Gegenkultur - David Platt - E-Book

Gegenkultur E-Book

David Platt

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Beschreibung

In dieser überarbeiteten und aktualisierten Ausgabe von Gegenkultur bietet David Platt eine Perspektive auf Basis des Evangeliums zu Themen wie Armut, Abtreibung, Sexhandel und Rassismus, aber auch zu der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, dem umstrittenen Thema Transgender und der überwältigenden Flüchtlingskrise. Anhand von überzeugenden persönlichen Berichten aus der ganzen Welt präsentiert Platt einen herausfordernden und doch gewinnenden Aufruf an Christen, Christus in einem antichristlichen Zeitalter treu zu folgen, und zwar auf eine Weise, die sich sowohl als kostspielig als auch als lohnend erweisen wird.

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Impressum

Gegenkultur: Christus in einer anti-christlichen Zeit nachfolgen, David PlattSolid Rock Verlag, c/o Postflex #2889, Emsdettener Str. 10, 48268 Greven

Veröffentlicht unter dem englischen Originaltitel: Originally published in English in the U.S.A. under the title:Counter Culture, by David PlattCopyright © 2015 by David Platt

German edition © 2023 by Solid Rock Verlag with permission of Tyndale House Publishers. All rights reserved.

Zitierte Bibelstellen:Soweit nicht anders vermerkt:Direkte Übersetzung aus dem Englischen.

Bibelstellen mit einem * versehen:Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen.Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft.Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Bibelstellen mit zwei ** versehen:Bibeltext der Schlachter, Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft.Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Paperback ISBN: 978-3-949836-48-0Tolino ISBN: 978-3-949836-41-1

Übersetzung: Solid Rock VerlagCover Design: Solid Rock Verlag/Harald KleinLektorat: Solid Rock VerlagSatz und Design: Harald Klein, www.haraldklein.design

Trotz aller Sorgfalt können Fehler unterlaufen. Solltest du einen entdecken, freuen wir uns über einen Hinweis an [email protected]

Für alle, die sich nach Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in der Welt sehnen und dafür arbeiten, während sie den Richter und Erlöser der Welt lieben und verkünden.

Das Evangelium

DIE GUTE NACHRICHT, DASS DER GERECHTE UND GNÄDIGE SCHÖPFER DES UNIVERSUMS AUF DIE HOFFNUNGSLOS SÜNDIGEN MÄNNER UND FRAUEN GESCHAUT UND SEINEN SOHN, JESUS CHRISTUS, GOTT IM FLEISCH, GESANDT HAT, UM SEINEN ZORN GEGEN DIE SÜNDE AM KREUZ ZU TRAGEN UND SEINE MACHT ÜBER DIE SÜNDE IN DER AUFERSTEHUNG ZU ZEIGEN, SO DASS JEDER, DER SICH VON SEINER SÜNDE UND VON SICH SELBST ABWENDET UND AUF JESUS ALS RETTER UND HERRN VERTRAUT, FÜR IMMER MIT GOTT VERSÖHNT WIRD.

Vorwort

Rückzug oder Risiko

Bewusst gegenkulturell. Dies ist die einzig mögliche Haltung für den Einzelnen, für Familien und Kirchen, deren Hoffnung darauf beruht, im heutigen Amerika Christus nachzufolgen.

Ich mache die obige Aussage ohne Zögern oder Vorbehalt. Im Jahr 2014 schrieb ich die erste Ausgabe dieses Buches, um Christen in Amerika zu ermutigen, ihren Glauben inmitten der bedeutenden gesellschaftlichen Fragen, die uns umgeben, zu leben. Damals stand der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten kurz davor, über die sogenannte gleichgeschlechtliche Ehe zu verhandeln. Über Transgender-Sexualität wurde kaum diskutiert. Zwei kurze Jahre später wurde die sogenannte gleichgeschlechtliche Ehe im ganzen Land gesetzlich verankert, und die Regierung droht nun damit, Bundesstaaten Gelder für die Ausbildung von Kindern vorzuenthalten, die es Männern – die gerne eine Frau wären – nicht gestatten, die gleichen öffentliche Toiletten zu benutzen wie junge Mädchen. Das Tempo des sozialen und moralischen Wandels im Amerika von heute ist erschütternd schnell und beispiellos. In der Tat weiß nur Gott, wo wir stehen werden, wenn du dieses Buch liest.

Wie sollten Christen also auf eine sich so schnell verändernde amerikanische Kultur reagieren? Geben wir uns dem Pessimismus hin, in der Überzeugung, dass viele der moralischen Fundamente, auf denen unsere Gesellschaft einst stand, zusammengebrochen und für immer verloren sind? Oder beruhigen wir uns mit Optimismus und sind zuversichtlich, dass wir den Kulturkampf noch gewinnen können, wenn wir uns nur geistlich, persönlich, politisch und philosophisch zusammenschließen? Ich würde sagen, dass weder Pessimismus noch Optimismus die Antwort sind. Stattdessen ist Realismus angesagt.

Wer Christus nachfolgt, muss sich der Realität stellen, dass die heutige amerikanische Kultur zunehmend antichristlich ist. Wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten Christen, die an das glauben, was die Bibel über die Ehe lehrt, als „Fanatiker“ und „Feinde der menschlichen Rasse“ bezeichnet.1 In ähnlicher Weise erklärte ein Oberster Gerichtshof eines Bundesstaates in einem kürzlich ergangenen Urteil zur Religionsfreiheit, dass Christen „per Gesetz gezwungen werden sollten, die religiösen Überzeugungen, die ihr Leben inspirieren, aufzugeben.“2 Diese rechtlichen Aussagen spiegeln lediglich die antichristlichen Empfindungen wider, die Medien, Wirtschaft und Unterhaltungsindustrie tagtäglich aggressiv in Kopf und Herz amerikanischer Bürger, Familien und Institutionen hämmern.

Solche antichristlichen Haltungen sind offensichtlich nicht auf Amerika beschränkt. Überall auf der Welt leben Anhänger Christi in einem Umfeld, das dem Christentum feindlich gesinnt ist (in vielen Fällen weitaus feindlicher als in den Vereinigten Staaten). Schließlich wurde das Christentum vor zweitausend Jahren in eine Kultur der Opposition hineingeboren. Im Laufe der Jahrhunderte haben Christen in zahllosen Kulturen ihren Glauben in einer Umgebung gelebt, in der der Glaube an die Bibel als Ärgernis angesehen wurde und das Engagement für Christus einen hohen Preis forderte.

Wie sollen Nachfolger Christi heute in der amerikanischen oder irgendeiner anderen Kultur leben, die bewusst und zunehmend antichristlich ist? Ich bin überzeugt, dass jeder bekennende Christ in einer solchen Kultur zwei klare Optionen hat: Rückzug oder Risiko.

Einerseits können wir uns zurückziehen. Wir können uns gänzlich von Christus zurückziehen, obwohl ich davon ausgehe, dass sich die meisten bekennenden Christen nicht ganz und gar und auf einmal von Christus abwenden werden. Stattdessen kann unser Rückzug sehr viel langsamer und subtiler sein. Im Namen eines „fortschrittlichen“ Glaubens, „inklusiver“ Überzeugungen und eines „offenen“ Geistes beginnen wir vielleicht, die zeitlosen Wahrheiten des Wortes Gottes gegen die wechselnden Meinungen der Welt einzutauschen. Die Trümmer eines solchen Rückzugs sind in der heutigen Christenheit bereits sichtbar, da viele bekennende „Christen“ leugnen, dass Gott der Autor der Bibel oder Christus für die Erlösung notwendig ist. In ihrem Bemühen, sich der Kultur anzupassen, haben sich bereits zahlreiche Menschen und Kirchen von Christus losgesagt. Das Gefährlichste von allem ist, dass sie dies unter dem Anschein eines angeblichen Christentums getan haben.

Selbst wenn wir uns nicht von Christus zurückziehen, sind wir versucht, uns von der Kultur zurückziehen. Angesichts antichristlicher Stimmungen und sozialer Herausforderungen ziehen es viele bibelgläubige Christen vor, sich im bequemen und beschränkten Raum eines privatisierten Glaubens zu verstecken. In der Privatsphäre unserer Häuser und Kirchen stehen wir vielleicht noch auf und sprechen voll christlicher Überzeugung, doch in der Öffentlichkeit verhalten wir uns passiv und schweigen zu unserer christlichen Überzeugung. Kommt das Gespräch im Café zum Beispiel auf das Thema Homosexualität, mogeln wir uns verlegen, fast entschuldigend, durch eine vage Vorstellung dessen, was die Bibel lehrt, oder – wahrscheinlicher – wir sagen überhaupt nichts. Oder wenn unser Chef fragt, was wir glauben, und uns klar wird, dass unser Arbeitsplatz, je nachdem, wie wir antworten, eventuell in Gefahr ist, ertappen wir uns vielleicht dabei, dass wir die Teile unseres Glaubens, die ihn am meisten stören könnten, ausblenden oder zumindest herunterspielen. Vielleicht besteht unser Rückzug auch einfach darin, dass wir jeden Tag durch die Schlagzeilen in den sozialen Medien scrollen, wo wir Nachrichten über immense Armut, Flüchtlingskrisen, rassistische Gewalt und gesetzlich legitimierte Abtreibungen (wenn Abtreibung denn überhaupt in den Nachrichten auftaucht) lesen, und anstatt zu beschließen, etwas gegen diese Tatsachen zu unternehmen, nur verständnisvoll den Kopf schütteln und weitermachen, als ob es nichts gäbe, was wir tun könnten (oder sollten).

Einer der Gründe, warum ich dieses Buch geschrieben habe, ist, dass ich die Versuchung, sich auf die oben genannten Arten zurückzuziehen, überall um mich herum sehe. Ich sehe sie bei christlichen Studenten, die nicht als engstirnig oder intolerant abgestempelt werden wollen und die langsam (oder manchmal auch schnell) zu dem Schluss kommen, dass das Christentum veraltet und irrelevant ist. Ich sehe es bei christlichen Singles, die die biblische Sexuallehre für zu restriktiv halten, und bei christlichen Paaren, die glauben, dass die biblische Lehre über die Ehe auf beleidigende Weise chauvinistisch ist. Ich sehe es bei christlichen Eltern, die ihre Kinder entweder vor den kulturellen Herausforderungen abschirmen oder sie schlecht gegen diese Herausforderungen gerüstet in die Kultur hinausschicken. Ich sehe es bei christlichen Leitern, die stolz aufstehen und sich zu sozialen Themen wie Armut und Sklaverei äußern, wenn sie dafür von der Kultur gelobt werden, aber dazu neigen, passiv zu bleiben und zu sozialen Themen wie Abtreibung und Sexualität zu schweigen, wenn sie dafür von der Kultur kritisiert werden. Ich sehe es bei Kirchen, die den Kampf gegen den Materialismus praktisch aufgegeben haben, und bei anderen, die grundlegend zum Problem des Rassismus beigetragen haben. Letztlich sehe ich in meinem eigenen Leben die Versuchung, mich von der Nachfolge Christi in der Kultur um mich herum zurückzuziehen. Ich sehe in mir, meiner Familie und meiner Kirche die Tendenz, meine Bequemlichkeit über die Gebote Christi zu stellen und meine Gedanken über seine Wahrheit zu erheben, und ich weiß, dass ein Rückzug auf einer der oben genannten Ebenen nicht richtig ist.

Aber wenn wir uns nicht zurückziehen, bleibt nur eine Option: das Risiko. Neutralität ist nicht möglich. Entweder wir ziehen uns von Christus oder von der Kultur zurück, oder wir riskieren es, Christus zu folgen, indem wir der Kultur etwas entgegensetzen. Und Risiko ist das richtige Wort. Als Nachfolger Christi machen wir uns selbst etwas vor, wenn wir uns nicht der Realität stellen, dass der Glaube an die Bibel und der Gehorsam gegenüber der Bibel in einem antichristlichen Zeitalter unweigerlich ein Risiko für die Familie, die Zukunft, die Beziehungen, den Ruf, die Karriere und das Wohlbefinden in dieser Welt darstellen.

Genau um dieses Risiko geht es in diesem Buch. In diesem Buch geht es darum, Nachfolger Christi zu ermutigen und zu rüsten, eine Gegenkultur zu der Kultur um uns herum zu entwickeln, auch wenn uns diese Kultur dafür unweigerlich und unausweichlich einen Preis auferlegt. Im ersten Kapitel dieses Buches geht es darum, dir und mir zu helfen, einen Anfang zu machen, indem wir das Evangelium in der Kirche lieben, auch wenn es in der Kultur gehasst wird. In den folgenden Kapiteln geht es dann darum, uns dabei zu helfen, darüber nachzudenken, wie wir dieses Evangelium in unserem Leben, in unseren Familien und in unseren Gemeinden in einer Zeit der sexuellen Verwirrung, der legalen Abtreibung, des ungezügelten Materialismus, des gewalttätigen Rassismus, der eskalierenden Flüchtlingskrise, der Einschränkung religiöser Freiheiten und einer Reihe anderer bedeutender gesellschaftlicher Probleme ausleben können. In diesem Buch geht es um die Weigerung, sich vor diesen Realitäten zurückzuziehen, und darum, ihnen stattdessen mit einem furchtlosen Glauben zu begegnen, der voller Hoffnung auf Christus ist und frei, auch diejenigen zu lieben, die den christlichen Glauben herabsetzen.

Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch, Experte dafür zu sein, wie man in einem antichristlichen Zeitalter wie Christus lebt. Ich behaupte auch nicht, alle Möglichkeiten zu kennen, wie sich meine Kultur (oder auch andere Kulturen) in den kommenden Tagen, Monaten und Jahren weiter verändern wird. Aber ich kenne eine zeitlose Wahrheit, die garantiert den kulturellen Trends standhalten wird. Und ich befinde mich auf einer Reise, um herauszufinden, wie ich diese Wahrheit demütig, liebevoll, treu und furchtlos in die Praxis umsetzen kann, so dass Christus in der Zeit und an dem Ort, an den Gott mich gestellt hat, verherrlicht wird. Ich lade dich ein, dich auf den nächsten Seiten mit mir auf diese Reise zu begeben.

1 United States v. Windsor, 570 U.S. (2013).

2 Elane Photography, LLC v. Vanessa Willock, 309 P. 3d 53 (NM: Supreme Court 2013).

Kapitel 1

Das größte Ärgernis:

Das Evangelium und die Kultur

Das Evangelium ist das Lebenselixier des Christentums, und es bildet die Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Kultur. Denn wenn wir wirklich an das Evangelium glauben, beginnen wir zu erkennen, dass das Evangelium Christen nicht nur dazu verpflichtet, sich mit sozialen Problemen in der Kultur um uns herum auseinanderzusetzen. Das Evangelium schafft tatsächlich eine Konfrontation mit der Kultur um uns herum – und in uns selbst.

Es kommt immer häufiger vor, dass biblische Ansichten zu sozialen Fragen als beleidigend bezeichnet werden. Wir wissen, dass es für immer mehr Menschen eine Beleidigung darstellt, wenn man sagt, dass eine Frau, die Gefühle für eine andere Frau hegt, ihre Liebe nicht in einer Ehe ausdrücken sollte. Rasch fühlt man sich als Christ in dieser Frage in die Ecke gedrängt, weil man nicht verletzend sein will und sich fragt, wie man reagieren soll.

Aber hier müssen wir erkennen, dass eine biblische Sicht der Homosexualität für die Leute nicht das größte Ärgernis im Christentum ist. Tatsächlich ist sie nicht annähernd das größte Ärgernis im Christentum. Das Evangelium selbst ist ein viel, viel größeres Ärgernis. Wir müssen also damit beginnen, zu erforschen, was das Evangelium ist, und wir müssen uns fragen: Glauben wir es wirklich? Unsere Antwort auf diese Frage bestimmt im Wesentlichen, wie wir in unserer Kultur leben.

AM ANFANG: GOTT

Das Ärgernis des Evangeliums beginnt mit den allerersten Worten der Bibel.3 „Am Anfang schuf Gott ...“ (1.Mose 1,1**). Der erste Affront des Evangeliums besteht darin, dass es einen Gott gibt, durch den und für den alles beginnt. „Der ewige Gott, der HERR, der die Enden der Erde geschaffen hat“ (Jes 40,28**). Da alles mit Gott beginnt und letztlich für Gott existiert, ist nichts in der gesamten Schöpfung für ihn irrelevant.

Wie ist dieser Schöpfer beschaffen? „Ich, der HERR, bin euer Heiliger“, sagt Gott in Jesaja 43,15**. Mit anderen Worten: Er ist völlig einzigartig – anders als wir und mit uns nicht vergleichbar. Er ist von einer anderen Art. Gott ist absolut rein, und es gibt nichts Falsches an ihm. Nichts. Alles, was Gott ist und alles, was er tut, ist richtig. Er ist frei von Fehlern und es gibt niemanden, der ihm gleich wäre.

Dieser heilige Gott ist auch gut. „Der HERR ist gütig zu allen, und sein Erbarmen gilt jedem seiner Geschöpfe“ (Ps 145,9*). Gottes Güte zeigt sich von Anfang an in der Bibel, wo alles, was er erschaffen hat, als „gut“ bezeichnet wird. Dies gipfelt in Mann und Frau, die beide als „sehr gut“ bezeichnet werden (vergleiche 1.Mose 4,10.12.18.21.25.31). Die universelle Größe der Schöpfung zeugt von der unbestreitbaren Güte des Schöpfers.

Die Güte Gottes kommt in seiner Gerechtigkeit zum Ausdruck. „Der HERR ist Richter über die Völker“ (Ps 7,9*), und er richtet sie auf perfekte Art und Weise. Gott rechtfertigt die Unschuldigen und verurteilt die Schuldigen. Daraus folgt: „Wer den Gottlosen gerechtspricht und wer den Gerechten verurteilt, die sind beide dem HERRN ein Gräuel“ (Spr 17,15**). Als guter Richter ist Gott über die Ungerechtigkeit wütend. Er verabscheut diejenigen, die zu den Bösen sagen: „Du bist gut“, und diejenigen, die zu den Guten sagen: „Du bist böse“. Gott ist ein perfekter Richter.

Die Güte Gottes kommt auch in seiner Gnade zum Ausdruck. Er erweist denen, die sie niemals verdienen könnten, frei und unverdient sein Wohlwollen. Er ist barmherzig und geduldig und möchte, dass alle Menschen überall seine Güte, Barmherzigkeit und Liebe kennen und sich daran erfreuen (siehe 2.Petr 3,9).

Betrachten wir also den Konflikt, der durch die Realität Gottes im Leben eines jeden entsteht. Weil Gott unser Schöpfer ist, gehören wir ihm. Derjenige, der uns geschaffen hat, besitzt uns. Wir sind nicht, wie das Gedicht „Invictus“ beschreibt, die Herren unseres eigenen Schicksals oder die Kapitäne unserer eigenen Seelen. Die Autorität über die gesamte Schöpfung, also auch über dich und mich, liegt beim Urheber der gesamten Schöpfung. Und wir sind ihm gegenüber als unserem Richter rechenschaftspflichtig. Eine der Kernwahrheiten des Evangeliums ist, dass Gott jeden Menschen richten wird, und er wird gerecht sein. Das versetzt uns in eine Lage, in der wir seine Gnade dringend brauchen.

Jetzt tritt das Ärgernis des Evangeliums in den Vordergrund. Erzählt man einem modernen Menschen, dass es einen Gott gibt, der ihn erhält, der ihn besitzt, der ihn definiert, der ihn regiert und der ihn eines Tages richten wird, dann wird sich dieser Mensch sträuben. Jeder würde das tun – und jeder hat es getan. Das ist unsere natürliche Reaktion auf Gott.

UNSERE NATÜRLICHE REAKTION AUF GOTT

Schau dir den Beginn der Menschheitsgeschichte an, und du wirst das eigentliche Problem des menschlichen Herzens erkennen. Als Gott den Menschen erschuf, setzte er ihn in den Garten Eden und sagte: „Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du gewisslich sterben!“ (1.Mose 2,16-17**). Hier werden Gottes Heiligkeit, Güte, Gerechtigkeit und Gnade sichtbar. Aufgrund seines reinen und heiligen Charakters hat Gott die Autorität zu definieren, was richtig und falsch, gut und böse ist. Gott macht dem Menschen klar, dass er auf der Grundlage seines Gehorsams gegenüber dem von Gott gegebenen Gebot beurteilt werden wird. Gottes Gnade ist offensichtlich, denn er verbirgt sein Gesetz nicht. In Liebe weist Gott dem Menschen den Weg zum Leben und ermahnt ihn, diesen zu gehen.

Wie reagiert nun das Geschöpf auf den Schöpfer? Schon nach wenigen Versen ist die Versuchung zur Sünde da. Die Schlange fragt die erste Frau: „Sollte Gott wirklich gesagt haben, dass ihr von keinem Baum im Garten essen dürft? … Keineswegs werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß: An dem Tag, da ihr davon esst, werden euch die Augen geöffnet, und ihr werdet sein wie Gott und werdet erkennen, was Gut und Böse ist!“ (1.Mose 3,1.4-5**).

Erkennst du den Rollentausch? Es fängt damit an, dass das Gebot Gottes auf Fragen über Gott reduziert wird. Ist Gott wirklich heilig? Weiß er wirklich, was richtig ist? Ist Gott wirklich gut? Will er wirklich mein Bestes? Inmitten solcher Fragen behaupten sich Mann und Frau auf subtile Weise nicht als diejenigen, die von Gott gerichtet werden, sondern als diejenigen, die über ihn zu Gericht sitzen.

Die Frage der Schlange dreht sich um den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Wir lesen vielleicht den Namen dieses Baumes und denken: Was ist so schlimm daran, den Unterschied zwischen Gut und Böse zu kennen? Aber die Bedeutung des Wortes Gottes geht hier über die Information über Gut und Böse hinaus, hin zur Festsetzung von Gut und Böse. Mit anderen Worten: Als der Mann und die Frau von diesem Baum aßen, lehnten sie Gott als denjenigen ab, der festsetzt, was gut und böse ist, und übernahmen diese Verantwortung selbst. Die Versuchung im Garten bestand darin, sich gegen Gottes Autorität aufzulehnen und damit den Menschen zum Schiedsrichter im Hinblick auf Moral zu machen.

Wenn wir diese erste Sünde verstehen, erkennen wir, dass der moralische Relativismus des einundzwanzigsten Jahrhunderts nichts Neues ist. Wenn wir versuchen, die Rolle Gottes an uns zu reißen (oder gar ihn zu beseitigen), verlieren wir die Objektivität zu bestimmen, was Gut und Böse, richtig und falsch, moralisch und unmoralisch ist. Der bekannte agnostische Wissenschaftsphilosoph Michael Ruse schließt sich dem an, wenn er sagt: „Die Position des modernen Evolutionisten ist daher, dass ... Moral eine biologische Anpassung ist, nicht weniger als Hände, Füße und Zähne … Es ist illusorisch, dies als eine rational begründbare Ansammlung von Behauptungen über ein objektives Etwas zu betrachten“4. Ähnlich schreibt auch der bekannte Atheist Richard Dawkins:

In einem Universum, das aus blinden physikalischen Kräften und genetischer Replikation besteht, werden einige Menschen verletzt werden, andere werden Glück haben, und man wird darin weder Sinn und Verstand noch Gerechtigkeit finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, die zu erwarten sind, wenn es im Grunde keinen Plan, keinen Zweck, kein Böses und kein anderes Gutes gibt. Nichts als blinde, erbarmungslose Gleichgültigkeit. Die DNS weiß nichts und kümmert sich nicht. DNS ist einfach. Und wir tanzen zu ihrer Musik.5

Gottlose Weltanschauungen lassen uns also mit einer hoffnungslosen Subjektivität in Bezug auf Gut und Böse zurück, die gänzlich von sozialen Konstrukten abhängig ist. Was immer eine Kultur für richtig hält, ist richtig, und was immer eine Kultur für falsch hält, ist falsch. Dies ist genau die Weltanschauung, die heute in der amerikanischen Kultur vorherrscht, wo rasche Veränderungen in der moralischen Landschaft deutlich machen, dass wir nicht mehr glauben, dass bestimmte Dinge von Natur aus richtig oder falsch sind. Stattdessen wird das Richtige und Falsche durch die gesellschaftlichen Entwicklungen um uns herum bestimmt.

Aber sind die Folgen dieses Ansatzes für die Moral nicht erschreckend? Denken wir an den weltweiten Sexhandel. Wollen wir zu dem Schluss kommen, dass er nicht mehr unmoralisch ist, solange eine Gesellschaft ihn gutheißt? Wollen wir jungen Mädchen, die in die Sexsklaverei verkauft werden, sagen, dass sie und die Männer, die sie ausnutzen, lediglich von ihrer DNS gesteuert sind, dass das, was ihnen widerfährt, nicht von Natur aus böse ist und dass sie nur das Produkt einer blinden, erbarmungslosen Gleichgültigkeit sind und in der Welt einfach Pech hatten? Sicherlich würdest du so etwas nicht zu einem dieser Mädchen sagen. Aber dies ist die Frucht der Weltanschauung, zu der sich viele Menschen zunehmend bekennen.

„Füge niemanden Schaden zu, sei dir selbst treu“, schlug mir ein Freund, der sich selbst als Heide bezeichnen würde, eines Tages im French Quarter von New Orleans als Lebensphilosophie vor. Diese vermeintlich einfache Philosophie, so dachte mein Freund, reiche aus, um Werturteile und moralische Entscheidungen in allen Lebensbereichen zu treffen. Das eklatante Problem hinter seiner Weltanschauung ist jedoch, wer den Schaden definiert und inwieweit wir uns selbst treu sein sollten. Würde ein Zuhälter im Norden Nepals nicht behaupten, dass er einem jungen Mädchen, das von vornherein nur schlechte Lebensbedingungen hatte, ein besseres Leben verschafft? Würde er nicht auch behaupten, dass sie eine Arbeit hat, die ihr seiner Meinung nach Spaß macht? Und was würde den Zuhälter davon abhalten zu behaupten, dass er und das Mädchen vielen Männern helfen, dem sexuellen Verlangen, das sie in sich tragen, „treu zu bleiben“?

Eine solche gottlose Sichtweise der Moral erweist sich angesichts der harten Realitäten des Bösen in dieser Welt als völlig untauglich. Zum Glück ist das Evangelium in dieser Hinsicht völlig gegenkulturell. Denn Gottes Wort sagt uns, dass Gott jedes kostbare Mädchen auf wunderbare Weise nach seinem Ebenbild geschaffen hat und dass er es liebt. Er hat es einzigartig und biologisch erschaffen und nicht dafür gemacht, von zahllosen beliebigen Männern sexuell missbraucht zu werden, sondern eine freudige sexuelle Vereinigung mit einem Ehemann einzugehen, der es schätzt, ihm dient und es liebt. Dies ist der gute Plan eines gnädigen Gottes, der jedoch von der sündigen Menschheit in grober Weise verdorben worden ist. Die Sünde ist eine echte Rebellion gegen den guten Schöpfer aller Dinge und den endgültigen Richter aller Menschen. Sexhandel ist ungerecht, weil Gott gerecht ist, und er wird die Sünder vor seinem Angesicht zur Rechenschaft ziehen.

Ein solches Verständnis von Sünde hilft zu erkennen, warum Christen und Kirchen sich für die Beendigung des Sexhandels einsetzen müssen. Doch ein kurzes Durchlesen des vorigen Absatzes zeigt, warum dieselben Christen und Kirchen sich auch gegen die Abtreibung und für die Ehe einsetzen müssen. Ist der Gott, der jedes kostbare Mädchen persönlich nach seinem Bild erschafft, nicht auch der Gott, der jedes kostbare Baby im Mutterleib persönlich erschafft? Ist nicht der Plan Gottes, der sexuellen Missbrauch in der Prostitution verurteilt, auch der Plan Gottes, der die sexuelle Vereinigung in der Ehe gutheißt? Und ist nicht die Sünde in all ihren Formen – ob es nun darum geht, ein junges Mädchen in die Sklaverei zu verkaufen, ein Baby aus dem Mutterleib zu reißen oder Gottes vorgeschriebenes Muster für die Ehe zu missachten – eine echte Rebellion gegen den guten Schöpfer und obersten Richter aller Menschen?

DIE SÜNDE DES SELBST

Auch hier werden wir mit dem gegenkulturellen Ärgernis des Evangeliums konfrontiert. Denn so wie das Evangelium die Definition von Gut und Böse auf den Charakter Gottes gründet, sagt es auch, dass das Böse nicht auf bestimmte Arten von Sünde und ausgewählte Gruppen von Sündern beschränkt ist. Das Böse ist leider Teil von uns allen und daher ein unvermeidlicher Teil jeder Kultur, die wir schaffen.6

Obwohl wir alle von Gott geschaffen wurden, wurden wir auch durch die Sünde entstellt. Das würden wir natürlich gerne leugnen, aber unsere gefallene Natur konfrontiert uns ständig damit. Wir besitzen sowohl Würde als auch Verdorbenheit; wir neigen sowohl dem Guten als auch dem Bösen zu. Das ist die Ironie des menschlichen Daseins. John Stott bringt dies in seiner Zusammenfassung der Grundlagen des Christentums gut zum Ausdruck:

Wir sind in der Lage zu denken, zu wählen, zu schaffen, zu lieben und zu verehren; aber wir sind auch in der Lage zu hassen, zu neiden, zu kämpfen und zu töten. Der Mensch ist der Erfinder von Krankenhäusern für die Pflege von Kranken, von Universitäten für den Erwerb von Weisheit, und von Kirchen für die Anbetung Gottes. Aber er hat auch Folterkammern, Konzentrationslager und Atomwaffenarsenale erfunden.

Das ist das Paradoxe an unserem Menschsein. Wir sind sowohl edel als auch unedel, sowohl rational als auch irrational, sowohl moralisch als auch unmoralisch, sowohl schöpferisch als auch zerstörerisch, sowohl liebevoll als auch egoistisch, sowohl gottgleich als auch bestialisch.7

Warum ist das so? Das Evangelium antwortet, dass Gott uns zwar nach seinem Ebenbild geschaffen hat, wir aber in unserer Unabhängigkeit gegen ihn rebelliert haben. Auch wenn es in jedem von uns anders aussieht, sind wir alle wie der Mann und die Frau im Garten Eden. Wir denken: Auch wenn Gott sagt, ich soll etwas nicht tun, werde ich es trotzdem tun. Im Grunde sagen wir damit: „Gott ist nicht der Herr über mich, und Gott weiß nicht, was das Beste für mich ist. Ich bestimme, was richtig und falsch, gut und böse ist.“ Die Grundlage unserer Moral verlagert sich also von der objektiven Wahrheit, die Gott uns in seinem Wort gegeben hat, zu den subjektiven Meinungen, die wir in unserem Kopf erschaffen. Selbst wenn wir uns der Tragweite unserer Vorstellungen nicht bewusst sind, kommen wir unweigerlich zu dem Schluss: Was immer mir richtig erscheint oder sich richtig anfühlt, ist auch richtig für mich.

Letztendlich geht es für jeden von uns um sich selbst.

Deshalb diagnostiziert die Bibel den Zustand des Menschen, indem sie einfach sagt, dass wir „alle abgewichen“ sind (Röm 3,12). Das Wesen dessen, was die Bibel Sünde nennt, ist die Selbsterhöhung. Gott hat uns dazu bestimmt, ihn in unserem Leben an die erste Stelle zu setzen, andere an die nächste und uns selbst an die letzte. Doch die Sünde kehrt diese Reihenfolge um: Wir stellen uns selbst an die erste Stelle, andere an die nächste (oft in dem Versuch, sie für unsere Zwecke auszunutzen), und Gott steht irgendwo (wenn überhaupt) im fernen Hintergrund. Wir wenden uns von der Anbetung Gottes ab und beten uns selbst an.

Nun würden wir das wahrscheinlich nicht so ausdrücken. Die meisten Menschen bekennen nicht öffentlich: „Ich bete mich selbst an“. Aber wie John Stott betont, dauert es nicht lange, bis die Wahrheit ans Licht kommt, wenn wir unser Leben betrachten und uns selbst einmal zuhören. Unsere Sprache enthält Hunderte von Wörtern, die mit „selbst“ beginnen: Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstdarstellung, Selbsterfüllung, Selbstverherrlichung, Selbstmotivation, Selbstmitleid, Selbstlob, Selbstbezogenheit, Selbstverliebtheit, Selbstgerechtigkeit – und so weiter. Wir haben eine Vielzahl von Begriffen geschaffen, die das Ausmaß unserer Beschäftigung mit uns selbst zum Ausdruck bringen.8

Das Tragische daran ist, dass wir in unserem ständigen Bestreben, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, tatsächlich zu Sklaven der Sünde werden. Deshalb lehrt Jesus: „Ich sage euch: Jeder, der sündigt, ist ein Sklave der Sünde.“ (Joh 8,34*). Wir wissen, dass dies wahr ist. Das kann man zum Beispiel gut an einem Alkoholiker sehen. Er betrinkt sich, weil er glaubt, dass dies der Weg zur persönlichen Befriedigung ist, nur um dann festzustellen, dass er einer Sucht verfallen ist, die ihn ins Verderben führt.

Aber die Sünde wirkt in jedem von uns auf ähnliche Weise – im Kleinen wie im Großen. Wir sagen uns, dass, egal was Gott sagt, ein unreiner Gedanke, ein hartes Wort oder eine egoistische Handlung uns erfüllen werden. Wir reden uns ein, dass uns, egal was Gott sagt, das Geld, das wir haben (egal was es uns gekostet hat, um es zu bekommen), und der Sex, den wir erleben (mit wem auch immer wir ihn genießen wollen), befriedigen werden. Wir überzeugen uns selbst, dass wir, egal was Gott sagt, mit dieser Person oder jenem Besitz, diesem Vergnügen oder jener Beschäftigung zufrieden sein werden. Wir jagen all diesen Dingen hinterher und denken, dass wir frei sind. Aber wir sind blind für unsere eigene Gebundenheit. In unserem ununterbrochenen Wettlauf nach Selbsterfüllung, rebellieren wir in Wirklichkeit gegen den Einzigen, der unsere Seele zufriedenstellen kann.

Letzten Endes sind wir alle der Rebellion gegen Gott schuldig. Nicht nur der Zuhälter im Norden Nepals, sondern auch du und ich. Wir alle haben uns von Gott abgewandt, wir alle sind schuldig vor Gott, und wir alle wissen es. Wir fühlen diese Schuld, und obwohl wir sie unweigerlich leugnen, spüren wir sie instinktiv.

Manche leugnen Schuld ganz und gar und behaupten, so etwas wie richtig oder falsch gäbe es nicht, alle Ethik sei illusorisch und willkürlich und es gäbe nur persönliche Vorlieben. Menschen, die dies glauben, behaupten oft im Gegenzug, dass es richtig ist, wenn man ihnen beipflichtet, und falsch, wenn man ihnen nicht zustimmt. Wenn das mal keine Ironie ist!

Andere versuchen, Schuldgefühle zu beseitigen, indem sie im Namen des kulturellen Fortschritts die Maßstäbe für richtig und falsch verschieben. Eine der einfachsten Möglichkeiten, Schuldgefühle zu lindern, besteht darin, uns selbst davon zu überzeugen, unsere moralischen Maßstäbe seien unpraktisch oder veraltet. Gier ist nicht falsch, sie ist notwendig, um ein Ziel zu erreichen. Werbung für sich selbst zu machen ist die einzige Möglichkeit, erfolgreich zu sein. Lust ist für moderne Männer und Frauen etwas Natürliches, und man möchte Sex unabhängig von Ehe oder Geschlecht. Wir versuchen, unsere Schuldgefühle loszuwerden, indem wir Recht und Unrecht entsprechend der kulturellen Trends neu definieren.

Doch die Schuld bleibt. Egal, wie sehr wir uns bemühen, wir schaffen es nicht, das Gefühl was sein „sollte“, das Gott in die menschliche Seele geschrieben hat, auslöschen. Man braucht nur in die Augen eines kleinen Mädchens zu schauen, das in die Sexsklaverei verkauft wird, um zu wissen, dass so etwas nicht sein „sollte“, denn Recht und Unrecht existieren als objektive Normen für alle Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten. Wir können die Realität der Schuld vor Gott nicht beseitigen, und deshalb brauchen wir Jesus. Doch genau hier ist das Evangelium in noch massiverer Weise eine Gegenkultur.

IST JESUS EINZIGARTIG?

Jeder, der etwas über Jesus weiß, selbst der weltlichste Gelehrte, würde sagen, dass Jesus ein guter Mensch war. Es fällt den Menschen leicht, sich mit Jesus zu identifizieren – einem Mann, der mit Kummer, Problemen und Leid vertraut ist. Außerdem mögen die Menschen Jesus. Er war liebevoll und gütig. Er setzte sich für die Sache der Armen und Bedürftigen ein. Er schloss Freundschaft mit den Vernachlässigten, den Schwachen und den Unterdrückten. Er verbrachte Zeit mit den Verachteten und Ausgestoßenen. Er liebte seine Feinde, und er lehrte andere, dasselbe zu tun.9

Doch neben dem bemerkenswert bescheidenen Charakter Jesu sehen wir auch unglaublich ichbezogene Behauptungen. Liest man nur ein wenig in den Geschichten über das Leben Jesu, erkennt man schnell, dass er durchaus viel über sich selbst redet. „Ich bin dies, ich bin das“, sagt er immer wieder. „Folgt mir, kommt zu mir“, ruft er allen um sich herum zu. Stott beschreibt dies am besten:

Eines der außergewöhnlichsten Dinge, die Jesus in seiner Lehre tat (und zwar so unauffällig, dass viele Menschen die Evangelien lesen, ohne es überhaupt zu bemerken), war, dass er sich von allen anderen abhob. Indem er zum Beispiel behauptete, der gute Hirte zu sein, der in die Wüste ging, um seine verlorenen Schafe zu suchen, deutete er an, dass die Welt verloren war, er aber nicht, und dass er sie suchen und retten konnte.

Mit anderen Worten: Er ordnete sich selbst in eine moralische Kategorie ein, in der er allein war. Alle anderen waren in der Finsternis, er war das Licht der Welt. Alle anderen waren hungrig, er war das Brot des Lebens. Alle anderen waren durstig, er konnte ihren Durst stillen. Alle anderen waren Sünder, er konnte ihnen ihre Sünden vergeben. Das tat er auch bei zwei verschiedenen Gelegenheiten, und beide Male waren die Beobachter empört. Sie fragten: „Wie kann dieser Mensch es wagen, so etwas zu sagen? … Das ist ja Gotteslästerung! Niemand kann Sünden vergeben außer Gott.“ (Mk 2,5-7*; Lk 7,48-49).

Wenn Jesus die Autorität beanspruchte, den Reumütigen zu vergeben, so beanspruchte er auch die Autorität, die Unbußfertigen zu richten. In mehreren seiner Gleichnisse deutete er an, dass er am Ende der Geschichte wiederkommen würde. An diesem Tag, so sagte er, würde er auf seinem herrlichen Thron sitzen. Alle Völker würden vor ihm stehen, und er würde sie voneinander trennen, wie ein Hirte seine Schafe von seinen Böcken trennt. Mit anderen Worten: Er wird ihr ewiges Schicksal regeln. So machte er sich selbst zur zentralen Figur am Tag des Gerichts.10

Selbst wenn das niemand sonst glaubte, so glaubte Jesus sicherlich, dass er einzigartig war. Seine vielleicht extravaganteste Behauptung stellt er in Johannes 14,6* auf: „Ich bin der Weg … die Wahrheit und ich bin das Leben. Zum Vater kommt man nur durch mich.“

Was für eine Aussage! Als ob das Evangelium mit der Ankündigung, wer Gott ist und wer wir sind, nicht schon anstoßerregend genug wäre, hören wir nun, dass Jesus der einzige Mensch ist, der uns mit Gott versöhnen kann. Kein anderer Führer ist erhaben, und kein anderer Weg ist ausreichend. Willst du Gott kennenlernen, dann führt dein Weg ausschließlich über Jesus.

Wie kann das sein? Wie kann ein Mensch, der vor zweitausend Jahren bei klarem Verstand war, diese Behauptung aufstellen? Und wie können Menschen, die zweitausend Jahre später bei klarem Verstand sind, daran glauben?

Das macht nur Sinn, wenn alles, was wir bereits in der Bibel gesehen haben, wahr ist.

Wir haben gesehen, dass Gott vollkommen heilig und unendlich gut, vollkommen gerecht und liebevoll gnädig ist. Wir haben auch gesehen, dass wir alle von Gott geschaffen sind, aber wir sind alle durch die Sünde verdorben. Wir alle haben uns von Gott abgewandt und stehen schuldig vor ihm. Diese beiden Tatsachen werfen die entscheidende Frage auf: Wie kann ein heiliger Gott rebellische Sünder zu sich zurückholen, wenn sie sein Gericht verdienen?

Erinnere dich an Sprüche 17,15**: „Wer den Gottlosen gerechtspricht und wer den Gerechten verurteilt, die sind beide dem HERRN ein Gräuel.“ Mit anderen Worten: Gott verabscheut diejenigen die Schuldige „unschuldig“ und Unschuldige „schuldig“ nennen. Gott verabscheut sie, weil er ein guter Richter ist; er benennt die Schuldigen und die Unschuldigen als das, was sie sind.

Wenn also Gott als guter Richter zu uns kommt, was wird er uns dann sagen? „Schuldig.“ Würde er sagen: „Unschuldig“, wäre er sich selbst ein Gräuel. Jetzt beginnen wir, die grundlegende Spannung der Bibel zu spüren. Jeder Mann und jede Frau ist vor Gott schuldig. Wie kann Gott also seine vollkommene Gerechtigkeit zum Ausdruck bringen, ohne jeden Sünder auf der Welt zu verurteilen?

Viele antworten darauf: „Nun, Gott ist liebevoll. Er kann uns einfach unsere Sünden vergeben.“ Aber sobald wir das sagen, müssen wir erkennen, dass Gottes Vergebung für die Sünder eine potenzielle Bedrohung für seinen vollkommenen Charakter darstellt. Wenn Gott die Sünde einfach übersieht, dann wäre er weder heilig noch gerecht. Wenn es heute einen Richter gäbe, der wissentlich schuldige Verbrecher freigesprochen hätte, würden wir diesen Richter umgehend aus dem Gerichtssaal entfernen. Warum? Weil er nicht gerecht ist. Wenn wir einmal die heilige Gerechtigkeit Gottes und die sündige Natur des Menschen begriffen haben, fragen wir, wie Stott es ausdrückt, „nicht mehr, warum es Gott schwerfällt, Sünden zu vergeben, sondern wie er Sündenvergebung überhaupt in Erwägung ziehen kann.“11

Diese Spannung führt uns zu der Frage: „Wie kann Gott uns lieben, wenn seine Gerechtigkeit es erfordert, uns zu verurteilen?“ Dies ist das grundlegende Problem des Universums. Natürlich ist es nicht das Problem, das die meisten Menschen erkennen. Die meisten Menschen in unserer Kultur zerbrechen sich nicht den Kopf darüber, wie es möglich ist, dass Gott gleichzeitig gerecht und liebevoll gegenüber Sündern sein kann. Stattdessen klagen die meisten Menschen Gott an und fragen: „Wie kannst du Sünder bestrafen? Wie kannst du gute Menschen zur Hölle fahren lassen?“ Aber die Frage, die die Bibel stellt, ist genau das Gegenteil: „Gott, wie kannst du gerecht sein und trotzdem schuldige Sünder in den Himmel lassen?“

Und die einzige Antwort auf diese Frage ist Jesus Christus.

Das Leben von Jesus ist wirklich einzigartig. Er ist Gott in Fleisch und Blut – völlig Mensch und völlig Gott. Als vollkommener Mensch ist er allein in der Lage, an die Stelle schuldiger Menschen zu treten. Als vollkommener Gott ist er allein in der Lage, die göttliche Gerechtigkeit zu erfüllen.

Das macht den Tod Jesu einzigartig, und deshalb ist seine Kreuzigung der Höhepunkt des Evangeliums. Es ist seltsam, wenn man darüber nachdenkt. Für alle anderen religiösen Führer war der Tod das tragische Ende der Geschichte. In anderen Religionen steht immer das Leben der Führer im Mittelpunkt. Bei Jesus ist es jedoch genau umgekehrt. Er hat seinen Tod immer vorausgesehen, und die Berichte über sein Leben legen einen unverhältnismäßig großen Wert darauf. Seit seinem Tod vor zweitausend Jahren ist das zentrale Symbol des Christentums das Kreuz, und die zentrale Feier der Kirche dreht sich um Brot und Wein, um sich an den Leib und das Blut Jesu zu erinnern.12 Warum ist der Tod Christi am Kreuz so bedeutsam?

Weil das Kreuz der Ort ist, an dem Jesus, Gott im Fleisch, die gerechte Strafe für die Sünder auf sich genommen hat. Am Kreuz Christi hat Gott sein heiliges Urteil über die Sünde voll zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig hat Gott in Christus sein heiliges Urteil über die Sünde voll und ganz ertragen. Dabei hat Gott durch Christus die Erlösung für alle Sünder ermöglicht – die Strafe für die Sünde wurde bezahlt. Wir wissen, dass dies wahr ist, weil Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Dies ist die beste Nachricht der Welt, und deshalb nennen wir sie Evangelium (was „gute Nachricht“ bedeutet). Der heilige, gerechte und gütige Schöpfer des Universums hat in Christus einen Weg geschaffen, der es jedem ermöglicht, mit ihm versöhnt zu werden.

Aber auch hier können wir uns der Tatsache nicht entziehen, dass dieses Evangelium Anstoß erregt. „Wollt ihr wirklich sagen, es gibt nur einen Weg zu Gott?“, fragen die Leute sofort. Doch gerade, wenn wir diese Frage stellen, tritt das Problem zutage. Wenn es 1.000 Wege zu Gott gäbe, würden wir 1.001 wollen. Es geht nicht darum, wie viele Wege zu Gott führen, sondern um unsere Autonomie vor Gott. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen. Das ist das Wesen der Sünde an sich, dass wir unseren Wegen mehr vertrauen als Gottes Weg. Aber wir werden nicht von unserer Sünde gerettet, indem wir uns zu uns selbst wenden und noch mehr auf unsere eigenen Wege vertrauen. Stattdessen werden wir nur dann gerettet, wenn wir uns von uns selbst abwenden und immer mehr auf Gottes Weg vertrauen.

DAS EWIGE ÄRGERNIS

Nichts, was wir bisher im Evangelium gesehen haben, ist besonders populär. Allein die Vorstellung, dass Gott Mensch wurde, ist für viele Menschen auf der ganzen Welt abwegig. Mehr als eine Milliarde Muslime glauben, dass Gott sich niemals dazu erniedrigen würde, Mensch zu werden. Hunderte Millionen anderer Menschen halten es für absurd, dass ein Mensch göttlich sein könnte.

Aber das Ärgernis des Evangeliums geht noch weiter. Das Evangelium behauptet nicht nur, dass Gott ein Mensch geworden ist, sondern auch, dass dieser Gottmensch gekreuzigt wurde. Für die Männer und Frauen von heute ist das eine Dummheit. Stell dir vor, du nimmst einen erfolgreichen, gut gekleideten amerikanischen Mann mit einem soliden Job, einem großen Haus und einem coolen Auto und eine freidenkende amerikanische Frau, die in ihrer Unabhängigkeit erfolgreich ist, und führst sie zu einer Müllhalde, wo ein nackter Mann blutverschmiert an einem Baum hängt, und sagst ihnen: „Das ist euer Gott.“ Sie werden dich auslachen, vielleicht Mitleid mit dem Mann haben und mit ziemlicher Sicherheit ihr Leben weiterleben wie bisher.

Doch das Ärgernis des Evangeliums erreicht seinen Höhepunkt, wenn du ihnen sagst, dass ihr ewiges Schicksal davon abhängt, ob sie glauben, dass der Mann, der dort hängt, ihr Gott ist – der Herr, Richter, Retter und König der ganzen Schöpfung. Sobald du sagst: „Wenn ihr ihm folgt, werdet ihr das ewige Leben erfahren; wenn nicht, werdet ihr die ewige Hölle erleben“, befindest du dich in der heftigsten Auseinandersetzung mit der heutigen Kultur (und der heutigen Kirche).

Das Evangelium sagt, dass die Ewigkeit davon abhängt, wie du und ich auf Jesus reagieren.

Der Bibel zufolge ist der Himmel eine herrliche Realität für diejenigen, die auf Jesus vertrauen. Es ist ein Ort der vollständigen Versöhnung und der völligen Wiederherstellung, an dem Sünde, Leid, Schmerz und Kummer endlich aufhören werden und Männer und Frauen, die auf Christus vertraut haben, für immer und ewig in vollkommener Harmonie mit Gott und miteinander leben werden.

Die Bibel lehrt auch, dass die Hölle eine furchtbare Realität für diejenigen ist, die sich von Jesus abwenden. Es ist eine Realität, über die Jesus viel gesprochen hat. Tim Keller bemerkt: „Wenn Jesus, der Herr der Liebe und Urheber der Gnade, häufiger, anschaulicher und furchteinflößender als jeder andere über die Hölle gesprochen hat, dann muss es sich um eine entscheidende Wahrheit handeln.“13 Diese „entscheidende Wahrheit“ ergibt sich direkt aus allem, was wir bis jetzt entdeckt haben.

Jeder Mann und jede Frau hat sich von Gott abgewandt und stattdessen sein Ich zu seinem Gott gemacht. Wenn sich das bis zu ihrem Tod nicht ändert, wird die Hölle die gottgegebene Strafe für diese sündige, egoistische Entscheidung sein. Diejenigen, die sich auf Erden gegen Gott auflehnen, werden die gerechte Strafe für den Weg erhalten, den sie gewählt haben. Natürlich würde sich niemand, egal wie böse er ist, für die Hölle entscheiden, wenn er weiß, welche Schrecken sie mit sich bringt. Die Bibel beschreibt die Hölle als einen Ort, an dem die Menschen weinen und mit den Zähnen knirschen werden, in einem Rauch von Qualen, der für alle, die sich dort aufhalten, permanent aufsteigt (siehe Mt 8,12; Offb 14,11). Niemand würde sich freiwillig darauf einlassen. Doch wenn sich Sünder auf der Erde letztlich bewusst gegen Gott stellen, ist ihr Ziel de facto die Verdammnis in der Ewigkeit.

Wenn man all diese Wahrheiten des Evangeliums zusammennimmt, erkennt man, dass das größte Ärgernis und die gegen die Kultur gerichtete Behauptung des Christentums nicht darin besteht, was Christen über Homosexualität oder Abtreibung, Ehe oder Religionsfreiheit glauben. Die am meisten Ärger auslösende Behauptung des Christentums ist vielmehr, dass Gott der Schöpfer, Eigentümer und Richter eines jeden Menschen auf diesem Planeten ist. Jeder von uns steht als Sünder vor ihm, und der einzige Weg, sich mit ihm zu versöhnen, ist der Glaube an Jesus, den gekreuzigten Retter und auferstandenen König. Alle, die auf seine Liebe vertrauen, werden ewiges Leben erfahren, während alle, die sich von seiner Herrschaft abwenden, den ewigen Tod erleiden werden.

GLAUBST DU DEM EVANGELIUM?

Wir kehren also zu der grundlegenden Frage vom Anfang dieses Kapitels zurück: Glaubst du dem Evangelium?

Ich stelle mir drei Kategorien von Lesern dieses Buches vor. Zur ersten Kategorie gehören Leser, die dem Evangelium nicht glauben. Du bekennst dich derzeit nicht zum Christentum, liest dieses Buch aber dennoch aus den verschiedensten Gründen. Ich bin sehr dankbar, dass du das tust, und ich hoffe, du erhältst eine hilfreiche Perspektive zu den drängendsten sozialen Fragen unserer Kultur und Welt. Wie du im Kapitel über Religionsfreiheit lesen wirst, respektiere ich unterschiedliche Religionen zutiefst und glaube, dass es gute Wege gibt, nicht nur zu koexistieren, sondern auch in echter Freundschaft und wertvoller Partnerschaft in Gesellschaft und Kultur zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig wäre ich nicht ganz ehrlich, wenn ich nicht sagen würde, dass ich dafür bete, dass du während der Lektüre dieses Buches vielleicht Gottes geheimnisvolle, unergründliche, unerklärliche und persönliche Liebe zu dir in Jesus kennenlernen wirst. Ich hoffe, dass einer der Gründe – der dir vielleicht gar nicht bewusst ist –, warum du dieses Buch liest, der ist, dass Gott dich souverän zum Glauben an ihn hinzieht.

Als Leser der zweiten Kategorie bist du jenen der ersten insofern ähnlich, dass du nicht an das Evangelium glaubst. Der Unterschied ist jedoch, dass du dich derzeit als Christ bekennst. Wie ich in der Einleitung erwähnt habe, bezeichnest du dich vielleicht als „progressiver Christ“ oder als „aufgeschlossener Christ“ oder als „Kirchgänger“ oder mit irgendeinem anderen Attribut, das du deinem Status als Christ voranstellen könntest. Bei allem gebotenen Respekt – und ich bin mir nicht sicher, wie ich das schreiben soll, ohne sehr direkt zu sein – hoffe ich, dass du aufhörst, sich selbst als Christ zu bezeichnen, bis du dem Evangelium glaubst.

Einige „Christen“ glauben nicht, dass Gott der Schöpfer des Universums oder der Autor der Bibel ist, andere „Christen“ glauben nicht, dass die Sünde ein ernsthaftes Problem vor Gott ist, viele „Christen“ glauben, dass Jesus nur einer von vielen Wegen zu Gott ist, und eine Vielzahl von „Christen“ lehnen völlig ab, was Jesus über die Hölle sagt (während sie bequemerweise das beibehalten, was Jesus über den Himmel sagt). Ich setze „Christen“ in Anführungszeichen, weil solche „Christen“ keine Christen sind. Es ist unmöglich, ein Nachfolger Christi zu sein, während man die Worte Christi leugnet, missachtet, diskreditiert oder ihnen nicht glaubt.

Wenn du in diese Kategorie fällst, dann ist mein Ziel für dich ähnlich dem, was ich der ersten Kategorie von Lesern gesagt habe. Ich hoffe aufrichtig, dass du Gottes geheimnisvolle, unergründliche, unerklärliche und persönliche Liebe für dich in Jesus kennenlernst, dass du dem Evangelium glauben wirst, trotz allem Ärger, den wir dadurch auf uns ziehen, und dass du Jesus so folgen wirst, wie er ist, und nicht so, wie wir ihn vielleicht gerne hätten. Bis dies geschieht, hoffe ich, dass du seinen Namen nicht lästerst, indem du behauptest, in Christus zu sein (Christ), obwohl du nicht an Christus glaubst.

Die letzte Kategorie von Lesern umfasst diejenigen, die dem Evangelium glauben. Ich gehe davon aus, dass viele der Leser dieses Buches dazu gehören, und dies ist sicherlich die Hauptzielgruppe, für die ich schreibe. Auf den folgenden Seiten möchte ich das Evangelium in Bezug zu vielen sozialen Fragen in unserer Kultur setzen, die von Armut, Sklaverei, Abtreibung und sexueller Unmoral bis hin zur Entwürdigung der Ehe und der Verweigerung von Bürgerrechten reichen. Dabei möchte ich aufzeigen, dass ein umfassendes Verständnis des Evangeliums es uns nicht erlaubt, in unserer Kultur abseits zu stehen.

Außerdem erlaubt uns das Evangelium nicht, als Christen in verschiedenen sozialen Fragen wählerisch zu sein. Wenn ich mir die Kirche heute anschaue, sehe ich, dass viel Wert auf soziale Gerechtigkeit gelegt wird, aber unsere soziale Haltung scheint seltsam subjektiv zu sein. Bei populären Themen wie Armut und Sklaverei, bei denen Christen für ihr soziales Handeln wahrscheinlich Beifall bekommen, sind wir schnell dabei, aufzustehen und unsere Stimme zu erheben. Doch bei umstrittenen Themen wie Sexualität und Abtreibung, bei denen Christen für ihr Engagement kritisiert werden könnten, geben wir uns damit zufrieden, passiv zu bleiben und zu schweigen. Es ist, als hätten wir beschlossen, uns auszusuchen, welche sozialen Probleme wir bekämpfen und welche wir zulassen, und unsere Wahl hat in der Regel damit zu tun, was für uns in unserer Kultur am bequemsten ist – und uns den geringsten Preis abverlangt.

Aber das Evangelium gibt uns diese Möglichkeit nicht. Dasselbe Herz Gottes, das uns dazu bewegt, den Sexhandel zu bekämpfen, bewegt uns auch dazu, sexuelle Unmoral zu bekämpfen, und dasselbe Evangelium, das uns zwingt, Armut zu bekämpfen, zwingt uns, die Ehe zu verteidigen. Wir müssen erkennen, wie das Evangelium Christen dazu bewegt, konsequent nicht nur einigen, sondern allen diesen Themen in unserer Kultur mit Überzeugung, Barmherzigkeit und Mut entgegenzutreten.

EIN AUFRUF ZU ÜBERZEUGUNG, BARMHERZIGKEIT UND MUT

Während wir über diese Themen nachdenken, möchte ich uns dazu aufrufen, für unsere Überzeugung zu stehen. Wie wir bereits festgestellt haben, leben wir in einer einzigartigen Zeit in der westlichen Kultur, da sich die moralische Landschaft um uns herum rasch verändert. Infolgedessen haben wir viele Gelegenheiten, uns auf die göttliche Wahrheit zu stützen und darüber zu sprechen, und wir dürfen diesen Moment nicht verstreichen lassen. Elizabeth Rundle Charles sagt in ihrem Kommentar zu Martin Luthers Auseinandersetzung mit den Schlüsselthemen seiner Zeit:

Es ist die Wahrheit, die in jedem Zeitalter angegriffen wird, das unsere Treue prüft. … Wenn ich mit lautester Stimme jeden Teil der Wahrheit Gottes klar und deutlich darlege, außer genau den Punkt, den die Welt und der Teufel in diesem Augenblick angreifen, bekenne ich mich nicht zu Christus, wie kühn ich mich auch sonst zum Christentum bekennen mag. Wo die Schlacht tobt, da erweist sich die Loyalität des Soldaten, doch an allen anderen Fronten standhaft zu sein, ist bloße Flucht und Schande, wenn er an diesem Punkt zurückweicht.14

In der Tat toben in unserer Kultur heute Kämpfe um eine Reihe von sozialen Fragen. Noch vor wenigen Jahrzehnten schrieb Francis Schaeffer:

Wir als bibelgläubige evangelikale Christen befinden uns in einer Schlacht. Dies ist keine freundliche Diskussion unter Gentlemen. Es ist ein Konflikt auf Leben und Tod zwischen den bösen Geistern des himmlischen Bereichs und denen, die den Namen Christi für sich beanspruchen. … Aber glauben wir wirklich, dass wir uns in einem Kampf um Leben und Tod befinden? Glauben wir wirklich, dass die Rolle, die wir in diesem Kampf spielen, Auswirkungen darauf hat, ob Männer und Frauen die Ewigkeit in der Hölle verbringen werden oder nicht? Oder ob diejenigen, die am Leben sind, in einem Klima der moralischen Perversion und des Verfalls leben werden oder nicht? Leider müssen wir feststellen, dass nur sehr wenige in der evangelikalen Welt so handeln, als ob diese Dinge wahr wären. … Wo ist die klare Stimme, die auf die entscheidenden Fragen der Zeit mit eindeutig biblischen, christlichen Antworten reagiert? Unter Tränen müssen wir sagen, dass es sie nicht gibt und dass ein großer Teil der evangelikalen Welt vom Zeitgeist dieses gegenwärtigen Zeitalters verführt worden ist. Mehr noch, wir können davon ausgehen, dass die Zukunft eine weitere Katastrophe sein wird, wenn die evangelikale Welt nicht für die biblische Wahrheit und Moral im gesamten Spektrum des Lebens eintritt.15

Möge dies heute nicht auf dich und mich zutreffen! Mögen wir nicht durch Schweigen sündigen. Mögen wir erkennen, dass nichts zu sagen auch eine Aussage ist. Möge man schließlich von uns sagen, dass wir nicht nur am Evangelium festhielten, sondern dass wir mit dem Evangelium klar zu den drängendsten Fragen unserer Zeit sprachen.

Ich möchte uns nicht nur zur Überzeugung aufrufen, sondern auch zum Mitgefühl. In Matthäus 9 heißt es: „Als er [Jesus] die Scharen von Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl; denn sie waren erschöpft und hilflos wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36*). Eine meiner Hoffnungen in diesem Buch ist, dass Gott uns die Gnade schenken möge, das zu sehen, was er sieht. Die Armen, die Hungrigen und die Vernachlässigten so zu sehen, wie er sie sieht. Diejenigen, die von politischer, wirtschaftlicher oder ethnischer Unterdrückung erdrückt werden, aus seiner Perspektive wahrzunehmen. Sich für das Baby im Mutterleib und seine Mutter zu interessieren, so wie Gott sich für sie interessiert. Die Witwen und Waisen, die Immigranten und die Unmoralischen, die heterosexuelle, homosexuelle, bisexuelle und transsexuelle Person zu lieben, wie Gott sie liebt.

Auf der Grundlage seiner Liebe möchte ich uns zum Handeln aufrufen. „Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!“, gebietet Jesus (Matthäus 22,39*). Johannes schreibt: „[U]nsere Liebe darf sich nicht in Worten und schönen Reden erschöpfen; sie muss sich durch unser Tun als echt und wahr erweisen“ (1.Joh 3,18*). Das Letzte, was ich tun möchte, ist, biblische, theologische und ethische Grundsätze von der individuellen, familiären und kirchlichen Praxis zu trennen. Das Ziel dieses Buches ist nicht die Information über das Evangelium und soziale Fragen, sondern die Anwendung des Evangeliums auf soziale Fragen. Wir müssen uns um all diese Themen kümmern, aber nicht mit einer selbstgerechten Selbstgefälligkeit, die sich damit begnügt einfach nur händeringend und in frommer Sorge untätig daneben zu stehen, sondern mit einer aufopfernden Hingabe, alles zu tun, wozu uns Gott beauftragt hat.

Gott wird uns unweigerlich dazu bringen, auf unterschiedliche Weise zu handeln. Nicht jeder von uns wird auf all diese Themen auf die gleiche Weise reagieren. Keiner kann den Sexhandel bekämpfen und gleichzeitig Kinder aufnehmen und adoptieren, dabei noch einen Dienst für Witwen einrichten und unverheiratete Mütter beraten, während er um die Welt reist, um die verfolgte Kirche zu unterstützen – und so weiter. Und keiner von uns sollte all diese Dinge alleine tun, denn Gott positioniert und optimal und rüstet uns mit besonderen Privilegien und einzigartigen Möglichkeiten aus, um die Kultur um uns herum zu beeinflussen – und in all dem handelt er nach seinem Ermessen. Doch für uns alle ist es notwendig, jedes dieser kulturellen Themen durch die Linse der biblischen Wahrheit zu betrachten und diese Wahrheit mit Überzeugung auszusprechen, wann immer wir die Gelegenheit dazu haben. Dann werden wir, auf der Grundlage einer unbeirrbaren Überzeugung, danach Ausschau halten, wie der Geist Christi uns individuell als Christen und kollektiv in unseren Gemeinden zu barmherzigem Handeln in unserer Kultur führt.

Um uns darin zu unterstützen, befinden sich am Ende jedes Kapitels dieses Buches einige Aspekte, für die wir im Lichte dieser Themen beten können, mögliche Wege, wie du oder ich die Kultur mit dem Evangelium erreichen können, und biblische Wahrheiten zu all diesen Themen, zu denen wir uns bekennen müssen. Ich möchte dir dringend empfehlen, demütig, mutig, ernsthaft und betend zu überlegen, wie Gott dich bezüglich jedes dieser Themen führt um dafür zu beten, darüber zu sprechen und entsprechend zu leben. Lass uns nicht nur über das Wort Gottes in der Welt um uns herum nachdenken, sondern lass uns auch tun was er sagt (siehe Jak 1,22-25).

Eines ist klar: Mit Überzeugung und Mitgefühl zu handeln, wird Mut erfordern. Wie wir gesehen haben, wird der Preis für die biblische Überzeugung in der heutigen Kultur jeden Tag höher, und wir sind nicht mehr weit davon entfernt, auf eine drastischere Weise an den Leiden Christi teilzuhaben. Zweifellos ist dies der Grund, warum sich heute immer mehr „Christen“ vom Evangelium abwenden. Angst ist eine mächtige Kraft, die immer mehr „Kirchen“ dazu bringt, sich anzupassen, anstatt die sie umgebende Kultur zu konfrontieren. Daher halte ich Schaeffers Worte für angemessen:

Wir brauchen eine junge Generation und andere, die bereit sind, in liebevoller aber echter Konfrontation zu stehen, und die einen Unterschied machen angesichts der Mentalität der ständigen Anpassung an die aktuellen Formen des Weltgeistes, so wie sie uns heute umgeben, und das im Gegensatz zu der Art und Weise, in der ein Großteil des Evangelikalismus die Mentalität entwickelt hat, sich automatisch an jede weitere dieser Formen anzupassen.16

Meine Hoffnung ist, dass wir diese Herausforderung annehmen. Denn es ist letztlich keine Herausforderung von Schaeffer, sondern eine Herausforderung von Christus:

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können – die Seele können sie nicht töten. Fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele dem Verderben in der Hölle preisgeben kann. Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen. … Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. (Mt 10,28.32-33.39*)

Das Evangelium Christi ist kein Aufruf zum kulturellen Kompromiss im Angesicht der Angst. Es ist ein Aufruf zur gegenkulturellen Kreuzigung - zum Tod des Selbst angesichts irdischer Widerstände um der ewigen Belohnung willen.

Meine Hoffnung ist, dass wir an das Evangelium Christi glauben und dass unser Glaube uns dazu bewegt, eine Gegenkultur zu leben. Mein Gebet ist, dass Gott uns auf dieser Reise, auf der wir uns befinden, die Augen für die Nöte der Menschen in unserer Kultur und auf der ganzen Welt öffnet, uns mit Tränen und Gebeten für sie auf die Knie zwingt und uns dann mit Überzeugung, Barmherzigkeit und Mut wieder aufstehen lässt, um demütig die Wahrheit Gottes zu verbreiten und gleichzeitig selbstlos die Liebe Gottes zu zeigen, alles in hoffnungsvoller Erwartung des Tages, an dem Sünde, Leid, Unmoral und Ungerechtigkeit endlich nicht mehr sein werden.

3 Einen ausgezeichneten Artikel findest du bei Dan Phillips, „The Most Offensive Verse in the Bible“, PyroManiacs (blog), 26. Februar 2013, http://teampyro.blogspot.com/2013/02/the-most-offensive-verse-in-bible.html. Letzter Zugriff am 01.12.2023.

4 Michael Ruse, „Evolutionary Theory and Christian Ethics“, in The Darwinian Paradigm, London: Routledge, 1989, S. 261–268.

5 Richard Dawkins, River Out of Eden, New York, NY: Basic Books, 1995, S. 133.

6 In diesem und dem folgenden Abschnitt bin ich John Stotts Darstellung des Evangeliums in Why I Am a Christian, Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2003, zu Dank verpflichtet.

7 Ibid., S. 76.

8 Ibid., S. 74–76.

9 Ibid., S. 35.

10 Ibid., S. 42–43.

11 Ibid., 55. Für eine ausführlichere Diskussion zu diesem Thema, siehe John Stott, The Cross of Christ, Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2006, S. 89–93.

12 Siehe Stott, Why I Am a Christian, S. 49–51.

13 Tim Keller, „The Importance of Hell“, The Redeemer Reports, Redeemer Presbyterian Church, August 2009, www.

---ENDE DER LESEPROBE---