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Fußball-Internat: Band 1 und 2
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 219 Taschenbuchseiten.
Dieses Buch enthält folgende zwei Romane:
Band 1: Der neue Star
Band 2: Das große Turnier
Mark kommt als Riesentalent neu ans Kicker-Internat und muss sich zunächst mal durchsetzen. Sein Konkurrent Philipp verdächtigt ihn des Diebstahls und auf dem Fußballfeld kommt es zu harten Auseinandersetzungen. Bevor Mark von allen akzeptiert wird, muss der wahre Dieb überführt werden...
Cover: Steve Mayer
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von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 219 Taschenbuchseiten.
Dieses Buch enthält folgende zwei Romane:
Band 1: Der neue Star
Band 2: Das große Turnier
Ein CassiopeiaPress Buch, Cover: Steve Mayer
© by Author
© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Mark Behrend, Sturm
Philip Derner, Mittelfeld oder Sturm
Hubert Peters, Mittelfeld oder Sturm
Robert Ngona, Mittelfeld
Ibrahim Akman, Sturm
Michael Koserski, Mittelfeld oder linker Außenverteidiger
Alexander Hausmann, rechter Außenverteidiger
Sören Meyer, Abwehr und Mittelfeld
Andy (Andrea) Tardelli, Mittelfeld
Kevin Müller, Tor
Jo (Josef) Martens, Tor
Mark kommt als Riesentalent neu ans Kicker-Internat und muss sich zunächst mal durchsetzen. Sein Konkurrent Philipp verdächtigt ihn des Diebstahls und auf dem Fußballfeld kommt es zu harten Auseinandersetzungen. Bevor Mark von allen akzeptiert wird, muss der wahre Dieb überführt werden...
„Tor! Tor!“
Mark Behrend reißt die Arme hoch. Er hat den Ball mit einem eleganten Heber über den Torwart befördert, der sich dem Leder zwar noch hinterher wirft, aber nichts mehr ausrichten kann. Der Ball zappelt im Netz. Einige seiner Mitspieler kommen auf ihn zu, schlagen ihm anerkennend auf die Schulter.
„Super gemacht!“, meint Ibrahim Akman, sein Partner im Sturm, von dem er die tolle Flanke erhalten hat. „Das hätte keiner besser hingekriegt.“
„Danke“, sagt Mark.
„Wie heißt du noch mal?“
„Mark heiße ich.“
„Cool.“
Mark ist der Neue in der Auswahl des Fußball-Internats Barnberg. Und heute ist sein erster Tag. Er kann also nicht erwarten, dass die anderen seinen Namen schon kennen. Aber das soll sich bald ändern!, denkt Mark. Er will allen zeigen, wie gut er ist und dass er zu Recht in diese Klasse aufgenommen wurde.
Robert Ngona, der aus Ghana stammt, trabt auf ihn zu. Er ist gerade 13 Jahre alt geworden und damit der Älteste in der Mannschaft. Die anderen sind alle noch 12. Robert lacht Mark an und sagt: „Alle Achtung! Das hätte selbst Philip nicht so hingekriegt! Sauber!“
Philip steht ein paar Meter im Abseits. Er ist eigentlich der Star der Mannschaft. Mark hat das sofort gesehen. Aus dem Mittelfeld heraus startet Philip die Angriffe. Mal ist er Stürmer, mal Ballverteiler. Und die anderen sehen zu ihm hin und achten darauf, was er mit dem Ball macht.
Irgendwie gefällt es Philip offenbar nicht, dass da plötzlich ein Neuer kommt. Jemand, dem der Ball ebenso am Fuß zu kleben scheint und der zwei oder drei Spieler wie Fahnenstangen stehen lassen kann.
Als einziger kommt er nicht zu Mark, um ihm zu seinem Treffer zu gratulieren. Es ist nur ein Trainingsspiel, aber Philip macht ein so ernstes Gesicht, als ginge es um die Champions League!
Am Rand steht Herr Grotzek, der Trainer. Er ist groß, Mitte dreißig und hat wuscheliges blondes Haar.
Der Name Grotzek war Mark schon bekannt, bevor der Trainer ihn zu Hause besuchte. Mark kennt ihn von den Bundesliga-Sammelbildern, die er schon seit Jahren in seine Alben klebt. Grotzek ist in mehreren dieser Alben zu sehen. Mal mit längeren, mal kürzeren und einmal mit gefärbten Haaren. Er spielte für verschiedene Clubs in der ersten Liga. Aber eine komplizierte Knie-Verletzung zwang ihn dazu, seine Karriere zu beenden – gerade zu einem Zeitpunkt, als der Bundestrainer auf ihn aufmerksam geworden war und er die Nominierung für das erste Länderspiel in der Tasche hatte.
Aber dazu kam es nicht mehr.
Jetzt ist er Trainer am Fußball-Internat in Barnberg.
„An dem Grotzek kannst du sehen, wie schnell es mit der Fußball-Karriere vorbei sein kann!“, hat Mark die Worte seines Vaters im Ohr. „Du kannst noch so viel Talent haben. Ein unglücklicher Tritt oder eine falsche Drehung, bei der du dich verletzt und alles ist aus. Und dann musst du einen zweiten Plan für dein Leben haben. Deswegen kannst du dich nicht nur auf den Sport verlassen, sondern musst auch was anderes lernen.“
Mark hat sich solche Predigten nie gerne angehört.
Der Wunsch, eines Tages Fußball-Profi zu werden, ist stärker als alles andere in ihm. Dafür würde er alles tun und eigentlich sieht er keinen Grund, weshalb das nicht klappen sollte. Schließlich war er von klein auf immer der Beste in den Mannschaften, in denen er mitspielte. In den Schulmannschaften genauso wie im Verein. Und alle, die ihn spielen sahen, waren fasziniert davon, wie er mit dem Ball umgehen konnte.
Aber das war bei Grotzek wahrscheinlich genauso …
Dass ihn der Trainer beobachtet, ist Mark klar. Schließlich ist dies das erste reguläre Training, das er hier am Fußball-Internat mitmacht und da wollen natürlich alle erst einmal einschätzen, wie viel er wirklich drauf hat. In der Jugendmannschaft irgendeines kleinen Kreisliga-Vereins zu spielen oder seine Schule bei einem Turnier zu vertreten ist eine Sache – aber hier spielt er nun mit den Besten der Besten zusammen, die es in seiner Altersgruppe gibt. In den ersten zwei Monaten ist Mark auf Probe im Fußball-Internat – und das weiß er auch.
In dieser Zeit muss sich herausstellen, ob er gut genug ist. Aber wirklich nervös macht ihn das nicht.
Jetzt zumindest nicht mehr.
In den letzten Tagen zu Hause konnte er nicht richtig schlafen und träumte, dass ihm ein Trainer sagte: „Tut uns leid, Mark, du bist leider doch nicht gut genug für uns. Du warst Torschützenkönig in deinem Verein und deshalb haben wir uns eigentlich viel von dir versprochen. Aber leider hast du das nicht halten können.“
Mark wachte dann immer schweißgebadet auf, weil ihm diese Träume so real vorkamen, dass er sie im ersten Moment für die Wirklichkeit hielt.
Die Nervosität blieb ihm noch die ganze Autofahrt über, als seine Eltern ihn nach Barnberg brachten.
Ihm war richtig schlecht. Er dachte schon, sich übergeben zu müssen.
Dann nahm Grotzek sie in Empfang, sah Mark einmal von oben bis unten angesehen und sagte: „Schön, dass du da bist, Mark! Lass deine Sachen einfach in meinem Büro stehen. Wir haben gleich Training und da kannst du schon mal mitmachen.“
Mama und Papa fuhren nach Hause und als Mark dann das erste Mal gegen den Ball trat, war jede Nervosität vorüber.
Jetzt ist die Angst wie weggeblasen.
Mark läuft über den Platz, ruft laut, um den Ball zu bekommen, aber Philip Derner spielt nicht ab. Er versucht selbst durch die gegnerische Abwehr zu kommen und abzuschließen. Den ersten Gegner umdribbelt er, den zweiten auch, der dritte lässt ein Bein stehen. Philip fliegt der Länge nach hin. Der Schiedsrichter-Pfiff kommt. Es gibt Freistoß.
„Nicht alles alleine machen!“, ruft Grotzek. Aber Philip dreht sich von ihm weg. Das will er jetzt nicht hören. Er steht auf, legt sich den Ball zurecht.
„Lass doch den Neuen mal den Freistoß schießen!“, schlägt Robert Ngona vor.
Das wäre was!, denkt Mark. Jetzt einen Freistoß schießen. Freistöße sind seine Spezialität. Gut gezirkelt ins obere Eck, wahlweise links oder rechts, das hat Mark sehr gut drauf. Und für den Verein, für den er bis jetzt spielte, konnte er dadurch schon einige Spiele entscheiden – genauso wie das städtische Fußballturnier der Schulen, bei dem er Torschützenkönig war und zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. Anschließend war ein großes Bild in der Zeitung und der Reporter der Lokalzeitung stellte ihm ein paar Fragen. „Wo hast du solche Freistöße gelernt?“, war eine davon.
Philip dreht sich kurz um und zischt Mark an: „Verpiss dich, du Angeber!“
Mark steht wie vom Donner gerührt da. Er weiß nicht, was er sagen soll und ist einfach nur wie vor den Kopf gestoßen. Seine Gedanken rasen nur so durch sein Hirn. Hat er was verkehrt gemacht? Hat er sich zu sehr in den Vordergrund gedrängt und damit Philip beleidigt, der es wohl gewohnt war, in dieser Internatsklasse als der Star zu gelten?
Aber ich muss doch zeigen, wie gut ich bin!, denkt Mark.
Er schleicht also nach links, um sich anzubieten, falls der Freistoß nicht direkt verwandelt, sondern vom Gegner abgewehrt wird oder schlicht abprallt. „Du bist nichts ohne die Mannschaft“, so hat er die Worte seines ersten Vereinstrainers immer noch im Ohr. „Fußball ist ein Mannschaftssport.“ Mark Behrend hat sich das immer zu Herzen genommen und darum stellt er sich auch jetzt in den Dienst der Mannschaft, so wie sich das gehört.
Aber jetzt greift der Trainer ein.
Rainer Grotzek kommt auf den Platz und rudert mit den Armen herum. Irgendetwas passt ihm nicht. Alle blicken zu ihm hin. Nur Philip nicht. Und gerade für den sind diese Handzeichen eigentlich gedacht. Aber Philip schaut weg. Er will nicht sehen, was der Trainer ihm mitteilen will.
„Philip, lass mal den Neuen den Freistoß ausführen!“, ruft Grotzek.
„Wieso das denn?“, faucht der Junge unbeherrscht. „Ist dieser Angeber jetzt der neue Ronaldo oder wie soll ich das verstehen?“
„Motz nicht herum und lass Mark den Freistoß ausführen!“, weist ihn der Trainer zurecht.
Philip wird dunkelrot im Gesicht. Er tritt den Ball weg. Nicht sehr doll und auch nicht weit. Er rollt nur zwei Meter über den Rasen und bleibt dann liegen. Aber er tritt ihn weg und das macht man eigentlich nicht.
Ehe ihn der Trainer zurechtweisen kann, dreht er sich um und geht.
„Philip?“
Er gibt keine Antwort. Tut so, als hätte er nichts gehört.
„Der kriegt sich schon wieder ein!“, meint der Assistenztrainer. Er heißt Werner, ist Anfang zwanzig, studiert Sport und macht diesen Job nebenbei. Er ist der Schiedsrichter und wenn es ein richtiges Spiel in einem Turnier wäre, dann müsste er Philip jetzt die gelbe Karte wegen unsportlichen Verhaltens zeigen.
„Philip, bleib hier!“, ruft Grotzek noch einmal.
Aber der geht stur wie ein Roboter in Richtung Umkleidekabinen.
„Der beruhigt sich schon wieder, Herr Grotzek“, meint Robert.
„Der soll endlich mal lernen sich zu beherrschen!“, murmelt Grotzek vor sich hin. Er kickt Mark den Ball zu. „Na los, führ den Freistoß aus!“, fordert er.
Mark legt sich den Ball zurecht. Aber gleichzeitig gehen ihm so viele Gedanken durch den Kopf. Wie soll er in diese Klasse und diese Mannschaft hineinkommen, wenn er Philip zum Feind hat? Er hat gesehen, wie die anderen auf Philip schauen, dass sie ihn beobachten, dass sie abwarten, was er tut oder sagt und dann erst selbst reagieren. Sie wissen, dass Philip der Beste ist und deshalb respektieren sie ihn.
Die Mauer muss von Werner ermahnt werden, weil sie sich zu weit nach vorne gemogelt hast. „Zwei Schritt zurück!“, sagt er. Ein allgemeines Murren ist die Antwort. Aber in diesen Dingen ist Werner sehr pingelig. Vor allem hat er ein gutes Auge, kann Entfernungen sehr genau schätzen.
Mark läuft an.
Er erwischt den Ball mit dem Innenrist. Es ist gar kein richtiger Schuss. Stattdessen streichelt er den Ball fast und gibt ihm einen Drall, der ihn unberechenbar macht. Der Ball fliegt in einem Bogen. Die Spieler, die die sich zur Mauer verhakt haben, schauen zu. Sie können nichts tun. Ihre Blicke folgen dem sich senkenden Ball. Der Torwart streckt sich, kommt aber nicht an das Leder, das im nächsten Moment im Netz ist.
„Bravo!“, ruft der Trainer. „Das war richtig gut, Mark! Das wollen wir hier jeden Tag von dir auf dem Platz sehen. Kriegst du das hin?“
„Ich werde mir Mühe geben!“, antwortet Mark.
Grotzek atmet tief durch, blickt auf die Uhr und nickt seinem Assistenten zu. „Schluss für heute, Werner!“
„Okay!“ Werner steckt die Schiedsrichterpfeife in den Mund, bläst die Backen auf und pfeift, dass einem die Trommelfelle platzen. Dreimal hintereinander. Das Zeichen dafür, dass das Spiel zu Ende ist. Außerdem deutet er mit beiden Händen in Richtung der Umkleidekabinen, sodass auch der Torwart auf der anderen Seite des Spielfeldes, der von dem Gespräch zwischen Grotzek und seinem Assistenten natürlich nichts mitbekommen hat, weiß, die Trainingseinheit ist jetzt vorbei.
Der Trainer ruft Robert Ngona zu sich.
„Was ist, Herr Grotzek?“
„Bei euch auf dem Zimmer ist doch ein Bett frei?“
„Ja.“
„Soweit ich weiß, kommt Mark zu euch.“
„Cool.“
„Du zeigst ihm alles, ja?“
„In Ordnung.“
„Seine Sachen sind noch bei mir im Büro. Kommt einfach vorbei und holt sie ab, wenn ihr umgezogen seid. Und dann hilf Mark etwas dabei, sich im Fußball-Internat zurechtzufinden.“
Robert nickt. „Das mache ich“, verspricht er.
Mark geht gleich duschen, denn er ist völlig verschwitzt. Er hat sich bei diesem Training voll reingehängt. Wenn die Probezeit vorbei ist, soll Rainer Grotzek ihn schließlich nicht aus seiner Liste streichen.
Mark weiß, dass er eine einmalige Chance hat.
Das Fußball-Internat Barnberg ist ein ganz normales Gymnasium, an dem die Schüler ganz normalen Unterricht haben – aber zusätzlich haben sie viermal in der Woche nachmittags Fußballtraining. Und das unter Anleitung der besten Fachleute! Regelmäßig kommen Spielerbeobachter großer Vereine aus ganz Europa, um sich die Spieler in den höheren Jahrgängen anzusehen. Und so manch einer hat da auch schon sein erstes Vertragsangebot für die Bundesliga bekommen.
Das ist natürlich auch Marks Traum.
Eines Tages mit dem Fußball den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Das, was er am liebsten tut, zum Beruf machen. Davon träumt er. Und die Aufnahme ins Fußball-Internat ist der erste Schritt dazu. Hier wird er so gefördert, dass er es schaffen kann. Vorausgesetzt das Talent reicht. Natürlich weiß er, dass es hier nicht zählt, dass er zu Hause im Verein der Beste war. Hier sind die Besten unter sich und es gibt viele, die Talent haben. Ob seines reicht, wird man sehen.
Er steht unter der Dusche und lässt das Wasser über den Kopf laufen. Dabei schließt er die Augen. Es kribbelt so schön auf seinem Kopf.
Er ist jetzt auf einer Schule, in der Fußball das Hauptfach ist! Noch vor ein paar Wochen hätte er davon kaum zu träumen gewagt. Er trocknet sich ab, geht in den Umkleideraum und beginnt sich anzuziehen.
Er hat etwas getrödelt. Die meisten anderen Jungs sind schon fertig.
Robert Ngona hat schon Jeans und T-Shirt an und seine Sportsachen sorgfältig zusammengepackt. Er sitzt da und wartet auf Mark.
„Wir sehen uns nachher!“, sagt Ibrahim Akman – einer der Schüler, dessen Name sich Mark schon merken konnte
„Klar!“, sagt Robert.
Ibrahim geht und dann sind nur noch drei Jungen in der Umkleide. Robert, Mark und Philip Derner. Der war heute sehr langsam beim Umziehen, obwohl er nicht einmal geduscht hat. Seine Haare kleben verschwitzt am Kopf und er hat sich noch nicht wirklich beruhigt. Sein Gesicht ist dunkelrot und auf seiner Stirn ist eine tiefe Furche. Er hebt eine Trinkflasche zum Mund und leert sie zur Hälfte. Dann spielt er mit dem Verschluss herum und kratzt mit den Fingernägeln an der Oberfläche. Die Geräusche, die dabei entstehen, kann man in den Ohren kaum ertragen.
„Komm, lass das!“, sagt Robert schließlich, als es ihm zuviel wird. „Das nervt!“
„Mir geht auch einiges auf die Nerven“, meint Philip. Dabei trifft sein Blick auf Mark. „Zum Beispiel dieser Angeber da vorne.“
Mark erwidert den giftigen Blick, den Philip ihm zuwirft. Er weiß nicht genau, wie er reagieren soll. Eigentlich würde er diesem Streit gerne aus dem Weg gehen. Aber er ahnt, dass das unmöglich ist.
„Er hat dir nichts getan“, sagt Robert an Philip gerichtet.
Philip steht auf und tritt Mark gegenüber. „Du hast Glück gehabt heute. Aber das ist auch alles. Du brauchst dir gar nicht erst etwas darauf einbilden!“
„Ich bilde mir auch nichts ein“, sagt Mark. „Das einzige, was ich versucht habe war, so gut wie möglich zu spielen.“
„Eins sage ich dir: Wenn du hier als der große Star auftrumpfen willst, dann wirst du schon sehen, was du davon hast!“
Damit dreht Philip sich um, nimmt seine Sachen und geht.
Die Tür fliegt hinter ihm zu, dass es knallt.
„Was mache ich verkehrt?“, fragt Mark.
„Du hast eben zwei Tore geschossen, das machst du verkehrt“, sagt Robert.
„Ich dachte, darum geht es hier im Fußball-Internat!“
„Natürlich“, nickt Robert. „Aber es ist für Philip wohl schwer zu verdauen, dass da jemand kommt, der ihm vielleicht Konkurrenz macht. Normalerweise schießt er die meisten Tore. Und vor allem schießt er die Freistöße. Es muss ihn ganz schön gewurmt haben, dass Herr Grotzek dir den Ball gegeben hat!“
„Ja, aber ich kann doch nichts dafür!“, verteidigt sich Mark. „Soll er doch sauer auf den Trainer sein, aber nicht auf mich! Ich habe schließlich mit dieser Entscheidung nichts zu tun!“
„Mir brauchst du das nicht zu sagen“, meint Robert Ngona. „Es kommt noch etwas hinzu, wovon du nichts wissen kannst …“
„Was?“, hakt Mark gleich nach.
Robert atmet tief durch. Ein richtiger Seufzer ist das, fast so als will er damit sagen: Wieso muss ausgerechnet ich hier den Vermittler spielen? „Du hast auf die Spielerbeobachter wohl einen ziemlich großen Eindruck gemacht. Auch auf Grotzek. Er hat dich mehrfach beobachtet und hier immer wieder erzählt, dass demnächst ein Super-Typ in unsere Klasse kommt, der unsere Auswahlmannschaft bei den nächsten Turnieren noch viel stärker machen wird! Als richtigen Star hat er dich angekündigt. Er hält ganz große Stücke auf dich und glaubt, dass du ein Riesentalent bist.“
„Und das kann Philip auch nicht ertragen?“, errät Mark.
Mark und Robert gehen anschließend zum Büro von Herrn Grotzek. Der sitzt hinter seinem Schreibtisch und macht sich Notizen über jeden seiner Spieler.
Mark kann die Liste mit den Namen sehen. Philip, Robert, Ibrahim … Er versucht seinen eigenen Namen zu finden, aber das gelingt ihm nicht. Vielleicht steht er auch noch gar nicht drauf. Jedenfalls sieht Mark lange Kolonnen von Plus- und Minus-Zeichen, die wohl Stärken und Schwächen bezeichnen, die der Trainer bei den einzelnen Spielern entdeckt hat und an denen er mit dem jeweiligen Jungen arbeiten will.
„Na, da seid ihr ja“, sagt Grotzek und schlägt die dicke Kladde zu, in der er seine Notizen einträgt. „Ich dachte schon, ihr taucht gar nicht mehr hier auf.“
„Hat etwas länger gedauert beim Umziehen“, sagt Robert.
„Macht ja nichts, wenn ihr euch schon etwas aneinander gewöhnt habt. Kameradschaft ist nämlich mit das Wichtigste bei uns.“
„Schon klar“, antwortet Mark. Aber wenn er an Philip denkt, dann kann es mit der Kameradschaft auch nicht soweit her sein, findet er.
„Einer für alle, alle für einen, verstehst du?“, fährt Grotzek fort. „Jeder muss notfalls für den anderen laufen. Man gewinnt zusammen und man verliert zusammen.“
„Ich weiß“, sagt Mark. „Fußball ist ein Mannschaftssport.“
„Hauptsache, du hast das begriffen“, erwidert der Trainer. „Es wird nämlich niemand ohne seine Mannschaft zum Star. Übrigens waren das zwei schöne Tore heute. Mach weiter so.“
Robert hilft Mark dabei, seine Sachen bis in das Zimmer zu schleppen, in dem er jetzt wohnen wird. Die Flure mit den Zimmern der Jungs sind von Herrn Grotzeks Büro ziemlich weit entfernt. Sie liegen auf der anderen Seite des Schulgeländes. Mehrere Gebäude gehören dazu, umgeben von einer Schutzmauer. Jenseits dieser Mauer befinden sich die Sportanlagen, Parkplätze und Bushaltestellen und ein Neubau, in dem vor allem Klassenräume eingerichtet worden sind.
„Der untere Bereich war früher mal ein Kloster“, sagt Robert.
„Richtig mit Mönchen und so?“
„Ja. Aber das war wohl im Mittelalter. Zwischendurch war hier auch mal ein Gefängnis, das aber geschlossen worden ist.“
Mark seufzt. „Schulen und Gefängnisse – vom Bauplan scheint das gut zueinander zu passen. Und was die fehlende Freiheit betrifft, so sehe ich da auch ein paar Ähnlichkeiten.“
Robert schaut Mark verwundert an. Sie stehen gerade mitten auf dem Innenhof und haben die halbe Strecke zum Westflügel geschafft, wo sich die Zimmer befinden. Er runzelt die Stirn. „Das klingt ja fast so, als hättest du was gegen die Schule!“
„Na ja …“ Mark zuckt die Schultern. „Aber mal ehrlich: Gehst du wirklich gerne hin und quälst dich jeden Tag mit irgendwelchen Mathe-Formeln oder Grammatiksachen herum? Englische Vokabeln brauche ich ja vielleicht mal, wenn ich irgendwann ein Angebot von Manchester oder Chelsea bekommen sollte – aber der Rest kann mir gestohlen bleiben.“
„Also da wo ich herkomme, in Ghana, gibt es Kinder, die nicht zur Schule gehen können, weil sie tagsüber als Schuhputzer oder Zeitungsverkäufer arbeiten müssen. Ich glaube, du weißt gar nicht, wie wichtig das ist, etwas zu lernen.“
„Du redest ja schon so wie meine Eltern!“
„Wenn das so ist, haben sie zumindest in dem Punkt Recht.“
Sie erreichen schließlich das Zimmer, in dem Mark einziehen sollte. Insgesamt vier Betten stehen hier.
„Vier-Bett-Zimmer?“, fragt Mark etwas erstaunt. „In dem Prospekt, den man uns über das Fußball-Internat gezeigt hat, war von zwei Betten pro Zimmer die Rede.“
„Das ist nur vorübergehend“, erklärt Robert.
„Wieso das denn?“
„Im Ostflügel wird im Augenblick renoviert. Deswegen können die Zimmer dort nicht genutzt werden und deshalb haben wir es hier etwas enger.“
„Verstehe …“
Robert streckt die Hand aus und deutet auf das Bett in der Ecke. „Da schläfst du. Der dritte Kleiderschrank gehört auch dir.“
„Und wer wohnt hier – außer dir – sonst noch?“
„Ibrahim Akman kennst du ja schon.“
„Allerdings. Ein toller Sturm-Partner. Und wer ist der Vierte hier?“
Robert druckst etwas herum. „Tja, das ist Philip Derner.“
Als er das hört, muss Mark erstmal tief durchatmen. „Das ist doch jetzt nicht wahr!“, stößt er hervor.
„Tut mir leid, im Moment gibt keine andere Möglichkeit. Ihr beide werdet wohl oder übel miteinander auskommen müssen.“
„Das kann ja heiter werden!“
Mark fängt an, seine Sachen auszupacken und in den Schrank zu hängen. „Ich hatte es auch erst nicht so leicht hier“, sagt Robert.
„Wieso das denn nicht?“
„Es ist immer dasselbe. Wir sollen zwar eine Mannschaft sein, aber andererseits kämpfen wir auch darum, wer von uns bei den Spielen aufgestellt wird! Am besten du konzentrierst dich einfach darauf, gut Fußball zu spielen, dann wird dich am Ende sogar Philip anerkennen müssen.“
„Ich hoffe, du hast recht!“
„Bestimmt!“, versichert Robert.
Auf dem Weg zum Abendessen begegnen Robert und Mark einem jungen Mann, dessen weißblond gefärbte Haare wie Stacheln in die Höhe stehen. Er trägt Jeans mit Löchern und schiebt eine Schubkarre über den Innenhof des Fußball-Internats.
„Wer ist das denn?“, fragt Mark.
„Er heißt Stefan und ist der Gehilfe von Herrn Bosetzky, dem Hausmeister. Ich sag dir, spätestens nach einer Woche kennst du hier jeden.“
Sie gehen in den Speisesaal.
Zwei von den Jungs haben immer Küchendienst. Das bedeutet, sie müssen schon etwas früher da sein und den Tisch decken.
Einer der beiden Jungen ist sehr groß. Größer als alle anderen. Deswegen ist er Mark schon auf dem Fußball-Platz aufgefallen. Er hat ein rundes Gesicht und trägt einen Mittelscheitel. „Er heißt Sören“, raunt Robert Mark zu. „Sören Meyer. Aber wir nennen ihn manchmal auch Seehund, weil er mit seinem Mittelscheitel wie ein Seehund aussieht.“
„Und der andere?“, fragt Mark.
Der Junge, der Sören hilft, ist der Kleinste von allen. Er ist dunkelhaarig und blauäugig. Die Haare trägt er zu einem spitzen Kamm gestylt. „Das ist Michael Koserski!“, erklärt Robert. „Der braucht morgens immer am längsten im Bad!“
„Ich kann mir schon denken, warum!“, grinst Mark.
„Im Winter kann es noch so kalt sein – der würde niemals eine Mütze tragen, weil dann sein Kamm kaputtgeht!“
In diesem Augenblick kommt Philip in den Speisesaal. Er war Tischtennis spielen und hat seinen Schläger noch bei sich. Bei den Sportanlagen außerhalb des Innenhofs gibt es ein paar fest installierte Platten, wo gespielt werden kann.
Er sieht Mark kurz an und dann zur Seite. Ein paar der anderen Jungs sind bei ihm. Darunter auch Ibrahim Akman. Mark nickt Ibrahim zu, aber auch der schaut jetzt weg.
Was ist denn mit dem los?, fragt sich Mark. Wahrscheinlich will er es sich mit Philip nicht verderben, wenn er freundlich zu mir ist.
Herr Grotzek kommt auch in den Saal.
Bevor das Abendessen beginnt, fassen sich alle an den Händen. „Wir halten zusammen. Einer für alle, alle für einen!“, sagen sie im Chor.
Mark will danach gleich zulangen und sich eine Scheibe Brot nehmen, aber Robert stößt ihn an. „Erst wenn der Grotzek ‚Guten Appetit’ sagt! Vorher nicht!“
Mark ist verwirrt, aber erinnert sich daran, dass seine Mutter ihm prophezeit hat, dass er im Internat schon Tischmanieren lernen würde! Zu Hause fängt er einfach an zu essen, sobald etwas auf dem Tisch steht. Aber hier herrschen andere Sitten und Mark weiß, dass er sich da anpassen muss.
Herr Grotzek will offenbar noch etwas sagen, bevor sich alle auf das Essen stürzen.
Es geht um das Spiel der Auswahlmannschaft am nächsten Samstag.
„Ihr wisst, dass dieses Spiel besonders wichtig ist“, beginnt er. „Ich werde mir in den nächsten Tagen ansehen, wer sich im Training wirklich reinhängt, um dann die Mannschaft aufzustellen. Es geht um alles oder nichts. Wenn wir nicht gewinnen, dann können wir uns nicht mehr für das große Europa-Turnier für Jugendmannschaften qualifizieren. Wir hätten in den letzten Begegnungen alles klar machen können, aber da wurden viele Chancen nicht genutzt und jetzt stehen wir genau da, wo ich befürchtet habe. Wir spielen gegen den Tabellenführer in unserer Gruppe und müssen mit zwei Toren Unterschied gewinnen, um uns zu qualifizieren. Ich möchte deswegen, dass bis dahin jeder von euch früh ins Bett geht. Keine nächtlichen Extratouren oder irgendwelchen Blödsinn! Ihr müsst ausgeruht sein. Außerdem will ich keine unnötige Raufereien oder irgendetwas anderes, wobei sich jemand verletzen könnte.“
Er macht eine Pause und blickt in die Runde. Es ist Herrn Grotzek sehr ernst und er will, dass es den Jungs genauso ernst ist.
„Wenn wir rausfliegen, wäre das Fußball-Internat Barnberg zum ersten Mal seit seinem Bestehen nicht bei diesem Turnier vertreten. Damit würdet ihr in die Geschichte dieser Schule eingehen – aber auf eine Weise, die euch wahrscheinlich nicht lieb ist. Also reißt euch zusammen und tut, was ich sage. Ach ja und noch was! Ab Freitagnachmittag gibt’s keine Getränke mit Kohlensäure mehr! Ich will nicht, dass ihr euch beim Spiel mit aufgeblähtem Bauch über den Platz schleppt und dauernd furzen müsst!“
Alle lachen.
Das ist auch der Sinn dieser Bemerkung, denn Herr Grotzek will die Stimmung zum Schluss etwas auflockern. Die Spieler sollen den Ernst der Lage erkennen, aber nicht vor Angst erstarren. „Guten Appetit“, sagt Herr Grotzek dann. Das ist das Signal dafür, dass das Essen beginnt, denn jetzt stürzen sich alle auf das Essen und Mark ist sich sicher, dass er nichts verkehrt macht, wenn er nun auch zugreift.
Als er fertig ist, will er aufstehen. „Kommst du mit aufs Zimmer?“, fragt er Robert. „Vielleicht können wir noch etwas rausgehen und Tischtennis spielen.“
„Moment, du kannst noch nicht gehen.“
„Wieso?“
„Du musst warten, bis das Abendessen beendet wird!“
Mark seufzt.
„Harte Sitten hier“, meint er.
„Wir fangen zusammen an und hören zusammen auf. Das ist hier so. Daran gewöhnst du dich.“
Mark denkt an zu Hause. Wenn er da nicht zum Essen kam, dann machte ihm seine Mutter hinterher alles noch mal warm. Und wenn er fertig war oder nichts essen wollte, konnte er einfach aufstehen und gehen. Oma meinte immer, dass Mark verwöhnt würde und seine Mutter nicht den persönlichen Butler für ihren Sohn spielen sollte. Das sei nämlich nicht gut für ihn. „Aber er ist mein einziges Kind!“, sagte Mama dann immer und Mark kann deshalb sicher sein, dass der Bedien-Service zu Hause fortgesetzt wird.
Aber jetzt begreift er, dass er diese Sonderrechte hier nicht bekommen wird.