Gefallene Engel - Richard Morgan - E-Book
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Gefallene Engel E-Book

Richard Morgan

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Beschreibung

Engel im 26. Jahrhundert

Gut 30 Jahre nach den Ereignissen aus „Das Unsterblichkeitsprogramm“ ist Takeshi Kovacs wieder im Einsatz: Jan Schneider, Pilot, heuert ihn für eine Mission auf dem Mars an. Dort wurde ein weiteres Artefakt gefunden, das Schneider bergen möchte. Sie finden heraus, dass es sich dabei um ein Portal handelt. Wohin es führt, wissen die beiden nicht. Fest steht allerdings: Das Objekt befindet sich mitten in einem Kriegsgebiet, und Kovacs bekommt alle Hände voll zu tun …

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Seitenzahl: 818

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DAS BUCH

In nicht allzu ferner Zukunft hat der Tod seinen unmittelbaren Schrecken verloren: Das menschliche Bewusstsein wird in einer Datenbank abgespeichert und kann je nach Bedarf in einen Körper zurücktransferiert werden. Diese Körper, »Sleeves« genannt, sind in aller Regel Klone, doch nur die Reichen können sich ihre eigenen Klone leisten – alle anderen müssen nach dem »Download« mit einem anderen Körper als ihrem vorherigen weiterleben. So wie Takeshi Kovacs, ehemaliger Privatdetektiv, der nun als Söldner einer Elite-Einheit auf einem Planeten fern der Erde eingesetzt wird, auf dem man rätselhafte nicht-menschliche Artefakte entdeckt hat. Bald muss Kovacs erkennen, dass er an einem Himmelfahrtskommando teilnimmt – und dass für Sleeves das Wort »Kanonenfutter« eine ganz spezielle Bedeutung hat …

Ein atemberaubender Cyberthriller von einem der aufregendsten neuen Schriftsteller Großbritanniens, der mit seinen Romanen »Das Unsterblichkeitsprogramm« und »Profit« für großes Aufsehen gesorgt hat.

»Richard Morgan ist einer der kommenden Stars der internationalen Literaturszene!« The Times

DER AUTOR

Richard Morgan wurde 1965 in Norwich geboren. Er studierte Englisch und Geschichte in Cambridge und arbeitete etliche Jahre als Englischlehrer im Ausland, bevor er sich entschloss, sein Geld als freier Schriftsteller zu verdienen. »Das Unsterblichkeitsprogramm«, sein erster Roman, wurde auf Anhieb ein großer Erfolg und mit dem Philip K. Dick Award für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet. Morgan lebt und arbeitet in Glasgow.

Inhaltsverzeichnis

DANKSAGUNGENWidmungERSTER TEIL - VERLETZTE PARTEIEN
Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8
ZWEITER TEIL - KOMMERZIELLE ERWÄGUNGEN
Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17
DRITTER TEIL - ZERSTÖRERISCHE ELEMENTE
Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29
VIERTER TEIL - UNERKLÄRTE PHÄNOMENE
Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35
FÜNFTER TEIL - GETEILTE LOYALITÄTEN
Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42
EPILOGCopyright

DANKSAGUNGEN

Auch diesmal danke ich meiner Familie und meinen Freunden, weil sie es während der Entstehung von Gefallene Engel mit mir ausgehalten haben. Es muss eine schwierige Zeit gewesen sein. Erneut geht mein Dank an meine Agentin Carolyn Whitaker für ihre Geduld sowie an Simon Spanton und seine Crew, insbesondere die leidenschaftliche Nicola Sinclair, die dafür sorgten, dass mein erster Roman Das Unsterblichkeitsprogramm wie ein goldener Adler auf Sulfat flog.

Dieses Buch ist ein Science-Fiction-Roman, aber viele Werke, die es beeinflussten, sind es nicht. Vor allem möchte ich meinen tiefen Respekt vor zwei Sachbuchautoren von meinem Inspirationsbücherregal zum Ausdruck bringen. Ich danke Robin Morgan für The Demon Lover,1 die wahrscheinlich schlüssigste, vollständigste und konstruktivste Kritik politischer Gewalt, die ich jemals gelesen habe, und John Pilger für Heroes, Distant Voices und Hidden Agendas,2 die gemeinsam eine unermüdliche und brutal ehrliche Anklage der Unmenschlichkeiten darstellen, die rund um den Globus von jenen begangen werden, die behaupten, unsere politischen Führer zu sein. Diese Autoren haben ihre Themen nicht frei erfunden, wie ich es getan habe, weil sie dazu gar keine Veranlassung haben. Sie haben diese Dinge mit eigenen Augen gesehen und aus erster Hand erfahren, und wir sollten ihnen aufmerksam zuhören.

Dieses Buch ist für Virginia Cottinelli – meine compañera

afileres, camas, sacapuntas

ERSTER TEIL

VERLETZTE PARTEIEN

Der Krieg ist wie jede andere schlechte Beziehung. Natürlich will man sich trennen, aber zu welchem Preis? Und die möglicherweise viel wichtigere Frage lautet: Wird man nach dem Ende der Beziehung wirklich besser dastehen?Quellchrist Falconer, Kampf-Tagebücher

1

Ich lernte Jan Schneider in einem Orbitalkrankenhaus des Protektorats kennen, dreihundert Kilometer über den zerrissenen Wolken von Sanction IV und unter großen Schmerzen. Genau genommen hätte das Protektorat im Sanction-System überhaupt nicht vertreten sein dürfen. Was noch von der planetaren Regierung übrig war, verkündete mit lauter Stimme aus den Bunkern, dass es sich um eine innere Angelegenheit handelte, und die lokalen Konzerne hatten sich stillschweigend damit einverstanden erklärt, vorläufig auf dieser gepunkteten Linie zu unterschreiben.

Folglich waren die Schiffe des Protektorats, die im System herumhingen, seit Joshua Kemp seine Flagge der Revolution in Indigo City gehisst hatte, mit neuen Erkennungscodes ausgestattet worden. Praktisch hatten verschiedene der involvierten Firmen sie auf der Basis langfristiger Leasingverträge aufgekauft und sie dann wieder der kampfbereiten Regierung ausgeliehen, auf der Grundlage des – steuerlich absetzbaren – planetaren Entwicklungsfonds. Jene Schiffe, die nicht durch Kemps überraschend wirksame, aus zweiter Hand erworbene Marauderbomben vom Himmel geholt wurden, verkaufte man anschließend an das Protektorat, bevor die Leasingfrist abgelaufen war, und jeglicher Verlust ließ sich daraufhin ebenfalls von der Steuer absetzen. Überall nur saubere Hände. Unterdessen wurde das höher gestellte Personal, das im Kampf gegen Kemps Truppen verletzt wurde, aus der Gefahrenzone geflogen, und dieser Punkt war für mich der wichtigste Faktor gewesen, als ich mich für eine Seite entschied. Es sah nach einem sehr schmutzigen Krieg aus.

Das Shuttle lud uns direkt auf dem Hangardeck des Krankenhauses aus, mittels einer Vorrichtung, die einem riesigen Patronengurt nicht unähnlich war. Die kapselförmigen Bahren wurden ohne weiteres Aufhebens ausgespuckt. Ich konnte immer noch hören, wie das schrille Heulen der Schiffstriebwerke erstarb, als wir ratternd über den Flügel auf das Deck rollten. Und als die Leute meine Kapsel aufbrachen, drang mir die Luft aus dem Hangar brennend in die Lungen, zusammen mit der Kälte des kürzlich verdrängten Weltraumvakuums. Sofort bildete sich eine dünne Schicht aus Eiskristallen auf allem, einschließlich meines Gesichts.

»Sie da!« Es war die Stimme einer Frau, die unter Stress stand. »Haben Sie Schmerzen?«

Ich blinzelte das Eis aus den Augen und blickte auf meinen blutverkrusteten Kampfanzug.

»Raten Sie mal«, krächzte ich.

»Sanitäter! Endorphinverstärkung und Antiviralinjektion.« Sie beugte sich wieder über mich, und ich spürte, wie ein Handschuh meinen Kopf berührte, während sie mir gleichzeitig die kalte Nadel der Spritze ins Genick stieß. Der Schmerz ließ rapide nach. »Kommen Sie von der Evenfall-Front?«

»Nein«, stieß ich mit Mühe hervor. »Von der Nordregion-Offensive. Wieso? Was ist in Evenfall passiert?«

»Irgendein verdammter Knallkopf hat gerade einen taktischen Nuklearschlag angeordnet.« In der Stimme der Ärztin lag kalte Wut. Ihre Hände bewegten sich über meinen Körper und untersuchten ihn auf Schäden. »Also kein Verstrahlungstrauma. Was ist mit Chemikalien?«

Ich deutete mit einem leichten Nicken auf das Revers meiner Jacke. »Da ist ein Messgerät. Das Ihnen alles verraten dürfte.«

»Es ist weg«, erwiderte sie. »Genauso wie der größte Teil der Schulter.«

»Oh.« Ich kratzte Worte zusammen. »Ich glaube, ich bin sauber. Können Sie einen Zellscan machen?«

»Nein, hier nicht. Die Scanner, die auf Zellniveau arbeiten, sind fest in den Krankenstationen eingebaut. Vielleicht kommen wir dazu, wenn wir für Sie da oben etwas Platz frei machen können.« Die Hände ließen mich los. »Wo ist Ihr Strichcode?«

»Linke Schläfe.«

Jemand wischte Blut von der bezeichneten Stelle, und ich spürte vage, wie der Laserstrahl über mein Gesicht strich. Eine Maschine zwitscherte ihr Okay, dann ließ man mich in Ruhe. Ich war verarbeitet.

Eine ganze Weile lag ich nur da und war zufrieden, dass die Endorphinverstärkung mir sowohl die Schmerzen als auch das Bewusstsein nahmen, alles mit der liebenswürdigen Eilfertigkeit eines Butlers, der einem Hut und Mantel abnahm. Ein kleiner Teil von mir fragte sich, ob der Körper, den ich trug, noch zu retten war, oder ob ich ein Resleeving benötigte. Ich wusste, dass Carreras Wedge mehrere kleine Klonbanken für das so genannte unverzichtbare Personal unterhielt, und als einer von nur fünf Ex-Envoys, die für Carrera arbeiteten, zählte ich zweifellos zu dieser besonderen Elite. Bedauerlicherweise war die Unverzichtbarkeit ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erhielt man die beste medizinische Behandlung, bis hin zum totalen Körperersatz. Andererseits bestand der einzige Zweck dieser Behandlung darin, einen bei der frühestmöglichen Gelegenheit wieder ins Kampfgetümmel zurückschicken zu können. Einem Soldaten auf Plankton-Niveau, dessen Körper nicht mehr zu reparieren war, würde man einfach den kortikalen Stack aus dem gemütlichen Gehäuse am oberen Ende der Wirbelsäule entfernen, um ihn dann in einen Lagerbehälter zu werfen, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben würde, bis der Krieg vorbei war. Kein idealer Abgang. Obwohl Wedge den Ruf hatte, sich um seine Schützlinge zu kümmern, gab es keine wirkliche Garantie, resleevt zu werden. Doch im schreienden Chaos der letzten Monate schien es manchmal, dass dieser Schritt ins Vergessen der Einlagerung unermesslich erstrebenswert war.

»Colonel. He, Colonel!«

Ich war mir nicht sicher, ob die Envoy-Konditionierung mich wach hielt, oder ob die nervende Stimme an meiner Seite mich wieder ins Bewusstsein zurückgeholt hatte. Ich drehte träge den Kopf, um nachzusehen, wer sprach.

Es hatte den Anschein, dass wir uns immer noch im Hangar befanden. Auf der Bahre neben mir lag ein offensichtlich muskulöser junger Mann mit drahtigem schwarzem Haar und gewitzter Intelligenz in den Zügen, die selbst in der Endorphintrance nicht ganz verschwunden war. Er trug wie ich einen Wegde-Kampfanzug, aber er passte ihm nicht besonders gut, und die Löcher im Stoff deckten sich nicht mit den Löchern in seinem Körper. An der linken Schläfe, wo sich der Strichcode befinden sollte, hatte er eine zweckmäßige Blasterverbrennung.

»Reden Sie mit mir?«

»Ja, Sir.« Er richtete sich auf einen Ellbogen gestützt auf. Sie mussten ihm eine viel höhere Dosis als mir verpasst haben. »Wie es aussieht, haben wir Kemp da unten in die Flucht geschlagen, was?«

»Das ist eine interessante Interpretation der Lage.« Bilder von der Einheit 391, die rund um mich herum in Fetzen gerissen wurde, rauschten für einen Moment durch meinen Kopf. »Was glauben Sie, wohin er sich flüchten sollte? Wenn man bedenkt, dass dies sein Planet ist, meine ich.«

»Äh … ich dachte …«

»Davon würde ich Ihnen abraten, Soldat. Haben Sie Ihren Rekrutierungsvertrag nicht gelesen? Jetzt halten Sie die Klappe und sparen Sie Ihren Atem. Sie werden ihn noch brauchen.«

»Äh … ja, Sir.« Er starrte mich verwundert an, und den Geräuschen von den nächsten Bahren entnahm ich, dass überall Köpfe gedreht wurden und er nicht der Einzige war, den es überraschte, dass ein Offizier von Carreras Wedge so etwas sagte. Genauso wie in den meisten Kriegen hatte auch Sanction IV einige hartnäckige Gefühle geweckt.

»Noch etwas.«

»Colonel?«

»Das hier ist die Uniform eines Lieutenants. In der Befehlshierarchie von Wedge gibt es keinen Colonel. Versuchen Sie sich das einzuprägen.«

Dann rauschte von irgendeinem verstümmelten Teil meines Körpers eine wilde Schmerzwelle heran, schlüpfte unter den starken Fäusten der Endorphin-Schläger hindurch, die an der Tür zu meinem Gehirn Wache hielten, und meldeten mit hysterischem Geschrei die angerichteten Schäden. Das Lächeln, auf das ich mein Gesicht programmiert hatte, zerschmolz, ähnlich wie die Stadtlandschaft von Evenfall verschwunden sein musste, und ich verlor plötzlich das Interesse an allem außer lautem Geschrei.

Wasser schwappte sanft irgendwo unter mir, als ich das nächste Mal aufwachte, und sanftes Sonnenlicht wärmte mein Gesicht und meine Arme. Jemand musste die zerfetzten Überreste meiner Kampfjacke entfernt haben, sodass ich nur noch das ärmellose T-Shirt von Wedge trug. Ich bewegte eine Hand, und meine Fingerspitzen strichen über geglättete alte Holzbretter, die ebenfalls warm waren. Das Sonnenlicht erzeugte tanzende Muster unter meinen Augenlidern.

Ich spürte keine Schmerzen.

Ich setzte mich auf und fühlte mich so gut wie seit Monaten nicht mehr. Ich lag ausgestreckt auf einem kleinen, einfach konstruierten Landesteg, der mehrere Dutzend Meter oder so in einen Fjord oder einen tiefen See hinausragte. Niedrige, abgerundete Berge begrenzten das Wasser auf beiden Seiten, und flauschige weiße Wolken jagten unbeschwert vorbei. Weiter draußen im Gewässer tauchten die Köpfe einer Seehundfamilie auf und beobachteten mich ernst.

Mein Körper war noch derselbe afro-karibische Kampfsleeve, den ich während der ganzen Nordregion-Offensive getragen hatte. Er war ohne Defekte und ohne Narben.

Also …

Schritte scharrten über die Planken hinter mir. Ich drehte mit einem Ruck den Kopf zur Seite und hob instinktiv die Hände zu einer embryonalen Verteidigungshaltung. Viel später als der Reflex kam der bestätigende Gedanke, dass mir in der realen Welt niemand so nahe kommen konnte, ohne dass mein Annäherungssinn anschlug.

»Takeshi Kovacs«, sagte die Frau in Uniform, die über mir stand und das weiche slawische »tsch« am Ende des Namens korrekt hinbekam. »Willkommen im Erholungsstack.«

»Sehr nett.« Ich erhob mich auf die Beine und ignorierte die angebotene Hand. »Bin ich immer noch an Bord des Krankenhauses?«

Die Frau schüttelte den Kopf und strich sich lange, kupferfarbene Strähnen ihres üppigen Haars aus dem kantigen Gesicht. »Ihr Sleeve liegt immer noch auf der Intensivstation, aber Ihr gegenwärtiges digitales Bewusstsein wurde in den Wedge-Speicher Eins transferiert, bis Sie bereit sind, körperlich wiederbelebt zu werden.«

Ich blickte mich um und wandte das Gesicht erneut der Sonne zu. In der Nordregion regnete es sehr viel. »Und wo befindet sich dieser Wedge-Speicher Eins? Oder ist die Information geheim?«

»Ich fürchte, das ist sie.«

»Wie konnte ich das so schnell erraten?«

»Während Ihrer Dienstzeit beim Protektorat haben Sie sicherlich erfahren, dass …«

»Schon gut. Die Frage war rhetorisch.« Ich hatte bereits eine recht gute Vorstellung, wo das virtuelle Format lokalisiert war. Die übliche Praxis während eines planetaren Krieges bestand darin, ein paar Schnüffelstationen mit geringer Albedo auf extreme elliptische Umlaufbahnen zu schicken und zu hoffen, dass der einheimische militärische Verkehr nicht darüber stolperte. Die Chancen standen recht gut, dass sie niemals gefunden wurden. Der Weltraum, wie es gerne in den Lehrbüchern formuliert wird, ist sehr groß.

»Mit welcher Ratio läuft dieses Programm?«

»In Echtzeitäquivalenz«, sagte die Frau, ohne zu zögern. »Aber ich könnte es beschleunigen, wenn Sie möchten.«

Der Gedanke, meine zweifelsohne kurze Erholungsphase hier um einen Faktor von vielleicht dreihundert auszudehnen, war verführerisch, aber falls ich in der Realzeit schon bald in das Kampfgeschehen zurückgeworfen werden sollte, war es vermutlich besser, nicht den Schneid zu verlieren. Obendrein war ich mir gar nicht sicher, ob das Wedge-Oberkommando mir eine zu extreme Zeitlupe erlauben würde. Wenn ich ein paar Monate lang wie ein Eremit in dieser sehr natürlichen landschaftlichen Schönheit herumschlenderte, musste das einen nachteiligen Einfluss auf die Bereitschaft zum Massengemetzel haben.

»Dort gibt es eine Unterkunft für Sie«, sagte die Frau und streckte den Arm aus. »Äußern Sie Ihre Wünsche, wenn Sie etwas geändert haben möchten.«

Mein Blick folgte der Richtung, in die sie zeigte. Ich sah ein zweistöckiges Gebäude aus Glas und Holz unter einem Spitzgiebel am Rand des langen Kieselstrandes.

»Sieht nett aus.« Zaghafte Tentakel sexuellen Interesses regten sich in mir. »Sollen Sie vielleicht mein interpersonelles Ideal sein?«

Wieder schüttelte die Frau den Kopf. »Ich bin ein Intra-Format-Service-Konstrukt für die Systemüberwachung von Wedge-Speicher Eins. Meine körperliche Erscheinung basiert auf Lieutenant Colonoel Lucia Mataran vom Oberkommando des Protektorats.«

»Mit so einer Frisur? Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«

»Ich habe einen gewissen Ermessensspielraum. Möchten Sie, dass ich ein interpersonelles Ideal für Sie erzeuge?«

Das klang genauso verlockend wie das Angebot eines Formats mit höherer Ratio. Aber nach sechs Wochen in Gesellschaft der wilden Wedge-Selbstmordkommandos verspürte ich einfach nur den Wunsch, eine Weile allein zu sein.

»Ich werde darüber nachdenken. Gibt es sonst noch etwas?«

»Ich habe eine aufgezeichnete Nachricht von Isaac Carrera für Sie. Soll ich sie im Haus speichern?«

»Nein. Spielen Sie sie hier ab. Ich rufe Sie, wenn ich etwas brauche.«

»Wie Sie wünschen.« Das Konstrukt neigte den Kopf und hörte auf zu existieren. Stattdessen wurde eine männliche Gestalt in schwarzer Wedge-Galauniform eingeblendet. Kurz geschnittenes schwarzes, angegrautes Haar, ein faltiges Patriziergesicht, dessen dunkle Augen und wettergegerbte Züge irgendwie gleichzeitig hart und verständnisvoll waren, und unter der Uniform der Körper eines Offiziers, dessen hoher Rang ihn nicht von den Kriegsschauplätzen fern halten konnte. Isaac Carrera, mehrfach ausgezeichneter Ex-Captain des Vakuumkommandos und der Gründer der meistgefürchteten Söldnertruppe im Protektorat. Ein außergewöhnlicher Soldat, Befehlshaber und Taktiker. Und gelegentlich, wenn ihm keine andere Wahl blieb, auch ein kompetenter Politiker.

»Hallo, Lieutenant Kovacs. Es tut mir Leid, dass dies nur eine Aufzeichnung ist, aber nach Evenfall stecken wir in ernsthaften Schwierigkeiten, und uns blieb keine Zeit, einen Link einzurichten. Im medizinischen Bericht heißt es, dass Ihr Sleeve in etwa zehn Tagen wieder ganz hergestellt ist, also werden wir darauf verzichten, auf unsere Klonbanken zuzugreifen. Ich möchte, dass Sie so schnell wie möglich zur Nordregion zurückkehren, aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass man uns dort zu einem vorläufigen Waffenstillstand gezwungen hat und unsere Leute ein paar Wochen lang ohne Sie auskommen können. An diese Aufzeichnung ist ein Statusbericht angehängt, einschließlich der Verluste, die wir bei der letzten Offensive erlitten haben. Ich möchte, dass Sie sich den Bericht ansehen, während Sie in der Virtualität sind, und Ihre berühmte Envoy-Intuition spielen lassen. Wir brauchen dort dringend ein paar neue Ideen. Im allgemeineren Kontext ist die Einnahme der Randterritorien eine der neun großen Zielsetzungen, die verwirklicht werden müssen, um diesen Konflikt …«

Ich hatte mich bereits in Bewegung gesetzt und lief über den Steg und dann die Böschung hinauf zu den nächsten Hügeln. Der Himmel dahinter bestand aus aufgetürmten Wolken, aber sie waren nicht dunkel genug, um ein Gewitter anzukündigen. Es sah aus, als hätte ich einen großartigen Blick über den ganzen See, wenn ich hoch genug hinaufstieg.

Hinter mir verwehte Carreras Stimme im Wind. Seine Projektion stand immer noch auf dem Landesteg und sprach die restlichen Worte in die leere Luft oder vielleicht zu den Seehunden  – unter der Voraussetzung, dass sie nichts Besseres zu tun hatten, als ihnen zu lauschen.

2

Letztlich hielten sie mich eine Woche lang unter Verschluss.

Ich verpasste nicht allzu viel. Unter mir brodelten die Wolken und wischten über das Gesicht der nördlichen Hemisphäre von Sanction IV, während sie die Männer und Frauen, die sich auf der Oberfläche gegenseitig töteten, mit Regen überschütteten. Das Konstrukt besuchte regelmäßig meine Behausung und brachte mich über die interessanteren Einzelheiten auf den neuesten Stand. Kemps Verbündete von anderen Planeten versuchten, die Blockade des Protektorats zu durchbrechen, und scheiterten, was sie insgesamt zwei IP-Transporter kostete. Eine Staffel überdurchschnittlich intelligenter Marauderbomben brach von irgendwoher durch und atomisierte ein Kampfschiff des Protektorats. Regierungstruppen in den Tropen hielten ihre Stellungen, während Wedge und andere Söldnereinheiten im Nordwesten immer mehr Boden an die präsidialen Elitewachen Kemps verloren. Evenfall schwelte immer noch.

Wie ich bereits sagte, verpasste ich nicht allzu viel.

Als ich in der Resleeving-Kammer erwachte, war ich von Kopf bis Fuß in ein Leuchten aus Wohlgefühl getaucht. In erster Linie war es chemisch verursacht; in Militärlazaretten werden die genesenden Sleeves kurz vor dem Download mit Wohlfühlzeug voll gepumpt. Das ist ihre Version einer Willkommensparty, und man kommt sich vor, als könnte man diesen verdammten Krieg im Alleingang gewinnen, wenn sie einen nur aufstehen und zu den bösen Jungs lassen würden. Ein offenkundig nützlicher Effekt. Doch was ich neben diesem patriotischen Cocktail ebenfalls genießen durfte, war die simple Freude darüber, intakt zu sein und über einen vollständigen Satz Gliedmaßen und Organe zu verfügen.

Allerdings nur, bis ich mit der Ärztin redete.

»Wir haben Sie früher herausgeholt«, sagte sie zu mir. Die Wut, die sie auf dem Shuttledeck an den Tag gelegt hatte, war in ihrer Stimme nun ein Stück nach unten gerutscht. »Auf Befehl des Wedge-Oberkommandos. Wie es scheint, reicht die Zeit nicht aus, um Ihre Verletzungen vollständig ausheilen zu lassen.«

»Ich fühle mich gut.«

»Natürlich. Sie sind bis zum Stehkragen voll mit Endorphinen. Wenn Sie runterkommen, werden Sie feststellen, dass Ihre linke Schulter nur zu etwa zwei Dritteln funktionsfähig ist. Und Ihre Lungen sind auch noch geschädigt. Durch die Narben von Guerlain Zwanzig.«

Ich blinzelte. »Ich wusste gar nicht, dass sie dieses Zeug versprüht haben.«

»Das wusste offenbar niemand. Ein triumphaler verdeckter Angriff, wurde mir gesagt.« Sie gab es auf, als ihr die Grimasse nur halbwegs gelang. Viel zu müde. »Wir haben das meiste ausgewaschen, haben die am stärksten befallenen Stellen mit Bioware nachwachsen lassen und die sekundären Infektionsherde abgetötet. Nach ein paar Monaten Ruhe werden Sie wahrscheinlich komplett wiederhergestellt sein. Aber so …« Sie hob die Schultern. »Versuchen Sie, nicht zu rauchen. Treiben Sie leichten Sport. Scheiße, was soll’s!«

Ich probierte es mit leichtem Sport. Ich lief durch das Axialdeck des Krankenhauses. Zwang Luft in meine versengten Lungen. Spannte meine Schulter. Das ganze Deck war voller verwundeter Männer und Frauen, die ähnliche Dinge taten. Einige davon kannte ich.

»Lieutenant!«

Tony Loemanako, dessen Gesicht eine Maske aus zerfleddertem Fleisch war, von grünen Marken durchsetzt, wo die regenerativen Bios eingepflanzt worden waren. Er grinste immer noch, aber auf der linken Seite waren viel zu viele Zähne sichtbar.

»Sie haben es nach draußen geschafft, Lieutenant! Gut gemacht!«

Er drehte sich zur Menge um.

»Eddie, Kwok! Der Lieutenant hat es geschafft.«

Kwok Yuen Yee, beide Augenhöhlen mit hellrotem Gewebeinkubationsgel voll gestopft. Eine extern an ihren Schädel angeschweißte Mikrokamera versorgte sie behelfsmäßig mit Videoscanbildern. Ihre Hände wurden auf einem Skelett aus schwarzen Karbonfasern nachgezüchtet. Das neue Gewebe sah feucht und roh aus.

»Lieutenant. Wir dachten …«

»Lieutenant Kovacs!«

Eddie Munharto, von einem Mobilitätsanzug aufrecht gehalten, während die Bios seinen rechten Arm und beide Beine nachwachsen ließen, von denen die intelligente Splittergranate nur noch blutige Fetzen übrig gelassen hatte.

»Schön, Sie wiederzusehen, Lieutenant! Wie Sie sehen, sind wir alle in Reparatur. In wenigen Monaten wird die Einheit 391 wieder auf dem Damm sein und den Kempisten in den Arsch treten. Darauf können Sie Gift nehmen!«

Die Kampfsleeves von Carreras Wedge werden zurzeit von Khumalo Biosystems geliefert. Die hochmoderne Kampf-Biotechnik dieser Firma wartet mit netten Spezialausführungen auf; zu den besonderen Extras gehören ein Serotonin-Unterdrückungssystem, das die Fähigkeit zur Ausübung gedankenloser Gewalt erhöht, und ein paar Wolfsgene, die für höhere Geschwindigkeit und Wildheit sorgen, in Kombination mit einer verstärkten Tendenz zur Loyalität gegenüber dem Rudel, das einem die Tränen in die Augen treibt. Als ich die verkrüppelten Überlebenden der Einheit ansah, spürte ich einen drückenden Schmerz in der Kehle.

»Mann, wir haben sie ganz schön geknackt, was?«, sagte Munharto und gestikulierte mit seiner einzig verbliebenen Gliedmaße, als wäre sie eine Flosse. »Und dann der Megablitz gestern!«

Kwoks Mikrokamera drehte sich und gab leise hydraulische Geräusche von sich.

»Sie übernehmen die neue 391, Sir?«

»Ich habe nicht …«

»Mensch, Naki! Wo lebst du? Es ist der Lieutenant!«

Danach mied ich das Axialdeck.

Schneider fand mich am folgenden Tag, als ich in der Rekonvaleszenzstation für Offiziere saß, eine Zigarette rauchte und aus dem Fenster blickte. Es war dumm, aber wie schon die Ärztin sagte: Scheiße, was soll’s! Welchen Sinn hatte es, gesund zu leben, wenn einem jederzeit durch fliegende Stahlsplitter das Fleisch von den Knochen gerissen oder man durch chemischen Fallout verätzt werden konnte.

»Ah, Lieutenant Kovacs.«

Ich brauchte einen Moment, um ihn einzuordnen. Gesichter sehen ganz anders aus, wenn sie dem Stress von Verletzungsfolgen ausgesetzt sind, und obendrein waren wir beide blutüberströmt gewesen. Ich betrachtete ihn über meine Zigarette hinweg und fragte mich frustriert, ob er ebenfalls jemand war, den ich am liebsten erschossen hätte, weil er mich für einen gelungenen Kampf belobigen wollte. Dann klickte etwas in meinem Kopf, und ich erinnerte mich an die Ladebucht. Mit leichter Überraschung, dass er immer noch an Bord war, und mit größerer Überraschung, dass er sich hier hatte einschleichen können, winkte ich ihm, sich zu mir zu setzen.

»Vielen Dank. Ich bin … äh … Jan Schneider.« Er reichte mir eine Hand, die ich mit einem Nicken zur Kenntnis nahm, dann schnorrte er sich unaufgefordert eine von meinen Zigaretten, die auf dem Tisch lagen. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie nicht … äh …«

»Vergessen Sie’s. Genauso wie ich.«

»Verletzungen … äh … Verletzungen können einiges mit dem Geist anstellen, mit dem Gedächtnis …« Ich rührte mich ungeduldig. »Sodass man die Dienstränge durcheinander bringt und … äh …«

»Hören Sie, Schneider, das alles interessiert mich nicht.« Ich nahm einen unvernünftigen Lungenzug und hustete den Rauch aus. »Ich bin nur daran interessiert, diesen Krieg lange genug zu überleben, um irgendwann wieder rauszukommen. Und wenn Sie jetzt dasselbe sagen, werde ich Sie erschießen. Ansonsten können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Kapiert?«

Er nickte, aber seine Haltung hatte sich auf subtile Weise verändert. Seine Nervosität reduzierte sich auf ein dezentes Knabbern am Daumennagel, und er beobachtete mich mit den Augen eines Geiers. Als ich zu Ende gesprochen hatte, nahm er den Daumen aus dem Mund, grinste und steckte sich stattdessen die Zigarette zwischen die Lippen. Beinahe lässig blies er den Rauch zum Fenster und über den Planeten, der dahinter sichtbar war.

»Genau«, sagte er.

»Was genau?«

Schneider blickte sich mit verschwörerischer Miene um, doch die wenigen anderen Menschen, die sich im Krankensaal aufhielten, hatten sich am anderen Ende des Raumes gesammelt, um einen Holoporno von Latimer anzuschauen. Er grinste wieder und beugte sich näher heran.

»Genau das, wonach ich gesucht habe. Jemand, der noch bei Verstand ist. Lieutenant Kovacs, ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Etwas, das Ihnen ermöglichen wird, diesem Krieg den Rücken zu kehren, nicht nur lebendig, sondern auch reich – reicher, als Sie sich vorstellen können.«

»Ich kann mir eine ganze Menge vorstellen, Schneider.«

Er zuckte die Achseln. »Wie Sie meinen. Auf jeden Fall eine Menge Geld. Sind Sie interessiert?«

Ich dachte darüber nach und suchte nach dem Knackpunkt. »Nicht, wenn es darum geht, die Seiten zu wechseln. Persönlich habe ich nichts gegen Joshua Kemp, aber ich glaube, dass er auf verlorenem Posten steht und …«

»Politik!« Schneider machte eine wegwerfende Geste. »Das hier hat nichts mit Politik zu tun. Es hat auch nichts mit dem Krieg zu tun, außer dass er ein Begleitumstand dieser Angelegenheit ist. Ich spreche von etwas Handfestem. Einer Ware. Einer Ware, für die jeder der Konzerne einen einstelligen Prozentanteil zahlen würde, um sie in die Finger zu bekommen.«

Ich bezweifelte sehr, dass es so etwas auf einem Hinterwäldlerplaneten wie Sanction IV gab, und ich bezweifelte noch mehr, dass jemand wie Schneider direkten Zugang dazu hatte. Andererseits hatte er es geschafft, sich an Bord eines Schiffes zu schmuggeln, das letztlich ein Kriegsschiff des Protektorats war, und medizinische Versorgung zu erhalten, nach der – gemäß einer regierungsfreundlichen Schätzung – eine halbe Million Menschen auf der Oberfläche vergeblich schrien. Er mochte tatsächlich etwas anzubieten haben, und im Moment lohnte es sich, ein offenes Ohr für alles zu haben, das mich vielleicht von diesem Dreckklumpen wegbrachte, bevor hier alles auseinander flog.

Ich nickte und drückte die Zigarette aus.

»Gut.«

»Sie sind dabei?«

»Ich höre Ihnen zu«, sagte ich gnädig. »Ob ich dabei bin oder nicht, hängt von dem ab, was ich hören werde.«

Schneider schürzte die Lippen. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir auf dieser Grundlage weiterkommen, Lieutenant. Ich brauche …«

»Sie brauchen mich. Das ist offensichtlich, ansonsten würden wir dieses Gespräch nicht führen. Wollen wir auf dieser Grundlage weitermachen, oder soll ich die Wedge-Sicherheit rufen, die die Wahrheit aus Ihnen herausprügeln wird?«

Es folgte eine angespannte Stille, in der sich ein Grinsen auf Schneiders Gesicht ausbreitete wie tröpfelndes Blut.

»Gut«, sagte er schließlich. »Ich sehe, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe. In den Unterlagen steht nichts von diesem … äh … Aspekt Ihrer Persönlichkeit.«

»Sämtliche Unterlagen über mich, auf die Sie Zugriff erhalten könnten, würden Ihnen nicht einmal die Hälfte verraten. Nur zu Ihrer Information, Schneider, meine letzte militärische Anstellung hatte ich beim Envoy Corps.«

Ich beobachtete, wie er die Information verarbeitete, und fragte mich, ob er es mit der Angst zu tun bekam. Die Envoys waren im gesamten Protektorat fast so etwas wie mythologische Gestalten, und sie waren keineswegs für ihre wohltätige Art berühmt. Meine Vergangenheit stellte kein Geheimnis auf Sanction IV dar, aber ich neigte dazu, sie nicht zu erwähnen, solange sich das Thema nicht aufdrängte. Ein derartiger Ruf führte bestenfalls dazu, dass sich nervöse Stille einstellte, sobald ich eine Messe betrat, und schlimmstenfalls zu unsinnigen Provokationen von erstmals gesleevten Neulingen mit mehr Neurachem und Muskelkraft als Verstand. Carrera hatte mich nach dem dritten Todesfall (mit intaktem Stack) zur Schnecke gemacht. Befehlshabende Offiziere hatten gewöhnlich keine allzu gute Meinung von Morden innerhalb der eigenen Truppe. Ein solches Verhalten sollte sich auf den Feind beschränken. Es herrschte allgemeine Übereinstimmung, dass jeglicher Hinweis auf meine Vergangenheit als Envoy tief in den Datenbanken von Wedge vergraben bleiben sollte, und die problemlos zugänglichen Dateien bezeichneten mich als Söldner, dessen Karriere bei der Armee des Protektorats begonnen hatte. Ein keineswegs unübliches Profil.

Doch falls Schneider durch meine Erwähnung des Envoy Corps beeindruckt war, ließ er es sich nicht anmerken. Er beugte sich wieder vor, mit einem nachdenklichen Zug im intelligenten Gesicht.

»Sie waren also ein E? Wann haben Sie gedient?«

»Vor einer Weile. Warum?«

»Waren Sie auf Innenin?«

Das Ende seiner Zigarette glühte mich an. Für einen kurzen Moment kam es mir so vor, als würde ich hineinstürzen. Das rote Licht verwischte zu Laserfeuer, das sich in Ruinen und Matsch grub, während sich Jimmy de Soto in meinem Griff wehrte und schreiend an seinen Verletzungen starb. Dann brach der Brückenkopf auf Innenin rund um uns in sich zusammen.

Ich schloss für einen Moment die Augen.

»Ja, ich war auf Innenin. Wollen Sie mir jetzt über diesen wahnsinnig lukrativen Deal erzählen oder nicht?«

Schneider schien es kaum erwarten zu können, jemandem davon zu erzählen. Er nahm sich eine weitere von meinen Zigaretten und lehnte sich zurück.

»Wussten Sie, dass an der Küste der Nordregion, ein Stück hinter Sauberville, die vermutlich ältesten marsianischen Siedlungsreste liegen, die unserer Archäologie bekannt sind?«

Ach so. Ich seufzte und ließ meinen Blick von ihm weg und wieder zu Sanction IV wandern. Ich hätte mit etwas in dieser Art rechnen müssen, aber irgendwie war ich nun von Jan Schneider enttäuscht. In den wenigen Minuten unserer Bekanntschaft glaubte ich, einen harten Kern in ihm gespürt zu haben, der sich niemals mit diesem Blödsinn über untergegangene Kulturen und verborgene technische Schätze abgeben würde.

Es war gute fünfhundert Jahre her, seit wir auf das Mausoleum der marsianischen Zivilisation gestoßen waren, und die Menschen hatten immer noch nicht kapiert, dass sich die Artefakte, die unsere ausgestorbenen planetaren Nachbarn herumliegen ließen, größtenteils entweder außerhalb unserer Reichweite befanden oder zerstört waren. (Oder wahrscheinlich beides, aber wie können wir das wissen?) So ziemlich die einzigen nützlichen Sachen, die wir bergen konnten, waren die Astrogationskarten, deren ansatzweise entzifferte Daten uns befähigten, unsere Siedlerschiffe zu garantiert terrestroiden Zielen zu schicken.

Dieser Erfolg, in Verbindung mit den verstreuten Ruinen und Artefakten, die wir auf den Welten fanden, die in den Karten verzeichnet waren, gaben zu den unterschiedlichsten Theorien, Vorstellungen und kultischen Überzeugungen Anlass. In den Jahren, die ich kreuz und quer durch das Protektorat gereist war, hatte ich unzählige davon gehört. Mancherorts hatte sich das paranoide Gebrabbel verbreitet, dass die ganze Sache nur eine Täuschung war, mit der die Vereinten Nationen die Tatsache verschleiern wollten, dass die Astrogationskarten in Wirklichkeit von Zeitreisenden aus unserer Zukunft stammten. Dann gab es auch den ausgeklügelten religiösen Glauben, dass wir die verlorenen Nachkommen der Marsianer waren, die darauf warteten, sich mit den Geistern unserer Vorfahren wiederzuvereinen, wenn wir eine entsprechende karmische Erleuchtung erreicht hatten. Einige Wissenschaftler hatten die vorsichtige Hoffnung formuliert, dass der Mars in Wirklichkeit nur ein abgelegener Außenposten war, eine Kolonie, die von der Mutterzivilisation abgeschnitten wurde, und dass das Zentrum dieser Kultur immer noch irgendwo da draußen existierte. Meine persönliche Lieblingstheorie war die, dass die Marsianer zur Erde kamen und dort zu Delfinen wurden, um sich aus der Zwangsjacke einer technischen Zivilisation zu befreien.

Letztlich lief es immer auf dasselbe hinaus: Sie sind fort, und wir können nur noch ein paar Überreste auflesen.

Schneider grinste. »Sie halten mich für durchgeknallt, nicht wahr? Dass ich zu viele Kinderholos gesehen habe, was?«

»Etwas in der Art.«

»Lassen Sie mich zu Ende erzählen.« Er rauchte in kurzen, schnellen Zügen, und der Rauch strömte stoßweise aus seinem Mund, während er sprach. »Also, jeder geht davon aus, dass die Marsianer uns ähnlich waren, nicht unbedingt körperlich, aber wir stellen nicht in Frage, dass sie dieselbe kulturelle Basis wie wir hatten.«

Kulturelle Basis? Das klang überhaupt nicht nach Schneider. Das hatte er irgendwo aufgeschnappt. Mein Interesse verstärkte sich um einen Bruchteil.

»Das bedeutet, dass alle sofort aus dem Häuschen sind, wenn wir eine Welt wie diese kartografieren und Siedlungszentren finden. Städte, wie man selbstverständlich annimmt. Wir sind hier fast zwei Lichtjahre vom Latimer-Hauptsystem entfernt; dort gibt es zwei bewohnbare Biosphären und drei, an denen noch ein wenig gearbeitet werden muss. Auf allen Welten wurde mindestens eine Hand voll Ruinen gefunden, aber sobald die Sonden hier ankommen und etwas bemerken, das nach Ruinen von Städten aussieht, lassen die Leute alles stehen und liegen und rasen sofort los.«

»Rasen ist leicht übertrieben, würde ich sagen.«

Mit Unterlichtgeschwindigkeit hätte selbst ein aufgemotztes Kolonistenschiff gute drei Jahre gebraucht, um die Strecke vom Latimer-Doppelsternsystem bis zu diesem phantasielos getauften kleinen Bruderstern zurückzulegen. Im interstellaren Raum gab es nichts, das schnell passierte.

»So? Wissen Sie, wie lange es gedauert hat? Vom Empfang der Daten über Hypercast bis zur Einsetzung der Regierung von Sanction?«

Ich nickte. Als lokaler Militärberater war es meine Pflicht, über solche Sachen Bescheid zu wissen. Die interessierten Firmen hatten die Charta des Protektorats innerhalb weniger Wochen durch die Bürokratie gejagt. Aber das war vor fast einem Jahrhundert gewesen, und es schien kaum etwas mit dem zu tun zu haben, was Schneider mir jetzt erzählen wollte. Ich deutete mit einer Geste an, dass er weitermachen sollte.

»Als Nächstes«, sagte er, beugte sich vor und hob die Hände, als wollte er ein Orchester dirigieren, »kamen die Archäologen. Unter den gleichen Bedingungen wie überall. Wer zuerst kommt, darf seinen Claim abstecken, während die Regierung als Makler zwischen den Findern und den kommerziellen Käufern fungiert.«

»Gegen Provision.«

»Ja, gegen Provision. Und sie hat das Recht auf Enteignung, Zitat: bei angemessener Entschädigung, falls sich erweist, dass die betreffenden Funde überragende Bedeutung für das Protektorat besitzen etcetera pp., Zitat Ende. Der Punkt ist, jeder vernünftige Archäologe, der Reibach machen will, steuert gezielt die Siedlungszentren an, und so haben es bisher alle gemacht.«

»Woher wissen Sie das alles, Schneider? Sie sind kein Archäologe.«

Er streckte die linke Hand aus und schob den Ärmel zurück, damit ich die Windungen einer geflügelten Schlange betrachten konnte, die ihm mit Illuminiumfarben unter die Haut tätowiert worden war. Die Schuppen der Schlange glitzerten im eigenen Licht, und die Flügel bewegten sich geringfügig auf und ab, sodass man fast das Flattern zu hören glaubte. Durch die Zähne der Schlange zog sich der Schriftzug IP-Pilotengilde Sanction und die gesamte Zeichnung wurde von den Worten Der Boden ist für die Toten umrahmt. Es sah noch recht neu aus.

Ich zuckte die Achseln. »Nette Arbeit. Und?«

»Ich habe Transportflüge für eine Archäologengruppe gemacht, die an der Küste von Dangrek nordwestlich von Sauberville gearbeitet hat. Es waren hauptsächlich Kratzer, aber auch …«

»Kratzer?«

Schneider blinzelte. »Ja. Was ist damit?«

»Ich komme nicht von diesem Planeten«, sagte ich geduldig. »Ich mache hier nur bei einem Krieg mit. Was sind Kratzer?«

»Ach so. Na, Sie wissen schon … Nachwuchs.« Er gestikulierte perplex. »Frisch von der Akademie, erste Grabung. Kratzer eben.«

»Kratzer. Kapiert. Und wer nicht?«

»Was?« Wieder blinzelte er.

»Wer gehörte nicht zu den Kratzern? Sie sagten: Es waren hauptsächlich Kratzer, aber auch. Aber auch wer?«

Schneider wirkte leicht verärgert. Es gefiel ihm nicht, dass ich seinen Redefluss unterbrochen hatte.

»Es waren auch ein paar ältere Helfer dabei. Die Kratzer müssen sich mit dem begnügen, was sie bei einer Grabung bekommen, aber es gibt immer auch ein paar alte Hasen, die sich nicht an die konventionelle Weisheit halten.«

»Oder die zu spät aufkreuzen, um einen besseren Anteil zu bekommen.«

»Genau.« Aus irgendeinem Grund gefiel ihm auch diese Unterbrechung nicht. »Manchmal. Auf jeden Fall haben wir, beziehungsweise sie, etwas gefunden.«

»Was gefunden?«

»Ein marsianisches Sternenschiff.« Schneider drückte die Zigarette aus. »Intakt.«

»Blödsinn.«

»Doch, es stimmt.«

Wieder seufzte ich. »Sie erwarten von mir, dass ich glaube, Sie hätten ein komplettes Raumschiff, nein, Entschuldigung, ein Sternenschiff ausgegraben, ohne dass sich diese Sensation herumgesprochen hat? Niemand hat es gesehen. Niemandem ist aufgefallen, dass es hier irgendwo herumliegt. Was haben Sie damit gemacht? Es unter einer Ballonkammer versteckt?«

Schneider leckte sich über die Lippen und grinste. Plötzlich machte ihm die Sache wieder Spaß.

»Ich habe nicht gesagt, dass wir es ausgegraben, sondern dass wir es gefunden haben. Kovacs, es hat die Größe eines Asteroiden, und es befindet sich draußen am Rand des Sanction-Systems in einem Parkorbit. Was wir ausgegraben haben, ist ein Tor, das zu diesem Schiff führt. Sozusagen die Gangway.«

»Ein Tor?« Ich spürte, wie mir ein ganz leichter kalter Schauder über den Rücken lief, als ich die Frage stellte. »Sie meinen einen Hypercaster? Haben Sie die Technoglyphen wirklich korrekt entziffert?«

»Kovacs, es ist ein Tor.« Schneider sprach, als wollte er einem kleinen Kind etwas begreiflich machen. »Wir haben es geöffnet. Man kann hindurchsehen, auf die andere Seite. Es ist wie ein billiger Experia-Spezialeffekt. Der Sternenhintergrund entspricht eindeutig den lokalen Verhältnissen. Wir müssen nur hindurchschreiten.«

»Ins Schiff?« Widerwillig war ich fasziniert. Beim Envoy Corps lernte man zu lügen, unter dem Polygrafen zu lügen, unter Extremstress zu lügen, in allen erdenklichen Umständen völlig überzeugend zu lügen. Envoys logen besser als jedes andere menschliche Wesen im Protektorat, ob natürlich oder frisiert, und als ich Schneider jetzt musterte, wusste ich, dass er nicht log. Was auch immer mit ihm geschehen sein mochte, er glaubte fest an das, was er sagte.

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht ins Schiff. Das Tor ist auf einen Punkt etwa zwei Kilometer außerhalb gerichtet. Es umkreist das Schiff und kommt alle viereinhalb Stunden nahe genug heran. Man braucht einen Raumanzug.«

»Oder ein Shuttle.« Ich deutete auf seinen tätowierten Arm. »Womit sind Sie geflogen?«

Er verzog das Gesicht. »Mit einem beschissenen Mowai-Suborbitaljet. So groß wie ein Haus. Es hätte nicht durch das Portal gepasst.«

»Was?« Ich hustete einen unerwarteten Lacher aus, der sich schmerzhaft in meiner Brust bemerkbar machte. »Es hätte nicht gepasst?«

»Ja, lachen Sie nur«, sagte Schneider mürrisch. »Wenn dieses kleine logistische Problem nicht gewesen wäre, würde ich jetzt nicht mehr bei diesem verdammten Krieg mitmachen. Ich würde in einem maßgeschneiderten Sleeve in Latimer City leben. Mit Klonen auf Eis, Fernspeicherung und Unsterblichkeit, Mann! Das ganze Programm.«

»Niemand hatte einen Raumanzug?«

»Wozu?« Schneider breitete die Hände aus. »Es war ein Suborbitaljet. Niemand rechnete damit, den Planeten zu verlassen. Es war nicht einmal erlaubt, den Planeten zu verlassen, außer über den IP-Raumhafen in Landfall. Alles, was vor Ort gefunden wurde, musste durch die Exportquarantäne gecheckt werden. Und darauf ist niemand besonders scharf. Erinnern Sie sich an diese Enteignungsklausel?«

»Ja. Jeder Fund, der überragende Bedeutung für das Protektorat besitzt. Sie hatten es doch nicht etwa auf die angemessene Entschädigung abgesehen! Oder glaubten Sie nicht, dass sie angemessen sein würde?«

»Kommen Sie, Kovacs! Was wäre eine angemessene Entschädigung für einen solchen Fund?«

Ich hob die Schultern. »Das kommt darauf an. Im privaten Sektor hängt es davon ab, mit wem Sie reden. Vielleicht eine Kugel durch den Stack.«

Schneider bedachte mich mit einem gezwungenen Grinsen. »Sie glauben nicht, dass wir es geschafft hätten, das Ding an die Konzerne zu verkaufen?«

»Ich glaube, Sie wären damit auf die Schnauze gefallen. Ob Sie es überlebt hätten, würde davon abhängen, mit wem sie verhandelt hätten.«

»Zu wem wären Sie gegangen?«

Ich schüttelte eine neue Zigarette aus der Schachtel und ließ die Frage eine Weile im Raum hängen, bevor ich etwas sagte. »Das steht hier nicht zur Diskussion, Schneider. Meine Beratergebühren liegen ein wenig außerhalb Ihrer Möglichkeiten. Als Partner dagegen …« Ich schenkte ihm nun ebenfalls ein kleines Lächeln. »Nun, ich höre Ihnen immer noch zu. Was ist dann passiert?«

Schneiders verbittertes Lachen war wie eine Explosion, laut genug, um sogar das Holoporno-Publikum vorübergehend von den grellbunten Körpern abzulenken, die sich in lebensgroßer 3-D-Projektion auf der anderen Seite des Raumes wanden.

»Was dann passiert ist?« Er senkte die Stimme und wartete, bis die Anhänger fleischlicher Genüsse wieder von der Vorführung in den Bann gezogen worden waren. »Dann ist dieser verdammte Krieg passiert.«

3

Irgendwo weinte ein Baby.

Ich hielt mich mit den Armen am Rand der Schleuse fest und ließ mich eine Weile hängen, während das Äquatorialklima an Bord kam. Ich war als diensttauglich aus dem Krankenhaus entlassen worden, aber meine Lungen funktionierten immer noch nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte, und die feuchte Luft erschwerte das Atmen.

»Heiß hier.«

Schneider hatte den Antrieb des Shuttles heruntergefahren und war mir zur Schleuse gefolgt. Ich ließ mich fallen, damit er ebenfalls aussteigen konnte, und schirmte die Augen vor dem grellen Sonnenlicht ab. Aus der Luft hatte das Internierungslager genauso unscheinbar ausgesehen wie alle vorgefertigten Bauten, aber aus der Nähe wurde die ordentliche Einförmigkeit von der Realität überwältigt. Die hastig hochgezogenen Ballonkammern hatten in der Hitze Risse bekommen, und die Abwässer flossen über die dazwischen verlaufenden Wege ab. Der träge Wind wehte den Gestank nach verbranntem Polymer heran. Das Landefeld des Shuttles hatte Fetzen aus Papier und Plastik gegen die Umzäunung des Lagers gewirbelt, wo sie nun von der Energie gebraten wurden. Hinter dem Zaun wuchsen Roboterwachsysteme wie metallische Stauden aus der gebackenen Erde. Das schläfrige Summen der Kondensatoren bildete einen konstanten Hintergrund für den menschlichen Lärm der Internierten.

Eine kleine Truppe der lokalen Miliz schlenderte hinter einem Sergeant heran, der mich entfernt an meinen Vater an einem seiner besseren Tage erinnerte. Als sie die Wedge-Uniformen sahen, blieben sie abrupt stehen. Der Sergeant salutierte widerwillig.

»Lieutenant Takeshi Kovacs von Carreras Wedge«, sagte ich. »Das ist Corporal Schneider. Wir sind hier, um Tanya Wardani, eine Ihrer Internierten, zur Befragung mitzunehmen.«

Der Sergeant runzelte die Stirn. »Darüber wurde ich nicht informiert.«

»Ich informiere Sie jetzt, Sergeant.«

In Situationen wie diesen genügte normalerweise eine Uniform. Auf Sanction IV war allgemein bekannt, dass die Wedge-Leute die inoffiziellen harten Jungs des Protektorats waren, und meistens bekamen sie ohne Diskussion, was sie haben wollten. Selbst die anderen Söldnereinheiten gaben in der Regel klein bei, wenn es zu einem Gerangel um Requisitionen kam. Doch irgendetwas schien diesem Sergeant gegen den Strich zu gehen. Der halb vergessene Respekt vor Vorschriften, der ihm auf dem Exerzierplatz eingetrichtert worden war, als alles noch eine Bedeutung gehabt hatte, lange vor dem Ausbruch des Krieges. Oder vielleicht nur der Anblick seiner Landsleute, die in ihren Ballonkammern verhungerten.

»Ich muss irgendeine Bevollmächtigung sehen.«

Ich schnippte mit den Fingern, und Schneider reichte mir das Dokument. Es war nicht schwer gewesen, es zu beschaffen. In einem planetenweiten Konflikt wie diesem gab Carrera seinen Offizieren einen Ermessensspielraum, für den der Befehlshaber einer Division des Protektorats töten würde. Ich wurde nicht einmal gefragt, was ich von Wardani wollte. Niemand hatte sich dafür interessiert. Der bisher schwierigste Teil war die Beschaffung des Shuttles gewesen. Die Maschinen wurden gebraucht, und IP-taugliche Fahrzeuge waren knapp. Schließlich hatte ich einen Colonel von der regulären Truppe mit vorgehaltener Pistole zwingen müssen, es mir zu überlassen. Er war für ein Feldlazarett südöstlich von Suchinda verantwortlich, von dem uns jemand erzählt hatte. Deswegen würde es irgendwann Schwierigkeiten geben, aber schließlich war dies, wie Carrera zu sagen pflegte, ein Krieg und kein Popularitätswettbewerb.

»Sind Sie damit zufrieden, Sergeant?«

Er studierte den Ausdruck, als würde er hoffen, dass sich die offiziellen Siegel als abblätternde Fälschungen erwiesen. Ich rührte mich mit einer Ungeduld, die keineswegs nur gespielt war. Die Atmosphäre in diesem Lager war erdrückend, und das Weinen des unsichtbaren Babys ließ keinen Moment nach. Ich wollte so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden.

Der Sergeant schaute auf und gab mir die Bevollmächtigung zurück. »Sie müssen sich an den Kommandanten wenden«, sagte er steif. »All diese Leute hier stehen unter Aufsicht der Regierung.«

Ich blickte links und rechts an ihm vorbei, dann sah ich ihm wieder ins Gesicht.

»Richtig.« Ich ließ meinen Spott für einen Moment in der Luft hängen, bis er meinem Blick auswich. »Also gehen wir und reden mit dem Kommandanten. Corporal Schneider, Sie bleiben hier. Es wird nicht lange dauern.«

Das Büro des Kommandanten war eine zweistöckige Kammer, die vom Rest des Lagers durch einen weiteren Energiezaun abgetrennt war. Kleinere Wacheinheiten hockten auf den Kondensatorpfosten wie Wasserspeier aus dem vorigen Jahrtausend, und uniformierte Rekruten, die kaum volljährig waren, standen mit überdimensionalen Plasmagewehren in den Händen am Tor. Ihre jungen Gesichter sahen unter den mit Technik aufgemotzten Helmen zerkratzt und wund aus. Warum sie hier waren, entzog sich meinem Verständnis. Entweder waren die Robotereinheiten nur Attrappen, oder das Lager litt an schwerer Überbesetzung. Wir traten ohne ein Wort hindurch, stiegen eine leichte Treppe hinauf, die jemand nachlässig mit Epoxid an die Seite der Ballonkammer geklebt hatte, und der Sergeant drückte den Türsummer. Eine Sicherheitskamera an der Wand bewegte sich, und kurz darauf sprang die Tür auf. Ich trat hinein und atmete erleichtert die gekühlte Luft ein.

Das meiste Licht im Büro kam von einer Staffel Überwachungsmonitore auf der gegenüberliegenden Seite. Daneben stand ein vorgefertigter Plastikschreibtisch, der von einem billigen Datenstackholo und einer Tastatur beherrscht wurde. Der Rest der Oberfläche war von eingerollten Ausdrucken, Textmarkern und anderem bürokratischem Krimskram bedeckt. Ausgetrunkene Kaffeebecher erhoben sich aus der Unordnung wie Kühltürme in einer industriellen Trümmerlandschaft, und dünne Kabel schlängelten sich über die Oberfläche zum Arm der seitlich zusammengesunkenen Gestalt hinter dem Schreibtisch.

»Kommandant?«

Das Bild einiger Sicherheitsmonitore veränderte sich, und im flackernden Licht erkannte ich glänzenden Stahl am Arm.

»Was gibt es, Sergeant?«

Die Stimme klang schleppend und stumpf, desinteressiert. Ich trat ins kühle Halbdunkel, und der Mann hinter dem Schreibtisch hob leicht den Kopf. Ich erkannte ein blaues Photorezeptorauge und das Flickwerk aus Metallprothesen, die sich von einer Gesichtshälfte über den Hals zu einer klobigen linken Schulter hinunterzogen, was wie ein gepanzerter Raumanzug aussah. Der größte Teil seiner linken Körperhälfte fehlte und war von der Hüfte bis zur Achselhöhle durch komplexe Servoeinheiten ersetzt worden. Der Arm bestand aus hydraulischen Systemen aus Leichtstahl, die in einer schwarzen Klaue endeten. Das Handgelenk und ein Teil des Unterarms war mit mehreren silberglänzenden Anschlüssen versehen, in denen die Kabel vom Tisch endeten. Neben dem Anschluss blinkte ein kleines rotes Lämpchen in trägem Rhythmus. Stromfluss aktiv.

Ich blieb vor dem Tisch stehen und salutierte.

»Lieutenant Takeshi Kovacs von Carreras Wedge«, sagte ich leise.

»So.« Der Kommandant richtete sich mühsam im Sessel auf. »Vielleicht möchten Sie hier etwas mehr Licht, Lieutenant. Ich mag die Dunkelheit, aber …« Er schnaufte amüsiert. »Ich habe dafür ein Auge. Sie möglicherweise nicht.«

Seine Finger tappten auf der Tastatur herum, und nach mehreren Versuchen flammte die Hauptbeleuchtung in den Ecken des Raumes auf. Der Photorezeptor schien zu verblassen, während sich daneben ein trübes menschliches Auge auf mich fokussierte. Was noch vom Gesicht übrig war, sah fein ziseliert aus und wäre durchaus attraktiv gewesen, doch die lange Zeit am Draht hatte den kleinen Muskeln den kohärenten elektrischen Input geraubt, sodass der Ausdruck erschlafft und dümmlich wirkte.

»Besser so?« Das Gesicht bemühte sich um etwas, das eher einem anzüglichen Grinsen als einem freundlichen Lächeln glich. »Ich könnte es mir vorstellen; schließlich kommen Sie aus der Außenwelt.« Das letzte Wort hatte einen ironischen Nachhall. »Einer Welt, die jenseits dieser winzigen Augen liegt und alles übersteigt, das sich ihre armseligen kleinen Geister erträumen können. Sagen Sie mir, Lieutenant, geht es in diesem Krieg immer noch um den geschändeten, ich meine, den archäologisch reichen und zerwühlten Boden unseres geliebten Heimatplaneten?«

Mein Blick fiel auf den Anschluss und das pulsierende rote Licht, bis er sich wieder seinem Gesicht zuwandte.

»Es wäre mir lieber, wenn ich Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hätte, Kommandant.«

Eine ganze Weile starrte er mich reglos an, dann senkte er ruckartig und mechanisch den Kopf, um das eingestöpselte Kabel zu betrachten.

»Ach«, flüsterte er. »Das meinen Sie.«

Unvermittelt fuhr er herum und sah den Sergeant an, der sich mit zwei Soldaten in der Nähe der Tür aufhielt.

»Verschwinden Sie!«

Der Sergeant gehorchte dem Befehl mit einer Eilfertigkeit, die vermuten ließ, dass ihm nicht viel daran lag, in diesem Raum zu verweilen. Seine uniformierten Begleiter folgten ihm, und einer zog behutsam die Tür hinter sich zu. Als das Schloss einrastete, sackte der Kommandant wieder in seinem Sessel zusammen und griff mit der rechten Hand nach dem Interface. Ein Laut kam über seine Lippen, vielleicht ein Seufzer oder ein Husten, vielleicht auch ein Lachen. Ich wartete, bis er aufblickte.

»Es tröpfelt nur noch, das kann ich Ihnen versichern«, sagte er und deutete auf das immer noch blinkende Lämpchen. »Wahrscheinlich würde ich es in diesem Stadium nicht überleben, wenn ich die Verbindung trenne. Wenn ich mich hinlege, werde ich vielleicht nie wieder aufstehen. Also bleibe ich. In diesem Stuhl. Die Unbequemlichkeit hält mich wach. Zeitweise.« Er riss sich mit Mühe zusammen. »Also, was, wenn mir die Frage erlaubt ist, will Carreras Wedge noch von mir? Hier gibt es nichts von Wert, wissen Sie. Unser Vorrat an Medikamenten ist seit Monaten erschöpft, und selbst die Lebensmittel, die man uns schickt, reichen kaum für angemessene Rationen. Für meine Männer natürlich; damit meine ich die hervorragenden Soldaten, die ich hier befehlige. Unsere Insassen bekommen sogar noch weniger.« Wieder eine Geste, diesmal auf die Monitore. »Die Maschinen brauchen natürlich nichts zu essen. Sie arbeiten selbstständig, sie stellen keine Forderungen und haben kein unangebrachtes Mitgefühl für das, was sie bewachen. Gute Soldaten, jeder Einzelne. Wie Sie sehen, habe ich versucht, auch mich in einen zu verwandeln, aber mit diesem Vorhaben bin ich noch nicht sehr weit vorangekommen …«

»Ich bin nicht wegen Lebensmitteln gekommen, Kommandant.«

»Ah, dann geht es um eine Inspektion. Habe ich irgendeine Linie überschritten, die vor kurzem in der Planung des Kartells gezogen wurde? Habe ich mich als Hindernis für die Kriegsbemühungen erwiesen?« Diese Vorstellung schien ihn zu amüsieren. »Sind Sie ein Auftragsmörder? Die Exekutive von Wedge?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich bin wegen eines Häftlings hier. Tanya Wardani.«

»Ach ja, die Archäologin.«

Ein leichter Stromstoß durchfuhr mich. Ich sagte nichts, legte nur den Ausdruck mit der Vollmacht auf den Schreibtisch und wartete. Der Kommandant nahm ihn unbeholfen auf und neigte den Kopf übertrieben weit zur Seite. Dabei hielt er das Papier hoch, als wäre es irgendein Holospielzeug, das man von unten betrachten musste. Er schien leise etwas zu murmeln.

»Gibt es ein Problem, Kommandant?«, fragte ich ruhig.

Er senkte den Arm und stützte sich auf den Ellbogen, während er die Vollmacht vor mir hin und her schwenkte. In diesem Moment wirkte sein menschliches Auge plötzlich viel klarer.

»Wozu wollen Sie sie haben?«, fragte er genauso ruhig. »Die kleine Kratzerin Tanya. Was bedeutet sie für Wedge?«

Meine Gedanken wurden mit einem Mal eiskalt, als ich überlegte, ob ich diesen Mann würde töten müssen. Es wäre nicht besonders schwierig. Ich würde dem finalen Kurzschluss vermutlich nur um ein paar Monate zuvorkommen, doch andererseits gab es da noch den Sergeant und die Wachsoldaten vor der Tür. Mit bloßen Händen hatte ich nur geringe Chancen, und ich wusste immer noch nicht, wie die Roboterwachen programmiert waren. Ich ließ das Eis in meine Stimme eindringen.

»Das hat sogar noch weniger mit Ihnen als mit mir zu tun, Kommandant. Ich muss nur meine Befehle ausführen, und jetzt haben Sie Ihre Befehle erhalten. Befindet sich Wardani in Ihrem Gewahrsam oder nicht?«

Doch er wandte den Blick nicht ab, wie es der Sergeant getan hatte. Vielleicht war es etwas aus den Tiefen seiner Abhängigkeit, das ihn trieb, eine Verbitterung, die er entdeckt hatte, während er sich im Orbit des Verfalls um sich selbst befand. Oder es war ein überlebendes Fragment des Granitblocks, der er einmal gewesen war. Er würde nicht einfach so nachgeben.

Hinter meinem Rücken spannte ich vorsichtshalber eine Hand.

Unvermittelt fiel sein aufrechter Unterarm auf den Schreibtisch wie ein gesprengter Turm, und das Dokument wehte aus seinen Fingern. Meine Hand stieß vor und fing das Papier an der Tischkante auf, bevor es zu Boden segeln konnte. Der Kommandant gab einen trockenen Kehllaut von sich.

Eine Weile blickten wir beide auf die Hand, die lautlos das Papier hielt, dann sackte der Kommandant wieder in seinem Sessel zusammen.

»Sergeant«, bellte er heiser.

Die Tür ging auf.

»Sergeant, holen Sie Wardani aus Kuppel achtzehn und bringen Sie sie zum Shuttle des Lieutenants.«

Der Sergeant salutierte und ging. Die Erleichterung, dass ihm die Entscheidung abgenommen worden war, breitete sich wie die Wirkung einer Droge auf seinem Gesicht aus.

»Vielen Dank, Kommandant.« Ich salutierte ebenfalls, steckte die Vollmacht ein und wandte mich zum Gehen. Ich hatte die Tür fast erreicht, als er wieder sprach.

»Eine begehrte Frau«, sagte er.

Ich drehte mich um. »Wie bitte?«

»Wardani.« Er beobachtete mich mit einem Funkeln in den Augen. »Sie sind nicht der Erste.«

»Der Erste wobei?«

»Vor weniger als drei Monaten.« Während er redete, erhöhte er die Stromstärke im linken Arm, und sein Gesicht zuckte. »Da hatten wir es hier mit einem kleinen Überfall zu tun. Kempisten. Sie schalteten die Wachmaschinen aus und gelangten hinein. Eine technische Meisterleistung, wenn man bedenkt, welcher Standard in dieser Gegend üblich ist.« Sein Kopf neigte sich träge über die Rückenlehne seines Sessels, und ihm entfuhr ein langer Seufzer. »Erstaunlich. Wenn man bedenkt. Sie kamen ihretwegen.«

Ich wartete, dass er weitersprach, doch dann rollte sein Kopf leicht zur Seite. Ich zögerte. Unten im Lager blickten zwei der Soldaten misstrauisch zu mir auf. Ich ging zum Schreibtisch zurück und nahm den Kopf des Kommandanten in beide Hände. Das menschliche Auge war weiß, die Pupille schwebte am Rand des oberen Lids wie ein Ballon, der an der Decke eines Raums entlangtrieb, in dem die Party schon längst vorüber war.

»Lieutenant?«

Der Ruf kam von draußen, von der Treppe. Ich warf noch einen letzten Blick auf das ertrunkene Gesicht. Der Mann atmete flach durch halb geöffnete Lippen, und der Mundwinkel schien im Ansatz eines Lächelns gekräuselt zu sein. Am Rand meines Gesichtsfeldes blinkte das rote Licht.

»Lieutenant?«

»Ich komme.« Ich ließ den Kopf zurückfallen, trat in die Hitze hinaus und schloss die Tür behutsam hinter mir.

Schneider saß auf einer vorderen Landekufe, als ich zurückkehrte, und unterhielt eine Horde heruntergekommener Kinder mit kleinen Zaubertricks. Ein paar Uniformierte beobachteten ihn aus der Ferne im Schatten der nächsten Ballonkammer. Er blickte auf, als ich mich näherte.

»Gab’s ein Problem?«

»Nein. Sehen Sie zu, dass Sie diese Kinder loswerden.«

Schneider hob nur eine Augenbraue und führte seinen Trick ohne besondere Eile zu Ende. Als Finale zog er ein kleines Memoryeffekt-Spielzeug aus Plastik hinter dem Ohr jedes Kindes hervor. Sie sahen in ehrfürchtigem Schweigen zu, als Schneider ihnen demonstrierte, wie die Figuren funktionierten. Man drückte sie platt, stieß einen lauten Pfiff aus und konnte zusehen, wie sie amöbengleich wieder ihre frühere Gestalt annahmen. Ein Genlabor sollte endlich einmal solche Soldaten entwickeln. Die Kinder waren völlig fasziniert. Etwas so Unzerstörbares hätte mir als Kind Albträume bereitet. Obwohl ich eine schwere Jugend gehabt hatte, war sie ein dreitägiger Ausflug in die Arkaden im Vergleich zum einem Leben auf diesem Planeten.

»Sie tun ihnen keinen Gefallen, wenn Sie den Eindruck erwecken, dass Menschen in Uniform gar nicht so übel sind«, sagte ich leise.

Schneider warf mir einen seltsamen Blick zu, dann klatschte er in die Hände. »Das war’s, Jungs. Verschwindet. Die Show ist vorbei.«

Die Kinder zogen ab, aber sie verließen diese kleine Oase des Spaßes und der Geschenke nur widerstrebend. Schneider verschränkte die Arme und blickte ihnen mit undurchschaubarer Miene nach.

»Woher haben Sie diese Dinger?«

»Hab sie im Laderaum gefunden. Bei den Hilfslieferungen für Flüchtlinge. Ich schätze, das Lazarett, von dem wir dieses Shuttle gestohlen haben, hatte nicht viel Verwendung dafür.«

»Nein, dort hat man bereits alle Flüchtlinge erschossen.« Ich zeigte auf die Kinder, die nun aufgeregt über ihre Geschenke diskutierten. »Die Miliz des Lagers wird sie ihnen wahrscheinlich abnehmen, sobald wir weg sind.«

Schneider zuckte die Achseln. »Ich weiß. Aber nicht die Schokolade und die Schmerzmittel. Was wollen Sie jetzt tun?«

Es war eine sinnvolle Frage, auf die es eine ganze Menge sinnloser Antworten gab. Ich blickte zu der Gruppe Soldaten des Lagers hinüber und dachte über ein paar der blutigeren Möglichkeiten nach.

»Da kommt sie«, sagte Schneider. Ich folgte seinem Blick und sah den Sergeant, zwei weitere Uniformen und dazwischen eine schlanke Gestalt mit gefesselten Händen. Ich kniff die Augen zusammen, damit die Sonne mich nicht blendete, und aktivierte den Vergrößerungsmodus meiner neurachemisch verstärkten Augen.

Tanya Wardani musste während ihrer Zeit als Archäologin wesentlich besser ausgesehen haben. Das langgliedrige Skelett war auf mehr Körpermasse ausgelegt, und sie hatte bestimmt mehr aus ihrem dunklen Haar gemacht, es zum Beispiel gewaschen und hochgesteckt. Genauso unwahrscheinlich war es, dass sie schon damals die verblassenden blauen Flecken unter den Augen gehabt hatte, und sie hätte bei unserem Anblick vielleicht sogar ein wenig gelächelt, wenigstens ein Zucken des langen, schiefen Mundes.

Sie blieb schwankend stehen und musste von einem Soldaten festgehalten werden. Neben mir erhob sich Schneider, wollte ihr entgegengehen, hielt sich jedoch im letzten Moment zurück.

»Tanya Wardani«, sagte der Sergeant steif und zog ein Stück weißes Plastikband hervor, das mit Strichcodes bedruckt war, und einen Scanner. »Für die Freilassung benötige ich Ihre Identifikation.«

Ich legte einen Finger auf die Codierung an meiner Schläfe und wartete ruhig ab, während der rote Laserstrahl über mein Gesicht strich. Der Sergeant suchte den Streifen auf dem Plastikband heraus, der Wardanis Code enthielt, und richtete den Scanner darauf. Schneider trat vor und packte die Frau am Arm. Er zerrte sie zum Shuttle und gab sich den Anschein ruppigen Desinteresses. Wardani spielte mit, ohne dass ihrem bleichen Gesicht irgendeine Regung anzusehen war. Als ich den beiden folgen wollte, rief mich der Sergeant zurück, mit einer Stimme, die plötzlich nicht mehr steif, sondern spröde klang.

»Lieutenant.«

»Ja, was gibt es noch?« Ich legte eine Spur Ungeduld in meine Stimme.

»Wird sie zurückkommen?«

Ich drehte mich in der Einstiegsluke um und hob genauso distinguiert eine Augenbraue, wie es Schneider wenige Minuten zuvor getan hatte. Er überschritt seine Kompetenzen, und er wusste es.

»Nein, Sergeant«, sagte ich, als würde ich mit einem kleinen Kind reden. »Sie kommt nicht mehr zurück. Sie wird zum Verhör gebracht. Vergessen Sie sie am besten.«

Ich schloss die Luke.

Doch als Schneider das Shuttle startete, sah ich durch ein Fenster, wie er immer noch da unten stand, im Sturm, den unsere Triebwerke entfesselten.

Er machte sich nicht einmal die Mühe, sein Gesicht vor dem Staub zu schützen.

4

Wir entfernten uns in westlicher Richtung vom Lager und flogen auf dem Gravfeld über eine Mischung aus Wüstensträuchern und Flecken dunklerer Vegetation, wo es der Flora des Planeten gelungen war, Wasseradern nahe an der Oberfläche anzuzapfen. Etwa zwanzig Minuten später erreichten wir die Küste und steuerten auf das Meer hinaus, das nach Angaben des Wedge-Nachrichtendienstes mit intelligenten Minen der Kempisten verseucht war. Schneider flog mit geringer Geschwindigkeit und blieb die ganze Zeit im Unterschallbereich. Das erleichterte die Ortung.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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