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Wie fühlt es sich an, unerwartet für mehr als zwei Jahre in einem fremden Land festzustecken? Chris kennt die Antwort. Seine Fahrrad-Weltreise nahm eine überraschende Wendung, als die Corona-Pandemie ihn nach Laos führte. Was als ungeplanter Zwischenstopp begann, entwickelte sich zu einer tiefgreifenden Entdeckungsreise durch ein ihm unbekanntes Land. Gefangen im Paradies ist die Geschichte eines Mannes, der unfreiwillig in der Fremde landete und dabei nicht nur Laos, sondern auch sich selbst neu entdeckte.
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Seitenzahl: 253
Veröffentlichungsjahr: 2024
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GEFANGEN
IM PARADIES
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Wie ein Umweg
mit dem Fahrrad nach Laos
mein Leben veränderte
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von
Chris Fritze
Copyright © 2024 Christopher Fritze
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Verantwortlich für Text und Gestaltung: Christopher FritzeDruck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, BerlinKontakt: www.chrisfritze.com
Für meine Mutter
Laos Landkarte
INHALT
Vorbemerkung
1
Flucht aus Vietnam
2
Laos
3
Plötzlich Lockdown
4
Kambodscha, ich komme
5
Mission Visum
6
Leer
7
Der Süden
8
Gastfreundschaft
9
Luang Prabang
10
Der Norden
Bilder
11
Coronas Ankunft
12
Corona
13
Zimmer frei
14
Neubeginn
15
Harter Lockdown die Erste
16
Harter Lockdown die Zweite
17
Freiheit
18
Ab geht die Bahn
19
Neuer Lifestyle
20
Motor unterm Hintern
21
Neues Jahr, neues (Un)-Glück
22
Machtspielchen der Extraklasse
23
Verfahren eingestellt
24
Nach Hause kommen
Danksagung
Über den Autor
VORBEMERKUNG
Um die Privatsphäre einiger beteiligten Personen zu schützen, wurden ihre Namen und die entsprechenden Ortsangaben in diesem Buch verändert. Viele Gespräche, die in dieser Erzählung vorkommen, wurden sinngemäß und frei ins Deutsche übersetzt, um den Lesefluss zu erleichtern. Die beschriebenen Ereignisse basieren jedoch alle auf realen Geschehnissen und spiegeln meine persönlichen Erlebnisse während meiner zweieinhalb Jahre in Laos während der Corona-Pandemie wider.
1
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FLUCHT AUS VIETNAM
Abenteuer ohne Risiko ist Disneyland.
– Doug Coupland
Ein heftiges „No, no, no“ schlug mir entgegen, als ich gerade die Türschwelle eines kleinen Gemischtwarenladens im Umland von Vinh im nördlichen Vietnam übertreten wollte, um meine Vorräte für die nächste Tagesetappe meiner Fahrradweltreise aufzufüllen. Ich schaute in die wütenden Gesichter dreier älterer einheimischer Damen, die wild mit ihren Armen gestikulierten, um mir zu verstehen zu geben, dass ich in diesem Geschäft nicht willkommen war.
Geschockt blieb für ich eine Sekunde stehen und schaute mich ungläubig um, ob wirklich ich gemeint war. Immerhin betrat ich dieses Geschäft zum allerersten Mal in meinem Leben. Niemand kannte mich hier, womit mich diese heftige Reaktion schwer überraschte. Generell hatte ich so ein feindliches Verhalten mir gegenüber in meinem gesamten Leben noch nie erlebt. Da aber sonst kein anderer Kunde im Laden war, war eindeutig ich gemeint. Ich hob die Hände, als würde ich mich ergeben. „Okay! Okay! Keine Sorge. Ich gehe ja schon“, antwortete ich. Erschrocken machte ich kehrt und überquerte die ruhige Vorortsstraße zum Laden auf der anderen Straßenseite.
Kaum stand ich am Eingang schlug mir eine ähnliche Reaktion seitens der beiden Verkäufer hinterm Tresen entgegen, so wie im Laden Augenblicke zuvor. Mit einem weiteren Schreck in den Knochen machte ich erneut kehrt und ging zum nächstgelegenen Restaurant. Schon als ich auf das Restaurant zuging, fuchtelten die Kellner ebenfalls wild und eindeutig mit ihren Armen herum, um mir zu verstehen zu geben, das Lokal nicht betreten zu dürfen. Meinen fast schon flehenden Versuch, mir irgendetwas zu essen zu verkaufen, ignorierten sie. Ich verstand diese Reaktionen mir gegenüber nicht. Ich hatte doch niemandem etwas getan. Wie kann es sein, dass mir niemand Lebensmittel verkaufen will? fragte ich mich. Das ist doch nicht normal. Die Situation machte mich wütend. Nur allzu gerne hätte ich meinen Ärger hinausgebrüllt, aber ich beherrschte mich. Immerhin wollte ich ja etwas von diesen Menschen.
Ich versuchte mein Glück bei den Händlerinnen, die auf dem Fußboden am Straßenrand hockten und eine kleine Auswahl an Obst und Gemüse anboten. Ihre Blicke, sowie die der Laden- und Restaurantbetreiber drumherum, waren auf mich gerichtet, als ich auf sie zusteuerte. Ich hatte die Straße gerade erst wieder halb überquert, als sie mir den Rücken zukehrten und ihre Nasen und Münder in ihren Armbeugen versteckten. „Verkauft mir doch einfach ein paar Früchte und dann seht ihr mich auch nie wieder“, rief ich ihnen verzweifelt zu, wohlwissend, dass mich vermutlich eh niemand verstand, geschweige denn, dass mir irgendjemand Aufmerksamkeit schenken würde. Ich versuchte es noch ein weiteres Mal bei einer anderen Gruppe von Straßenhändlerinnen. „Werft mir einfach irgendetwas zu und ich lege euch das Geld auf den Bordstein.“ Niemand reagierte. Plötzlich fühlte ich mich vollkommen allein und hilflos. Was war passiert?
Etwa neuneinhalb Monate zuvor war ich in meiner Flensburger Heimat mit dem Fahrrad aufgebrochen, um mir den Lebenstraum einer Weltreise zu erfüllen. Meine Reise führte mich durch Osteuropa, den Kaukasus und den Mittleren Osten, ehe ich im Februar 2020 dann einen Sprung per Flugzeug von Oman nach Vietnam machte.
Noch nie zuvor in meinem Leben war ich in Südostasien. Meine romantische Vorstellung von diesem Reiseabschnitt bestand darin, immer entlang der Küste zu radeln. Von Vietnam über Kambodscha, Thailand, Malaysia, bis ich irgendwann Singapur erreichen würde. Wenn ich dann noch Lust auf Asien haben sollte, dann hatte ich noch eine Zusatzetappe quer durch Indonesien bis nach Bali im Hinterkopf. Am Ende eines jeden Tages würde ich mein Zelt an perfekten weißen Sandstränden aufschlagen oder meine Hängematte zwischen Palmen spannen, eine Runde schwimmen oder schnorcheln gehen, die Seele baumeln lassen und letzten Endes ganz entspannt vom Rauschen der Brandung in den Schlaf gewiegt werden.
Nach meiner Landung in Hanoi radelte ich auf Empfehlung eines Freundes jedoch zunächst in den Norden des Landes. „Du musst unbedingt die Ha Giang Loop gesehen haben“, schrieb er mir in einer E-Mail. „Das ist die schönste Gegend, die ich in meinem gesamten Leben gesehen habe. Ich bin die Runde durch die Berge mit dem Motorrad gefahren. Mit dem Fahrrad wird es sicherlich nicht ganz einfach, aber ich denke, es ist machbar.“ Ich steuerte gerade auf Ha Giang zu, als in den Nachrichten die Meldung eines Ausbruchs eines neuen Virus verkündet wurde. Bislang kursierte er nur in China, wobei er seinen Ursprung wohl in Wuhan hatte. Covid-19. Ein Coronavirus. Ich hatte keine Ahnung, was das war. Es interessierte mich auch nicht sonderlich. Egal, wo man hinkam, schien sich nun aber alles nur noch um dieses Thema zu drehen.
Die gängige Einschätzung anderer Reisender, die ich unterwegs traf, war, dass es sich wohl um eine Art Grippe handeln würde. Vielleicht auch eine neue Art von Vogelgrippe, so wie mindestens jede Dekade irgendwo in der Welt auftaucht. So richtig wissen tat es aber niemand, aber ich teilte ihre Einschätzungen und daher war ich nicht sonderlich besorgt. Im Allgemeinen hatte ich seit Beginn meiner Reise die Nachrichten eher wenig verfolgt. Mein Handy war die meiste Zeit ausgeschaltet, und konkrete Pläne machte ich auch selten. Ich hatte mir nur eine grobe Route zurechtgelegt, der ich folgte. Ich wollte mich treiben lassen, mir Zeit nehmen, um mir unbekannte Kulturen fernab der Heimat kennenzulernen, die Freiheit im Sattel zu spüren und jeden Tag aufs Neue auf mich zukommen lassen.
Mit größter Anstrengung und durchgehenden Steigungen von 12 Prozent und mehr kämpfte ich mich über einen Berg nach dem anderen, bis ich die Ha Giang Loop nach rund einer Woche hinter mir ließ. Die Mühe hatte sich gelohnt. Es war eine der schönsten Gegenden, die auch ich in meinem Leben gesehen hatte. Trotz des häufigen Nebels bot sich von jedem Gipfel ein atemberaubender Blick auf tropisch grüne Täler, spektakuläre Felsformationen und entlegene Dörfer, in denen verschiedenste ethnische Gruppen seit Jahrhunderten lebten.
Die Stadt Ha Long glich bei meiner Ankunft einer Geisterstadt. Die Straßen und Fußwege waren wie leergefegt, was mir erlaubte in Schlangenlinien auf den mehrspurigen Straßen zu radeln. Trotz 300.000 Einwohner, herrschte eine totenstille. Der Anblick der vielen geschlossenen und teilweise verbarrikadierten Geschäfte, Restaurants und Hotels verstärkte die bedrückende Atmosphäre. Chinesische Touristen durften nicht mehr nach Vietnam einreisen. Eine einheimische Geschäftsfrau erzählte mir, dass die Chinesen in Ha Long normalerweise den Großteil des Tourismus ausmachten. Covid-19 schien also wirklich etwas Ungeahntes und Schwerwiegenderes zu sein, das sich gerade wie in einem Endzeitfilm von China über den Globus ausbreitete. Die Geschäftsleute, der wenigen noch geöffneten Läden, sowie die Handvoll anderen Gäste in meinem Hostel, schienen daher froh zu sein, dass aktuell keine chinesischen Touristen vor Ort waren.
Ich verließ Ha Long, freute mich kurz über den Meilenstein von 10.000 gefahrenen Kilometern und radelte in Richtung Ninh Binh. Die Stimmung gegenüber westlichen Touristen kippte nun auch. Zwar langsam, aber spürbar. Nach einem langen Tag im Sattel, hielt ich bei einem Guest House. Der Betreiber und ich einigten uns schnell auf einen Preis für die Übernachtung, woraufhin ich begann, das Gepäck von meinem Fahrrad zu laden. Er verschwand in seinem Büro. Nur eine Minute später, ich hatte gerade erst die große Tasche mit meinem Camping Equipment vom Gepäckträger genommen, kam er wieder auf mich zu und teilte mir mit, mich doch nicht beherbergen zu können. Ich war irritiert. „Warum?“, fragte ich.
„Covid!“ antwortete er kurz und knapp.
„Aber ich bin nicht chinesisch, geschweige denn war ich zuvor in China“, sagte ich in der Hoffnung, dass auch er, so wie die vielen anderen Menschen, mit denen ich in den Tagen zuvor gesprochen hatte, ebenfalls der Ansicht war, dass es eine rein chinesische Bedrohung war, und hoffte, ihn so wieder umzustimmen.
„Egal. Keine Ausländer erlaubt“, sagte er unbeeindruckt.
So etwas war mir auf all meinen Reisen noch nie passiert. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, schnallte ich die Gepäckträgertasche wieder aufs Fahrrad und schob es zum Guest House auf der anderen Straßenseite. Die ältere Dame an der Rezeption hier, schien hingegen glücklich zu sein, mich als Gast begrüßen zu dürfen. Komische Sache, dachte ich. Aber sicherlich nur ein einmaliges Ding. Und so war es auch. Zumindest bis ich mein nächstes Ziel erreichte.
Es war früher Nachmittag, als ich im Küstenstädtchen Sam Son ankam. Mein Plan für den Tag war, schnell irgendwo einzuchecken, den Rest des Tages am Strand zu verbringen und endlich die Schnorchel-Ausrüstung zu benutzen, die ich bei meiner Ankunft in Hanoi gekauft hatte. Von hier an wollte ich die Nachmittage und Abende am Strand verbringen, so wie ich es mir zuvor ausgemalt hatte. Der Anblick und Geruch des Meeres entfachten die entsprechende Vorfreude in mir.
Der für gewöhnlich beliebte Badeort glich ebenfalls einer Geisterstadt, so wie Ha Long zuvor. Ich sah keinen einzigen anderen westlichen Touristen, während ich entlang der Strandpromenade radelte. Es schien, als wäre ich der Einzige in der gesamten Stadt. Ich spürte, wie mich einige Einheimische etwas argwöhnisch beäugten, vornehmlich ältere Frauen. Ich ignorierte es und hielt bei dem Hostel, dessen Adresse ich mir zuvor im Internet herausgesucht hatte. Ich blickte auf ein trostlos wirkendendes, einfaches Haus, dessen Fensterläden und Türen verrammelt waren. Drumherum war keine Menschenseele zu sehen. Hmm…komisch. Laut Internet soll es geöffnet sein, dachte ich. Glücklicherweise hatte ich mir auch Alternativen zurechtgelegt und fuhr zum nächsten Hostel. Ich hatte Pech. Auch dieses Hostel sowie alle weiteren Low Budget Unterkünfte waren geschlossen.
Kreuz und quer radelte ich nun durch die Stadt und klapperte sämtliche andere Unterkünfte ab. Mit Ausnahme eines Hotels, welches außerhalb meines Budgets lag, stoppte man mich jedoch immer schon am Eingang. „Nicht reinkommen“, rief man mir von der Rezeption aus entgegen und winkte ab. Das Personal von Unterkünften, die offensichtlich geöffnet waren, was unschwer daran zu erkennen war, dass vereinzelt Gäste ein- und ausgingen, beteuerte, geschlossen zu haben. Wollt ihr mich verarschen? dachte ich. Vollkommen auf mich allein gestellt, wägte ich nun ab, ob ich einfach am Strand campen sollte, so wie ich es mir ursprünglich ausgemalt hatte. Ich verwarf diesen Gedanken jedoch schnell. Wenn die Leute schon so heftig reagieren, wenn ich versuche, eine Unterkunft zu buchen, dann will ich mir gar nicht erst ausmalen, wie die Reaktionen ausfallen, wenn sie mich am Strand campieren sehen. Es war das erste Mal auf dieser Reise, dass ich mich unwohl fühlte, mein Zelt irgendwo aufzustellen. Ratlos streifte ich weiter durch die Stadt und sprach willkürlich ein paar Leute auf der Straße an, ob sie eine Idee hätten, wo ich heute Nacht unterkommen könnte. Man verwies mich auf die Hotels, bei denen ich bereits an der Türschwelle abgewiesen wurde. Auf meine Nachfrage nach Alternativen folgte nur Achselzucken.
Die Abenddämmerung brach bereits an, als ich dann doch noch ein kleines Home Stay in einer einfachen Wohngegend fand, das bereit war, mich aufzunehmen. Die Betreiberin, eine ältere Dame, war zunächst sehr zurückhaltend, ließ sich aber von ihrer Tochter überzeugen, dass es in Ordnung war, mich für diese Nacht zu beherbergen. Ein Blick in meinen Reisepass überzeugte letztendlich, da sie so realisierte, dass ich mich schon länger in Vietnam aufhielt und zuvor nicht in China war. Ich war erleichtert. An einen entspannten Strand- und Schnorchel-Nachmittag war jetzt nicht mehr zu denken. Großartig Lust, überhaupt noch rauszugehen, hatte ich sowieso nicht mehr. Ich wollte jetzt nur noch duschen, essen, schlafen und den Tag hinter mir lassen.
Auf die Frage, wo ich in der näheren Umgebung einkaufen und Abendessen gehen könnte, antwortete die Tochter: „Kannst du das Haus heute bitte nicht mehr verlassen? Wir wollen nicht in Schwierigkeiten geraten, falls ein Nachbar dich sieht.“
Fassungslos über diese Frage verschlug es mir für einen Augenblick die Sprache. „Aber ich habe Hunger“, antwortete ich, nachdem ich mich wieder gesammelt hatte.
„Keine Sorge“, sagte sie. „Wir kochen Abendessen und du kannst mit uns essen“. Mir gefiel der Gedanke, trotz der Herausforderungen des Tages, gemeinsam mit einer einheimischen Familie zu essen, somit einen kleinen Einblick ins vietnamesische Familienalltagsleben zu bekommen und letztendlich einen versöhnlichen Tagesabschluss zu haben.
Die heiße Dusche wusch den Stress der letzten Stunden von mir. Ich ließ das warme Wasser laufen und kaum hatte ich mir etwas angezogen, da klopfte es an der Tür. Ich öffnete. Die Tochter stand mit einem Tablett vor mir auf dem ein dampfendes Abendessen stand. „Du musst bitte auf deinem Zimmer essen.“ Die Nachfrage – warum – ersparte ich mir. Ich konnte es mir schon denken. Ich nahm ihr das Tablett ab und bedankte mich für die Mahlzeit. „Eine Sache noch“, sagte sie. „Morgen früh musst du vor acht Uhr auschecken. Wir wollen, wie gesagt, keinen Ärger mit den Nachbarn bekommen.“ Zwar hatte ich Verständnis und war dankbar für ihre Gastfreundschaft, aber tief in mir braute sich ein mulmiges Gefühl zusammen. Plötzlich fühlte ich mich einsam. Und das alles nur wegen eines Virus?
Um kurz vor acht verabschiedete ich mich am nächsten Morgen von der Familie und bedankte mich für ihre Gastfreundschaft. Wie wird meine Reise von nun an weitergehen? Macht es überhaupt noch Sinn, sie fortzusetzen? Diese Fragen schwirrten nun in meinem Kopf herum, während ich in Richtung Vinh fuhr. Kinder entlang der Landstraßen zeigten von nun an auf mich und riefen „Corona, Corona“, sobald sie mich sahen. Erwachsene verdeckten ihre Nasen und Münder mit ihren Händen und drehten mir den Rücken zu, sobald sie mich erblickten, so als wäre ich persönlich der Virus auf zwei Rädern.
Zum ersten Mal auf dieser Reise fühlte ich mich unwohl und nicht willkommen in einem Land. Daher mied ich von nun an die Landstraßen, um einerseits die Dorfbewohner nicht unnötig mit meiner Präsenz zu verängstigen und andererseits möglichen unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Ich folgte den lauten und verkehrsreichen Hauptstraßen und hielt nur an, wenn es notwendig war. Ich trat kräftig in die Pedalen, um dieser äußerst unangenehmen Umgebung möglichst schnell zu entkommen. Da mein Visum bald auslief, war das Immigration Department in Vinh mein nächster Anlaufpunkt, um es zu verlängern. Das gibt mir etwas Zeit, um zu entscheiden, wo es hingehen und wie ich mit der Situation umgehen soll, dachte ich. Es machte keinen Unterschied, dass ich die Landstraßen vermied. Auch entlang der Hauptstraßen riefen mir Menschen weiterhin „Corona, Corona“ lautstark hinterher oder wandten sich argwöhnisch von mir ab. Ich fühlte mich wie ein Alien auf einem fremden Planeten, als ob eine unsichtbare Barriere mich von der Umgebung trennte.
Nun war ich also nahe Vinh, wurde gerade von den drei älteren Damen aus dem Laden gebrüllt und hatte mir noch eine weitere Ladung schroffer Abfuhren an den Türschwellen und bei den Straßenhändlerinnen eingefangen. Mir war nun klar, dass ich das Land auf dem schnellsten Weg verlassen musste. Hier bin ich offensichtlich nicht mehr willkommen!
Ich warf einen Blick auf die Landkarte. Bis nach Kambodscha waren es noch gute 1.000 Kilometer. Der nächstgelegene Ausweg war Laos, Grenzübergang Namphao, etwa 100 Kilometer entfernt. Bis zum nächstgrößeren Ort auf laotischer Seite sollten es schätzungsweise 120 Kilometer sein. Ich warf einen Blick in meine Fahrradtaschen, um meine Vorratssituation zu checken. Zwei Orangen und eine halbe Packung Cracker fand ich darin. Nicht viel, aber besser als gar nichts, dachte ich. Bis nach Kambodscha reicht das niemals, aber die 100 Kilometer bis nach Laos kann ich an einem Tage schaffen. Den einen Tage werde ich mit den zwei Orangen und den paar Crackern auch irgendwie über die Runden kommen. Ich muss aber sparsam damit umgehen. Das Frühstück fiel somit schon einmal aus. Meine romantische Idee, immer entlang der Küste zu radeln, war damit jedenfalls gestorben. Ich schwang mich wieder in den Sattel und setzte Kurs auf die laotische Grenze. Hunger und Hoffnung, dass mich die Menschen auf der anderen Seite der Grenze wieder wie einen Menschen, und nicht wie ein Alien, behandeln würden, war jetzt mein Antrieb.
Mit knurrenden Magen keuchte ich langsam die steile Bergstraße zum Grenzposten hinauf, bis mein Körper mich anflehte, ihm irgendetwas an Nahrung zu geben. Ich setzte mich auf einen Begrenzungsstein der kurvigen Straße und gönnte mir eine der beiden Orangen und eine Handvoll Cracker. Gierig stopfte ich mir die Cracker in den Mund und spülte sie mit ein paar Schluck Wasser hinunter. Die Orange aß ich jedoch mit Genuss. Es war die vermutlich leckerste und saftigste Orange meines bisherigen Lebens. Die andere Hälfte meines Proviants sparte ich mir auf. Wer weiß, wie die Situation in Laos ist und wie die Menschen dort auf mich reagieren, dachte ich besorgt. Satt wurde ich von dieser kleinen Mahlzeit nicht, aber immerhin verstummte das Flehen meines Magens ein wenig.
Nachdem ich das Einreisedokument ausgefüllt und zwei Passbilder sowie 30 Dollar auf den Schalter gelegt hatte, hatte ich innerhalb kürzester Zeit ein Visum upon Arrival in meinem Reisepass kleben. Nun war ich in Laos – einem Land, das ich auf dieser Reise nie beabsichtigt hatte zu besuchen und von dem ich nur wusste, dass es existierte.
2
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laos
Zu reisen ist zu leben.
– Hans Christian Andersen
Ich schob mein Fahrrad die wenigen Meter zum einzigen Laden am Grenzübergang, lehnte es an die Leitplanke und suchte nach einem stabilen Untergrund für meine Kamera, um ein Foto von meinem Grenzübertritt zu machen, so wie ich es immer bei meiner Ankunft in einem neuen Land tat. Ein Kleinwagen stoppte wenige Meter von mir entfernt und zwei junge Frauen stiegen aus. „Sollen wir ein Foto von dir machen?“, fragten sie, als sie mich etwas unbeholfen mit der Kamera herumhantieren sahen.
„Das wäre super“, antwortete ich überrascht. Es war einer der wenigen Momente in den letzten Tagen, in denen jemand freundlich und unbefangen mit mir sprach.
Nachdem sie schnell ein paar unscharfe Fotos von mir geknipst hatten, bedankte ich mich, packte die Kamera zurück in die Lenkertasche und schwang mich wieder aufs Fahrrad. Mühelos rollte ich die abschüssige, kaum befahrene Asphaltstraße entlang, während der Nam Phao Fluss friedlich zu meiner Rechten dahinfloss. Die Sonne funkelte auf der Wasseroberfläche. Der Dschungel auf der anderen Straßenseite ließ hingegen nicht tief in sich blicken. Ein paar kleine Farmen waren vereinzelt in den Dschungel eingebettet. Ein älterer Mann stand auf einem etwas höher gelegenem Feld. Er stützte sich auf seine Hacke, mit der er gerade sein Land bearbeitete, und winkte mir lächelnd zu, als er mich die Straße herunterrollen sah. Ich war noch keine halbe Stunde in Laos und meine ersten kleinen Begegnungen mit den Einheimischen waren bereits freundlicher als das, was ich in den vergangenen Tagen in Vietnam erlebt hatte. Eine spürbar andere, entspanntere Energie, lag hier in der Luft. Irgendetwas ist hier anders, dachte ich. Ich fragte mich, ob die Menschen hier vielleicht noch gar nichts von Corona gehört hatten, und hoffte, dass diese entspanntere Atmosphäre auch weiterhin bestehen bleiben würde.
Ein junger Kerl auf seinem Moped tauchte links neben mir auf, als die Abenddämmerung anbrach. Trotz der ersten positiven Eindrücke war ich etwas nervös, was wohlmöglich jetzt auf mich zukommen könnte. Er grinste und fragte in gebrochenem Englisch: „Push Lak Sao?“
Ich hatte keinen Schimmer, was er wohl meinen könnte, und betonte daher, dass ich okay war. Meine Antwort schien jedoch keine wirkliche Relevanz für ihn zu haben und so stemmte er seinen rechten Fuß hinten gegen den Rahmen meines Rades und begann mich anzuschieben. Jetzt verstand ich, was er meinte. Mit seiner Anschubhilfe und gut 30 km/h düsten wir durch die Dämmerung in die Kleinstadt Lak Sao. Als wir an einer Kreuzung im Zentrum ankamen, bog er links ab und winkte mir noch einmal mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zu. Ich fuhr etwas weiter geradeaus und checkte problemlos in das erstbeste Guest House ein. Die Betreiber, eine vietnamesische Familie, schienen sich zu freuen, einen zahlenden Gast begrüßen zu dürfen.
Frisch geduscht und mit einem ersten Gefühl der Erleichterung suchte ich einen Geldautomaten auf. Das Wort Sabaidee flackerte auf dem Bildschirm. Ich hob eine Million Kip ab, etwa 100 Euro, und ging zum Restaurant auf der anderen Straßenseite. Entkräftet und müde von der heutigen Bergetappe mit minimaler Kalorienzufuhr, zögerte ich für einen Augenblick am Eingang und sprach im Stillen ein kurzes Stoßgebet. Bitte lasst mich hinein.Und falls ich auch hier nicht willkommen sein sollte, dann schreit mich wenigstens nicht an. Davon hatte ich zuletzt mehr als genug, dachte ich und trat über die Türschwelle.
Eine junge Kellnerin kam auf mich zu. „Sabaidii“, sagte sie. „Wie kann ich dir helfen?“
„Ich würde gerne etwas essen“, antwortete ich fast fragend, unsicher ob hier endlich wieder etwas zu bekommen war.
Sie lächelte. „Ja klar“, erwiderte sie, ebenfalls beinahe fragend, als ob sie sich wunderte, warum ich auch sonst in ihr Restaurant gekommen war. Mit einer einladenden Handbewegung bot sie mir einen Tisch an und reichte mir die Speisekarte. Die Karte war komplett auf Laotisch gehalten, wodurch ich kein einziges Wort lesen konnte. Das war in dem Moment jedoch vollkommen unwichtig. Mich endlich wieder willkommen zu fühlen und wie ein Mensch behandelt zu werden, ließ ein wenig die Strapazen des Tages von mir abfallen. Ich fragte nach einer Portion Fried Rice und kurz darauf stand auch schon eine große dampfende Portion vor mir. Hastig begann ich, den Reis in meinen Mund zu schaufeln, und der eine oder andere genüssliche Seufzer entglitt mir. Diese einfache Mahlzeit glich einem Festmahl. Wie bereits die Orange zum Mittag, war es die wahrscheinlich leckerste Portion gebratener Reis meines Lebens.
Satt und gut gelaunt schlenderte ich durch Lak Sao. Niemand hier wandte sich von mir ab, niemand rief mir „Corona, Corona“ hinterher oder reagierte panisch auf meine Anwesenheit. Hier war es tatsächlich anders. „Sabaidii“, sagte eine Verkäuferin bei einem Handyladen an einer Straßenecke. Erst jetzt begriff ich, dass Sabaidii Hallo bedeutete. Mein erstes laotisches Wort. Klingt irgendwie süß, dachte ich. Mir gefiel diese melodische Begrüßung. Etwas Positives schwang dabei mit.
Eine Gruppe Jugendlicher spielte barfuß Fußball in einem gepflasterten Park. Der Ball rollte mir vor die Füße. Gekonnt nahm ich den Ball mit meinem starken linken Fuß auf, hielt ihn stolze zwei Mal hoch und spielte ihn zurück. Die Jungs schienen beeindruckt zu sein, zumindest bildete ich es mir ein. Sie gaben mir ein Zeichen, dass ich mitspielen sollte. Ich zog meine Sandalen aus und wir spielten bis spät in den Abend hinein, bis ich Blasen unter den Füßen hatte. Zwar lief ich jetzt ein bisschen unrund, aber es fühlte sich gut an. Die unsichtbare Barriere, die sich zuvor zwischen mir und den Einheimischen in Vietnam aufgebaut hatte, war hier nicht vorhanden. Hier in Laos fühlte ich mich wieder als Mensch.
Zwei Tage später schwang ich mich wieder aufs Fahrrad und folgte der Straße in Richtung Süden. Seit meiner Ankunft in Laos checkte ich regelmäßig die Nachrichten. Rund um den Globus verhängte nun eine Regierung nach der anderen einen Lockdown. Die Nachrichtenlage vor Ort war jedoch nicht eindeutig. Die Weiterreise nach Kambodscha schien weiterhin möglich zu sein und somit war ich hoffnungsvoll, meine Reise trotz dieser ungeplanten Routenänderung fortführen zu können. Eine kurze Google-Recherche zeigte mir, dass sich in der Stadt Pakse, im Süden von Laos, ein kambodschanisches Konsulat befand. Damit war mein nächstes Ziel ausgemacht. Im Konsulat würde ich mir alle notwendigen Informationen einholen und mein Visum für die Einreise organisieren. Gut gelaunt, mit ausgeruhten Beinen und vollem Bauch, radelte ich die nahezu menschenleere Landstraße in Richtung Süden. Nur vereinzelt begegneten mir Einheimische auf Mopeds, und lediglich einmal sah ich eine kleine Touristengruppe. Mitten im Niemandsland erreichte ich nach einiger Zeit eine halb nach oben gezogene Schranke. Der Wärter in der kleinen hölzernen Wachhütte hob nicht einmal seinen Kopf, als ich langsam heranrollte. Also duckte ich mich unter der Schranke hinweg und befand mich jetzt im Nakai-Nam Theun National Park. Das breite Flussbett des Nam Theun Flusses prägte die Umgebung. Abgestorbene Bäume, die aus dem Wasser ragten, zeichneten ein etwas gespenstiges, aber auch faszinierendes Landschaftsbild. Die karge Schönheit der Szenerie fesselte mich und ich genoss jeden einzelnen Meter auf dieser außergewöhnlichen Strecke.
Bei Sonnenuntergang erreichte ich das Flussdörfchen Thalang. Die Betreiber des einzigen geöffneten Guest Houses erlaubten mir, mein Zelt im Garten aufzustellen. Sie fragten lediglich nach einer Gebühr von 10.000 Kip für die Nutzung der sanitären Einrichtungen. „Heute Abend machen wir übrigens Barbecue“, sagte einer der Mitarbeiter. „Komm gerne dazu. Das kostet aber natürlich extra.“ Ich nahm die Einladung dankend an und freute mich, nach längerer Zeit des Alleinseins, mal wieder andere Reisende treffen zu können.
Am Lagerfeuer stehend und mit einem vollen Teller in der Hand, traf ich Gil, einen stämmigen Schauspieler mittleren Alters aus Luxemburg. Wir verstanden uns gut, und während wir unsere Teller am Buffet immer wieder auffüllten, quatschten wir über Gott und die Welt. Corona war erfrischender Weise mal nicht das Gesprächsthema, und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir aufeinandertrafen.
Die Landschaft entlang der Straße nach Thakhek ließ mich weiterhin staunen. Bei Temperaturen um die 40 Grad radelte ich vorbei an weitläufigen Reisfeldern, die von den Bauern in harter Handarbeit bearbeitet wurden. Unzählige mit Dschungel bewachsene Kalksteinfelsen erhoben sich imposant im Hintergrund. Kinder in einfachen Kleidern, die am Straßenrand spielten, riefen mir freudestrahlend „Hello! Sabaidii!“ zu und winkten, während ich die Dörfer mit ihren schlichten Holzbehausungen durchquerte. Sie waren offensichtlich begeistert, einen weißen Ausländer durch ihr Dorf kommen zu sehen. „Sabaidii“, rief ich und winkte ebenfalls zurück. Das Reisen machte hier wieder Spaß und ich spürte, wie die Negativerlebnisse aus Vietnam weiter von mir abfielen.
Auf der Veranda eines Restaurants am Straßenrand traf ich einen älteren Herrn aus den USA. Er brachte mir die nächste laotische Vokabel bei – khop chai. „Das bedeutet danke. Man spricht es aus wie Cop, so wie wir die Polizisten in Amerika nennen, und Chai, so wie der Tee“, sagte er. Das war einfach. Jetzt kannte ich die zwei wichtigsten Wörter, die man braucht, wenn man ein fremdes Land besucht. Sabaidii und khop chai. Was mir jetzt noch fehlte, war das Wort für Trinkwasser. Das schnappte ich direkt am nächsten Tag auf – nam dim. Von jetzt an wusste ich, dass ich in Laos überleben konnte. Dass ich hier mit Englisch nicht weit kommen würde, das hatte ich bereits gemerkt. Nur sehr wenige Menschen in dieser ländlichen Gegend sprachen etwas Englisch. Sicherlich werde ich unterwegs aber noch das eine oder andere laotische Wort aufschnappen. dachte ich. Alles andere werde ich, wie schon so oft auf dieser Reise, mit meinen Scharadefähigkeiten wettmachen.
In regelmäßigen Abständen sah ich am Straßenrand einfache Holzschilder. Ihre handgemalten Aufschriften wiesen auf die Höhlen in den Kalksteinfelsen hin und zeigten die abgehenden Sandstraßen herunter. Die hohe Temperatur und Luftfeuchte machten mir allerdings zu schaffen – so sehr, dass mir das Atmen teilweise schwerfiel. Große Umwege fahren war daher keine Option. Zwischendurch schoss mir sogar der Gedanke durch den Kopf, vielleicht an Corona erkrankt zu sein und deshalb Schwierigkeiten beim Atmen zu haben. Das Konversationsthema Nummer Eins dieser Tage nagte nun also auch an meinem Verstand. Der Gedanke verflog jedoch schnell, als ein Polizeiauto an mir vorbeizog und wenige hundert Meter weiter auf der Landstraße stoppte. Ich stellte mich auf eine allgemeine Polizeikontrolle ein. Doch als ich mich dem Fahrzeug näherte, stieg der Beifahrer aus, öffnete den Kofferraum, hievte einen großen schwarzen Müllbeutel heraus und warf ihn ins Gestrüpp am Straßenrand. Dann stieg er wieder ein und das Auto raste davon. Der Gedanke, dass es sichtlich zwecklos war, die Polizei zu rufen, wenn man solch ein Verhalten melden wollen würde, erschien sinnlos. Vermutlich würden dann eh dieselben Dorfpolizisten auftauchen, die sich gerade ihres Mülls entledigt hatten. Und dann? Es wäre beinahe komisch gewesen, wäre es nicht so ernüchternd. Ein weiteres hölzernes Schild tauchte am Straßenrand auf: „Phaya In Cave – 500 Meter“. 500 Meter sind kein großer Umweg, dachte ich, bog rechts ab und fuhr den Sandpfad zur Höhle entlang.
Am Fuße der Stufen, die hoch in die Höhle führten, fand ich nichts weiter als einen verlassenen Verkaufstand mit Kochstelle vor. Es war vielmehr ein notdürftig zusammengezimmerter Bretterverschlag als ein Laden, und es war keine Menschenseele in Sicht. „Sabaidii“, rief ich, unsicher, ob vielleicht doch jemand da war und ob ich Eintritt zahlen musste. Keine Reaktion. Niemand war hier. Ich parkte mein Fahrrad und machte eine kurze Trinkpause, ehe ich die Stufen zur Höhle hinaufstieg. Das Sonnenlicht erhellte die Höhle nur minimal – gerade genug, um die ersten paar Meter zu sehen. Bald konnte ich meine eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen und kehrte um, um meine Taschenlampe zu holen. Zurück beim Fahrrad hörte ich ein sich näherndes knatterndes Motorengeräusch. Ein Moped kam den Sandpfad heruntergefahren und stoppte. In der Erwartung, jetzt doch Eintritt bezahlen zu müssen, nahm der Fahrer den Helm ab und grinste. Es war Gil. Ich freute mich, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Nach einem kurzen Plausch stieg er die Stufen zur Höhle hinauf. „Du wirst nicht weit kommen“, sagte ich. „Es ist stockduster da drinnen.“
Wenige Minuten später kam er die Stufen wieder herunter. „Da sind Lampen in der Höhle“, sagte er. „Wir müssen nur den Lichtschalter finden.“ Wir schauten uns um, und nach kurzer Suche fand Gil den Schalter. Schummriges Licht offenbarte uns nun den Pfad in die Höhle.