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Er war verrückt nach ihr - bis die umwerfende Lydia ihn plötzlich sitzen ließ. Jetzt findet Ian McNeill heraus, dass sie die geheimnisvolle Fremde ist, die seine Familie in Verruf bringt. Diese Frau macht ihn wirklich rasend. Wenn sie nur nicht so unwiderstehlich wäre …
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Seitenzahl: 190
IMPRESSUM
Gefährlich, geheimnisvoll - und unglaublich sexy erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Joanne Rock Originaltitel: „The Magnate’s Marriage Merger“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 393 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein
Umschlagsmotive: VitalikRadko / Depositphotos
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733717506
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Du hast sie gefunden?“ Ian McNeill, der in seinem Büro im Hauptsitz der McNeill Resorts im New Yorker Financial District saß, blickte von der Akte auf zu dem Privatdetektiv.
Ian war noch keine vierundzwanzig Stunden zurück in den Staaten gewesen, als er die Nachricht bekam, dass der Detektiv, den er vor zwei Monaten engagiert hatte, mit Neuigkeiten auf ihn wartete. Ians älterer Bruder Quinn hatte ihn bei der Suche nach einer Heiratsvermittlerin aus Manhattan um Hilfe gebeten. Die Dame hatte versucht, den jüngeren Bruder der beiden Männer, Cameron, mit einer berühmten Ballerina zu verkuppeln. Das klang zwar recht harmlos, aber die „Braut“ hatte keine Ahnung davon gehabt, dass sie Cameron treffen würde, und es hatte einen öffentlichen Skandal gegeben.
Das allein war schon schlimm.
Doch dann hatte die ominöse Heiratsvermittlerin am nächsten Tag auch noch ihre Agentur geschlossen, und Ian hatte innerhalb einer Woche entdeckt, dass sie einen falschen Namen benutzt und eine Assistentin ihre Arbeit erledigt hatte. Die Frau selbst war wie vom Erdboden verschluckt gewesen.
Bis jetzt.
„Das ist sie.“ Bentley, der Privatdetektiv, deutete auf die geschlossene Akte auf Ians Schreibtisch. Der Mann war im College sein Zimmergenosse gewesen, und Ian vertraute ihm. Bentleys Spezialgebiet war digitale Forensik, doch manchmal übernahm er nebenbei einen Auftrag. Entweder weil er interessant war, oder, wie in diesem Fall, für einen Freund. Mit seinem glattrasierten Gesicht, der Drahtbrille und der ausgeblichenen Cargohose wirkte Bentley eher wie ein Teenager, der seine Zeit mit Computerspielen verbrachte, als wie ein erfolgreicher Unternehmer. „Es ist kein Wunder, dass sie ein Pseudonym für ihre Heiratsvermittlertätigkeit benutzt hat. Ihr richtiger Name ist in Manhattan sehr bekannt.“
Ian zog die Akte näher, tippte mit dem Finger auf das Deckblatt.
„Die New Yorker Regenbogenpresse hat im letzten Winter gute Umsätze erzielt, als die Frau einen Basketballspieler von den Brooklyn Nets mit einer Modebloggerin verkuppelt hat und man versuchte, ihre Identität herauszufinden“, sagte Bentley. Die geheimnisvolle Matchmakerin war verantwortlich für eine Reihe von hochkarätigen Verbindungen zwischen den Reichen und Schönen. Und die New Yorker Gesellschaft versuchte herauszufinden, wer sich hinter dem falschen Namen verbarg.
Neugierig lehnte sich Ian in seinem Chefsessel aus kirschrotem Leder zurück, die Akte in der Hand. Die späte Morgensonne schien durch die großen Fenster. Ian holte tief Luft und öffnete den Aktendeckel.
Er blickte auf ein dreizehn mal achtzehn Zentimeter großes Glanzfoto seiner Ex-Geliebten.
Lydia Whitney lächelte ihn mit diesem Mona-Lisa-Lächeln an, in das er sich vor einem Jahr unsterblich verliebt hatte – bevor sie nach einem heftigen Streit aus seinem Leben verschwunden war.
Ian lief es kalt über den Rücken.
Er setzte sich aufrecht hin und deutete auf das Foto.
„Willst du mich auf den Arm nehmen?“ Er hatte Bentley nicht von seiner kurzen Affäre mit Lydia erzählt, doch der Mann war darauf spezialisiert, Spuren im Netz aufzudecken. Er musste bei seinen Nachforschungen über eine Verbindung zwischen ihnen gestolpert sein.
„Was meinst du?“ Bentley runzelte die Stirn und beugte sich vor, als wollte er nachprüfen, was Ian sich gerade ansah. Er schob seine Brille ins Haar. „Das ist sie. Lydia Whitney. Sie ist die uneheliche Tochter eines milliardenschweren Kunstsammlers und einer heißen Krankenschwester, die er eingestellt hat, bevor er starb. Lydias Mutter hat Erbansprüche geltend gemacht und jahrelang gegen die Familie prozessiert.“
Ians Schultern verspannten sich.
„Ich weiß, wer sie ist.“ Verdammt. Er musste nur auf Lydias Foto blicken – die sinnlichen Lippen, die Grübchen, das glatte dunkle Haar, das wie Seide über eine Schulter floss – und schon wurde die Vergangenheit wieder lebendig. Die besten Wochen seines Lebens hatte er erlebt, als diese jadegrünen Augen in seine blickten. „Ich möchte wissen, warum zum Teufel ein Foto von ihr in dieser Akte ist.“
„Ian.“ Bentley richtete sich auf. Er nahm die Brille vom Kopf und steckte sie in die Brusttasche seines olivgrünen Hemds. „Ich sollte die Kupplerin finden, die den Namen Mallory West benutzt – die Frau, die sich hinter einem Pseudonym versteckt hat, als sie für Mates gearbeitet hat. Das ist ein elitärer Datingservice in Manhattan. Voilà, das ist sie.“
Langsam begriff Ian. Vielleicht war es auch Bentleys Gesichtsausdruck, der ihn einen zweiten Blick auf die Akte werfen ließ. Bentley war nicht der Typ, der andere auf den Arm nahm. Er war eher sachlich und schien es wirklich ernst zu meinen.
Ians Blick fiel wieder auf Lydias makellose Haut. Er blätterte weiter, um zu sehen, was die Akte sonst noch enthielt. Das erste Blatt war eine Chronik der Ereignisse im Februar, als „Mallory West“ Cameron McNeill mit der Ballerina Sofia Koslov zusammengebracht hatte. Es gab Notizen über Mallorys Assistentin Kinley, die zwar eingeräumt hatte, dass Mallory ein Pseudonym war, sich aber geweigert hatte, die wahre Identität ihrer Chefin preiszugeben. Weiter gab es Notizen über Kinleys Aufenthaltsorte, einschließlich Fotos von Treffen zwischen Kinley und Lydia an verschiedenen Orten in der Upper East Side – wo Lydia wohnte, wie Ian wusste.
„Lydia Whitney ist die geheimnisvolle Heiratsvermittlerin?“
Lydia hatte die leidenschaftlichste Affäre seines Lebens beendet, als sie Ians Profil auf einer Dating-Webseite entdeckt hatte. Er hatte ihre Wut verstanden, aber fälschlicherweise angenommen, sie würde sich seine plausible Erklärung anhören. Er hatte das Profil weder selbst gepostet noch den Account angelegt. Er hatte eine hitzige Debatte mit seinem Großvater geführt.
Grandpa Malcolm McNeill war darauf fixiert, dass seine Enkel heirateten, und hatte eine entsprechende Klausel in sein Testament geschrieben. Keiner seiner Enkel würde ein Drittel des Weltunternehmens erben, wenn er nicht mindestens zwölf Monate verheiratet war. Diese Klausel hatte Cameron veranlasst, eine Frau über eine Heiratsvermittlung zu finden, was zu dem Fiasko mit Sofia Koslov geführt hatte. Doch den Druck, zu heiraten, hatten sie schon vorher zu spüren bekommen. Und das hatte zu Ians spontaner Zustimmung geführt, dass sein Profil auf eine Dating Webseite gestellt wurde. Dann hatte er aber nichts mehr davon gehört und die Sache vergessen.
Lydia hatte sich um seine Erklärung nicht geschert. Sie war wütend gewesen, hatte ihn des Verrats beschuldigt und jeglichen Kontakt abgebrochen. Was, wenn sie in die Branche der Heiratsvermittler gegangen war – in dieselbe Agentur, die sein Großvater beauftragt hatte –, um Ian zu ärgern? In den Monaten nach ihrer Trennung hatte Ian tatsächlich einige seltsame Vorschläge für Dates bekommen, die er ignoriert hatte. Hatte vielleicht Lydia dahintergesteckt?
„Ich war auch überrascht“, sagte Bentley. Er trat ans Fenster und blickte hinaus auf den Fluss und den Battery Park. „Ich dachte, Mallory West wäre jemand aus der Park Avenue. Eine ältere, anerkannte Dame der Gesellschaft mit guten Verbindungen zu ihrer Klientel.“ Der Privatdetektiv lehnte mit einer Schulter am Fensterrahmen.
„Sie hat früher als Innenarchitektin gearbeitet“, entgegnete Ian. Er legte die Akte zur Seite, bevor er noch mehr über die Beziehung preisgab, von der er niemandem erzählt hatte. „Weißt du, ob sie das immer noch tut?“
Er musste darüber nachdenken, wie er mit diesem Problem umgehen sollte. Eigentlich hatte er Vitali Koslov, den Vater der Ballerina, über Mallory Wests wahre Identität informieren wollen. Koslov hatte vor, die Heiratsvermittlerin zu verklagen, weil sie seiner Tochter so viele geschmacklose Schlagzeilen beschert hatte. Aber jetzt, da Lydia die geheimnisvolle Vermittlerin war? Ian wollte in dieser Angelegenheit selbst noch ein paar Nachforschungen anstellen.
„Ja. In dem Jahr, als sie als Heiratsvermittlerin gearbeitet hat, hat sie weiterhin Aufträge als Innenarchitektin angenommen. Und seit sie nicht mehr im Datingservice aktiv ist, arbeitet sie wieder mehr in ihrem eigentlichen Beruf. Außerdem widmet sie viel Zeit dem Netzwerk alleinerziehender Mütter. Steht alles in dem Bericht.“
„Alleinerziehende Mütter?“ Ian öffnete die Akte wieder und blätterte sie durch.
„Moms’ Connection. Lydia spendet viel Geld für Windeln und Lebensmittel. Wie auch immer, das Geheimnis ist gelöst, und ich habe einen Termin in der Stadt, den ich nicht verpassen darf. Wir sind fertig, oder?“
„Sicher. Meine Assistentin kümmert sich um die Bezahlung.“ Ian stand auf und reichte seinem Freund die Hand. „Ich danke dir, dass du dich darum gekümmert hast.“
„Gern geschehen. Und ich verzichte auf die Bezahlung, wenn du mir einen Termin bei deinem Bruder Cameron besorgst.“
„Bei Cam?“ Ian runzelte die Stirn. Hatte sein Freund die Brüder verwechselt? „Der Hedgefonds-Manager ist Quinn. Denkst du an Investitionen?“
„Nein. Ich möchte Cameron treffen. Ich habe gehört, dass er an einem neuen Videospiel arbeitet, und ich habe ein paar Ideen, um die Grafiken zu beschleunigen. Ich arbeite lieber mit einem unabhängigen …“
„Wird erledigt.“ Ian hatte keine Lust, sich auf eine Diskussion im Technikjargon einzulassen, doch er wusste, dass sein jüngerer Bruder Bentleys Sprache sprach. Cameron war der Techniker in der Familie. Er besaß neben seinem Job bei den McNeill Resorts ein Unternehmen, das Videospiele entwickelte. „Ich sage ihm, dass er sich bei dir melden soll.“
Ian brachte seinen Freund zur Tür und nahm dann wieder das Foto von Lydia Whitney zur Hand. Erneut hatte er dieses komische Gefühl. Er musste sie persönlich treffen, um herauszufinden, was wirklich los war. Er hatte geglaubt, sie wären für immer miteinander fertig, als sie die Affäre im letzten Frühjahr beendet hatte. Aber offensichtlich gab es zwischen ihnen noch unerledigte Dinge.
Ian drehte sich auf dem Absatz seiner italienischen Lederschuhe herum und rief über die Gegensprechanlage seine Assistentin zu sich. Sekunden später erschien Mrs. Trager, ihr Tablet in der Hand.
„Ja, Mr. McNeill?“
„Ich brauche einen Beraterauftrag. Das Honorar spielt keine Rolle und auch nicht, wo auf der Welt ich arbeite, solange es ein Projekt ist, bei dem Lydia Whitney die Inneneinrichtung übernimmt.“
Trotz der höchst ungewöhnlichen Bitte verzog Mrs. Trager keine Miene. „Ich habe gerade auf einer Architekturseite gelesen, dass Miss Whitney kürzlich von Singer Associates für eine Hotelrenovierung in South Beach engagiert worden ist.“ Sie gab etwas in ihr Tablet ein.
„Gut.“ Er kannte Jeremy Singer gut. Der Mann kaufte nur ganz besondere Anwesen, die er in Gourmettempel verwandelte. „Ich werde Jeremy selbst anrufen. Sobald ich mit ihm gesprochen habe, werde ich Ihnen sagen, wie schnell ich einen Flug brauche.“
„Sehr gut.“ Seine Assistentin klemmte das Tablet unter den Arm. „Ich habe Ihnen gerade einen Artikel über das Anwesen geschickt.“
„Danke.“ Als Mrs. Trager das Büro verließ und die Tür hinter sich schloss, nahm in Ians Kopf schon ein Plan Gestalt an.
Er hatte Lydia vor etwas über einem Jahr bei der Arbeit an einer einzigartigen Immobilie kennengelernt. Die enge Zusammenarbeit hatte bedeutet, dass sie viele Stunden in der Gesellschaft des anderen verbrachten. Sobald Lydia merkte, mit wem sie in South Beach zusammenarbeiten würde, könnte sie versuchen, sich von dem Singer-Projekt zu lösen, aber sie war zu professionell, um sich einfach aus dem Staub zu machen.
Was Ian zumindest ein paar Tage gab, herauszufinden, was zum Teufel mit Lydia Whitney los war.
Sie hatte unter anderem Namen Rache an ihm geübt, so schien es, und er würde sie darauf ansprechen. Aber eins nach dem anderen, zuerst musste er in ihre Welt zurückkehren, ohne dass sie gleich die Flucht ergriff. Sobald er sie im Blick hatte, würde er überlegen, wie er es ihr heimzahlen konnte.
Wütend, wie er war, wollte Ian sich alle Möglichkeit offenhalten.
Lydia Whitney legte den Kopf in den Nacken und genoss die warme Sonne von Miami. Um acht Uhr morgens war das Wetter noch angenehm. Später würde es heiß und schwül werden. Sie startete den Tag mit einer Tasse Kaffee auf der Terrasse des News Café am Ocean Drive. Vom Meer her wehte eine leichte Brise. Gleich würde sie ihren neuen Job in South Beach antreten.
Das Rauschen des Meeres vermischte sich mit dem Rauschen der Palmwedel, es herrschte reger Fußgängerverkehr, auch wenn der Juni eine touristisch ruhigere Zeit war. Die Tische neben ihr waren frei, deshalb hatte sie nicht das Gefühl, sich mit dem Kaffee oder ihrem Frühstück beeilen zu müssen. Niemand lauerte auf ihren Tisch. Sie konnte sich mit der Zeitung Zeit lassen und sich über das gesellschaftliche Leben in Manhattan informieren.
Wäre sie mit Leib und Seele Innenarchitektin gewesen, hätte sie sich vielleicht über die Renovierungsarbeiten an einem anderen Hotel in South Beach informiert. Stattdessen las sie die Gesellschaftsseite mit demselben lebhaften Interesse, mit dem andere Frauen sich die Realityshow Real Housewives ansahen. Sie saugte alle Namen und Orte in sich auf, prüfte, wer gerade wieder Single oder frisch verlobt war. Dies alles war höchst wichtig, denn in ihrem geheimen zweiten Job verkuppelte sie Manhattans begehrteste Junggesellen und Junggesellinnen. Es war ein Job, der sie nicht losließ, auch wenn sie den erstklassigen Datingservice hatte verlassen müssen, der es ihr erlaubt hatte, unter dem Pseudonym „Mallory West“ zu arbeiten.
Es hatte im letzten Winter einen kleinen Skandal gegeben, der Lydia gezwungen hatte, die Stadt zu verlassen und eine kurze Auszeit vom Matchmaking zu nehmen. In ihrem Leben hatte es schon zu viele Skandale gegeben, als dass sie sich einen weiteren hätte leisten können. Deshalb hatte sie sich in den letzten Monaten ganz auf ihre Arbeit als Innenarchitektin konzentriert, wobei sie die Spekulationen der Boulevardpresse über die wahre Identität von Mallory West ignoriert hatte. Aber die spannende Aufgabe und das lukrative Einkommen hatten ihr gefehlt. Sie spendete das Geld aus ihrem zweiten Job zu hundert Prozent einer wohltätigen Vereinigung, die ihr sehr am Herzen lag.
„Noch einen Kaffee?“ Eine schlanke blonde Kellnerin in einem schwarzen T-Shirt und Shorts blieb mit einer Kaffeekanne und mehreren Speisekarten an ihrem Tisch stehen.
„Nein, danke.“ Automatisch schaltete Lydia ihr Tablet aus. Sie war daran gewöhnt, ihre Privatsphäre immer zu schützen. „Ich bin gleich fertig. Sie könnten mir die Rechnung bringen.“ Sie sollte zu dem ersten Treffen frühzeitig kommen, auch wenn sie sich nicht besonders darauf vorbereitet hatte.
Singer Associates, das Unternehmen, das sie engagiert hatte, um die Innenausstattung des denkmalgeschützten Foxfire Hotels instand zu setzen, hatte ihr auch den Job gegeben, bei dem sie damals Ian McNeill kennengelernt hatte. Leider. Denn die unselige Affäre mit Ian hatte ihr das Herz gebrochen.
Was natürlich nicht Jeremy Singers Schuld gewesen war.
Sie schlang den Rest ihres Frühstücks hinunter und schwor sich, morgen früher zum Frühstück zu kommen, damit sie die Menschen am Ocean Drive beobachten konnte. Die meisten ihrer heiratswilligen Kunden flüchteten zu dieser Zeit des Jahres in die Hamptons oder nach Europa, nicht nach Miami. Aber es gab in South Beach immer interessante Reisende aus der ganzen Welt, egal zu welcher Jahreszeit. Ganz zu schweigen von den jungen Models, die es hier wie Sand am Meer gab. Und reiche Männer waren immer an Models und Schauspielerinnen interessiert. Es konnte nicht schaden, Augen und Ohren offenzuhalten, solange sie in der Stadt war.
Lydia nahm ihre Tasche, bezahlte die Rechnung und rief dann auf dem Weg zum Foxfire Hotel ihre Assistentin in New York an.
„Guten Morgen, Lydia.“ Ihre Assistentin Kinley nahm den Anruf mit dem üblichen Arbeitseifer entgegen. Die junge Frau saß schon kurz nach Tagesanbruch an ihrem Schreibtisch. Eine Leistung, die durch den Umstand erleichtert wurde, dass sie für einen symbolischen Betrag Untermieterin in Lydias Apartment in Manhattan war. „Brauchen Sie noch irgendetwas für das Treffen heuten Morgen?“
„Nein, danke. Ich habe alles. Aber mir kam der Gedanke, dass ich für unser zweites Geschäft einige Kontakte knüpfen könnte, solange ich hier bin.“ Lydia blieb vor dem Foxfire stehen. Sie wusste, dass Kinley verstand, was sie meinte. „Sie könnten herausfinden, wer in diesem Monat in South Beach ist, und mir dann Einladungen zu ein paar fröhlichen Partys organisieren.“
„Sie meinen, wir können wieder in die Dating-Welt eintauchen?“, fragte Kinley.
„Ich denke, wir haben uns lange genug bedeckt gehalten.“ Lydia hatte aufgehört, bei einer großen Datingagentur zu arbeiten, als Kinley einen bedeutenden Kunden mit einer Ballerina verkuppelte, die keine Ahnung davon gehabt hatte, dass sie auf einer Liste potentieller Bräute gelandet war.
Nicht Kinley hatte die Sache verpatzt, sondern die Heiratsvermittlerin der Tänzerin. Sie hatte ihre Kundin in der falschen Datenbank gelistet. Der Vorfall hatte es in den Gesellschaftsteil der New Yorker Zeitungen geschafft und „Mallory West“ als mögliche Verantwortliche hingestellt. Statt die Aufmerksamkeit auf sich und ihr Geschäft zu ziehen, hatte Lydia sich einfach aus der Welt der Heiratsvermittlung zurückgezogen – hauptsächlich, weil der bedeutende Kunde Ian McNeills jüngerer Bruder Cameron gewesen war. Lydia wollte die Aufmerksamkeit ihres früheren Geliebten nicht auf sich ziehen, nun da sie endlich über die Trennung hinweggekommen war … mehr oder weniger.
Und über die Fehlgeburt, von der sie ihm nie erzählt hatte. Der Gedanke daran schmerzte immer noch, doch der Schmerz war erträglicher geworden.
„Das ist Musik in meinen Ohren.“ In Kinleys Stimme schwang ein Grinsen mit. „Ich habe unsere Akten für diesen Moment auf dem neuesten Stand gehalten. Damit wir sofort loslegen können, wenn Sie das Okay geben.“
„Ausgezeichnet. Dann machen Sie ein paar Partys in South Beach ausfindig.“ Sie sah auf ihre Uhr. „Ich melde mich nach dem Meeting bei Ihnen.“
„Alles klar. Viel Glück.“ Kinley legte auf.
Lydia betrat das Gebäude. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die plötzliche Dunkelheit. Das Hotel war geschlossen, seit das Anwesen in andere Hände übergegangen war.
„Hier entlang, Ma’am.“ Ein älterer Mann in sauberen Jeans und gelbem Helm zeigte ihr den Weg in den hinteren Teil der Lobby. „Sie müssen die Dame sein, die ein Meeting mit dem neuen Eigentümer hat.“ Als sie nickte, reichte er ihr die Hand. „Ich bin Rick, der Vorarbeiter.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sie hatte schon früh gelernt, dass es von Vorteil war, sich mit dem Vorarbeiter gutzustellen, denn er hatte das Projekt üblicherweise besser im Griff als jeder andere.
„Wir haben Ihnen einen Tisch im Innenhof aufgestellt.“ Er deutete auf zwei Glastüren. „Dort hindurch.“
„Danke.“ Sie schob den Riemen ihrer Tasche über die Schulter und fuhr mit den Händen über ihr türkisblaues Etuikleid. Sie wünschte, sie wäre noch einmal auf die Toilette gegangen, bevor sie das News Café verließ, um ihren Lippenstift nachzuziehen und ihre Frisur zu prüfen. „Es ist ein wunderschöner Tag, um draußen zu sein.“
„Vielleicht noch eine Stunde lang.“ Rick kicherte. „Ihr New Yorker mögt die Hitze, bis ihr mal ein paar Tage im Sommer hier wart.“
Ja, da war etwas Wahres dran. Heute Nachmittag würde sie vermutlich dahinschmelzen. Lydia dankte dem Mann und ging weiter. Sie entdeckte einen Korbsessel etwas abseits des großen schmiedeeisernen Tisches und war froh, früh gekommen zu sein. So konnte sie den Korbsessel an den Tisch ziehen und musste nicht die ganze Zeit auf einem harten schmiedeeisernen Stuhl sitzen.
Ein kleiner Springbrunnen plätscherte leise im Innenhof, Zwergpalmen standen zwischen etwas größeren Pflanzen. Zwei grüne Papageien kreischten. Ein Sonnensegel spendete Schatten, ohne die Sonne völlig auszusperren.
„Lydia.“ Sie riss den Kopf herum. Seit einem Jahr hatte sie diese Baritonstimme nicht mehr gehört. Das konnte nicht sein!
„Ian?“ Sie spürte wieder diesen Schmerz, doch stärker als heute Morgen, als sie an die Fehlgeburt gedacht hatte.
Ian McNeill stand neben einem Teewagen im mexikanischen Stil, der beladen war mit silbernen Eiskübeln und kalten Getränken. Er hatte die starken Arme über der Brust verschränkt. Sein dunkler Teint, das Erbe seiner brasilianischen Mutter, ließ seine Augen noch heller strahlen. Sein dunkles Haar war an den Seiten kurz geschnitten, oben etwas länger. In seinem dunklen Anzug, dem grauen Hemd und der farblich passenden Krawatte sah er sehr gepflegt aus.
Ian McNeill. Der Liebhaber, der ihr das Herz gebrochen hatte. Der Mann, der weiterhin Mitglied in einer Singlebörse geblieben war, als sie bereits zusammen gewesen waren. Seinetwegen hatte sie sich auf das Machmaking-Geschäft eingelassen, damit sie ihm Dates mit völlig unpassenden Frauen vermitteln konnte. Dieses alberne Bedürfnis nach Rache war jedoch verflogen, nachdem sie ihr Baby verloren hatte. Es war also ein unglücklicher Zufall gewesen, dass sie Ians Bruder mit der berühmten Ballerina zusammengebracht hatte.
Wie viel wusste Ian von der Geschichte?
„Schön, dich zu sehen, Lydia.“ Er näherte sich ihr mit der Anmut eines Athleten. „Ein Vergnügen, wieder mit dir zusammenzuarbeiten.“
Er hielt ihren Blick einen langen Moment gefangen, während sie darüber nachdachte, was er mit „Vergnügen“ meinte. Die Wortwahl war kein Zufall gewesen. Ian war der strategischste Mann, den sie je kennengelernt hatte.
„Ich wusste nicht …“ Sie stockte, versuchte zu verstehen, wie sie einen Job hatte annehmen können, bei dem Ian McNeill eine Rolle spielte. „Ich meine, Jeremy Singer hat mir nicht gesagt …“
„Er und ich sind übereingekommen, gegenseitig Begutachtungen bei einigen zufällig ausgewählten Projekten durchzuführen – eine Idee, die wir kürzlich hatten, um die Projektmanager auf Trab zu halten und das Arbeitsumfeld zu beleben.“ Ian brachte eine Flasche Wasser an den Tisch und zog dann den Korbsessel für sie heran. „Ich habe mich gefreut, als ich hörte, dass du hier arbeiten wirst. Wir arbeiten so gut zusammen.“
Er hielt ihr den Stuhl. Wartete.
Ihr Herz schlug wie verrückt. Sie konnte keinen Job annehmen, bei dem sie unter Ian arbeiten würde.
Oh Gott.
Sie konnte nicht einmal daran denken, unter Ian zu sein, ohne dass sie heiße Wangen bekam.
Und natürlich entging ihm nicht, dass sie rot wurde.
Und als der Hauch eines Lächelns seinen Mund umspielte, da war Lydia klar, dass seine Anwesenheit kein Zufall war, sondern Absicht. Sie konnte nicht sagen, woher sie es wusste. Es war ein reines Bauchgefühl. Aber irgendetwas in Ians Gesichtsausdruck sagte ihr, dass ihr Gefühl sie nicht täuschte.
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren. Um ihm zu sagen, dass sie unter keinen Umständen zusammenarbeiten würden. Aber genau in diesem Moment wurde die Glastür geöffnet, und der Planungsingenieur erschien zusammen mit dem Vorarbeiter Rick. Ihnen folgten zwei Frauen, die Lydia nicht kannte. Sie waren in ein Gespräch über die Geschichte des Foxfire vertieft.
Lydias Blick fiel auf Ian, doch die Gelegenheit, ihm zu sagen, was sie von seinem Manöver hielt, war vertan. Sie würde dieses Meeting durchstehen müssen und dann mit Jeremy Singer sprechen, da sie es sich nicht leisten konnte, den Job einfach hinzuschmeißen.
Aber auf keinen Fall konnte sie mit dem Mann zusammenarbeiten, der sie betrogen hatte.
Auch wenn sie sich mehr denn je zu ihm hingezogen fühlte.