Gefährliche Geschäfte - Solveig Schuster - E-Book

Gefährliche Geschäfte E-Book

Solveig Schuster

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Beschreibung

Ein mysteriöser Fahrradklau und der Einbruch bei Mark Atkins, Projektleiter eines großen Pharmakonzerns, führen Kommissar Sander auf die Spur eines äußerst seltsamen Falles. Wie sich bald herausstellt, enthält der aus Atkins Wohnung verschwundene Laptop brisante Dateien, deren Verlust nicht nur für den Pharmariesen eine erhebliche Gefahr bedeuten, sondern auch die Beziehung zu seiner Freundin und Kollegin Sarah Bernhard auf eine harte Probe stellen. Ein Mord auf offener Straße und ein Helikopterabsturz sorgen dafür, dass sich schon bald wichtige Puzzleteile aneinanderfügen. Doch je tiefer Kommissar Sander in die Geschichte eintaucht, desto mehr droht ihm der Fall zu entgleiten.

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Solveig Schuster

Gefährliche Geschäfte

Kommissar Sanders größter Fall

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Impressum neobooks

Kapitel 1

Flüchtig drückte Mark Atkins Sarah einen Kuss auf die Wange. Dann rollte er seinen Stuhl eng an den Schreibtisch heran und drehte seinen Kopf zurück zum Bildschirm. Seine linke Hand ergriff eilig die Computer-Maus, während die rechte über die Tastatur flog und eine Buchstabenkombination eintippte. Sarah bemühte sich nicht weiter um Marks Aufmerksamkeit. Sie wusste, dass das in diesen Momenten zwecklos war. „Bis später“, hauchte sie und strich Mark von hinten mit der Hand durch seine schwarzen kurzen Haare. Mark nickte, ohne sich nochmals umzusehen. Er schob mal wieder eine Sonderschicht. Er hatte für seine Firma "Biomedicines" einen Großauftrag an Land gezogen. Es ging um die Entwicklung einer Bio-Prothese. Und sollte sie auf dem Markt zugelassen werden, um viel Geld. Mark stand kurz vor dem Durchbruch. Die Tests der vergangenen Wochen waren durchweg positiv. Sarah wusste das. Als Laborantin war sie an den Untersuchungen und Experimenten beteiligt. Trotzdem fand sie, dass Mark sich zu intensiv um die Firmenangelegenheiten kümmerte. Sein oder ihr Privatleben kam viel zu kurz. Sarah schlug ihren langen schwarzen Schal um den Hals und schritt zur Tür. „Lass mich nicht warten“, rief sie ihm zu und verschwand.

Mark starrte auf seinen Bildschirm. Die Ergebnisse der letzten Tests waren gut, stellten ihn aber noch nicht zufrieden. Die Beschaffenheit des Materials war seiner Ansicht nach noch nicht optimal. Es zersetzte sich zu schnell und führte im Körper vereinzelt zu Nebenwirkungen, die die Zulassung des Produkts gefährdeten. „Kann ich helfen?“ Mark zuckte zusammen und fuhr herum. Hinter ihm stand Jan Möller, Marks Assistent. Mark hatte nicht bemerkt, dass er zu ihm herangetreten war. Jan Möller war ein hochgewachsener Mann, Anfang Vierzig, mit leicht ergrautem Haar. Vom Mund bis zu den Ohrläppchen zog sich ein ungepflegter Dreitagebart. Seine blauen Augen standen ziemlich dicht zu einander, sie lukten verschmitzt unter recht buschigen ebenfalls allmählich ergrauenden Augenbrauen hervor. Jan grinste. „Warum so schreckhaft?“ fragte er und legte Mark eine Hand auf die Schulter. Mark beugte seine Schulter, um sich der Hand zu entledigen. „Nein, mach' Feierabend“, erwiderte er, ohne auf Jans Bemerkung näher einzugehen. Jan Möller war nicht gerade so etwas, was man einen guten Freund nennt. Mark betrachtete ihn als Rivalen. Er wusste, dass Jan seiner Freundin Sarah nachstellte, seit sie in die Firma gekommen war. Jan Möller klopfte Mark nochmals freundschaftlich auf die Schulter, wich aber noch immer nicht von seiner Seite. Seine Augen scannten Marks Computer, dann ihn selbst. Mark war ein baumlanger Kerl, ziemlich hager, aber gut trainiert. Leidenschaftlicher Mountainbiker. Jan hingegen liebte schnelle Autos, er war auch schlank und sportlich, jedoch weniger verbissen. Vielleicht war es das, was den Unterschied zwischen beiden ausmachte. Mark hatte den entsprechenden Ehrgeiz, der ihm die Türen öffnete. Schon im Studium hatte Mark die Nase vorn, jetzt war er Projektleiter, Jan nur ein kleiner Assistent. Und Mark hatte Sarah, was Jan noch weniger gefiel. Mark schloss seine Dateien und schaltete den Computer ab. Dann sah er zu Möller auf. „Es ist okay. Du kannst gehen!“ fuhr er ihn an. Er mochte es nicht, wenn man ihm bei der Arbeit zusah. Und noch weniger mochte er es, wenn Jan Möller dies tat. Jan nickte. „Okay“, antwortete er ruhig. Dann trat er einen Schritt zurück, dann noch einen, drehte sich um und ging.

Kapitel 2

Sarah hatte das Firmengelände noch nicht verlassen. Sie stand auf dem Parkplatz vor dem Haus und öffnete gerade die Tür ihres dunkelblauen BMW. Jan erkannte sie auf jede Entfernung. „Hey Sarah, warte mal“, rief er und rannte zu ihr hinüber. Sarah zögerte. Sie wusste, dass es Mark nicht gefiel, wenn sie sich auf ein Gespräch mit Möller einließ. Andererseits genoss sie es, dass er sie umwarb. Es schmeichelte ihr und erhöhte nicht zuletzt ihren Marktwert. Mark war sehr eifersüchtig, vielleicht ließ er sich aus der Reserve locken, wenn Sarah seinem Konkurrenten etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte.Sarah legte den Kopf schief und lächelte Jan an. "Was gibt es denn so Dringendes?" fragte sie. „Das würde ich dir gern in Ruhe erklären", antwortete Jan. "Noch Lust auf einen Drink?“ fragte er und grinste sie ungeniert an. Sarah überlegte. Dabei legte sie ihren Kopf in den Nacken und schüttelte ihre langen blonden Haare. „Also gut“, sagte sie schließlich. „Aber du bezahlst!“ Jan nickte und grinste erneut. „Wenn du fährst!“ antwortete er und öffnete die Beifahrertür ihres Wagens. Sarah mochte seine Direktheit. In der Beziehung unterschied er sich von Mark.

Kapitel 3

Kaum hatte Jan Möller das Büro verlassen, fuhr Mark seinen Computer erneut hoch. Er griff in seine rechte Gesäßtasche und holte einen Speicherstick hervor, nahm ihn zwischen die Zähne und zog den Deckel ab. Dann steckte er ihn in die vorgesehene Öffnung am Computer, überspielte einige Dateien und löschte sie von seiner Festplatte. Mark sah sich um. Er öffnete die Schublade des Rollcontainers, der rechts unter seinem Schreibtisch stand, und legte den Stick hinein. Er setzte sich, rückte seinen Stuhl an den Tisch heran und dachte einige Sekunden nach. Dann nahm er den Stick wieder aus der Schublade, kroch unter den Tisch und durchwühlte den Papierkorb. In dem Moment klopfte es zaghaft an der Tür. Mark erhob sich und stieß sich dabei ungeschickt den Kopf an der Tischkante. "Ja", antwortete er gequält und rieb sich mit der Hand den Hinterkopf. Die Tür öffnete sich vorsichtig und MonikaWassmann, seine Sekretärin, trat herein. "Bist du allein?" fragte sie und schaute sich suchend um. "Ja, ja. Alles ok, Jan ist grad weg", erwiderte Mark seiner Sekretärin. Unbemerkt ließ er dabei den Stick in die Hosentasche zurückgleiten. Monika trat zu ihm heran, legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter. Monika Wassmann war einen guten Kopf kleiner als Mark, hatte aber anders als Sarah eine sehr weibliche Figur und insbesondere einen großen Vorbau, den sie in ihrer engen und stets weit geöffneten Kleidung gut zur Geltung brachte. Sie bohrte sich mit ihren wie immer akurat lackierten roten Fingernägel in Marks Rücken und strich ihm von dort mit den Händen über die Schulter und die Brust. Ihre mit einem dicken schwarzen Kajalstrich und Wimperntusche hervorgehobenen Augen blickten ihn erwartungsvoll an. Dann drückte sie Mark einen Kuss auf die Lippen und noch einen auf den Hals. Ihr mit knallrotem Lippenstift nachgezogener Mund hinterließ einen kräftigen Abdruck. Mark ergriff ihre Hände und drückte sie sanft nach unten und von sich. "Nicht heute, Monika", sagte er. "Ich habe noch zu tun!" Monika ließ von Mark ab und nickte. Sie schnappte sich ihr schwarzes Handtäschchen, das sie auf Marks Schreibtisch abgelegt hatte und machte auf dem Absatz kehrt. "Ok. Ich bin drüben, wenn du mich brauchst", erwiderte sie und lächelte süffisant. Dann verschwand sie mit elegantem Hüftschwung durch die Tür.Mark ging ihr nach und schloss hinter ihr ab. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, griff sich ein Tuch aus einer hellblauen Box, die dort neben seinem Computer stand und wischte sich Monikas Kussmund vom Hals. Dabei fiel sein Blick auf ein kleines weißes Schaf. Sarah hatte es ihm zum Geburstag geschenkt. Das Schaf sollte ihn bei der Arbeit an seine Liebste erinnern. Es saß auf seinem Hinterteil und streckte alle Viere nach vorne von sich. Um den Hals trug es ein Schild mit der Aufschrift "Ohne dich ist alles doof". Sarah liebte solchen Kitsch. Mark hatte nicht allzuviel dafür übrig, hatte das Schaf aber trotzdem um des lieben Friedens Willen auf seinem Schreibtisch plaziert. Er nahm es in die Hand und begutachtete es von allen Seiten. Das Fell ließ sich öffnen. Im Innern war ein Batteriefach eingebaut. Wenn man das Schaf hin und her drehte, gab es einen Ton von sich. Es sollte so etwas wie ein "Mäh" sein, klang aber eher nach einem gequälten "Öhhö". Mark puhlte die Batterie heraus und auch das kleine Gerät, das den Ton fabrizierte. Dann griff er zu seinem Stick und steckte ihn stattdessen in das Schaf und stellte es zurück auf den Tisch. Zufrieden warf Mark sich sein schwarzes Jacket über, löschte das Licht und verließ das Büro.

Kapitel 4

Die kleine Bar, in die Jan Möller beabsichtigte einzukehren, lag in einer ruhigen Nebenstraße unweit des Hauses, in dem Sarah wohnte. Trotzdem kannte sie das Lokal nicht. Es gehörte nicht zu jenen Etablissements, wo sie gewöhnlich verkehrte. Sarah stoppte den Wagen auf dem Kopfsteinpflaster und parkte unmittelbar vor dem Eingang. Sie betraten eine urige Kneipe, in der sich der Geruch von Schweiß, Bier und Gegrilltem mischte. „Das ist also die Art Lokale, in die es dich nach Feierabend zieht?“ fragte Sarah und blickte sich hilflos um. Sie war leicht angewidert, setzte sich aber doch auf einen der schäbigen Barhocker, die gerade frei geworden waren. Ihr Minirock rutschte noch ein Stück höher und gewährte einen ungewollten Einblick. Sarah schlug die Beine übereinander und drehte sich zum Tresen. „Nicht immer!“ erwiderte Jan und grinste den Typen hinter der Bar an. Ein korpulenter Mann, tätowiert bis in die Fingerspitzen.Der Dicke lachte und trommelte dabei mit den Fingern auf seinem Bauch herum. „Was darf's denn sein, Lady?“ fragte er dann. Sarah sah Jan an und hob ratlos die Schultern. Sie hätte zunächst gern einen Blick in die Karte geworfen, die es aber offenbar nicht zu geben schien. Ohne die Bestellung abzuwarten, stellte der Dicke zwei doppelte Korn auf den Tresen. „Dann nimm' erst einmal einen auf den Schrecken und überleg' in Ruhe“, sagte der Dicke und schob Sarah ein Gläschen hin. Sarah zog die Augenbrauen hoch, griff aber schließlich doch zu und schüttete sich das Getränk mit einem Zug in den Rachen. Jan sah ihr bewundernd dabei zu und hob ebenfalls sein Glas. Plötzlich klingelte es. Sarah sah sich um. Klang wie ein Handy, und den Ton kannte sie. Sie schnappte sich ihre Handtasche und durchwühlte sie. „Ja, hallo?“ rief sie eilig ins Telefon. Sie erwischte den Anrufer gerade noch. Möller sah, wie das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand. Die Nachricht schien sie zu überraschen und zugleich zu erschrecken. „Wass??“ Sarah sprang auf und riss dabei ihren Hocker um. „Ich bin gleich da“, sagte sie, hob hastig die Tasche vom Boden, die eben mit dem Hocker nach unten gefallen war und warf ihr Handy hinein. Sie ignorierte Jan völlig, der sie fragend anblickte und auf eine Erklärung hoffte. Sarah stürzte zur Tür, doch Jan eilte ihr hinterher und hielt sie am Arm zurück. „Was ist passiert? Brauchst du Hilfe?“ wollte er wissen.Sarah schüttelte mit dem Kopf und löste Jans Handgriff. „Mark... er.. das Fahrrad", stammelte Sarah. "Er steht vor der Firma. Sein Fahrrad wurde geklaut“, brachte sie schließlich noch hervor. Jan trat erleichtert einen Schritt zurück und winkte ab. Wenn es weiter nichts ist als ein geklautes Fahrrad, dachte er, entschied sich aber für eine weit diplomatischere Antwort und versuchte, Sarah zu beruhigen: „Geklaut? Ach, das wird sich sicher alles aufklären. Vielleicht hat er es nur woanders hingestellt?“ Aber Sarah schüttelte vehement den Kopf. „Nee, nicht Mark. Der stellt sein Fahrrad immer an denselben Platz!“ Da Sarah fest entschlossen schien, zu gehen, lenkte Jan ein und unterließ es, sie zum Bleiben zu überreden. „Nimmst du mich noch mit zurück?“ fragte er stattdessen.Sarah wackelte nachdenklich mit dem Kopf. Das würde Mark sicher nicht gefallen. Aber, was sollte sie tun? Sie hatte sich auf Jans Vorschlag eingelassen, es wär' nicht fair, ihn ohne Auto einfach in der Kneipe zurückzulassen. Nach einem Moment der Überlegung willigte sie daher ein.

Kapitel 5

Mark saß auf der Treppe vor dem Firmeneingang und arbeitete schon wieder. Er hatte sein Handy hervorgeholt und checkte nochmals seine e-Mails. Als Sarah mit ihrem BMW um die Ecke bog, erhob er sich. Sarah sprang aus dem Auto, rannte zu ihm und umarmte ihn überschwenglich. Jan ließ sich etwas mehr Zeit und zwängte sich nach ihr behäbig aus dem Auto. Mark, der das alles aus dem Augenwinkel beobachtete, schob Sarah ein Stück zur Seite. Seine Miene verfinsterte sich. „Wo kommt der denn her?“ „Mach dir keine Sorgen. Wir wollten nur was zusammen trinken“, antwortete Jan, noch bevor Sarah etwas erwidern konnte. Sarah versuchte zu retten, was noch zu retten war. Sie zog Mark erneut an sich und küsste ihn. „Ich wusste ja nicht...“ begann sie, aber Mark fiel ihr ins Wort: „Was? Dass du eigentlich mit mir zusammen bist?“ Er war wütend, löste sich von ihr und schüttelte verständnislos den Kopf. „Es tut mir leid“, schob Sarah reumütig hinterher und auch Jan hielt es für besser, sich fürs Erste zu verabschieden. "Ich geh' dann mal", sagte er, "und danke fürs Mitnehmen!" Möller konnte sich ein Grinsen nicht verneifen. Es lief nicht gut für Mark, für ihn selbst konnte es allerdings nicht besser laufen.Mark war nochmals zum Zaun gegangen, an dem er sein Fahrrad am Morgen angeschlossen hatte und untersuchte die Eisenstangen. Sarah folgte ihm und sah sich nach allen Seiten um. Aber da war nichts, rein gar nichts, das auf einen Diebstahl schließen ließ. Weder das Schloss, mit dem es an dem Zaun befestigt war, noch sonst irgendetwas, das darauf hindeutete, dass hier Marks Fahrrad gestanden hatte. Sarah dachte daran, was Jan vorhin gesagt hatte. Vielleicht hatte er ja doch Recht und Mark hatte anders als es seine Gewohnheit war, das Rad doch in der Eile am Morgen an einen anderen Platz gestellt. „Bist du sicher, dass du es hier abgestellt hast?“ fragte sie deshalb. Mark verlor die Fassung. Wütend sprang er auf und brüllte Sarah an. "Ja, bin ich, verdammt nochmal!" Das war das letzte, was er hören wollte. Nach allem, was vorgefallen war, hatte er sich zumindest jetzt von ihr Unterstützung erhofft. Stattdessen zweifelte Sarah an seiner Zurechnungsfähigkeit. Mark schüttelte den Kopf und ging zum Auto. „Wohin?“ fragte Sarah, nachdem sie sich ebenfalls in den Wagen gesetzt hatte. „Zur Polizei!“ Obwohl Sarah dies für überflüssig hielt, nickte sie zustimmend und gab Gas.

Kapitel 6

Es war schon spät am Abend. Die Polizeiwache wirkte verweist. Das Licht auf den Fluren war erloschen, nur vereinzelt brannte in den Zimmern noch Licht. Hinter der Scheibe am Empfang im Foyer saß ein älterer Herr und las Zeitung. Mark klopfte gegen die Scheibe. „Hallo?“ rief er. Der Mann nahm seine Zeitung herunter und schaute irritiert über den Rand. Dann beugte er sich zu Mark an ein kleines Sprachloch heran. „Zu wem wollen Sie denn?“ „Eine Anzeige aufgeben.“ Der Mann nickte und drückte einen Knopf auf seinem Telefon. „Kommt gleich jemand.“ Dann lehnt er sich wieder zurück und hielt sich erneut seine Zeitung vors Gesicht.

Wenig später saßen Sarah und Mark im Büro des diensthabenden Polizeibeamten. Er hatte die beiden vom Empfang in sein Büro geleitet, ihnen einen Platz angeboten und war wieder entschwunden. Eine Streife hatte zwei Schlägertypen aufs Revier gebracht, um die sich der Beamte zunächst kümmern musste. Sarah und Mark schwiegen sich an und starrten Löcher in die Decke. Es dauerte zum Glück nur wenige Minuten, bis Kommissar Wolfgang Sander ins Büro schlürfte. Er spürte die dicke Luft, gab sich aber alle Mühe, dies zu übergehen. „Ich bin Kommissar Sander", stellte er sich vor. "Eigentlich nicht meine Aufgabe, aber ich mach' das mal schnell“, sagte er freundlich. Wolfgang Sander war ein Mann um die Fünfzig, leicht untersetzt. Er trug Jeans und Rollkragenpullover, statt Uniform. Sander hatte schon längst Feierabend. Aber seit seine Frau Martha ihn verlassen hat, blieb er für gewöhnlich deutlich länger als nötig im Büro. Zu Hause erwartete ihn ohnehin nicht viel. Eine halb leergeräumte Wohnung, eine angebrochene Flasche Rotwein und ein paar Zeitungen, die er sich am Wochenende gekauft, aber noch nicht gelesen hatte. Sander kratzte sich am ergrauten Hinterkopf, runzelte die Stirn und schob seine Brille, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war, mit dem Zeigefinger nach oben. Dann räusperte er sich und rückte seinen Stuhl zurecht. "Na dann, erzählen Sie mal", bat er und sah Sarah über seinen Brillenrand hinweg aufmunternd an. Sarah wich seinem Blick aus und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Mark räusperte sich. "Es geht um mein Fahrrad", sagte er schließlich. Sander verstand. Schon wieder ein Diebstahldelikt. Er holte tief Luft und öffnete eine entsprechende Datei. Während Mark erzählte, tippte Sander alles wortlos in den Computer. „Das passiert jeden Tag Hunderte Mal. Ich mach' Ihnen da wenig Hoffnung“, sagte er schließlich, während der Drucker das Papier auswarf. Sarah sah zu Boden, so etwas hatte sie ja schon geahnt.Sander, von seinen Kollegen wegen seines Vornamens, vor allem aber auch seines schwarzen Wollmantels, den er zu jeder Jahreszeit trug, kurz "Wolle" genannt, schlürfte gemächlich zum Drucker, nahm zwei Blätter heraus und reichte sie Mark. "Ein Exemplar ist für uns, das andere für sie", erklärte der Kommissar.Mark unterschrieb seine Anzeige, nahm ein Exemplar an sich, faltete es zusammen und steckte es ein. Mittlerweile war auch ihm klar geworden, dass der Papierkram für den Mülleimer war. Aber wäre es richtiger gewesen, nichts zu tun? Immerhin war das Bike gute 1000 Euro wert. "Danke, Herr Kommissar", sagte Mark und wandte sich zum Gehen. "Falls Sie wider Erwarten doch auf mein Fahrrad stoßen, rufen Sie mich bitte an!" Sander stand hinter seinem Schreibtisch, verschränkte die Arme über seinem Bauch und schaute den beiden nachdenklich nach.

Kapitel 7

Mark hatte eine schlaflose Nacht, seine Gedanken kreisten um den Diebstahl, um Sarah, um Jan. Wer konnte den Diebstahl begangen haben und warum? Das Firmengelände war nicht für jedermann zugänglich. War es jemand aus der Firma, hat man ihn beobachtet, ausspioniert? Steckte am Ende gar sein Rivale, Jan Möller, dahinter? Ihm war es zuzutrauen, aber er konnte es doch gar nicht gewesen sein. Mark griff zum Whiskey, den er sich vorsorglich neben sein Bett gestellt hatte. Jan! Ausgerechnet! dachte er und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Warum tat Sarah ihm das an? Jeden anderen hätte er vielleicht akzeptieren können, aber Jan? Mark wurde immer verstimmter, trank einen Whiskey, dann noch einen. Irgendwann übermannte ihn der Schlaf.

Als Sarah am Morgen klingelte, schlief er noch. Sarah drückte ihren Daumen aufs Knöpfchen am Klingelbrett, ließ loß, drückte nochmal und nochmal, bis Mark sich schließlich an den Türsprecher bequemte und ein "Ich komme" hineinknurrte. Sarah ließ ab, setzte sich ins Auto und wartete. Auch Sarah war müde, auch sie hatte kaum ein Auge zugemacht. Als sie Mark am Abend vor seiner Wohnungstür abgesetzt hatte, hoffte sie noch, dass er sie mit hineinbitten, mit ihr reden würde. Aber er tat es nicht. Er hatte geschwiegen, die ganze Fahrt, stieg aus, als der Wagen vor dem Hauseingang stoppte und knallte wortlos hinter sich die Tür ran. Sarah wusste, dass sie zu weit gegangen war, aber das hatte sie ganz sicher nicht verdient. Mark verstand es, die gesamte Schuld auf ihren Schultern abzuladen. Sarah spürte, wie schon wieder die Wut in ihr hochkochte. Plötzlich öffnete sich die Beifahrertür. Mark warf seine Aktentasche in den Fußraum und setzte sich wortlos auf den Beifahrersitz. Er war noch immer missgelaunt und schob eine Alkoholfahne vor sich her. Sarah kurbelte das Fenster hinunter und fuhr los. Sie hielt das Schweigen nicht länger aus. "Es tut mir leid", begann sie. Mark schien jedoch noch immer nicht in der Stimmung für ein versöhnendes Gespräch zu sein. "Lass' gut sein", erwiderte er und versuchte, das Gespräch abzuwürgen. Aber Sarah wollte nicht aufgeben, nicht schon wieder. "Ich möchte dir helfen. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, das Fahrrad zu finden!" Mark sah sie an. Er grinste gequält und nickte, obwohl er nicht an den Erfolg einer solchen Aktion, wie auch immer sie aussehen sollte, glaubte. Er hatte doch schon alles durchleuchtet.Sarah frohlockte. Zumindest hat er ihren Vorschlag nicht abgelehnt. Das war ein gutes Zeichen. Sie hielt vorm Firmeneingang und ließ Mark aus dem Auto. „Tschüss Schatz“, rief sie ihm nach, als er schon ausgestiegen war. Mit dem Gefühl, mit Mark wieder auf einem gutem Weg zu sein, fuhr sie den Wagen in die Tiefgarage.

Mark stürzte die Treppe hinauf. Er war in Eile, in wenigen Minuten begann sein Meeting. Plötzlich hielt er inne. Er drehte sich um und sprang die Stufen wieder hinunter. Lehnte da nicht ein Fahrrad am Zaun? Tatsächlich, Mark hatte sich nicht getäuscht. Da stand ein Mountainbike. Und nicht nur das. Es glich seinem wie ein Ei dem anderen. Mark zog die Diebstahl-Anzeige aus dem Jacket, auf der auch die Kenn-Nummer seines Rades vermerkt war, kniete sich vors Bike und verglich die Zahlen. Es war unglaublich, vor ihm stand sein Fahrrad. In seiner Freude vergass Mark allen Streit, griff zu seinem Handy und wählte Sarahs Nummer. Sarah war gerade im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben ins Büro. Sie stoppte in der ersten Etage und lief so schnell sie konnte die Treppen hinunter und nach draußen. „Das ist ja irre“, rief sie Mark von der Treppe aus zu und rannte zu ihm hinüber. Mark kniete neben seinem Bike und untersuchte es ausgiebig. „Schau dir das an“, sagte er und hielt Sarah ein Pappschild hin, das mit einer Schnur am Fahrrad angebracht war. Sarah las: „Tut mir leid. Ich war gestern so in Eile und wusste keinen Ausweg.“ Mit dem Computer geschrieben, keine Unterschrift. Sarah gab Mark den Zettel zurück und hob verwundert die Schultern. „Was willst du jetzt tun?“ „Nichts!“ erwiderte Mark und reichte Sarah noch einen Umschlag. „Das war auch noch dran.“ Sarah öffnete das Kuvert und zog zwei Theaterkarten hervor. „Na, das ist ja nett!“ platzte sie begeistert heraus.Der Dieb hatte das Fahrrad nicht nur an Ort und Stelle zurückgebracht, sondern als Dankeschön auch noch zwei Theaterkarten angehängt. Sarah betrachtete die Karten eingehend von beiden Seiten. „Schon heute Abend", stellte sie schließlich fest. "20 Uhr. Schaffst du das denn?“ Sarah wusste weder, was Mark mit den Karten vorhatte, noch, ob er beabsichtigte mit ihr da hinzugehen. Aber wenn sie nichts riskierte, konnte sie auch nichts gewinnen. Doch Mark hatte offenbar allen Ärger um Jan Möller durch die wundersame Rückkehr seines Bikes komplett vergessen. Er erhob sich, trat dicht zu Sarah heran und sah ihr tief in die Augen. „Wenn du mit mir dahin gehen willst, ja!“ Sarah lächelte, zog Mark eng an sich und küsste ihn.

Kapitel 8

Als Sarah mit ihrem grauen BMW in den Lerchenweg am Rande der Stadt einbog, kam ihr Linda Bernhard bereits in ihrem schwarzen Mercedes entgegen. Sie hielt neben Sarah und leierte die Scheibe ihres Autos herunter. "Wolltest du zu mir?" fragte Linda, wenngleich das offensichtlich war. Der Lerchenweg endete in einer Sackgasse. Zudem kannte Sarah außer Linda Bernhard hier niemanden im Viertel. "Ja, nur ein paar Sachen holen", antwortete Sarah dennoch. Seit ihr Vater gestorben war, kam sie kaum noch her. Sie mied Linda, doch heute ließ sich ein Besuch nicht umgehen. Sarah hatte in ihrem Zimmer, das sie zu Lebzeiten ihres Vaters bewohnte, noch ein paar Kleider zurückgelassen. Eines davon benötigte sie für den bevorstehenden Theaterbesuch. "Ich wollte gerade in die Stadt zum Einkaufen", erklärte Linda Bernhard, als sie ihren Mercedes zurück auf das Anwesen unter den Carport gefahren, die Tür mit der Fußspitze nach außen gekickt und sich mühevoll vom tiefergelegten Sitz erhoben hatte. "Aber jetzt, wo du schon mal da bist, mach' ich uns schnell noch einen Kaffee." "Nicht nötig, ich muss gleich wieder weg. Ich bin mit Mark zum Theater verabredet."Linda quittierte die Nachricht mit einem wohlwollenden Nicken. Lange hatte Sarah nichts mehr von einem Mann erzählt. Natürlich ahnte Linda, dass eine so schöne Frau im Leben nicht allein blieb. Und sie spürte schon eine Zeitlang, dass da etwas war. Sarah hatte sich verändert, wirkte fröhlicher als je zuvor. Linda hoffte, dass es diesmal etwas Ernstes, etwas Dauerhaftes war. Sarah tat sich schwer. Bisher hielt sie es bei keinem lange aus. "Was macht er denn, der Mark?" rief Linda Sarah hinterher.Sarah war schon längst die Stufen zu ihrem Zimmer hinaufgestiegen. Sie hatte geahnt, dass Linda danach als Erstes fragen würde. Das war für sie das Wichtigste. Ihr ging es immer nur um Ansehen, um Geld. "Er arbeitet bei 'Biomedicines'", antwortete Sarah hastig, öffnete ihren Kleiderschrank und schnappte sich ein rotes Kleid. "Was?" Linda erschrak. Sie stand noch immer wie angewurzelt an der Treppe, als Sarah die Stufen mit ebenso hohem Tempo, wie sie eben hinaufgestiegen war, wieder hinuntersprang. "Und weiß er, wer du bist?" hakte Linda verstört nach, als Sarah sie passierte.Sarah blieb ihr eine ausführliche Antwort schuldig, schüttelte nur belanglos mit dem Kopf und trat an Linda vorbei aus der Tür.

Kapitel 9

Es war der erste gemeinsame Abend seit langem. Genauer gesagt, konnte sich Sarah kaum an die letzten ungestörten Stunden zu zweit erinnern. Mark arbeitete unentwegt an seiner Bio-Prothese. Sarah wusste, so lange das Projekt nicht abgeschlossen war, würde er sich kaum eine freie Minute gönnen. Er war wie besessen. Wenn er nachts nach Hause kam, schlief sie zumeist schon. Sie hatte es aufgegeben zu warten. Die Theaterkarten waren wie ein Geschenk des Himmels. Nicht auszumalen, wie die Sache weiter geganen wäre, wenn Mark sein Fahrrad nicht wiedergefunden hätte. Eigentlich hätte Sarah dem Fahrraddieb einen Dankesbrief schreiben sollen. Nur hatte der ja weder einen Namen noch sonst irgendetwas hinterlassen, was auch nur den Hauch einer Ahnung zuließ, wer er war. Aber warum sollte er auch. Sarah schaute auf die Uhr. Sie wartete bereits am Theatereingang. Es war schon spät. Hatte sie sich zu früh gefreut, würde Mark sie am Ende sitzen lassen und den Theaterbesuch vor lauter Arbeit vergessen? Es wäre nicht das erste Mal. Sarah wurde unruhig. Sie lief vor dem Eingang auf und ab. Dann endlich bog Mark völlig außer Atem um die Ecke. „Entschuldige“, sagte er. „Ich hab' das Bike noch in den Keller gebracht. Sicher ist sicher.“ Sarah nickte. Erleichtert umschlang sie seinen Oberarm und schmiegte sich eng an ihn.

Nach der Vorstellung wollte Mark sofort nach Hause. Sarah hätte ihm gern noch das Lokal gezeigt, in dem sie und Jan am Abend zuvor verkehrten. Sie wollte, dass er alles über sie wusste, ihr vertraute. "Gehen wir noch etwas trinken?" Sarah hielt es für klüger, nicht direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern sich erst einmal behutsam vorzutasten. Sie wusste nicht, inwieweit Mark bereit war, den Abend überhaupt noch mit ihr gemeinsam fortzusetzen. Mit einem breiten Grinsen machte Mark all ihre Pläne zu nichte. Er hatte andere Vorstellungen vom Ausklang des Abends. „Ich wüsste da etwas Besseres“, sagte er und zog Sarah eng an sich. Seine Hände glitten an ihrem Körper herab und gruben sich tief in ihren Po. Er küsste ihren Hals, dann trafen sich ihre Lippen. Wie lang hatte sich Sarah danach gesehnt, jetzt war sie überrascht von Marks forschem Auftritt. Trotzdem ließ sie alles bereitwillig geschehen. „Gern“, hauchte sie ihm schließlich ins Ohr und schob ihn vorwärts.

Eng umschlungen und laut lachend polterten die beiden die Stufen zu Marks Wohnung hinauf. Mark zottelte seinen Wohnungsschlüssel aus der Jackentasche und schwenkte ihn belustigt vor Sarahs Augen hin und her. Sarah griff zu, aber Mark zog die Hand mit dem Schlüssel immer wieder weg. Ihr gefiel das Spiel. Als sie die Wohnungstür erreichten, gab sie Mark einen leichten Schubs, so dass er nach hinten kippte und leicht gegen die Tür prallte. Mark wedelte wie wild mit den Armen. Sarah lachte laut auf. Doch die Tür hinter Mark gab nach und er fiel mit lautem Krachen zu Boden. Sarah verstummte und hielt sich erschrocken die Hände vor den Mund. Auch Mark wusste nicht, wie ihm geschah. Er rappelte sich auf und sah sich erschrocken um. Die Tür zu seiner Wohnung stand offen. Vorsichtig betrat Mark den Flur. Sarah war nicht wohl bei der Sache. Sie hielt ihn am Jacket zurück. „Warte!“ bat sie. Mark schüttelte den Kopf, hielt sich einen Zeigefinger an die Lippen und trat ein. Zögerlich folgte Sarah ihm. Mit einem heftigen Fußtritt stieß Mark die Tür zum Wohnzimmer auf und wich einen Schritt zurück. Da alles ruhig blieb, trat er näher zur Tür und schließlich ganz hindurch. Das Zimmer war nicht wiederzuerkennen. Die Ordner und Bücher waren aus den Regalen gekippt und lagen verstreut über und neben einander auf dem Boden. Auch die Schubläden waren aus den Kommoden gerissen und ausgekippt. Im Schlafzimmer das gleiche Bild. Mark stieg über Hosen, Strümpfe, Bügel, Berge von Papier. Die Bilder hingen schief, die Matratze war längs aufgeschlitzt und lag neben dem Bett. Sarah ließ sich weinend auf einen Stuhl sinken. „Das ist ja ein Albtraum“, schluchzte sie. Mark wühlte sich durch die Sachen, trat an seinen Schreibtisch und öffnete ein kleines Schließfach, in dem er ein paar Erbstücke seines Vaters, aber auch Kreditkarten aufbewahrte. Das Schloss war aufgebrochen, doch es fehlte nichts. Ratlos sah sich Mark im Zimmer um. Wonach in aller Welt hatten die Einbrecher gesucht? "Mark!" Vor Sarah auf dem Tisch lag Marks Laptop-Tasche. Sarah zog sie an sich heran und öffnete sie. Ihre Ahnung bestätigte sich, die Tasche war leer. Mark setzte sich zu ihr an den Tisch. "Darauf also hatten es die Diebe abgesehen!" sagte er leise und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Kapitel 10

Kommissar Sander war gerade im Begriff zu gehen. Er sammelte ein paar Blätter zusammen, heftete sie in einen Aktenordner und stellte den Ordner zurück ins Regal. Dann schaltete er den Computer aus, schnappte sich seinen schwarzen Wollmantel und seinen grauen Krempenhut und schlürfte zur Tür. Er war schon auf dem Gang, als der Pförtner ihm aufgeregt entgegenkam und ihm zu verstehen gab, dass der Feierabend noch auf sich warten ließ. "Kommissar Sander, bitte warten Sie", rief er, "da ist noch ein Einbruch in der Goethestraße!" Sander verdrehte die Augen und schüttelte genervt den Kopf. "Können das nicht die Kollegen übernehmen?" brummte er. Sander fühlte sich unwohl, schon seit einigen Tagen kämpfte er mit einer lästigen Erkältung. Alles, wonach er sich gegenwärtig sehnte, war ein Sauna-Besuch und sein Bett. "Nein, tut mir leid. Der Herr meint, er will mit Ihnen persönlich sprechen!" Sander kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. "Hat er seinen Namen genannt?" "Ja", antworte der Mann und blickte kurz auf den Notizzettel, den er in der Hand hielt. "Atkins, Mark." Der Kommissar griff sich mit der Linken an den Kopf und massierte sich die Schläfen. "Der Fahrraddiebstahl von gestern Abend, was hat das mit dem Einbruch zu tun?" murmelte er vor sich hin. "Geben Sie mir mal die Nummer", sagte er schließlich, nahm dem Pförtner den Zettel ab und schlürfte in die Eingangshalle zu dessen Telefon. Mark schien den Anruf des Kommissars schon dringend zu erwarten. Er war sofort am Apprat, als Sander ihn anrief. "Herr Atkins, Kommissar Sander hier. Was ist passiert?"Sander hörte sich geduldig an, was Mark ihm zu erzählen hatte. Immer wieder räusperte er sich und fuhr sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn. Ein ungewöhnlicher Fall. Diebstähle und Einbrüche waren zwar sein Tagesgeschäft, aber der hier schien besonders zu sein. Sander blickte hinüber zum Pförtner, der draußen vor der Tür des Schalters wartete, und erklärte ihm per Handzeichen, dass er seine Hilfe gleich noch benötigte. "Bitte rühren Sie nichts weiter an, Herr Atkins", rief Sander ins Telefon, "ich bin gleich bei Ihnen." Dann legte er den Hörer auf die Gabel und trat nach draußen. „Schicken Sie mir bitte die Spurensicherung“, bat er den Kollegen, schob seinen Krempenhut in den Nacken und machte sich auf den Weg.

Die Goethestraße lag seitlich eines Einkaufsboulevards, in einer nobleren Gegend der Stadt. Mark wohnte in einem weißen Jugendstilhaus mit kleinem Vorgarten. In der ersten Etage brandte Licht. Kommissar Sander quälte sich die Treppe hinauf, das Atmen viel ihm schon nach wenigen Stufen schwer. Er hielt kurz inne und rang nach Luft. Die Tür zu Marks Wohnung war nur angelehnt. Sander trat ein und machte sich durch ein Hüsteln bemerkbar. Mark kam aus der Küche und schüttelte dem Kommissar die Hand. "Kommisssar Sander, danke, dass Sie so schnell kommen konnten!" "Nichts für ungut", keuchte Sander und verschaffte sich flüchtig einen Überblick. „Haben Sie irgendetwas angefasst?“ Sarah, die inzwischen hinzugekommen war, schüttelte den Kopf, während Mark es vorzog, auf die Frage nicht zu antworten. Doch der Kommissar ließ nicht locker. "Herr Atkins?"Mark hob demonstrativ die Schultern. "Ich versteh' die Frage nicht. Es ist meine Wohnung, natürlich habe ich hier etwas angefasst!" Wenn es darum ging, Spuren zu sichern, seine würden sie hier überall finden, dachte er. Das brachte doch niemanden weiter. Sander bemerkte, dass Mark sein Vorgehen nicht behagte. Also entschied er sich zu einer anderen Strategie. „Sie sagten am Telefon, ihr Laptop sei gestohlen worden. Fehlt sonst noch etwas?“ „Nein, das sagte ich doch auch schon.“ Sander nickte. Es stimmte. Aber es gehörte nunmal auch zu einer ordentlichen Ermittlung, Fragen gegebenenfalls zu wiederholen. "Wo haben Sie den Laptop denn zuletzt aufbewahrt?" Mark wies mit dem Kopf zu einem Regal hinter seinem Schreibtisch. "In einer Laptop-Tasche, sie lag auf den Ordnern." "Ist sie das?" Sander hatte die geöffnete Tasche auf dem Esstisch entdeckt. Mark nickte. „Und, was glauben Sie, kann der Einbrecher mit ihrem Laptop wollen?“ Wieder zuckte Mark mit den Schultern. „Ich hab' keine Ahnung.“ Allmählich verlor Mark die Geduld. Die Fragerei des Kommissars brachte ihn keinen Deut weiter. Er war so wütend, auf den Einbrecher, den Verlauf der Ermittlungen und vor allem auf sich selbst. Wie konnte er nur so blöd sein. Die Sache war so dreist, so geschickt eingefädelt. Das gestohlene Fahrrad, nur ein Vorwand, Mittel zum Zweck, um ihm ein paar Theaterkarten unterzujubeln und in Ruhe die Wohnung auseinander zu nehmen. Aber wer steckte hinter all dem? Das war die Frage, die Mark brennend interessierte. "Wolle" Sander schlürfte durch die Wohnung und machte sich Notizen. Plötzlich klingelte sein Handy. "Sander", raunzte er ins Telefon. Er wurde nicht gern gestört. Schon gar nicht, wenn er intensiv nachdachte. Und das tat er im Moment. Einen kurzen Augenblick später hellte sich seine Stimmung jedoch merklich auf. Er blickte Mark mit großen Augen an. „Ihr Laptop ist aufgetaucht“, sagte er und beobachtete dabei, wie Mark auf die Nachricht reagierte. Doch den schien die Neuigkeit nicht sonderlich zu überraschen. "Okay, wo?" fragte er und hob gleichgültig die Schultern. "Im Fluss." Mark nickte, als hätte er es geahnt. Da Sander wusste, dass Marks Laptop aus der Wohnung verschwunden war, hatte er noch auf dem Weg zu ihm ein paar seiner Leute gebeten, sich zunächst in der näheren Umgebung genauer umzusehen. Schnell hatten eingesetzte Taucher Marks Laptop in dem nahegelegenen Fluss gefunden. Sanders Instinkt hatte sich als richtig erwiesen. Die Täter hatten den Laptop nicht mehr benötigt. Das hieß, sie hatten entweder nicht gefunden, wonach sie suchten, oder die Dateien gesichert und kopiert. Sander überlegte und strich sich dabei erneut über seinen nicht vorhandenen Bart am Kinn. „Sieht so aus, als sei die Festplatte hinüber", erklärte er Mark, nachdem er das Gespräch beendet und sich die wichtigsten Infos notiert hatte. "War etwas Wichtiges drauf?"Da Mark erneut den Kopf schüttelte, beschloss Sander die Untersuchung in der Wohnung fürs Erste zu beenden. Ohnehin kam er ohne die Ergebnisse der Spurensicherung im Moment nicht viel weiter. Sander schritt noch einmal die Wohnung ab. Vielleicht hatte er doch noch ein wichtiges Detail übersehen. Da ihm aber nichts weiter auffiel, griff er schließlich in die Tasche seines Wollmantels und reichte Mark eine Visitenkarte. "Rufen Sie mich bitte an, falls Ihnen doch noch etwas Wichtiges einfällt!"

Kapitel 11