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In seiner um das Jahr 180 veröffentlichten Schrift "Gegen die Häresien" setzte sich der Kirchenvater Irenäus von Lyon eingehend mit den Lehren der christlichen Gnostiker auseinander, um diese des Irrtums im Glauben zu überführen. Neben den 1945 in Nag Hammadi gefundenen Schriften bietet das Werk des Irenäus die wertvollste Übersicht über die Lehren der Gnosis im frühen Christentum.
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Seitenzahl: 938
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Einleitung.
Erstes Buch: Vorrede
I. KAPITEL: Die dreißig Äonen der Valentinianer.
II. KAPITEL: Die Verirrung der Sophia. - Christus und der Hl. Geist
III. KAPITEL: Allegorische Beweisführung der Valentinianer aus der Hl. Schrift.
IV. KAPITEL: Die Vorgänge außerhalb des Pleroma. - Entstehung der Materie
V. KAPITEL: Erschaffung des Demiurgen und des Menschen.
VI. KAPITEL: Die Moral der Gnostiker
VII. KAPITEL: Dreierlei Menschen und ihr Los
VIII. KAPITEL: Weiterer Mißbrauch der Hl. Schrift.
IX. KAPITEL: Widerlegung der gnostischen Schrifterklärung
X. KAPITEL: Die Kirche als Trägerin der Wahrheit.
XI. KAPITEL: Die verschiedenen Lehren des Valentinus, Secundus und anderer
XII. KAPITEL: Die Lehre der Ptolemäer und Colarbasäer
XIII. KAPITEL: Markus, der Zauberer
XIV. KAPITEL: Die Buchstaben- und Zahlenspielerei des Markus.
XV. KAPITEL: Weitere Phantastereien des Markus
XVI. KAPITEL: Schluß der Zahlenspielerei
XVII. KAPITEL: Erklärung der Himmelserscheinungen
XVIII. KAPITEL: Die Schöpfungsgeschichte nach gnostischer Erklärung
XIX. KAPITEL: Der unsichtbare Vorvater
XX. KAPITEL: Der Vorvater in den Apokryphen und im Neuen Testament
XXI. KAPITEL: Die Erlösung bei den Irrlehrern.
XXII. KAPITEL: Der alte Glaube und die Häretiker
XXIII. KAPITEL: Simon, der Zauberer, und Menander
XXIV. KAPITEL: Saturninus und Basilides.
XXV. KAPITEL: Karpokrates
XXVI. KAPITEL: Cerinth, die Ebioniten und Nikolaiten
XXVII. KAPITEL: Kerdon und Markion.
XXVIII. KAPITEL: Tatian, die Enkratiten und andere.
XXIX. KAPITEL: Die Barbelioten
XXX. KAPITEL: Die Ophiten und die Sethianer.
XXXI. KAPITEL: Die Kainiten. - Schlußbetrachtung
Zweites Buch: Vorrede.
I. KAPITEL: Gott, der einzige Gott
II. KAPITEL: Kein anderer schuf die Welt als Gott
III. KAPITEL: Ausführung des Weltplanes
IV. KAPITEL: Zurückweisung des Bythos und des Fehltrittes.
V. KAPITEL: Kein anderer Schöpfer ist möglich
VI. KAPITEL: Gott konnte den Engeln nicht verborgen bleiben
VII. KAPITEL: Die Welt, kein Abbild der Äonen
VIII. KAPITEL: Die Welt, kein Schatten der Äonen
IX. KAPITEL: Gott ist der Schöpfer, über ihm niemand
X. KAPITEL: Was alles die glauben, welche nicht glauben
XI. KAPITEL: Die Häretiker sollen Rede stehen
XII. KAPITEL: Die „Dreißig“ stimmt nicht.
XIII. KAPITEL: Ihre Emanationen stimmen nicht.
XIV. KAPITEL: Die heidnischen Quellen der Gnostiker
XV. KAPITEL: Für die Emanationen fehlt die Ursache
XVI. KAPITEL: Die Vorbilder gleichfalls grundlos
XVII. KAPITEL: Die Emanationen stimmen nicht
XVIII. KAPITEL: Die Leidensgeschichte der Sophia voller Widersprüche
XIX. KAPITEL: Widersprüche in der Samenlehre
XX. KAPITEL: Das Leben Jesu hat nichts mit ihrer Lehre gemein
XXI. KAPITEL: Die zwölf Apostel haben mit den zwölf Äonen nichts zu tun
XXII. KAPITEL: Dauer der Lehrtätigkeit Jesu
XXIII. KAPITEL: Das blutflüssige Weib.
XXIV. KAPITEL: Die Zahlenbezeichnung ist falsch und grundlos
XXV. KAPITEL: Vernünftige Weltbetrachtung
XXVI. KAPITEL: Das Zahlensuchen ist unnütz
XXVII. KAPITEL: Die geoffenbarte Wahrheit sei Fundament des Forschens!
XXVIII. KAPITEL: Vieles entzieht sich unserm Verständnis.
XXIX. KAPITEL: Seele und Leib nach dem Tode.
XXX. KAPITEL: Die „Geistigen“ stehen nicht über dem Demiurgen
XXXI. KAPITEL: Rekapitulation. - Wunder und Scheinwunder.
XXXII. KAPITEL: Verhältnis der Gnostiker zu Jesu Lehre von den guten Werken
XXXIII. KAPITEL: Es gibt keine Seelenwanderung.
XXXIV. KAPITEL: Die Unsterblichkeit der Seele
XXXV. KAPITEL: Ein Himmel, ein Gott
Drittes Buch: Vorrede
I. KAPITEL: Die Apostel im Vollbesitz der Wahrheit
II. KAPITEL: Schrift oder Tradition werden nach Belieben verworfen.
III. KAPITEL: Was wahre Tradition ist.
IV. KAPITEL: Allein in der Kirche ist die wahre Tradition
V. KAPITEL: Christus, die vollkommene Wahrheit
VI. KAPITEL: Der Vater und der Sohn sind wahrer Gott.
VII. KAPITEL: Exegese über 2 Kor. 4, 4.
VIII. KAPITEL: Exegese über Mt. 6, 24
IX. KAPITEL: Matthäus und der Gott des Alten Testamentes
X. KAPITEL: Lukas und Markus über den Gott des Alten Testamentes
XI. KAPITEL: Johannes über dasselbe Thema. - Die vier Evangelien als Ganzes.
XII. KAPITEL: Die Predigten der Apostel
XIII. KAPITEL: Paulus lehrt nichts anders wie die übrigen Apostel
XIV. KAPITEL: Das Evangelium des Lukas.
XV. KAPITEL: Es gibt keine Geheimlehre Christi
XVI. KAPITEL: Es gibt nur einen Jesus Christus
XVII. KAPITEL: Was auf Jesus herabstieg, war der Hl. Geist.
XVIII. KAPITEL: Kein anderer als das Wort Gottes starb am Kreuze
XIX. KAPITEL: Jesus Christus im eigentlichsten Sinne Sohn Gottes
XX. KAPITEL: Der Erlöser ist Gott und Mensch zugleich
XXI. KAPITEL: Geburt Jesu aus der Jungfrau. Entstehung der LXX.
XXII. KAPITEL: Christus nahm wahres Fleisch an aus Maria
XXIII. KAPITEL: Auch Adam ist erlöst worden
XXIV. KAPITEL: Die Kirche bleibt sich in der Verkündigung der Wahrheit immer gleich; die Häretiker suchen immer Neues.
XXV. KAPITEL: Gott ist zugleich gerecht und gut.
Viertes Buch: Vorrede
I. KAPITEL: Christus kennt und lehrt nur einen Gott
II. KAPITEL: Auch die Propheten kannten nur diesen einen Gott.
III. KAPITEL: Himmel und Erde vergehen, Gott nicht.
IV. KAPITEL: Warum Jerusalem fallen mußte
V. KAPITEL: Die Einheit der beiden Testamente
VI. KAPITEL: Exegese über Mt. 11, 27.
VII. KAPITEL: Abraham frohlockte, seinen Tag zu sehen.
VIII. KAPITEL: Christus und das Gesetz des Alten Bundes
IX. KAPITEL: Die Einheit der beiden Testamente
X. KAPITEL: Moses über den Messias
XI. KAPITEL: Der Fortschritt in der göttlichen Offenbarung
XII. KAPITEL: Die Gebote des Alten und des Neuen Testamentes
XIII. KAPITEL: Die Vervollkommnung der Gebote
XIV. KAPITEL: Der göttliche Heilsplan
XV. KAPITEL: Die Zweckmäßigkeit der alttestamentlichen Gebote.
XVI. KAPITEL: Die Bedeutung der alttestamentlichen Vorschriften
XVII. KAPITEL: Die Heilsbedeutung der Opfer
XVIII. KAPITEL: Nur das reine Opfer der Kirche ist Gott wohlgefällig
XIX. KAPITEL: Gottes Wesen ist unergründlich
XX. KAPITEL: Der Vater, das Wort und der Geist haben alles erschaffen. - Die Anschauung Gottes
XXI. KAPITEL: Abraham und die Patriarchen als Typen des Neuen Bundes
XXII. KAPITEL: Typische Handlungen Christi
XXIII. KAPITEL: Die Propheten erleichterten den Aposteln die Arbeit
XXIV. KAPITEL: Die apostolische Arbeit bei den Heiden war schwieriger
XXV. KAPITEL: Verhältnis der beiden Testamente zueinander
XXVI. KAPITEL: Von dem wahren Verständnis des Neuen Testamentes, von den falschen und den wahren Priestern
XXVII. KAPITEL: Jede Sünde wird nach dem Grade ihrer Schuld bestraft.
XXVIII. KAPITEL: Lohn oder Strafe, beides nach Verdienst
XXIX. KAPITEL: Inwiefern Gott das Herz Pharaos verhärtete.
XXX. KAPITEL: Weshalb das jüdische Volk die ägyptischen Schätze mitnahm
XXXI. KAPITEL: Die typische Bedeutung der Geschichte Lots
XXXII. KAPITEL: Bedeutung des Alten Testamentes für die religiöse Erziehung des Menschen
XXXIII. KAPITEL: Der Herr wird alle Häretiker richten. - Die Kirche allein ist vom Hl. Geiste geleitet. - Messianische Weissagungen
XXXIV. KAPITEL: Die Propheten sprachen im Namen des wahren Gottes
XXXV. KAPITEL: Über den angeblich verschiedenen Ursprung der einzelnen Schriftsteilen
XXXVI. KAPITEL: Die Patriarchen, die Propheten und Christus kommen von ein und demselben Gott
XXXVII. KAPITEL: Vom freien Willen des Menschen
XXXVIII. KAPITEL: Weshalb der Mensch nicht ursprünglich vollkommen war
XXXIX. KAPITEL: Die Konsequenzen des freien Willens
XL. KAPITEL: Derselbe Vater belohnt und bestraft
XLI. KAPITEL: „Kinder Gottes“ und „Söhne des Teufels.“
Fünftes Buch: Vorrede
I. KAPITEL: Christus in Wahrheit unser Lehrer und Erlöser
II. KAPITEL: Der Leib des Menschen und die Eucharistie
III. KAPITEL: Von der Vollendung des Fleisches im ewigen Leben
IV. KAPITEL: In der Vollendung des Fleisches zeigt sich die Allmacht des Vaters
V. KAPITEL: Beispiele aus dem Alten Testament für die Fortdauer der Körper
VI. KAPITEL: Leib, Seele und Geist machen den vollkommenen Menschen aus
VII. KAPITEL: Die Auferstehung Christi ist ein Vorbild unserer eigenen
VIII. KAPITEL: Die Wirksamkeit des Hl. Geistes im Menschen
IX. KAPITEL: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben.“
X. KAPITEL: Pauli Gleichnis von dem guten und dem wilden Ölbaum
XI. KAPITEL: Die Werke des Fleisches und die des Geistes
XII. KAPITEL: Von der Wiederbelebung des Fleisches
XIII. KAPITEL: Die Totenerweckungen, ein Vorbild der Auferstehung
XIV. KAPITEL: Um unser Fleisch zu erlösen, nahm der Herr dasselbe Fleisch an
XV. KAPITEL: Dasselbe Fleisch, das von Gott erschaffen wurde, wird von ihm auch auferweckt
XVI. KAPITEL: Das menschgewordene Wort ist das Urbild des ersten Menschen
XVII. KAPITEL: Christus erwies sich als Sohn Gottes, indem er die gegen Gott verübten Sünden vergab
XVIII. KAPITEL: Das Wort ist der Schöpfer und Herr dieser Welt.
XIX. KAPITEL: Evas Ungehorsam wurde aufgehoben durch Marias Gehorsam. - Die Torheit der Irrlehrer
XX. KAPITEL: Die Wahrheit der apostolischen Tradition
XXI. KAPITEL: Adams Ungehorsam ist durch Christi Gehorsam in jeder Hinsicht wieder gut gemacht
XXII. KAPITEL: Gott ist der alleinige Herr über alles in der Welt
XXIII. KAPITEL: Der Teufel ist ein Lügner, Gott ist die Wahrheit
XXIV. KAPITEL: Gott und der Teufel in ihrem Verhältnis zu den Reichen dieser Welt
XXV. KAPITEL: Von dem Wirken des Antichrist nach Daniel und Paulus
XXVI. KAPITEL: Die Bildsäule des Daniel und das Erscheinen des Antichrist
XXVII. KAPITEL: Vom jüngsten Gericht; die einen werden von Gott getrennt, die andern mit ihm vereint
XXVIII. KAPITEL: Von der Trennung der Guten und Bösen, dem Abfall zum Antichrist und dem Ende der Welt
XXIX. KAPITEL: Den Gerechten dient alles zum Nutzen; in dem Antichrist wird alles Böse zusammengefaßt
XXX. KAPITEL: Über die Zahl 666 und den Namen des Antichrist, das Ende seiner Herrschaft und seinen Tod
XXXI. KAPITEL: Jeder wird wie der Herr erst auferstehen und dann in den Himmel fahren
XXXII. KAPITEL: Die Dulder werden den Lohn empfangen, den Gott dem Abraham und seinem Samen verheißen hat
XXXIII. KAPITEL: Die den Patriarchen gegebenen Verheißungen werden auf der neuen Erde in Erfüllung gehen
XXXIV. KAPITEL: Wie die Propheten von der neuen Erde gesprochen haben.
XXXV. KAPITEL: Die Prophezeiungen über die neue Erde dürfen nicht allegorisch verstanden werden
XXXVI. KAPITEL: Die neue Erde, eine Wohnung der Gerechten
Zu dieser Ausgabe
Der jüngere Plinius hatte als Prokonsul von Bithynien seinen berühmten Bericht über die Christen an Kaiser Trajan geschrieben, und dieser mit den klassischen Worten seiner Erwiderung „Conquirendi non sunt“ Friedlichere Tage für die Kirche Christi eingeleitet. In dieser Zeit, um das Jahr 115 wurde, wenn man den Forschungen Zahns folgen will, in Kleinasien ein Mann geboren, der nach der Bedeutung seines Namens ein Friedensmann sein sollte und der die Lehranschauungen der christlichen Kirche zum erstenmal in ihrer Gesamtheit ausführlich darlegte und begründete. Es ist Irenäus, der spätere Bischof von Lyon, dem schon die alten Kirchenväter und Schriftsteller die höchste Verehrung entgegenbrachten.
Tertullian nennt ihn den unermüdlichen Erforscher aller Lehrsysteme, einen Mann von hervorragender Heiligkeit und Bedeutung. Eusebius bezeichnet ihn als einen höchst glaubwürdigen Zeugen und tapferen Vorkämpfer für die Wahrheit des katholischen Glaubens. Noch weiter geht in seiner Anerkennung Theodoret, wenn er von Irenäus als dem wunderbaren, dem apostolischen Manne spricht, der des Abendlandes Leuchte war, wie Epiphanius ihn als einen Kirchenlehrer preist, der mit der Fülle des Hl. Geistes geschmückt und wie ein edler Streiter von dem Herrn mit himmlischen Gnadengaben gesalbt ist.
Diese dem hl. Irenäus entgegengebrachte Bewunderung erscheint nicht ungerechtfertigt. Denn Irenäus ist in seiner Art ohne Vorläufer. Mag er seinem innigst verehrten Lehrer Polycarpus, zu dessen Füßen er saß, dessen Wort er in sein Herz aufnahm, dessen Bild ihn bis ins höchste Alter begleitete, dessen spätere Briefe er mit größter Aufmerksamkeit studierte, noch soviel verdanken, mag er manches von Papias übernommen haben, dem er als einem Zeugen des apostolischen Zeitalters leicht zuviel Glauben schenkte, mögen die wiederholt von ihm zitierten „Presbyter“ Asiens an ihm einen auch noch so gelehrigen Schüler gehabt haben, mag nach dem Zeugnis des Eusebius schon Hegesipp den Nachweis der irrtumsfreien Überlieferung der apostolischen Predigt in der einfachsten Form versucht haben - sein besonderes Verdienst bleibt unbestritten. Irenäus hat zum erstenmal den von den Aposteln empfangenen Glauben in seiner Gesamtheit dargestellt und wissenschaftlich als den allein wahren begründet. Irenäus ist der Vater der katholischen Dogmatik. Die Hl. Schrift - allein aus dem Neuen Testament bringt er 558 Zitate, so daß aus ihm nur wenige Kapitel unbenutzt bleiben - beherrscht er mit überraschender Sicherheit und Genauigkeit. Sie bildet die Grundlage seiner Beweisführungen. Daneben kommt die Tradition zu voller Geltung. Mit hervorragendem Scharfsinn und heiliger Begeisterung hat er die Verteidigung der in der Kirche von den Aposteln niedergelegten Lehre durchgeführt. Und wenn er auch gleich dem Liebesjünger Johannes, aus dessen Schule er ja abstammte, gegen die Irrlehrer strenge Worte gebrauchte und Lüge ungeschminkt Lüge nannte, so bleibt er doch in christlicher Liebe auch seinen Gegnern gerecht und nimmt die von Irrlehrern Verführten gegen den Verdacht in Schutz, als ob sie all die Schlechtigkeiten wirklich verübten, die ihnen nachgesagt wurden oder die sich als Konsequenz ihrer Lehren ergeben konnten. Dazu kommt seine absolute Wahrheitsliebe und Bescheidenheit: er sagt nicht mehr, als er aus zuverlässiger Quelle in sichere Erfahrung gebracht hat, so daß seine Angaben jeglicher Nachprüfung unseres kritischen Zeitalters standgehalten haben. Wahrscheinlich lag ihm schon ein gnostisches Originalwerk, Evangelium nach Maria betitelt1, vor, das 1896 in koptischer Sprache aufgefunden wurde.
Dennoch darf nicht verkannt werden, daß seine Darstellung noch mit mannigfachen Mängeln behaftet ist. Sein Hauptwerk über die Entlarvung und Widerlegung der sog. Gnosis „ist kein Werk aus einem Guß.“2 Aus der Vorrede zu den einzelnen Büchern ersieht man, daß die Abfassung derselben ganz allmählich vor sich gegangen ist, und daß das 5. Buch erst auf wiederholtes Ersuchen eines Freundes in Angriff genommen wurde. Genaueres läßt sich über die Entstehungszeit der einzelnen Bücher nicht sagen: nur soviel steht fest, daß unter dem Pontifikat des Eleutherus das 3. Buch verfaßt wurde, in dem sich der berühmte Papstkatalog vorfindet. Und wenn nach IV, 30, 1 zur Zeit der Abfassung dieses Buches am kaiserlichen Hofe vermögende Christen verweilten, so scheint auch das ganze Werk aus einem gewissen Gefühl der äußeren Sicherheit und des politischen Friedens entsprossen zu sein. Wir sind daher mit Zahn3 wohl berechtigt, die Entstehung des Werkes in die Regierungszeit des Kaisers Commodus (180-192) zu legen. Politische Ruhe ist den Wissenschaften günstig, aber lange Zwischenräume beeinträchtigen die Geschlossenheit eines Werkes.
Das Ziel, das sich Irenäus bei seinem Hauptwerk wider die Häretiker gesetzt hat, war zunächst ein praktisches. Er will einen Freund mit den neuaufgetauchten Irrlehren bekannt machen und ihm zugleich die Waffen zur Bekämpfung derselben in die Hand geben, damit dieser imstande ist, die ihm anvertraute Herde zu schützen. Da aber die Irrlehren in manchen Punkten übereinstimmen, in vielen auseinandergehen, so ergeben sich nicht wenige Wiederholungen und Weitschweifigkeiten, die vielleicht auch zum Teil auf Rechnung des hohen Alters zu setzen sind, in dem Irenäus sein Hauptwerk verfaßte. Demgemäß erhält die Darstellung der christlichen Lehre, die der Irrlehre gegenübergestellt und als bekannt vorausgesetzt wird, erst den zweiten Platz und kann weder systematisch noch zusammenhängend sein. Selbst wo Irenäus eine gewisse Systematik oder chronologische Ordnung versucht, wird diese durch Einwände und Rekapitulationen der Irrlehre immer aufs neue unterbrochen.
Wir bemerken weiter an gar vielen Stellen, daß Irenäus von den Banden der allegorischen Schriftauslegung eng umschlungen ist. Wenn man neuerdings gemeint hat, daß ohne Philo und seine allegorische Schriftauslegung sich die Entstehung des christlichen Dogmenglaubens nicht erklären lasse4, so ist das freilich ein Irrtum. Denn allegorische Deutungen waren bei den Griechen schon lange vor Philo in Übung und sollten auch nicht so bald aussterben; sie waren ein Grundübel einer historisch wenig geschulten Zeit und eine Folge der im wörtlichen Sinne unhaltbaren Göttersagen. Während sich aber Philo an Plato, Aristoteles und die Pythagoräer noch ohne jeden inneren Grund lediglich aus Lust an der Allegorie anlehnt, geht Irenäus in der Darstellung des Dogmas immer auf den Wortlaut der hl. Urkunden zurück, und nur so nebenbei nimmt dann als modische Zierde der Darstellung die Allegorie einen breiten Raum ein. Philo und Josephus gehören zusammen, sie sind der jüdische Abzweig der griechischen Philosophie. Zwischen ihnen und den Kirchenvätern klafft die große Kluft ganz entgegengesetzter Weltanschauungen, die durch die jener Zeit gewohnte, heute als störend empfundene Vorliebe für die Allegorie nicht überbrückt wird.
Zu den weiteren Schwierigkeiten, die eine genußreiche Lektüre beeinträchtigen, gehört der seltsam verzwickte Satzbau des Irenäus. In der Vorrede zum ganzen Werk findet sich sein Selbstbekenntnis niedergelegt, daß er die Rhetorik nicht gelernt, die Schriftstellerei nicht geübt habe. Ob das Griechische, das Irenäus schreibt, auch seine Muttersprache gewesen, läßt sich nicht ermitteln, aber jedenfalls hat er während der langen Zeit, die er unter den Kelten weilte und sich zumeist mit keltischer Sprache abgab, im griechischen Ausdruck keine Fortschritte gemacht - was zur Genüge erklärt, daß er nicht selten mit der Sprache zu kämpfen hat, zumal auf Gebieten, die vor ihm noch niemand betrat. Nimmt man dazu, daß der bei weitem größte Teil seines Werkes nur in einer lateinischen Übersetzung vorliegt, die zwar äußerst wortgetreu, aber eben deshalb häufig dunkel und schwerfällig ist, so dürfte das Bild der sprachlichen Struktur des Textes genügend skizziert sein.
Über den Zustand des Textes ist nicht viel zu sagen. Der lateinische Irenäus ist so gut überliefert wie wenig alte Schriftsteller.5 Die älteste Handschrift, der Codex Claromontanus, der sich jetzt in Cheltenham befindet, gehört dem 9. Jahrhundert an. Sämtliche vorhandenen Handschriften der lateinischen Übersetzung und ihre Kapiteleinteilung hat Loofs in einer besonderen Studie behandelt. Der griechische Originaltext ist, soweit er vorliegt, meist den Kirchenvätern, die ihn verwendet oder zitiert haben, entnommen.
Außer den fünf Büchern gegen die Häresien ist nur noch eine armenisch überlieferte Schrift des hl. Irenäus erhalten, die Simon Weber für die vorliegende Sammlung ins Deutsche übersetzt hat. Seine übrigen Werke sind verloren gegangen oder nur in spärlichen Fragmenten auf uns gekommen.
Von den verschiedenen Editionen seien erwähnt die ganz vortreffliche, die Ren. Massuet O. S. B., Paris 1710 besorgte und die Migne mit der seither gebräuchlichen Kapiteleinteilung in seinen Patrologiae cursus completus aufnahm; eine weitere von Stieren, Leipzig 1853, eine dritte von Harvey, Canterbury 1857, die auch die bis dahin bekannt gewordenen syrisch-armenischen Fragmente bringt, und schließlich die neueste von Mannucci, Rom 1907, die erst bis zum Ende des zweiten Buches gelangt ist. Die Bibliographie zu Irenäus s. bei O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur I. Bd. Freiburg 1902, 496 und Derselbe, Patrologie 3. Aufl. 1910, S. 96 ff. Irenäus gegen die Häretiker, Buch IV und V, in armenischer Version entdeckt von Karap. Ter-Mekerttschian, herausgegeben von Exwand Ter-Minassiantz (Texte und Unters., Bd. XXXV, Heft 2), Leipzig 1910.
Eine deutsche Übersetzung besorgte Hayd 1872 für die „Bibliothek der Kirchenväter“; ich habe sie für meine Übersetzung eingesehen. Während Hayd sich bemühte, nach Art der lateinischen Übersetzung möglichst wortgetreu zu sein, habe ich versucht, der deutschen Sprache mehr zu ihrem Recht zu verhelfen und dadurch den stellenweise recht dunklen Sinn tunlichst herauszuarbeiten.
Jede Zeit hat ihre besondere Aufgabe, aber die Wahrheit und Aufgabe des Christentums bleibt unveränderlich dieselbe. Darum ist jenes Licht, das über der Urzeit der gallischen Kirche erstrahlte, auch uns nicht fremd. Wie ein Leuchtfeuer steht es auf steiler Klippe und vermag auch heute noch Irrende aus den Wirrnissen der Gegenwart zu erretten und zur Kenntnis Wahrheit zu führen.
1Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften. 1896, 893 ff.
2Bardenhewer, Geschichte d. altkirchl. Literatur I. 502.
3Forschungen VI, 28.
4 Cohn, Die Werke Philos von Alexandria, 21.
5 Erhard, Geschichte der altchrist. Literatur, 266.
Es gibt Leute, welche die Wahrheit aus dem Hause schicken, die Lüge aber hereinrufen und endlose Stammtafeln erdenken, die mehr Klügeleien fördern, wie der Apostel sagt, als göttliche Erbauung im Glauben.6 Durch Scheingründe, die sie geschickt zusammenstellen, verführen sie die Halbgebildeten und nehmen sie gefangen, indem sie des Herrn Worte fälschen und schlechte Deuter seiner guten Reden werden. So bringen sie viele auf Irrwege und unter dem Deckmantel der Wissenschaft, Gnosis genannt, als ob sie etwas Höheres und Größeres zu zeigen hätten als den, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was darin ist, lenken sie viele ab von dem Urheber der Ordnung und Schönheit des Weltalls. Wie Ratgeber leiten sie durch kunstvolle Worte die Harmlosen auf den Weg des Suchens und stürzen sie ratlos ins Verderben, bis diese zur Gottlosigkeit und Lästerung gegen den Welterbauer gelangt sind und die Lüge von der Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden vermögen. Die Lüge zeigt sich nämlich nicht als solche und läßt sich nicht in ihrer Nacktheit erblicken; geschickt versteht sie es, sich in ein ehrbar Gewand zu kleiden, um nach außen für die urteilslose Menge wahrer zu erscheinen als die Wahrheit selber. So spottet ja auch, wie ein Würdigerer als wir mit Bezug auf solche Menschen gesagt hat, des wertvollen und vielgeschätzten Smaragdes eine künstliche Imitation aus Glas, so lange niemand da ist, der das Ding untersuchen und die schlaue Nachahmung nachweisen kann. Kupfer in Silber getan, wer kann das ohne weiteres erkennen, wenn er arglos ist!
Möge uns nun keine Schuld treffen, wenn einige wie Schafe von den Wölfen sich rauben lassen, indem sie dieselben wegen ihres Schaffelles, mit dem sie von außen sich umkleidet haben, nicht erkennen, da sie ja so ähnlich reden, aber der Geist ein ganz anderer ist. Vor ihnen uns zu hüten, hat der Herr uns befohlen. Aus all diesen Gründen erachtete ich es für eine Notwendigkeit, Dir, Geliebter, ihre wunderbaren und tiefen Geheimnisse bloßzulegen, die nicht alle fassen können, weil noch nicht alle ihren Verstand verloren haben. Ich habe sie entnommen den Kommentaren der sogen. Valentinianer, der Schüler Valentins, sowie auch den Äußerungen einiger, mit denen ich zusammentraf, und teile sie Dir nun mit, damit Du sie allen offenbarst, die bei Dir sind, und sie ermahnst, sich zu hüten vor dem Abgrund des Unsinns und der Lästerung gegen Christus. Zugleich wollen wir nach Maßgabe unserer Kräfte auch die neueste Lehre, ich meine die der Ptolemäer, die ein Abzweig der Schule des Valentinus ist, kurz und klar wiedergeben, auch gemäß unserer Mittelmäßigkeit Stützpunkte darbieten, um sie zu widerlegen, indem wir zeigen, daß ihre Behauptungen unnatürlich sind und mit der Wahrheit nicht zu vereinigen. Zwar ist das Schreiben uns ungewohnt, noch besitzen wir Übung in der Kunst der Rede - aber die Liebe treibt uns, Dir und den Deinigen ihre Lehren kundzutun, die bisher verborgen waren, nun aber gemäß der Gnade Gottes offenbar wurden. Denn nichts ist verhüllet, was nicht soll enthüllet, noch verborgen, was nicht soll gewußt werden.7
Du darfst jedoch bei uns, die wir unter den Kelten weilen und uns zumeist mit der barbarischen Sprache abmühen, weder die Kunst der Rede suchen, die wir nicht gelernt, noch die Kraft des schriftlichen Ausdruckes, den wir nicht geübt haben, noch schöne Redewendungen oder Dialektik, die wir nicht verstehen. Aber was wir recht und schlecht und kunstlos an Dich in Liebe geschrieben, das wirst Du mit Liebe aufnehmen und in Dir wachsen lassen, indem Du, der Du begabter bist als wir, es wie Samenkörner und Anfänge von uns empfängst. In der Weite Deines Gesichtskreises wirst Du viele Frucht bringen von dem Wenigen, was wir gesagt haben, und mit Macht wirst Du den Deinigen das nahebringen, was wir Dir in Schwachheit verkündeten; und wie wir uns bemühten, auf Deinen Wunsch, ihre Lehren kennen zu lernen, sie Dir nicht bloß kundzutun, sondern Dir auch Fingerzeige zu geben, um ihre Unwahrheit aufdecken zu können, so wirst auch Du eifrig den andern gemäß der Dir verliehenen Gnade dienen, auf daß die Menschen nimmermehr durch ihre Scheingründe verleitet werden.
Ihre Lehre aber ist die folgende.
1. Es lehren die Valentinianer, in unsichtbaren und unnennbaren Höhen sei ein vollkommener Äon gewesen, der vor allem war. Diesen nennen sie auch Uranfang, Urvater und Tiefe (Bythos). Er ist aber unsichtbar, und kein Ding kann ihn fassen. Da er unfaßbar, unsichtbar, ewig und unerzeugt ist, so ist er unermeßliche Zeiten in tiefster Ruhe gewesen. Mit ihm hat zugleich angefangen die Ennoia, die sie auch Charis und Sige nennen. Nun ist jener einmal auf den Gedanken gekommen, von sich diesen Bythos als Anfang aller Dinge auszusenden und diesen Sprößling, den er auszusenden im Sinne gehabt hatte, wie ein Sperma gleichsam in den Mutterschoß der bei ihm befindlichen Sige einzusenken. Nachdem diese ihn empfangen hatte und schwanger geworden war, hat sie den Nous geboren, der dem Erzeuger ähnlich und gleich war und allein die Größe des Vaters erfaßte. Diesen Nous nennen sie auch den Eingeborenen, Vater und Anfang aller Dinge. Mit Ihm zusammen ist auch die Wahrheit geboren und dies ist die erste und ursprüngliche Pythagoräische Vierheit, die sie auch die Wurzel aller Dinge heißen. Sie besteht nämlich aus dem Bythos und der Sige, dann aus dem Nous und der Wahrheit (Aletheia).
Indem er nun merkte, wozu er hervorgebracht war, hat der Eingeborene nun seinerseits den Logos und die Zoe hervorgebracht, den Vater aller Dinge, die nach ihm kommen sollten, und die Mutter und Gestaltungskraft des gesamten Weltalls. Aus ihrer ehelichen Verbindung sind hervorgegangen der Mensch und die Kirche Das ist die ursprüngliche Achtheit, die Wurzel und Substanz aller Dinge, die nur mit vier Namen bei ihnen belegt ist: Bythos und Nous, Logos und Anthropos (Mensch), weil in dem männlichen Prinzip jedesmal auch das weibliche enthalten ist, indem sich der erste Urvater (Bythos) paarweise mit seiner Ennoia, der Eingeborene (d. i. der Nous) mit der Aletheia, der Logos mit der Zoe, der Mensch mit der Kirche vereinigte.
2. Diese Äonen, zur Verherrlichung des Vaters hervorgebracht, wollten nun auch ihrerseits aus dem Ihrigen den Vater verherrlichen. So entsprossen der Verbindung des Logos und der Zoe, nachdem sie den Menschen und die Kirche erzeugt hatten, zehn weitere Äonen, die da heißen: Bythios und Mixis, Ageratos und Henosis, Autophyes und Hedone, Akinetos und Synkrasis, Monogenes und Makaria. Diese zehn Äonen also stammen von dem Logos und der Zoe. - Der Mensch mit der Kirche hat gleichfalls Äonen hervorgebracht und zwar zwölf, denen sie folgende Namen verleihen: Parakletos und Pistis, Patrikos und Elpis, Metrikos und Agape, Aeinous und Synesis, Ekklesiastikos und Makariotes, Theletos und Sophia.
3. Da haben wir die dreißig Äonen ihrer Irrlehre, die geheimnisvollen, nicht zu verratenden; das ist ihr unsichtbares und geistiges Pleroma, dreifach geteilt in die Achtheit, Zehnheit und Zwölfheit, und deswegen, sagen sie, habe der Erlöser, denn „Herr“ wollen sie ihn nicht nennen, dreißig Jahre lang ein verborgenes Leben geführt, indem er dadurch das Geheimnis dieser Äonen andeutete. Aber auch in der Parabel von den in den Weinberg geschickten Arbeitern sind nach ihrer Ansicht diese dreißig Äonen auf das deutlichste angezeigt; die einen werden nämlich um die erste, die andern um die dritte, die andern um die sechste, noch andere um die neunte, die letzten um die elfte Stunde gemietet. Die genannten Stunden zusammengezählt ergeben gerade die Zahl dreißig. Die Stunden aber sollen die Äonen bedeuten. Das sind die großen, wunderbaren, unsäglichen Geheimnisse, die Früchte, die sie tragen, und wenn sich irgendwie etwas von dem vielen in den Schriften Gesagten anpassen läßt, dann bringen sie es mit ihren Phantasiegebilden in Einklang.
1. Ihren Urvater nun kann nach ihrer Lehre nur der von ihm erzeugte Erstgeborene, der Nous, erkennen, allen andern bleibt er unsichtbar und unfaßbar. Nur der Nous erfreute sich nach ihnen der Anschauung des Vaters und ergötzte sich in der Betrachtung seiner unermeßlichen Größe. Auch den übrigen Äonen gedachte er, die Größe, das Wesen, die Ewigkeit, Unbegrenztheit und Unfaßbarkeit des Vaters mitzuteilen, aber nach dem Ratschluß des Vaters hielt die Sige ihn zurück, da sie diese alle zum Nachdenken führen wollte und zu dem Verlangen, ihren oben erwähnten Urvater aufzusuchen. Und so im stillen strebten denn die übrigen Äonen danach, den Urheber ihres Samens zu sehen und die anfangslose Wurzel zu erforschen.
2. Den weitesten Sprung aber tat der letzte und jüngste Sprößling der Zwölfheit, der von dem Menschen und der Kirche erzeugte Äon, die Sophia, und geriet in leidenschaftliche Erregung ohne die Umarmung ihres Gemahls Theletos. Die Erregung nahm ihren Ausgang bei dem Nous und der Aletheia, sprang aber über, sich danebenwendend, auf die Sophia unter dem Vorwand der Liebe, in Wirklichkeit aus Tollheit, da sie mit dem vollkommenen Vater nicht solche Gemeinschaft besaß wie der Nous, und sie ist nichts anders als das Suchen nach dem Vater, indem sie seine Größe erfassen wollte. Dann aber konnte sie es nicht, weil sie an Unmögliches sich gemacht hatte, und geriet wegen der Tiefe des Abgrundes und der Unergründlichkeit des Vaters und Zärtlichkeit gegen ihn in große Not, und weil sie immer weiter vorwärts strebte, so wäre sie von seiner Süßigkeit schließlich wohl verschlungen und in die allgemeine Substanz aufgelöst worden, wenn sie nicht auf eine Kraft gestoßen wäre, die das Weltall befestigt und außerhalb der unaussprechlichen Größe bewacht. Diese Kraft nennen sie Horos. Von ihr ist sie angehalten und befestigt, und mit Mühe bekehrt und überzeugt worden, daß der Vater unfaßbar ist. So hat sie denn abgelegt ihre frühere Begierde samt der aus dem furchtbaren Staunen entsprossenen Erregung.
3. Einige von ihnen erklären die Erregung und Bekehrung der Sophia auf mythische Art. Da sie nach etwas Unmöglichem und Unerreichbarem trachtete, so gebar sie ein formloses Wesen, wie es eben ohne Mann ein weibliches Wesen hervorzubringen vermochte. Wie sie dies nun erblickte, ist sie zuerst wegen des unvollkommenen Geschöpfes betrübt gewesen, dann aber in Furcht geraten, daß es nicht einmal das Sein vollkommen besitze. Dann ist sie in die äußerste Verlegenheit geraten, indem sie nach der Ursache suchte und auf welche Weise sie das Geschöpf verbergen könne. Nun dachte sie über ihre Gefühle nach und kam zur Umkehr und versuchte zum Vater zurückzukehren, aber nach einer gewissen Strecke wurde sie schwach und bat demütig den Vater, indem auch die übrigen Äonen, in Sonderheit Nous, mit ihren Bitten sich vereinigten. Von hier, aus der Unwissenheit, dem Leid und der Angst hat die Materie ihren Uranfang genommen.
4. Danach aber brachte der Vater den oben erwähnten Horos nach seinem Ebenbilde durch den Eingeborenen hervor, unvermählt, ohne Weib. Bald nämlich lassen sie den Vater mit der Sige sich vermählen, bald auch übermännlich und überweiblich sein. Diesen Horos aber nennen sie Stauros (Kreuz), Lytrotes (Erlöser), Karpistes (Sammler), Horothetes (Grenzbestimmer) und Metagogeus (Hinüberleiter). Durch diesen Horos ist nach ihrer Lehre die Sophia gereinigt und befestigt und Ihrem Gatten zurückgegeben worden. Nachdem sie so befreit war von ihrer Begierde samt der Erregung, ist sie in dem Pleroma verblieben, die Begierde aber samt der Erregung hinausgewiesen, abgegrenzt und vertrieben. Sie ist aber als natürlicher innerer Drang eines Äonen eine geistige Wesenheit, ohne Gestalt und Erscheinung, da sie nichts empfangen hatte. Deswegen heißt sie auch eine kraftlose und weibische Frucht.
5. Nachdem diese aus dem Pleroma der Äonen hinausgewiesen und ihre Mutter ihrem eigenen Gemahle wiedergegeben war, da hat der Eingeborene wiederum noch ein anderes Paar, Christus und den Hl. Geist, zur Befestigung und Sicherung des Pleroma hervorgebracht, damit durch sie die Äonen wieder geordnet wurden. So wollte es die Vorsehung des Vaters, damit keiner der Äonen Ähnliches erleide. Christus belehrte sie nämlich, daß es hinreiche, wenn sie die Natur der Paarung als einen Denkakt des Urvaters erkennen, und verkündete ihnen seine Erkenntnis des Vaters, daß er unfaßbar und unbegreiflich ist, daß ihn niemand sehen oder hören kann und daß nur der Eingeborene ihn erkennt. Die Ursache des ewigen Verharrens der übrigen ist in dem unbegreiflichen Urschoße des Vaters, die begreifliche Ursache ihrer Erschaffung und Gestaltung ist der Sohn. Dieses verkündete unter ihnen Christus sogleich nach seiner Entsendung.
6. Der Hl. Geist aber hob die Unterschiede zwischen ihnen auf, lehrte sie Dank sagen und führte die wahre Ruhe ein. So wurden sie alle innerlich und äußerlich gleich, alle wurden zum Nous, zum Logos, zum Anthropos, zum Christus; und ähnlich wurden die weiblichen Äonen alle zur Aletheia, zur Zoe, zum Pneuma, zur Kirche. Als so alle insgesamt befestigt und zur vollkommenen Ruhe gebracht waren, da haben sie mit großer Freude den Urvater besungen, der an ihrem lauten Jubel teilnahm. Aus Dank für diese Wohltat hat das ganze Pleroma der Äonen einhellig und mit Zustimmung Christi und des Geistes und mit Gutheißung ihres Vaters das Schönste und Blühendste, was jeder von den Äonen in sich hatte, zusammengetragen, gesammelt, passend verbunden und sorgfältig vereint, so daß zur Ehre und zum Ruhme des Bythos die vollkommenste Schönheit und das Gestirn des Pleroma hervorgebracht wurde, eine vollkommene Frucht: Jesus nämlich, der auch Heiland zubenannt wird, oder auch nach seinem Vater, Christos und Logos, oder auch das All, weil er von allen abstammt. Als Trabanten sind zugleich mit ihm zu ihrer Ehre stammverwandte Engel hervorgebracht worden.
1. Das also trug sich nach ihnen innerhalb des Pleroma zu. So geriet der Äon in Leid und wäre um ein kleines zugrunde gegangen, wie er auf der Suche nach dem Vater in der vielen Materie ins Unglück geriet; so wurde infolge seines Kampfes Horos und Stauros und Lytrotes und Karpistes und Horothetes und Metagogeus zusammengefügt, und der erste Christus samt dem Geiste infolge seiner Bekehrung durch den Vater erschaffen, aber später als die Äonen; so auch der zweite Christus, den sie auch Heiland nennen, in gemeinschaftlichem Wirken hergerichtet. Dies ist zwar nicht deutlich geoffenbart, weil ja nicht alle die Gnosis erfassen, aber durch Parabeln hat es der Heiland geheimnisvoll denen gezeigt, die es fassen können. Die dreißig Äonen nämlich sind, wie oben erwähnt, angedeutet durch die dreißig Jahre, in denen der Heiland nichts in der Öffentlichkeit gewirkt haben soll, und auch in der Parabel von den Arbeitern im Weinberg. Auch Paulus spricht nach Ihrer Lehre häufig aufs deutlichste von den Äonen und beobachtet sogar auch ihre Rangordnung, indem er sagt: „Auf alle Geschlechter der Äonen des Äonen.“8 Aber auch wir sollen von jenen Äonen sprechen, wenn wir bei der Feier der Eucharistie sagen: Von Äonen zu Äonen (von Ewigkeit zu Ewigkeit). Und wo immer dies Wort vorkommt, da soll es ein Hinweis auf ihre Äonen sein.
2. Die Entsendung der zwölf Äonen aber soll angedeutet sein durch die Unterredung des zwölfjährigen Jesus mit den Gesetzeslehrern und durch die Auswahl der zwölf Apostel. Die übrigen achtzehn Äonen aber werden dadurch angezeigt, daß er nach seiner Auferstehung von den Toten angeblich achtzehn Monate mit seinen Jüngern verkehrt habe. Aber auch durch die beiden ersten Buchstaben seines Namens - J und E - werden die achtzehn Äonen genau bezeichnet; in gleicher Weise die zehn Äonen durch den ersten Buchstaben seines Namens, deswegen hat der Heiland auch gesagt: „Nicht ein Jota noch ein Strichlein wird vergehen, bis dies alles geschieht.“9
3. Das dem zwölften Äon widerfahrene Mißgeschick wird angezeigt durch den Verrat des Judas, welcher der zwölfte Apostel war, und dadurch, daß er im zwölften Monat litt, denn nur ein Jahr soll er nach der Taufe gepredigt haben. Ferner zeigt sich dies deutlichst an der blutflüssigen Frau. Nachdem sie zwölf Jahre krank gewesen ist, wurde sie durch die Ankunft des Erlösers geheilt, indem sie seinen Rocksaum berührte. Deswegen sprach der Heiland: „Wer hat mich berührt?“10 Hierdurch lehrte er den Jüngern die oben erzählte, geheimnisvolle Geschichte der Äonen und wie der in das Unglück verstrickte Äon geheilt wurde. Die zwölf Jahre lang blutflüssige Frau bedeutet jene Äonenkraft, die nach außen strebte und in das Endlose ihrer Wesenheit ausfloß; hätte sie nicht sein Gewand berührt (d. i. die Aletheia der ersten Vierheit, die durch den Rocksaum bezeichnet wird), so wäre sie eben in ihre Wesenheit aufgelöst worden. So machte er halt und ihr Leiden hörte auf; denn die von ihm ausgehende Kraft, der Horos, heilte sie und befreite sie von ihrem Leiden.
4. Daß aber der aus dem All stammende Heiland das All selber sei, wird nach ihrer Meinung durch das Schriftwort offenbart: „Alles Männliche, das den Mutterschoß öffnet.“11 Er war nämlich dies All, das den Schoß der Enthymesis öffnete, des leidenden Äonen, und ausgestoßen wurde aus dem Pleroma. Diese nennen sie auch die zweite Achtheit, von der wir später reden werden. Auch von Paulus wird offenbar aus diesem Grunde gesagt: „Alles ist Christus“12 und wiederum: „Alles ist für ihn, und aus ihm ist alles13 und wiederum: „In ihm wohnt das ganze Pleroma der Gottheit14 und schließlich: „Alles erneuern in Christus durch Gott.“15 So erklären sie diese und andere ähnliche Stellen.
5. Ihr Horos ferner, den sie bekanntlich auch mit verschiedenen Namen bezeichnen, besitzt nach ihrer Behauptung zwei Tätigkeiten, eine befestigende und eine teilende. Im ersten Sinne heißt er Stauros (Kreuz), im zweiten Horos (Abgrenzer). Seine erste Tätigkeit, die befestigende, hat der Heiland angezeigt, indem er sagte: „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, kann mein Schüler nicht sein.“16 und abermals: „Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach!“ Seine trennende Tätigkeit aber hat er angedeutet durch die Worte: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“17 Auch Johannes hat ebendasselbe gelehrt, indem er sagt: „Die Wurfschaufel ist in seiner Hand, er wird seine Tenne reinigen und er wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber in unauslöschlichem Feuer verbrennen.“18 Hierdurch hat er die Tätigkeit des Horos angedeutet; denn jene Wurfschaufel bedeutet das Kreuz, welches alles Irdische verzehren muß wie die Spreu das Feuer, und reinigen die, welche gerettet werden, wie die Wurfschaufel das Getreide. Der Apostel Paulus aber hat dieses Kreuz folgendermaßen erwähnt: „Das Wort vom Kreuze ist denen, die verloren gehen, eine Torheit, aber uns, die wir gerettet werden, eine Kraft Gottes“19 und wiederum; „Ferne sei mir, mich wegen etwas zu rühmen, wenn nicht wegen des Kreuzes Christi, für das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“20
6. Das ist ihre Lehre von dem Pleroma und ihrem erdichteten All und durch solche gewaltsamen Erklärungen werden sie schlechte Deuter der guten Schriftworte. Doch nicht bloß aus den Evangelien und den Apostelbriefen versuchen sie, sich ihre Beweise zu machen, indem sie die Erklärungen verdrehen und die Deutungen leicht nehmen. Nein, auch aus dem Gesetz und den Propheten; sie enthalten ja viele Geheimnisse und Sinnbilder, die man auf vieles beziehen kann. Da passen die einen das Vieldeutige durch Erklärung, die andern durch grobe Fälschung ihrem Phantasiegebilde an und führen aus dem Lande der Wahrheit in ihre Gefangenschaft diejenigen, die keinen festen Glauben bewahren an den einen Gott, den allmächtigen Vater und an den einen Herrn, Jesus Christus, den Sohn Gottes.
1. Wir kämen nun zu den Vorgängen, die sich außerhalb des Pleroma zugetragen haben. Da soll zunächst die Enthymesis der oberen Weisheit, die sie auch Achamoth nennen, mit der Leidenschaft von dem oberen Pleroma abgesondert und in die Räume des Schattens und der Leere zwangsweise hinausgeworfen sein. So war sie verbannt von dem Licht und dem Pleroma, form- und gestaltlos wie ein Embryo, nicht imstande, etwas zu erfassen. Da erbarmte sich ihrer Christus, dehnte sie aus durch sein Kreuz und gab ihr Gestalt durch seine Kraft, so daß sie zur Existenz, doch nicht zum Bewußtsein gelangte. Darauf hat er sie wieder verlassen und ihr seine Kraft entzogen, damit sie inne würde des Leidens, welches eine Folge war ihrer Trennung vom Pleroma, und Sehnsucht nach dem Höheren empfinde, denn ihr war ja von Christus und dem Hl. Geiste eine gewisse Ahnung der Unsterblichkeit hinterlassen. Deswegen trägt sie auch zwei Namen: nach dem Vater Sophia, wie ja auch ihr Vater Sophia heißt, und Heiliger Geist wegen des Geistes Christi. Da sie nun Gestalt bekommen hatte und zu sich gekommen war, gleich darauf aber von ihrem unsichtbaren Beistande, d, i. von dem Logos oder Christus, verlassen war, so hat sie sich auf die Suche nach dem ihr entschwundenen Lichte begeben, es aber nicht erreichen können, weil sie von Horos zurückgehalten wurde. Bei dieser Gelegenheit hat Horos „Jao“ gerufen und daraus ist der Name Jao (Jehovah, Jahveh ) entstanden. Da sie nun den Horos nicht zurückdrängen konnte und allein draußen bleiben mußte, weil sie in ihre Leidenschaft so verwickelt war, so ist alles Leid jeder Art und Gestalt über sie gekommen: Trauer, weil sie nichts erfaßte, Furcht davor, daß sie wie das Licht auch das Leben verlieren könnte, Bestürzung und gänzliche Unwissenheit. Aber nicht wie ihre Mutter, die erste Sophia, der Äon, bekehrte sie sich von ihrer Leidenschaft, sondern im Gegenteil. Noch eine andere Leidenschaft kam über sie, die Sehnsucht nach ihrem Lebendigmacher.
2. Das soll der Ursprung und das Wesen der Materie gewesen sein, aus der diese Welt besteht. Aus dieser Sehnsucht hat die ganze Seele der Welt und des Weltenschöpfers ihren Anfang genommen, aus der Furcht und Trauer aber das übrige. Von den Tränen komme her alle feuchte Substanz der Welt, von dem Lachen die leuchtende, aus der Trauer und Bestürzung die körperliche. Bald nämlich soll sie geweint und getrauert haben, wie sie in der Finsternis und Leere allein gelassen war, bald aber erhob sie sich und lachte, wenn sie des entschwundenen Lichtes gedachte, dann aber fiel sie wieder in Furcht und ein andermal in Pein und Entsetzen.
3. Was ist das anders als langes Gefabel und Hirngespinst von jedem aus ihnen, indem jeder auf eine andere Weise mit hochtönenden Phrasen erörtert, aus welcher Empfindung, aus welchem Element das Seiende seinen Ursprung nahm. Aber nicht allen scheinen sie mir dies geziemenderweise öffentlich lehren zu wollen, sondern nur denen, welche hohes Honorar für so beschaffene Geheimnisse zu zahlen vermögen. In dieser Beziehung sind sie denen gar nicht gleich, zu denen unser Herr gesagt hat: „Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebet es“21, vielmehr werden die sonderlichen, staunenerregenden, tiefen Geheimnisse nur um großen Lohn den Lügenfreunden anvertraut. Wer mochte auch nicht sein ganzes Vermögen hingeben um zu hören, daß aus den Tränen der Enthymesis, des erregten Äonen, die Meere, Quellen, Flüsse und allerlei nasse Substanz entstanden ist, aus ihrem Lachen das Licht, aus ihrer Trauer und Bestürzung die körperliche Substanz der Welt!
4. Da will ich auch noch etwas zu ihrer Fruchtbarkeit beitragen. Weil ich nämlich sehe, daß ein Teil der Gewässer süß ist, wie die Quellen, die Flüsse, der Regen, das Meerwasser aber salzig, so meine ich, nicht alle stammen von ihren Tränen, die ihrer Beschaffenheit nach salzig sind. Also ist es offenbar, daß nur das salzige Wasser von ihren Tränen stammt. Doch vermutlich hat sie in ihrer schweren Pein und Hilflosigkeit auch geschwitzt. Daher muß man nach ihrer Weise annehmen, daß die Quellen und Flüsse und das übrige Süßwasser von ihrem Schweiße stammen. Unglaublich nämlich ist es, da die Tränen doch nur eine Beschaffenheit haben, daß die bitteren wie die süßen Gewässer von ihnen in gleicher Weise abstammten. Es ist glaublicher, daß die einen von den Tränen, die andern von dem Schweiß herrühren. Nun gibt es aber noch warme und ätzende Gewässer in der Welt. Da solltest du nachdenken, was die Enthymesis denn da tat, und aus welchem Gliede sie denn diese hervorbrachte. Diese Folgerungen ergeben sich just aus ihrer Hypothese.
5. Als nun aber ihre Mutter jegliches Leid durchgemacht und sich kaum erhoben hatte, da kehrte sie sich hin zur Anrufung des ihr entschwundenen Lichtes, nämlich Christus. Der aber war in das Pleroma zurückgekehrt und trug natürlich Bedenken, zum zweitenmal hinabzusteigen. Darum schickte er den Tröster zu ihr, d. h. den Heiland, indem ihm der Vater alle Macht verlieh und alles seiner Gewalt unterstellte, und ebenso die Äonen, damit in ihm alles geschaffen würde, das Sichtbare, das Unsichtbare, die Thronen, die Gottheiten, die Herrschaften.22 Ausgesandt aber wird er zu ihr mit seinen Altersgenossen, den Engeln. Da soll nun die Achamoth bei der Begegnung mit ihm zuerst aus Scham sich verhüllt haben, dann aber, wie sie ihn mit seiner ganzen Fruchtfolge erblickte, ihm entgegengestürzt sein und Kraft aus seiner Erscheinung geschöpft haben. Der hat sie alsdann zur Form der Erkenntnis gestaltet und von ihrem Leiden sie geheilt. Diese Leiden aber konnte er nicht, wie bei der ersten Sophia, vernichten, weil sie schon in den Zustand der Macht übergegangen waren. Darum hat er sie nur abgesondert, aber nicht sich selbst überlassen, und danach sie vermischt und verdichtet, so daß sie aus einem unkörperlichen Leiden in körperlose Materie überführt wurden. So wurden diese zugepaßt und befähigt, in Mischungen und Körper überzugehen, um zwei Wesenheiten anzunehmen, die schlechte der Leidenschaften und die leidenschaftliche der Sehnsucht. Dazu soll mit seiner Kraft der Heiland gewirkt haben. Als aber die Achamoth von ihrem Leiden befreit war, da schaute sie an in ihrer Freude die Lichter um ihn herum, d. h. die Engel in seiner Begleitung, verführte sie zur Schwängerung und trug dann Leibesfrüchte nach ihrem Ebenbild, eine geistige Frucht nach dem Ebenbild der Trabanten des Heilandes.
1. So waren nun nach ihrer Lehre diese drei Dinge entstanden, das eine aus dem Leiden, das war die Materie, das andere aus der Umkehr, das war das Seelische, das dritte, das aus der Achamoth stammte und auf besagte Weise ihre Gestalt annahm, war das Geistige. Aber dieses Geistige konnte sie nicht gestalten, da es ihr gleichgeartet war. Da machte sie sich an die Gestaltung der aus ihrer Umkehr entstandenen seelischen Substanz und brachte ihre von dem Heiland empfangene Wissenschaft hervor. Nun soll sie zuerst aus der seelischen Substanz den Vater und König aller Dinge, die ihm gleichartig waren, d. i. der seelischen, sowie der Dinge, die aus dem Leib und der Materie entstanden, gebildet haben. Jene gehören nach ihnen auf die rechte, diese auf die linke Seite. Alles nämlich habe er dann nach seinem Bilde gestaltet, indem er im Innern von seiner Mutter getrieben wurde. Deswegen nennen sie ihn auch Vater-Mutter, Vaterlos, Demiurg und Vater schlechthin, oder Vater der rechten Seite, d. i. der seelischen Dinge, und Demiurg der linken Seite, d. i. der materiellen Dinge, und König des Ganzen. Indem nämlich diese Enthymesis zur Ehre des Äonen das All machen wollte, soll sie, oder vielmehr der Heiland durch ihre Vermittlung, nur die Bilder davon gemacht haben. Sich selbst hat sie in dem Bilde des unsichtbaren Vaters bewahrt, nicht einmal von dem Demiurgen erkannt, diesen aber in dem Bilde des eingeborenen Sohnes, die von ihm geschaffenen Engel und Erzengel in dem Bilde der übrigen Äonen.
2. So ist er der Vater und Gott der außerhalb des Pleroma befindlichen Dinge geworden, da er ja alle seelischen und körperlichen Dinge gemacht hat. Indem er die beiden zusammengemischten Substanzen trennte und aus dem körperlosen Körper baute, schuf er die himmlischen und irdischen Dinge und wurde der Demiurg der Seelen und Körper der linken und rechten Seite, des Leichten und Schweren, des Fallenden und Steigenden. Auch sieben Himmel nämlich schuf er, über denen er thronen soll. Deswegen nennen sie ihn auch die Siebenheit, seine Mutter Achamoth aber heißt die Achtheit, indem sie die Zahl der uranfänglichen und ursprünglichen Achtheit des Pleroma beibehält. Die sieben Himmel aber besitzen Verstand, denn es sind Engel, und auch der Demiurg ist ein gottähnlicher Engel; ebenso das Paradies über dem dritten Himmel, das ist nach ihrer Behauptung auch ein Engel an Macht, und von ihm nahm Adam etwas, als er sich darin aufhielt.
3. Nun meinte zwar der Demiurg, so sagen sie, daß er persönlich dies geschaffen habe, aber in Wirklichkeit hat er sie doch nur gemacht, indem Achamoth es hervorbrachte. Einen Himmel schuf er, ohne den Himmel zu kennen; einen Menschen bildete er, und kannte nicht den Menschen; er ließ Erde erscheinen, aber von der Erde wußte er nichts. So hat er bei seinem ganzen Schaffen die Vorbilder der Dinge, die er schuf, ja nicht einmal die Mutter gekannt, sondern geglaubt, daß er allein alles sei. Auf diese Meinung brachte ihn seine eigene Mutter, indem sie ihn so erziehen wollte zum Haupt und Ursprung seiner eigenen Wesenheit, zum Herrn des ganzen Getriebes. Diese Mutter nennen sie die Achtheit, Sophia, Erde, Jerusalem, hl. Geist und männlich Herrn. Sie nimmt aber den Platz in der Mitte ein, ist über dem Demiurgen, unter- und außerhalb des Pleroma bis zum Weltende.
4. Die materielle Substanz soll also aus drei Affekten, Furcht, Trauer und Verwirrung bestehen, aus der Furcht und Bekehrung die seelische; aus der Bekehrung soll der Demiurg seinen Anfang genommen haben und aus der Furcht die gesamte übrige seelische Substanz, sowohl die Seelen der unvernünftigen Wesen, der Tiere, als auch der Menschen. Wegen seines seelischen Ursprungs war der Demiurg aber zu schwach, um das höhere Geistige zu erkennen; so konnte er glauben, allein Gott zu sein und hat durch den Propheten gesprochen: „Ich bin Gott und außer mir ist keiner.“23 Aus der Trauer sind nach ihrer Lehre die Geister der Bosheit entstanden, ebenso auch der Teufel, den sie den Fürsten der Welt nennen, und die Dämonen samt ihren Dienern und die ganze geistige Substanz der Bosheit. Nun aber nennen sie den Demiurgen den seelischen Sohn ihrer Mutter, den Fürsten der Welt ein Geschöpf des Demiurgen, der als Geist der Bosheit auch das über ihm befindliche geistige Prinzip erkennt, während der Demiurg als seelisches Wesen es nicht kann. Die Wohnung ihrer Mutter ist im überhimmlischen Raume, dem Zentrum des Demiurgen, auf dem Himmel, in der Siebenheit, des Fürsten der Welt auf unserer Welt. Diese körperliche Welt aber ist, wie schon gesagt, aus der niederen Bestürzung und Ratlosigkeit entstanden, und zwar entspricht die Erde dem Zustand der Bestürzung, das Wasser der Bewegung der aus der Furcht entstandenen Tränen, die Luft dem Verharren der Trauer, das Feuer aber ist in ihnen allen als Tod und Verderben enthalten, wie auch die Unwissenheit in allen drei Affekten verborgen ist.
5. Nachdem er nun die Welt gebaut hatte, machte er auch den irdischen Menschen, bildete ihn aber nicht aus dieser trockenen Erde, sondern von der unsichtbaren Substanz, aus der beweglichen, flüssigen Materie, und dahinein pflanzte er den seelischen Menschen. So wurde er „nach seinem Bild und Gleichnis24; nach seinem Bild der materielle Teil, gottähnlich zwar, aber nicht -gleich, nach seinem Gleichnis der seelische Teil, dessen Wesenheit auch als „Geist des Lebens“25 bezeichnet wird, weil er aus dem Geistigen entströmt ist. Darauf ist er mit einem fellartigen Gewand bekleidet worden, das ist das Sinnliche, Fleischliche.
6. Die Leibesfrucht ihrer Mutter Achamoth, die sie nach der Anschauung der den Heiland begleitenden Engel gebar, von derselben geistigen Wesenheit wie die Mutter, hat der Demiurg ebensowenig erkannt, und ohne sein Wissen ist sie heimlich in ihm niedergelegt worden, damit sie, durch ihn in die von ihm stammende Seele und in den materiellen Leib eingepflanzt, hier ausgetragen werde und wachse und zur Aufnahme der vollkommenen Erkenntnis fähig werde. Zugleich mit ihrer Einhauchung, die die Sophia mit unsagbarer Macht und Klugheit vornahm, blieb nun auch, wie sie sagen, dem Demiurg der geistige Mensch verborgen. Wie er nämlich seine Mutter nicht kannte, so kannte er auch nicht ihren Samen, den sie als Gegenbild der oberen Kirche gleichfalls Kirche nennen. Das ist bei ihnen der Mensch, wie sie meinen, da sie ja die Seele vom Demiurgen, den Leib von der Erde, wie das Fleisch von der Materie, den Geist aber von ihrer Mutter Achamoth haben.
1. Aus drei Stücken also besteht der Mensch. Das Materielle, die linke Seite, geht notwendig zugrunde, da es keinen Hauch von Unsterblichkeit aufnehmen kann; das Seelische, die rechte Seite, das zwischen dem Geistigen und Körperlichen liegt, geht dorthin, wohin es sich neigen wird; das Geistige aber ist dazu hinausgesandt, damit es hienieden durch die Vermählung mit dem Seelischen gestaltet, erzogen und emporgehoben werde. Das sei das „Salz und Licht der Welt.“26 Doch auch dem Seelischen taten sinnliche Zuchtmittel not. Deswegen wurde die Welt erschaffen und kam der Heiland zu dem mit freiem Willen ausgerüsteten Seelischen, um es zu retten. Von dem nämlich, was er retten wollte, nahm er die Erstlinge, von der Achamoth das Geistige, von dem Demiurg den seelischen Christus, von der Heilsordnung aber den umkleidenden Leib, der zwar eine seelische Substanz besitzt, aber mit unsäglicher Kunst so eingerichtet wurde, daß er sichtbar, greifbar und leidensfähig wurde, Materielles aber nahm er nichts an, denn das Materielle ist für das Heil unempfänglich. Die Vollendung aber wird eintreten, wenn das Geistige, d. h. die geistigen Menschen, die eine vollkommene Erkenntnis Gottes und der Achamoth besitzen - das sind die in den Mysterien Unterrichteten - durch diese Erkenntnis umgestaltet und vollendet sein werden.
2. Seelisch aber werden erzogen die seelischen Menschen, die auf ihre Werke und den schlichten Glauben bauen und keine vollkommene Erkenntnis besitzen. Das sind wir von der Kirche, denen allerdings zur Seligkeit gute Werke notwendig sind. Sie aber werden nicht durch die Werke, sondern durch ihre geistige Natur auf jeden Fall selig. Wie nämlich das Materielle unmöglich selig werden kann, weil es der Seligkeit nicht fähig ist, so kann das Geistige - was sie selber sind - nicht verdammt werden, wie auch immer seine Taten waren. Wie nämlich das Gold im Kote seine Schönheit nicht verliert und seine Natur bewahrt, unbeeinträchtigt von dem Kote, so werden auch sie nicht beschädigt, noch verlieren sie ihre geistige Wesenheit, da ihnen die materiellen Handlungen nichts anhaben können.
3. Daher tun denn auch die Vollkommensten von ihnen alles Verbotene ohne Scheu, jene Dinge, von denen die Schriften versichern, daß „die, welche solches tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“27 Götzenopfer essen sie unbedenklich und glauben sich nicht dadurch zu beflecken. Bei jedem Feiertagsvergnügen der Heiden, das zu Ehren der Götzen veranstaltet wird, stellen sie sich als die ersten ein. Nicht einmal von den bei Gott und den Menschen verhaßten Tierkämpfen und menschenmordenden Einzelkämpfen halten manche sich fern. Andere dienen maßlos den Lüsten des Fleisches und sagen, man müsse das Fleisch dem Fleische, den Geist dem Geiste darbringen. Einige wiederum schänden heimlich die Weiber, die sie in ihrer Lehre unterrichten, - oftmals schon haben es Frauen, die von ihnen verführt waren und sich alsdann bekehrten, mit ihrer sonstigen Verirrung bekannt -; andere nahmen öffentlich und ohne Scheu Frauen, in die sie sich verliebt hatten, ihren Männern weg und machten sie zu ihren Weibern; noch andere schließlich, die anfangs ehrbar mit ihnen wie mit Schwestern zu verkehren vorgaben, wurden im Laufe der Zeit ertappt, als die Schwester von dem Bruder schwanger geworden war.
4. Nicht genug damit: während sie vieles Schändliche und Gottlose begehen, fallen sie über uns her, die wir aus Gottesfurcht uns hüten, auch nur in Gedanken oder Worten zu sündigen, wie über Idioten und Dummköpfe; sich selbst aber überheben sie, indem sie als die Vollkommenen sich bezeichnen und den Samen der Auserwählung. Wir sollen die Gnade nur zum Gebrauch erhalten und danach wieder verlieren, sie wollen die Gnade von oben her aus der unaussprechlichen und unnennbaren Verbindung als ihr Eigentum in Besitz haben, und deswegen werde ihnen „noch hinzugelegt werden.“28
5. Deswegen müssen sie sich auch immer um das Geheimnis der Eheverbindung bemühen. Und deswegen reden sie den Unverständigen wortwörtlich vor: Wer in dieser Welt ist (der Gnostiker) und kein Weib liebt, so daß dasselbe bezwungen wird, der ist nicht aus der Wahrheit, noch wird er zur Wahrheit gelangen. Wer aber von dieser Welt ist (der Psychiker) und vom Weibe bezwungen wird, der kommt nicht zur Wahrheit, eben weil er der Begierde zum Weibe unterlegen ist. Wir also, die Psychiker, die wir von dieser Welt sind, brauchen die Enthaltsamkeit und gute Werke, damit wir dadurch in den Ort der Mitte gelangen; sie aber, die Geistigen und Vollkommenen, keineswegs. Denn nicht die Werke fuhren ins Pleroma hinein, sondern der Same, der von dort im Anfangsstadium entsendet, hier aber vollendet wird.
1. Wenn aber der gesamte Same vollendet ist, dann verläßt ihre Mutter Achamoth den Ort der Mitte, um in das Pleroma einzugehen und dort ihren Bräutigam, den Heiland zu empfangen, der aus dem All geworden ist, und dann vereinigt sich der Heiland mit der Sophia, der Achamoth. Das ist der „Bräutigam und die Braut.“29 Das Brautgemach aber ist das gesamte Pleroma. Dana ziehen die Geistigen, die ihre Seelen abgelegt haben und reine Geister geworden sind, ungehindert und ungesehen in das Pleroma ein, um den Engeln aus der Umgebung des Heilandes als Bräute zugeführt zu werden, und auch der Demiurg siedelt über nach dem Ort seiner Mutter Sophia, dem Ort der Mitte, und hier machen auch die Seelen der Gerechten halt, denn nichts Seelisches kann in das Pleroma eingehen. Danach aber wird das in der Welt verborgene Feuer hervorbrechen, sich entzünden, alle Materie zerstören und zugleich mit ihr vernichtet und in das Nichts übergeführt werden. Der Demiurg aber hat vor der Ankunft des Heilands von diesen Dingen nichts gewußt.
2. Manche jedoch sagen, er habe Christum als seinen eigenen, wenn schon seelischen Sohn hervorgebracht, von diesem redete er durch die Propheten. Er ging durch Maria hindurch, wie Wasser durch die Rinne läuft, auf ihn ist bei der Taufe der von dem Pleroma des Alls abstammende Heiland in Gestalt einer Taube hinabgestiegen, wie in ihm auch der geistige Same der Achamoth gewesen ist. Aus folgenden vier Dingen also soll unser Heiland zusammengesetzt sein, indem er die Form der ursprünglichen ersten Vierheit beibehielt: aus dem Geistigen, das aus der Achamoth stammte, aus dem Seelischen von dem Demiurgen, aus der unsagbar kunstvoll hergerichteten Wohnstätte und aus dem in Gestalt einer Taube auf ihn herabgestiegenen Heiland. Leidensunfähig aber war er und konnte nicht leiden, da er unbesiegbar und unsichtbar war. Darum hat sich, als er zu Pilatus geführt wurde, der ihm eingepflanzte Geist Christi zurückgezogen. Ebensowenig hat auch der von der Mutter stammende Same gelitten, da er als geistiges und selbst für den Demiurgen unsichtbares Wesen nicht leiden konnte. So litt denn nur der seelische Christus und der aus der Heilsordnung geheimnisvoll zubereitete, damit in ihm die Mutter das Bild jenes oberen Christus darstellte, die sich bis zum Kreuze ausdehnte und die Achamoth nach seiner Wesenheit gestaltete. Denn die irdischen Vorgänge sind nur die Abbilder jener Ereignisse.
3. Die den Samen der Achamoth empfangen haben, sind besser als die übrigen Seelen, darum liebt sie der Demiurg auch mehr als die andern, indem er meint, daß er sie so erschaffen habe, und die wahre Ursache nicht kennt. Deshalb verordnete er sie auch zu Propheten, Priestern und Königen. Da aber die Propheten von besserer Wesenheit sind, hat der Same vieles durch ihren Mund gesprochen; vieles aber von diesen höheren Dingen hat auch die Mutter gesprochen, jedoch durch ihn und die von ihm abstammenden Seelen. Demgemäß zerfallen die Prophezeiungen in solche, die vom Sperma, in solche, die von der Mutter, in solche, die von dem Demiurgen kommen. Ebenso hat Jesus seine Aussprüche teils vom Heiland, teils von der Mutter, teils von dem Demiurgen, wie wir im Verlauf unseres Werkes zeigen werden.
4. Der Demiurg aber, der ja das, was über ihm ist, nicht kennt, wird zwar von seinen Aussprüchen bewegt, achtet sie aber gering, indem er ihre eigentliche Ursache verkennt und bald den Geist mit der diesem eigentümlichen Bewegung, bald auch den Menschen oder auch irgendeinen niederen Anstoß dafür ansieht. In dieser Unwissenheit verharrte er bis zur Ankunft des Herrn. Wie der aber kam, hat er alles von ihm erfahren und ist freudig mit allen Kräften ihm entgegengeeilt. Er ist der Hauptmann im Evangelium, der zu dem Heiland sprach: „Auch ich nämlich habe unter meiner Botmäßigkeit Soldaten und Knechte, und wenn ich etwas befehle, so tun sie es.“30 Er wird aber seine Weltregierung bis zur festgesetzten Zeit fortführen, hauptsächlich weil ihm die Kirche am Herzen liegt, dann aber weil er weiß, daß ihm als Kampfpreis bestimmt ist, an den Ort seiner Mutter zu gelangen.