Stich in ihrem Innern, als sie an ihren leiblichen Vater dachte, und plötzlich hegte auch sie den Wunsch, ihn kennenzulernen. Sie musste wissen, wo ihre Wurzeln waren, nachdem der verhängnisvolle Brief sie aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen hatte.
»Ich sehe dir an, dass du deine Entscheidung bereits getroffen hast«, sagte Tim müde. »Du wirst nach Deutschland reisen und diesen fremden Mann in dein Herz lassen. Ich spüre es, wie ich auch wusste, dass deine Mutter Albert nie wirklich vergessen hat, egal wie enttäuscht sie war.«
Er reichte seiner Ziehtochter ein Foto und ging abermals aus dem Zimmer.
Verwirrt betrachtete Kathy das Bild. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es zeigte einen Mann, dessen markantes Gesicht von weizenblonden Haaren umrahmt wurde. Seine ungewöhnlich hellblauen Augen zogen den Betrachter sofort in ihren Bann, und um seinen Mund spielte das sanfte Lächeln, das Kathy zu eigen war.
Niemand musste ihr sagen, wer dieser Fremde war. Sie hielt das Foto ihres Vaters in Händen.
***
Zwei Wochen später stand Kathy am Fuß des Hügels, auf dem Schloss Lüdershausen seinen Platz hatte. Fröstelnd knöpfte sie die Jacke ihres Hosenanzugs zu. Im Gegensatz zum warmen Kalifornien war es in Deutschland ziemlich kühl, obwohl es bereits Mitte Juli war.
Die junge Amerikanerin legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Schloss hinauf. Sie konnte das alte Gemäuer, dessen wehrhafte Mauern zu früheren Zeiten jedem Feind getrotzt hatten, nicht genug bestaunen. Eine schmale Straße, die nur von befugten Personen befahren werden durfte, führte den Hügel hinauf. Für Touristen standen Pferdekutschen bereit, oder man konnte über eine Treppe zum Schloss gelangen.
Kathy entschied sich für die Treppe. Doch ihr Schritt war nicht wie sonst forsch und ausgreifend, sondern zögerlich. Noch immer konnte sie die Beklemmung vor der ersten Begegnung mit ihrem Vater nicht abschütteln.
Entsprach sie der Vorstellung des Fürsten, oder würden ihn ihre lockere Lebenseinstellung und ihre burschikose Art abschrecken? Eine Prinzessin war sie sicher nicht, und sie würde wohl auch nie eine werden. Sie hasste es, damenhaft auftreten zu müssen, ebenso wenig mochte sie geziertes Getue. Das widersprach ihrem natürlichen Wesen.
Sie war schon zwei Tage früher als vorgesehen in Deutschland angekommen und hatte sich in einer Pension in der Stadt eingemietet. Sie hatte erst einmal Studien betreiben und sich ein Bild von der fürstlichen Familie machen wollen, ehe sie die ihr unbekannte Welt der Aristokratie betrat.
Trotz allem, was die Mutter über Albert von Lüdershausen geschrieben hatte, hatte Kathy ihn auf Anhieb sympathisch gefunden, als sie sein Foto in den Händen gehalten hatte. Aber vielleicht war es auch nur die Stimme des Blutes, die sie so hatte reagieren lassen.
Hätte die Bevölkerung nun negativ über den Fürsten geurteilt, wäre sie wahrscheinlich unverrichteter Dinge wieder abgereist, doch der Fürst war sehr beliebt. Die Leute sprachen voller Verehrung über ihn, lobten sein warmes Herz und sein Engagement für die Stadt. Albert von Lüdershausen war Schirmherr vieler sozialer Einrichtungen und hatte auch sonst ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen.
Fürstin Annika wurde hingegen als herrschsüchtig und arrogant beschrieben. Allerdings lebte sie nicht mehr im Schloss. Der Fürst hatte sich vor acht Jahren von seiner Frau scheiden lassen, worüber niemand traurig war.
Umso mehr bedauerte man, dass Albert von Lüdershausen schwer erkrankt war. Über die Art der Erkrankung wahrte man im Schloss Stillschweigen. Aber kaum jemand hatte Hoffnung, dass dem Schirmherrn der Stadt noch viel Zeit vergönnt sein würde.
Von der redseligen Pensionswirtin wusste Kathy nun auch, dass sie nicht das einzige Kind des Fürsten war. Aus seiner Ehe mit Annika war ein Sohn hervorgegangen. Der fünfundzwanzigjährige Prinz war aufgrund seiner ausschweifenden Lebensart ebenfalls nicht sonderlich beliebt. Die Leute nannten Prinz Roman blasiert und leichtfertig.
Kathy verharrte im Schritt. Vielleicht war es falsch, dem Ruf des Fürsten zu folgen und ihr bisheriges geruhsames Leben aufs Spiel zu setzen. Andererseits würde sie sich nicht verzeihen, einem Todkranken seinen letzten Wunsch versagt zu haben, nachdem er zumindest verdiente, angehört zu werden. Bisher kannte sie nur die Version ihrer Mutter.
Verdutzt hob Kathy den Kopf. Sie hatte die Burganlage erreicht, ohne sich recht bewusst zu sein, dass sie überhaupt weitergegangen war. Aus der Nähe wirkte das Gemäuer noch beeindruckender. Es verfügte über mehrere Gebäude, die teilweise in den Hügel hineingebaut waren, und wurde von drei halbrunden, riesigen Ecktürmen begrenzt.
Die junge Amerikanerin atmete tief durch. Dann straffte sie sich und marschierte über die hölzerne Zugbrücke, die einen tiefen Graben überspannte, in den Schlosshof. Hier gab es eine erhöhte Terrasse, von der man weit über den See blicken konnte.
Kathy beugte sich über die Balustrade und war fasziniert von dem Panorama, das sich ihren Augen bot. Tief unter ihr schlugen die Wellen des Sees gegen die Felsen, während weiter draußen Boote mit geblähten Segeln im Wind kreuzten und Ausflugsdampfer in stiller Behäbigkeit ihre Bahnen zogen.
Die Amerikanerin riss sich von der Idylle des Sees los und richtete ihr Augenmerk auf das dreiflügelige Schloss mit den vielen Nebengebäuden, die im Laufe der Jahrhunderte errichtet worden waren. Der Mittelteil war der fürstlichen Familie vorbehalten, wie das beflaggte Portal auswies. Eine große Steintreppe, auf der marmorne Fabelwesen wachten, führte zum Eingang hinauf. Man konnte das Schloss auch nur von außen besichtigen, hatte sonst keinen Zugang.
***
Vor dem Portal zum Vestibül suchte Kathy vergebens nach einer Glocke. Verdrossen betätigte sie den eisernen Türklopfer, als die schwere Holztür überraschend aufschwang. Sie atmete tief durch und trat ein. Die Eleganz der Halle verschlug ihr den Atem.
Eine marmorne Freitreppe führte ins Obergeschoss hinauf, von dessen Rundgang man offenbar in die Gemächer der Fürstenfamilie gelangte. Auch der Boden war mit Marmor getäfelt, und die Wände waren mit Seidentapeten in dezentem Beige versehen. Der riesige Lüster unter der Kuppel des Raumes und kostbare Gemälde an den Wänden sorgten zusätzlich für eine herrschaftliche Atmosphäre.
Beklommen sah Kathy an sich herunter. Nein, hier passte sie mit ihrer lässigen Kleidung und den Turnschuhen absolut nicht her. Aber sie war es einfach nicht gewohnt, sich herauszuputzen. Noch weniger kannte sie sich mit der Etikette aus. Wie begrüßte man eigentlich einen Fürsten? Besser, sie machte auf dem Absatz kehrt, bevor sie sich noch in eine Welt verstrickte, die nicht die ihre war, und sich bis auf die Knochen blamierte.
»Kann ich helfen?«, ertönte da eine warme Stimme in ihrem Rücken.
Kathy wirbelte herum und sah sich einem hochgewachsenen jungen Mann gegenüber, der sie freundlich anlächelte. Unwillkürlich schlug ihr Herz schneller. Der Fremde war sehr attraktiv. Er hatte eine sportliche Figur und ein markantes Gesicht, das von dunkelblonden Haaren umrahmt wurde. Am beeindruckendsten waren jedoch die unergründlichen grauen Augen, die sie interessiert musterten. Wieder überlief Kathy ein Schauer.
Sie riss sich zusammen. Für einen Moment dachte sie, ihrem Halbbruder Prinz Roman gegenüberzustehen. Aber der Mann war weit älter, mindestens Mitte dreißig. Auch war er leger gekleidet, trug eine Cargohose zum karierten Hemd und Stiefel. Sein sonnengebräuntes Gesicht verriet, dass er viel im Freien tätig war, und seine kräftigen Hände zeugten von harter Arbeit.
Sie räusperte sich und wies mit dem Kopf zum Portal.
»Die Tür stand offen … Ich …«, stammelte sie verlegen auf Englisch. Dann straffte sie sich jedoch und sagte in dem perfekten Deutsch, das ihre Mutter ihr beigebracht hatte: »Mein Name ist Kathy Frey. Der Fürst erwartet mich.«
»Willkommen, Miss Frey«, antwortete der Fremde und lächelte Kathy freundlich an. »Ich bin über Ihren Besuch informiert. Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle …« Er verneigte sich leicht. »Lothar, Graf von Solingen. Ich bin ein enger Vertrauter des Fürsten und der Sohn seines besten Freundes. Fürst Albert hat keine Geheimnisse vor mir, deshalb weiß ich über den Grund Ihres Kommens Bescheid.«
Er dirigierte die junge Frau zu einem Nebenraum, der die Funktion eines Empfangszimmers hatte, und schloss die Tür hinter sich. Hier waren sie ungestört.
»Der Fürst kann es kaum erwarten, seine Tochter endlich in die Arme zu schließen«, sprach Graf Lothar weiter und musterte die Amerikanerin abermals interessiert.
Kathy wurde mulmig zumute. Hoffentlich hatte der Graf nichts an ihrem Erscheinungsbild auszusetzen.
»Sie können Ihre Verwandtschaft wirklich nicht verleugnen, Sie sind dem Fürsten wie aus dem Gesicht geschnitten«, platzte er da jedoch schon heraus. Sein Lächeln wurde noch breiter. »Natürlich ähneln sie Albert als er noch weit jünger war, und Sie sind um einiges hübscher. Trotzdem habe ich sofort gewusst, wen ich vor mir habe.«
Die Prinzessin ist wirklich hübsch und kann auch ihr blaues Blut nicht verleugnen, dachte er bewundernd bei sich.
Ihre stolze Haltung, die Grazie ihrer Bewegungen, die anmutige Art, den Kopf zu neigen, während sie dem Gespräch lauschte, und ihr natürliches Charisma, ließen die geborene Aristokratin erahnen. Ihr Lächeln war aufrichtig, und der Blick ihrer leuchtend blauen Augen, berührte ihn auf seltsame Weise. In diesem Blick schimmerte noch die Arglosigkeit des behütet aufgewachsenen Mädchens, das noch keine Ahnung von der Welt des Adels hatte, in der oft Intrigen regierten und falscher Glorienschein so manche hässliche Wahrheit überdeckte.
Der Graf senkte verlegen den Blick, als ihm bewusst wurde, wie ungeniert er die Amerikanerin anstarrte. Aber noch nie hatte ihn eine Frau so fasziniert. Er rief sich zur Ordnung.
»Ich muss Sie leider vorwarnen, Miss Frey«, fuhr er betrübt fort. »Der Fürst ist nur noch ein Schatten seiner selbst, seit ihn die Krankheit ereilt hat. Lassen Sie sich also Ihr Erschrecken bitte nicht anmerken.«
Kathy zuckte betroffen zusammen. War sie vielleicht schon zu spät gekommen? Sie hatte gehofft, dass ihr noch ein wenig Zeit bleiben würde, um ihren Vater näher kennenzulernen. Aber nun musste sie womöglich mit dem Schlimmsten rechnen.
Graf Lothar legte tröstend seine Hand auf den Arm der jungen Frau.
»Keine Angst, es geht noch nicht zu Ende. Ich glaube auch, dass Ihr Besuch Fürst Albert ein wenig Auftrieb geben wird.«
Eben noch verwirrt von dem Kribbeln in ihrem Bauch, das die Wärme seiner Hand erzeugte, stieg nun Zorn in Kathy auf.
»Warum hat er dann meine Mutter im Stich gelassen?«, stieß sie hervor, und ihre Augen funkelten vor Empörung.
Der Graf war sichtlich betroffen über die Heftigkeit ihres Ausbruchs.
»Der Fürst hat damals nicht gewusst, dass Sophie ein Kind erwartet hat«, nahm er seinen väterlichen Freund in Schutz. »Sonst hätte er sich vielleicht doch anders entschieden. Aber über all diese Dinge und auch über den Grund, warum er Sie nun so dringend hergebeten hat, wird er selbst mit Ihnen sprechen. Es steht mir nicht zu, dem vorzugreifen.«
Ein sanftes Schmunzeln legte sich um seine Lippen.
»Eigentlich müsste ich Sie mit ›Durchlaucht‹ ansprechen, da sie aufgrund Ihres Geburtsrechts die Prinzessin von Lüdershausen sind, gleichgestellt mit ihrem Halbbruder Prinz Roman«, befand er in gespielter Reue. »Aber ich wollte nicht schon fremde Ohren anspitzen, bevor es offiziell ist, und Sie auch nicht zu sehr verwirren. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen.«
Erschrocken hob Kathy die Hände.
»Um Himmels willen! Mit derartigen Höflichkeitsfloskeln habe ich wirklich nichts am Hut.«
»Sie werden sich daran gewöhnen müssen und noch an vieles mehr.« Jetzt wurde Graf Lothar ernst. »Also machen Sie sich schon mal mit dem Gedanken vertraut. Ihr Vater hat einige Wünsche an Sie.«
Er drückte auf eine Klingel an der Wand.
»Ich überlasse Sie jetzt der Obhut von Herrn Simon, dem Butler«, erläuterte er. »Er wird Sie zu Fürst Albert bringen.«
Erneut beschlich Kathy Unbehagen. Sie hatte sich in der Nähe des charmanten Grafen so wohl gefühlt, dass sie fast vergessen hatte, wo sie sich befand.
»Können Sie mich nicht begleiten?«, fragte sie mit einem flehenden Augenaufschlag. »Ich meine, da Sie doch ein Freund des Fürsten …«
Verlegen brach sie ab. Was fiel ihr ein, diesem fremden Mann gleich Avancen zu machen!
Graf Lothar schüttelte bedauernd den Kopf.
»Es gehört zu den Gepflogenheiten im Schloss, dass der Butler einen Gast anmeldet. Außerdem bin ich für einen Antrittsbesuch bei dem Fürsten absolut nicht passend gekleidet«, entschuldigte er sich. »Ich bin nur zufällig hier, ich hatte ein Gespräch mit dem Verwalter.«
Abermals wurde Kathy bei seinem bewundernden Blick ganz eigenartig zumute.
»Ich muss wohl noch viel lernen«, murmelte sie.
Der Graf lächelte begütigend. Er ergriff die Hand der jungen Frau, führte sie an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf.
»Ich habe keine Zweifel, dass Sie schon bald mit der Etikette dieses Hauses vertraut sein werden. Ihr natürlicher Charme wird Ihnen alle Türen öffnen.«
Kathy errötete leicht. Gott, wie war es nur möglich, dass dieser fremde Mann sie so verstörte? Sie war doch sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Herr Graf«, erwiderte sie förmlich, um sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen und entzog ihm ihre Hand, die er über Gebühr festhielt.
»Sollten Sie meinen Rat und Beistand brauchen, stehe ich Ihnen gern jederzeit zur Verfügung«, bot Lothar spontan an. »Ich bin der Pächter der Apfelplantage, die zum Schloss gehört. Der Besitz befindet sich nur etwa drei Kilometer von hier entfernt und liegt ebenfalls am Ufer des Bodensees. Wir halten auch Pferde, falls Sie ausreiten möchten.«
Kathy strahlte den Grafen erfreut an.
»Ich reite für mein Leben gern«, erwiderte sie begeistert. Sie warf stolz den Kopf zurück. »Außerdem bin ich Agraringenieurin und habe bisher auf einer Obstplantage in Kalifornien gearbeitet. Ich fürchte, Sie werden mich nicht mehr los, verehrter Graf.« Sie schlug sich auf den Mund, als sie sich der Anzüglichkeit ihrer Bemerkung bewusst wurde. »Ich meine, ich interessiere mich brennend …«
Lothar lachte herzlich.
»Sie sind mir jederzeit willkommen, Miss Frey. Aber nun sollten wir den Fürsten nicht länger warten lassen.« Er öffnete die Tür und ließ der Prinzessin den Vortritt.
Da kam auch schon der Butler gemessenen Schrittes daher.
»Seine Durchlaucht erwartet die junge Dame bereits«, schloss Graf Lothar nach kurzer Erläuterung.
Sofern sich Herr Simon, ein schon älterer Mann, der schon viele Dienstjahre im Schloss hinter sich hatte, über die Ähnlichkeit der Amerikanerin zu dem Fürsten wunderte, ließ er es sich nicht anmerken.
Er verneigte sich vor Kathy.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miss Frey«, bat er.
Graf Lothar nickte der jungen Frau aufmunternd zu und schlüpfte zur Tür hinaus. Draußen atmete er tief durch und fuhr sich mit allen zehn Fingern durchs Haar. Was war nur in ihn gefahren? Es wäre wohl eher ratsam gewesen, den Kontakt zu der Prinzessin auf ein Minimum zu beschränken, nachdem sie sein Herz bereits mehr in Aufruhr versetzt hatte, als sein durfte.
Seit einer Enttäuschung vor einigen Jahren hatten ihn bisher die Blicke der holden Weiblichkeit kalt gelassen. Doch jetzt geriet sein Vorsatz, nie wieder einer Frau sein Herz zu öffnen, gefährlich ins Wanken. Das reizende Lächeln und die strahlenden blauen Augen der Prinzessin hatten ihn auf den ersten Blick verzaubert.
***
Kathy schluckte mühsam den Kloß in ihrer Kehle hinunter, während sie hinter dem Butler die monströse Treppe hinaufstieg. Mehr denn je hatte sie das Gefühl, sich aus ihrem gewohnten Leben zu entfernen.
Herr Simon wich von dem Rundgang ab und bog in einen Korridor ein, der ebenso edel gestaltet war, wie das Vestibül. An den Wänden prangten goldene Kerzenleuchter, und auf dem Boden lag ein kostbarer Läufer, dessen dichter Flor jeden Laut verschluckte.
Der Butler stoppte so abrupt vor einer Tür, dass Kathy fast gegen ihn prallte. Er gebot ihr mit der Hand, zu warten, klopfte und betrat den Raum.
Schon kurz darauf kam er wieder heraus und trat beiseite.
»Der Fürst lässt bitten, Miss Frey«, vermeldete er.
Zögernd leistete Kathy der Aufforderung Folge. Sie stockte im Schritt, als sie den Mann erblickte, der in einem Ohrensessel am Fenster des Salons saß und ihr neugierig entgegensah.
Das Gesicht des Fürsten war von der Krankheit gezeichnet und hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem faszinierenden Mann auf dem Foto. Auch war seine einst so stattliche Gestalt stark abgemagert, was ihn gebrechlich erscheinen ließ. Dabei war Albert von Lüdershausen erst dreiundsechzig Jahre alt.
Doch die Miene des Fürsten drückte Willensstärke und eine gewisse Abgeklärtheit aus, und seine müden blauen Augen strahlten beim Anblick der Tochter erfreut. Sein Lächeln war leicht melancholisch, aber nicht resigniert. Die Krankheit hatte ihn nicht beugen können. Kathy fühlte sich auf Anhieb zu dem fremden Vater hingezogen.
»Komm näher, Katharina«, sagte Fürst Albert mit einer heiseren Stimme, die seine Rührung verriet, und winkte die junge Frau zu sich.
Der Butler hatte ihm berichtet, dass die Amerikanerin die deutsche Sprache beherrschte, worüber er erleichtert war. Er sprach zwar ein gutes Englisch, fürchtete aber, sich in der fremden Sprache nicht so ausdrücken zu können, wie es ihm am Herzen lag.
»Ich … ich fühle mich geehrt, dass Sie den Wunsch hegen, mich kennenzulernen, Durchlaucht«, stotterte Kathy völlig durcheinander.
Sie zitterte am ganzen Körper. Wohin hatte sich nur ihre gewohnte Gelassenheit verflüchtigt? Sie fühlte sich wie ein kleines, unsicheres Mädchen, das staunend eine fremde Welt betrat.
»Kind, was sollen diese Höflichkeitsfloskeln?« Fürst Albert schmunzelte amüsiert. »Ich bin dein Vater. Vor mir musst du nicht in Ehrfurcht erstarren.« Er griff nach ihrer Hand und streichelte darüber. »Ich bin so froh und unendlich dankbar, dass du meiner Bitte nachgekommen bist, Katharina. Ich hätte nicht aus dieser Welt scheiden können, ohne meine Tochter wenigstens einmal an mein Herz gedrückt zu haben.«
Er breitete die Arme aus, und mit einer Selbstverständlichkeit, die sie selbst überraschte, schmiegte sich Kathy hinein. Die Stimme des Blutes, dachte sie bewegt bei sich. Es war einfach nichts Fremdes zwischen ihr und dem Fürsten. Aber das war auch seiner Herzlichkeit zu verdanken. Sie konnte verstehen, dass ihre Mutter sich seinerzeit in den jungen Albert verliebt hatte.
»Nimm Platz, Katharina«, bat der Fürst und wies zu der Sitzgruppe in der Mitte des Raumes. »Ich habe den Butler gebeten, uns einen Kaffee zu servieren. So plaudert es sich leichter.« Er lächelte zärtlich. »Ich kann es nicht fassen, eine so hübsche Tochter zu haben. Natürlich habe ich bereits ein Foto gesehen, das der Detektiv gemacht hat, den ich mit der Suche nach dir beauftragt hatte. Aber das wird deiner wahren Erscheinung nicht im Mindesten gerecht.«
Eine sanfte Röte überzog Kathys Wangen. Um sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, strebte sie rasch zu der Sitzgruppe aus dunklem Leder im englischen Stil.
Auch sonst war die Möblierung des Salons sehr gediegen und vermittelte im Gegensatz zu dem Ehrfurcht einflößenden Vestibül eine behagliche Atmosphäre. Hohe Schränke und Bücherregale aus edlem Holz säumten die Wände. In einer Ecke stand ein mit Schnitzereien reich verzierter Sekretär, und gegenüber hatte eine Vitrine mit kostbarem Porzellan ihren Platz.
Kathy wollte sich auf der Couch niederlassen, als sie bemerkte, wie schwerfällig der Fürst aus dem Sessel hochkam. Er schwankte leicht und griff Halt suchend nach dem Gehstock, der am Fensterbrett lehnte. Sofort eilte sie zu ihrem Vater und wollte sich bei ihm unterhaken, doch Albert winkte ab.
»Lass gut sein, Katharina, ich komme schon zurecht«, wies er ihre Hilfestellung fast brüsk zurück. »Ich darf mich von der Krankheit nicht unterkriegen lassen, muss ihr noch ein wenig Zeit abringen, um meine reizende Tochter endlich kennenzulernen und meine Angelegenheiten zu ordnen.«
Wieder lächelte er weich.
Er ließ sich in einem Klubsessel nieder, während Kathy auf dem Sofa Platz nahm. Dabei stellte sie sittsam die Beine nebeneinander, was Albert mit einem wohlwollenden Lächeln quittierte. Sophie hatte ihrer Tochter eine gute Erziehung angedeihen lassen.
»Du fragst dich sicher, warum ich deine Mutter damals nicht geheiratet habe, obwohl ich sie sehr geliebt habe«, setzte er ohne Umschweife an.
Nervös knetete Kathy ihre Hände und wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Sie hätte nicht gedacht, dass der Fürst sofort den wunden Punkt ansprechen würde.
»Ich habe Mamas Tagebuch gelesen«, entschloss sie sich schließlich zur Wahrheit. »Deshalb weiß ich, wie sich alles zugetragen hat.«
Der Fürst nickte bedächtig und legte die schlanken Finger ineinander.
»Du kennst nur die Geschichte aus der Sicht deiner Mutter«, sagte er ruhig. »Aber ich möchte, dass du auch meine Seite hörst. Sophie hätte mir nicht verschweigen dürfen, dass sie mein Kind erwartet. Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich mich über das Versprechen hinweggesetzt, das ich meinem Vater damals an seinem Sterbebett gegeben hatte.«
Ein Pochen an der Tür unterbrach ihn. Er antwortete, und die Hausdame trat ein. Nachdem sie den Kaffee serviert und sich wieder entfernt hatte, griff der Fürst den Gesprächsfaden erneut auf.
»Sophie und ich wären miteinander sicher sehr glücklich geworden, wenn mich mein Vater nicht zu diesem verhängnisvollen Schwur gedrängt hätte«, fuhr er betrübt fort. »Ich musste ihm mein Wort geben, dass ich niemals mein Herz über den ehrwürdigen Namen unseres Hauses und die damit verbundenen Pflichten stellen würde. Um meinem Vater zu ermöglichen, in Frieden aus diesem Leben zu scheiden, habe ich schließlich zugesagt, nur eine Frau aus unseren Kreisen zu heiraten.«
»Aber …« Kathy zögerte.
Es fiel ihr noch immer nicht leicht, den Fürsten so vertraulich anzusprechen. Trotz seiner Herzlichkeit strahlte er eine gewisse Würde aus, die sie hemmte.
»Du meinst, warum ich nicht um Sophie gekämpft habe?« Ein trauriges Lächeln umspielte die Lippen des Fürsten. »Oh, das habe ich durchaus getan. Ich hatte meinen Vater um seinen Segen gebeten und inständig gehofft, dass sein Standesdünkel vor der innigen Liebe, die Sophie und mich verband, kapitulieren würde. Doch er hat mir vorgeworfen, das reine Blut unserer Ahnen durch die Verbindung mit einer Bürgerlichen zu verfälschen. Wir sind in Streit geraten und …«
Er hielt inne und fuhr sich mit der Hand durch sein ergrautes Haar.
»In dieser Nacht hat mein Vater den zweiten Herzinfarkt erlitten und ist in meinen Armen gestorben, nicht jedoch, ohne mir vorher im Beisein meiner Mutter das verhängnisvolle Versprechen abzuringen«, fuhr er dann mit spröder Stimme fort. »Ich habe mich schuldig an seinem Tod gefühlt und ihm mein Wort gegeben.«
Er nippte an seinem Kaffee, während ein trauriges Lächeln seine Lippen umspielte.
»Ich habe nie aufgehört, Sophie zu lieben«, sagt er leise. »Aber ich hatte keine Wahl und musste mich dem Wunsch meiner Mutter beugen, die Gräfin von Elster zu heiraten. Ein Fürst von Lüdershausen bricht sein Wort nicht.«
»Wenn du damals von mir gewusst hättest, hättest du es aber getan«, erinnerte Kathy trotzig an seine Aussage.
Fürst Albert nickte versonnen.
»Es wäre eine andere Situation gewesen. Die Ehrverpflichtung und Verantwortung der Mutter meines ungeborenen Kindes gegenüber hätten mein Versprechen aufgehoben.« Er atmete schwer, und abermals legte sich ein trauriger Schatten über sein Gesicht. »Doch das hat auch deine Großmutter, Fürstin Leonora, gewusst. Sie hat Sophie das Versprechen abgenommen, über ihr Baby zu schweigen, bevor sie sich mir anvertrauen konnte.«
Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust.
»Ich fürchte jedoch, Sophie hätte es ohnehin nicht getan. Ich hatte sie mit meinem unverständlichen Verhalten zu sehr gekränkt. Schließlich wusste sie nichts von dem Schwur, der mich geknebelt hat.«
Er griff über den Tisch, nahm Kathys Hand in seine und drückte sie.
»Glaub mir, ich habe es oft bereut, damals Pflicht und Ehre über mein Herz gestellt zu haben«, sagte er mit zitternder Stimme. »Aber ich habe meine Fehlentscheidung auch büßen müssen. Die Ehe mit Annika war die Hölle. Sie ist eine kalte, egoistische Frau, die mit ihrer Verschwendungssucht und Hochnäsigkeit dem Ansehen unseres Hauses geschadet hat. Sophie wäre dagegen eine wundervolle Fürstin gewesen, hätte uns das Schicksal eine Chance gelassen. Ich hoffe, sie hat es besser getroffen als ich.«
Sanft entzog Kathy dem Vater ihre Hand und setzte sich zurück.
»Mama war mit Daddy …, ich meine mit Tim sehr glücklich«, antwortete sie.
Fast genoss sie das Zusammenzucken des Fürsten. So sehr sie auch versuchte, sein Handeln zu verstehen, so war es ihr doch unbegreiflich, wie man ein gegebenes Wort über die Liebe stellen konnte. Aber sie hatte eben keine Ahnung von Stand und Ehre der Aristokratie.
»Das freut mich.« Der Fürst rang sich ein Lächeln ab. »Sophie hatte einen guten Mann verdient. Ich kann noch immer nicht glauben, dass sie so früh von uns gegangen ist.«
Kathy nickte traurig.
»Es war furchtbar, als Mama so abrupt von unserer Seite gerissen wurde«, erwiderte sie mit belegter Stimme, die ihren ungebrochenen Schmerz verriet. »Tim und ich waren lange Zeit wie betäubt.«
»Offenbar nicht betäubt genug, um die Flucht zu ergreifen«, grollte der Fürst im jäh aufwallenden Zorn. Er verübelte es Tim Frey noch immer, dass er ihm verwehrt hatte, mit seiner Tochter Kontakt aufzunehmen. »Ich wollte doch nichts weiter, als dich kennenlernen, nachdem meine Mutter endlich ihr Schweigen gebrochen und ich durch einen Ermittler euren Wohnsitz herausgefunden hatte.«
»Tim hatte Angst, du könntest Anspruch auf mich erheben und ihm jedes weitere Recht an mir absprechen, zumal ich ja damals noch nicht volljährig war«, entgegnete Kathy ernst. Sie nahm die Kaffeekanne und goss nochmals die Tassen voll. »Wie hat mich der Detektiv denn jetzt gefunden?«
Der Fürst verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich zurück.
»Tim Frey hatte zwar jeglichen Hinweis auf euren Verbleib gründlich verwischt«, erwiderte er. »Aber der erfahrene Ermittler hat sich nicht täuschen lassen, und darüber bin ich sehr froh, Katharina.«
Wieder lächelte er innig.
»Ich bin auch glücklich, meinen wahren Vater kennenlernen zu dürfen«, antwortete Kathy aufrichtig, während ihr Blick voller Wärme auf dem Fürsten ruhte.
Tim war zwar der Vater in ihrem Herzen. Aber bei Albert waren ihre Wurzeln. Irgendwie hatte sie immer geahnt, dass es um ihre Geburt ein Geheimnis gab. Die Mutter war ihren Fragen stets ausgewichen, wenn sie wissen wollte, warum sie Tim in keiner Weise ähnelte.
Fürst Albert rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin und her. Man merkte ihm an, dass ihm das lange Sitzen Beschwerden bereitete. Auch seine Stimme war brüchig, als er das Gespräch abrupt beendete.
»Verzeih, Katharina, aber ich muss mich jetzt ausruhen«, entschuldigte er sich. »Wir reden morgen weiter.« Er griff nach der Hand seiner Tochter und tätschelte sie. »Es gibt so vieles, was ich dir sagen muss, und ich hoffe, mir bleibt noch genug Zeit, um …«
Er brach ab und drückte auf die elektrische Klingel, die auf dem Tisch lag.
»Der Butler bringt dich jetzt zu deiner Suite«, lenkte er ab. »Steht dein Gepäck im Foyer?«
Kathy schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin schon eine Weile in der Stadt, ich habe mich in einer Pension eingemietet und …«
»Die Prinzessin von Lüdershausen residiert im Schloss und nicht in einer billigen Pension«, unterbrach Fürst Albert sie unwillig.
Ich bin Kathy Frey und nicht die Prinzessin von Lüdershausen, lag es der Amerikanerin ärgerlich auf der Zunge. Was fiel dem Fürsten ein, einfach von ihr Besitz zu ergreifen? Sie war gekommen, um ihn anzuhören und ihn vielleicht auch in ihr Herz zu lassen. Aber sie war nicht bereit, ihr bisheriges Leben über Bord zu werfen oder gar ihren Ziehvater zu verleugnen. Doch angesichts der sichtlichen Erschöpfung des Fürsten schluckte sie ihren Widerspruch hinunter.
Fürst Albert spürte den Unmut der jungen Frau und hob entschuldigend die Hände.