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Gehirnforschung für Kinder – Felix und Feline entdecken das Gehirn E-Book

Gerald Hüther

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Beschreibung

Sachbilderbuch für Kinder und Erwachsene: Gehirnforschung spannend erklärt

Unter welchen Bedingungen behalten Kinder die ihnen innewohnende Lust am Lernen, am Entdecken und Gestalten? Unter welchen vergeht sie ihnen? Wie spannend und kinderleicht man davon erzählen kann, zeigt dieses Sachbilderbuch von Inge Michels und Gerald Hüther, einem der profiliertesten Neurobiologen Deutschlands.

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Gerald Hüther/Inge Michels

Gehirnforschung für Kinder – Felix und Feline entdecken das Gehirn

Inhaltsverzeichnis

Gerald Hüther/Inge MichelsCopyright

Felix und Feline liegen im Kinderzimmerauf demTeppich. Sie liegenaufdem Bauch und blättern in einemBilderbuch. Menschen, Tiere und Pflanzen sind dort abgebildet. Felix und Feline suchen die Seite mit derBlumenzwiebel gepflanzt. Jetzt wollen sie sich dieZeichnung im Buch anschauen. »Da!«, sagt Feline plötzlich.

»Da ist sie.«

»Mmh«, Felix schaut genau hin. »Innen sieht sie ganz anders aus. Wie Blätter, die werden immer kleiner.«

»Ja, und ganz innen drin, das sieht aus wie Kerne«, sagtFeline.

Sie blättern noch ein wenig weiter. »Guck mal«, ruftFelix. »Das glaub ich jetzt aber nicht! Da wächst eineZwiebel in einem Kopf!« Sie beugen sich über die Seite:»Eine Zwiebel im Kopf? Was macht die denn da? ImKopf sitzt doch unser Gehirn«, staunt Feline. »Vielleicht sieht unser Gehirn aus wie eine Zwiebel?«, überlegt Felix.»Und wenn wir denken, denkt eine Zwiebel«, lachtFeline. Sie schaut zur Fensterbank.

Dort steht ihre Blumenzwiebel. Sie haben sie in einenTontopf mit Erde gesetzt. Eine Weile ist es still. Felixüberlegt: »Kann eine Blumenzwiebel denken?«, fragt er.»Ich weiß nicht«, antwortet Feline. »Vielleicht kann sie fühlen.«

Beide gehen zur Fensterbank. Sie schauen auf die brauneErde. Felix seufzt: »Nichts zu sehen.« Er tupft mit demZeigefinger auf die Erde. »Ob es ihr gut geht?« Feline tupft auch mit dem Finger auf die Blumenerde. »DieErde ist trocken. Vielleicht hat die Zwiebel Durst.« Sie gießt aus der kleinen blauen Gießkanne neben demBlumentopf ein wenig Wasser auf die Erde. Die färbt sich dunkel.

»Ich habe auch Durst«, sagt Feline. Sie trinkt einenSchluck aus ihrem Wasserglas mit den kleinen buntenFischen. Felix guckt ihr zu, dann sagt er: »Weißt du was? Die Zwiebel ist ein bisschen so wie wir. Sie braucht auch zu essen und zu trinken.« »Ja«, sagt Feline, »wir müssen gut auf sie aufpassen. Sie soll sich bei uns richtig wohlfühlen. Dann wird sie eine schöne Blume.« »Wie sie wohl aussieht, die Blume?«, überlegt Felix.

Am nächsten Tag schauen sich Felix und Feline noch einmal das Buch mit dem Bild von der Zwiebel im Kopf an. Sie haben es sich wieder auf dem Teppich gemütlich gemacht. »Wenn unser Gehirn wie eine Zwiebel ist, dann hat es auch Hunger und Durst«, überlegt Feline, »dann braucht es Nahrung.« »Aber welche?«, fragt Felix. Die Kinder schweigen. Dann sagt Feline: »Das Gehirn kann doch denken. Vielleicht braucht es Rätsel?«

»Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist rot«, ruft Felix. Feline guckt sich um. »Die Lampe«, antwortet sie und fragt dann schnell: »Was ist braun und weich und hat schwarze Augen?« »Der Teddy«, antwortet Felix, dann sagt er: »Unser Gehirn braucht was zu tun.

Nachdenken zum Beispiel.« »Wie beim Rechnen«, schlägt Feline vor. »Oder Lesen«, sagt Felix. »Ich denke morgens darüber nach, welches Kuscheltier ich in den Kindergarten mitnehme«, sagt Feline. »Ich denke am liebsten Streiche aus«, lacht Felix. Und dann purzeln die Ideen nur so aus ihren Mündern. »Lego-Ungeheuer bauen, Mensch-ärgere-dich-Nicht spielen, wie eine Prinzessin sein, Laternen basteln, einen ganz hohen Turm bauen, Ritter spielen . . .« »Worüber wir alles nachdenken«, wundert sich Feline.

Auch Felix staunt: »Das Gehirn hat ja nie Pause.« Feline meint: »Aber manchmal hat es vielleicht auch keine Lust.« Felix: »Oder es kann nicht so schnell. Wenn ich mich beeilen muss, kann ich nicht so schnell die Schleife an meinen neuen Schuhen binden. Dann mache ich nur Knoten.« Feline kichert: »Dann ist in deinem Gehirn auch ein Knoten.«

Felix und Feline lachen. Sie fangen an, sich zu kitzeln, bis sie Schluckauf bekommen. Als sie wieder sprechen können, sagt Felix: »Jetzt hat mein Gehirn einen Purzelbaum geschlagen, so hat es sich beim Lachen gefreut.« Feline muss wieder kichern. »Vielleicht hat unsere Blumenzwiebel auch einen Purzelbaum geschlagen. « Sie laufen zur Fensterbank. Und dann werden sie ganz still: Eine winzige grüne Spitze hat sich durch die braune Erde geschoben. »Sie mag unser Lachen«, sagt Feline glücklich.

Wieder ist ein Tag vergangen. Am nächsten Morgen gehen Felix und Feline ganz früh zum Blumentopf. Sie bewundern die winzige grüne Spitze. »Ob sie jetzt mehr Licht braucht?«, überlegen sie. »Ein bisschen Sonne tut ihr vielleicht gut«, meint Felix. Er trägt den Blumentopf nach draußen vor die Tür. »Jetzt wird ihr schön warm«, sagt Feline. Sie hockt sich vor die Blumenzwiebel. Sanft streichelt sie die grüne Spitze mit ihren Fingerspitzen. Felix guckt ihr zu. Dann sagt er: »Meine Zwiebel im Kopf denkt, wenn mich meine Mama streichelt, wird mir auch ganz warm.«

Die Kinder sind eine Weile still. Eine dicke Wolke schiebt sich vor die Sonne. »Und wann erschrickt sich die Blumenzwiebel? «, fragt Felix. »Vielleicht,wenn es donnert«, antwortet Feline. »Dann erschrickt sie sich so, dass sie wieder in die Erde zurückgeht.« »Echt?«, staunt Felix.»Ich weiß nicht«, sagt Feline, »aber ich stelle mir das so vor. Dann will sie nicht mehr größer werden, weil sie Angst hat, noch mehr aus der Erde herauszuwachsen .«

Felix und Feline setzen sich auf die Treppenstufe vor der Tür. Der Himmel wird dunkler. »Kann unser Gehirn auch Angst haben?«, fragt Felix. »Wovor?«, fragt Feline. Sie sagt. »Ich habe Angst, wenn es beim Einschlafen ganz dunkel im Zimmer ist. Hat mein Gehirn dann auch Angst?« Felix antwortet: »Meine Mama sagt, ich soll an etwas Schönes denken, wenn ich Angst habe. Aber wenn ich Angst habe, kann ich gar nicht denken.« Feline nickt: »Ich auch nicht.«

In dem Moment zuckt ein Blitz über den Himmel. Es donnert. Schwere Regentropfen fallen auf die Stufen. Die Kinder springen auf. Felix nimmt den Blumentopf auf den Arm und sie laufen zurück ins Kinderzimmer.

Während es draußen gewittert, kuscheln sich Felix und Feline in eine Decke. Sie sehen aus dem Fenster und zählen die Blitze. Der Topf mit der Blumenzwiebel steht wieder auf der Fensterbank. Als sich das Gewitter verzogen hat, sagt Felix nachdenklich: »Das war ein richtiges Donnerwetter. So eines wie gestern in der Schule. Unser Lehrer war sauer. Der hat nur herumgeschrien, weil wir nicht leise waren. Und danach mussten wir ein Diktat schreiben. Da habe ich viele Fehler gemacht.« Feline nickt: »Klar, da hatte deine Gehirnzwiebel Angst und hat sich nicht gerührt.«

Felix guckt verblüfft. »Wieso nicht gerührt?« Feline schaut ihn an: »Unsere Erzieherin hat uns erklärt: Wenn ein Kaninchen eine Schlange sieht, dann wird es vor Angst ganz starr und rührt sich nicht. Es kann sich dann nicht mehr bewegen. Und wenn dein Lehrer schreit, kann sich deine Gehirnzwiebel auch nicht mehr bewegen.« »Und du meinst, wenn sie sich nicht mehr bewegt, kann sie nicht denken und dann mache ich Fehler?« »Ja. Wie mit der Schleife an deinen neuen Schuhen, die du nicht richtig binden kannst, wenn du dich beeilen musst.«

Felix wickelt sich aus der Decke. Er reckt und streckt sich. »Puh«, sagt er. »Ist das jetzt einfach oder kompliziert? « Er geht zur Fensterbank. Dann ruft er: »Schau mal, Feline. Sie ist gewachsen.« Tatsächlich. Die Spitzeist ein wenig größer geworden. »Was wäre wohl passiert, wenn wir sie nicht hereingeholt hätten?«, fragt Feline. »Das ist doch klar. Sie wäre ertrunken. Das war viel zu viel Regen für so eine kleine Pflanze.« »Aber die Pflanzen draußen ertrinken doch auch nicht, wenn es regnet«, widerspricht Feline. »Mensch, die sind doch auch schon erwachsen«, antwortet Felix ungehalten.

Feline runzelt die Stirn. »Und wenn unsere Blumenzwiebel erwachsen ist, ertrinkt sie dann auch nicht?«, hakt sie nach. »Das weiß ich doch nicht. Nun hör doch mal mit der Fragerei auf.« »Wenn du so ungeduldig bist, habe ich sowieso keine Lust mehr, weiterzufragen«, antwortet Feline.

Am nächsten Tag gießt Feline aus der Gießkanne so viel Wasser auf die kleine grüne Spitze, bis diese ganz im Wasser steht. Als Felix nachmittags ins Kinderzimmer kommt, erschrickt er. »Die Spitze ist ja braun. Iiih, und alles ist pitschnass. Komm, hilf mir mal, das Wasserabzugießen.« Feline holt eine Schüssel aus der Küche. Sie stellt sich neben ihn. Vorsichtig hält Felix den Blumentopf schräg über die Schüssel. Langsam rinnt eine dunkelbraune Brühe aus dem Topf. »Das Wasser stinkt.« Feline rümpft die Nase.

»Du«, sagt Felix leise. »Tut mir leid, dass ich gestern so ungeduldig war.« »Schon gut«, murmelt Feline. »Tut mir auch leid, dass ich die Zwiebel unter Wasser gesetzt habe. Ich wollte mal sehen, was dann passiert. Ist sie jetzt ertrunken?« Felix zuckt die Schultern. Das Wasser ist abgelaufen, aber die Erde ist immer noch nass und die Blumenzwiebelspitze bleibt braun. »Wir nehmen sie noch einmal mit in die Sonne«, schlägt Feline vor.

Draußen setzen sie sich wieder auf die Treppenstufe vor der Haustür. Den Blumentopf stellen Felix und Feline vor sich auf einen sonnigen Platz. Nach und nach wird die dunkle, nasse Erde etwas heller und trockener. Ein leichter Windhauch streicht über sie. »Schön«, sagt Feline. Sie hält eine Hand in den Wind. »Guck mal, die Spitze bewegt sich«, sagt Felix. Sie beugen sich über den Blumentopf. »Ich habe eine Idee«, ruft Feline. Sie springt auf, läuft ins Haus und kommt mit einer Lupe wieder. Jetzt können beide abwechselnd beobachten, wie die Zwiebelspitze ganz sacht im Wind zittert.

Felix und Feline bleiben eine lange Zeit auf der Treppenstufe sitzen. Andere Kinder kommen dazu. Es sind Nils und Raphael aus dem Haus nebenan, Annika und Mette von gegenüber. »Was macht ihr da?«, wollen sie wissen. »Wir denken nach«, antwortet Feline. »Worüber denn?«, erkundigt sich Raphael. Felix zieht die Stirn kraus. Er überlegt. Gar nicht so einfach, daszu erklären. »Vielleicht ist die Blumenzwiebel ertrunken«, sagt er schließlich. Noch zwei Kinder sind dazugekommen. Kristin und Alex sind schon etwas älter. Skeptisch schauen sie auf die braune Spitze. »Die ist bestimmt schon tot«, vermutet Alex. »Nee«, Kristin schüttelt den Kopf. »Glaub ich nicht. So schnell geht das nicht.«

Feline ist erleichtert. »Sie kann sich ja wieder erholen«, sagt sie eifrig. »Wenn wir etwas Schlimmes erlebt haben, erholen wir uns ja auch.« »Genau!«, ruft Felix. »Sie muss sich nur ausruhen. Und das kann sie jetzt doch. Sie hat Sonne und Wind und wir passen gut auf.«

Die Kinder lachen. Vergnügt setzen sie sich um den Blumentopf. Alex findet ein paar Gummibärchen in seiner Hosentasche und verteilt sie. »Hast du auch Kaugummi?«, fragt Mette. Alex schüttelt den Kopf. »Schade. Mit Kaugummi kann ich mich am besten erholen.« »Wovon musst du dich denn erholen?«, fragtAnnika. »Vom Fernsehengucken. Wir haben zu Hause einen ganz spannenden Film gesehen. Jetzt habe ich die ganzen Bilder in meinem Kopf.«

Feline guckt Mette aufmerksam an. »Dann hast du jetzt eine Überschwemmung im Gehirn.« »So ein Quatsch«, sagt Alex. »Überhaupt kein Quatsch«, ruft Felix. »Ich habe manchmal auch so viele Bilder im Kopf, dass ich abends nicht einschlafen kann. Das ist wirklich wie eine Überschwemmung für meine Gehirnzwiebel, ganz echt.«

»Gehirnzwiebel? Was ist das denn?«, wollen die anderen wissen. Felix und Feline erzählen. »Auf unser Gehirn müssen wir genauso gut aufpassen wie auf unsere Pflanze«, erklärt Felix. »Ja«, ergänzt Feline, »es braucht von allem genug. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Aber manchmal wissen wir nicht, was zu viel ist.« Sie schaut nachdenklich auf den Blumentopf. Und dann hält sie den Atem an. Sie zeigt auf die Zwiebelspitze. Ein winziger Tupfer Grün hat die braune Spitze auseinandergeschoben.Feline spürt ein kleines Glücksglucksen in sich aufsteigen: »Mensch«, flüstert Felix, »sie lebt.«

Am frühen Abend ist die Erde getrocknet. Die anderen Kinder sind nach Hause gegangen. »Weißt du was?«, sagt Feline. »Ich glaube, die kleinen Pflanzen sind schon stark, auch wenn sie noch nicht erwachsen sind.« Felix nickt. Er grinst. »Ist schon toll, dass sie dir die Überschwemmung nicht übel genommen hat.« Feline stupst ihn an. »Wir haben sie ja auch gerettet. Noch länger hätte sie es in der nassen Erde bestimmt nicht ausgehalten. Ich glaube, die kleinen Pflanzen können ganz alleine wachsen. Wir müssen nur gut auf sie aufpassen. Oder . . . «, sie zögert, »oder wenigstens versuchen, alles wiedergutzumachen, wenn einer mal nicht aufgepasst hat.«

Am nächsten Tag regnet es. Feline blickt auf eine große Pfütze. »Weißt du noch? Als dir dein Taschenmesser ins Meer gefallen ist? Du wolltest nie die Augen beim Schwimmen offen halten. Aber da bist du sogar mit offenen Augen getaucht, um dein Messer zu finden.« Felix strahlt: »Da war ich richtig gut.«

Feline überlegt einen Augenblick. »Am Sonntag war ich auch richtig gut. Ich habe mich getraut, ohne Hilfe auf den Kletterbaum im Park zu klettern. Bis ganz nach oben. Meine Mama musste nur unten stehen bleiben. Was macht eigentlich unsere Gehirnzwiebel, wenn wir gut sind?« »Sie ist dann auch richtig gut«, lacht Felix. »Sie ist gut, weil sie keine Angst hat und sich stark fühlt«. »Und dann«, überlegt Feline, »schafft sie vielleicht alles, was sie will.«

Felix geht zur Blumenzwiebel. Die grüne Spitze ist wieder deutlich sichtbar. Sie hat sich weiter aus der Erde herausgeschoben. Ein dünner grüner Stängel steht jetzt im Topf. »Hattest du im Wasser Angst?«, fragt Feline. Im Kinderzimmer ist es still. Die Regentropfen trommeln leicht gegen das Fenster. »Hier bist du sicher, kleine Blumenzwiebel«, flüstert Feline. »Bei uns kannst du in Ruhe wachsen.«

»Weißt du was?«, sagt Felix am nächsten Tag. »Ich habe gestern Abend im Bett noch einmal nachgedacht, über das mit der Angst. Wenn ich Angst habe, kann ich nicht denken. Aber wenn ich mich richtig gut fühle, kann ich sogar fühlen, wie sich meine Gehirnzwiebel anstrengt. Sie hat dann richtig Lust, sich anzustrengen. Heute Morgen hatten wir wieder Sachkunde bei Herrn Vogel. Den mag ich richtig gern. Wenn du da eine falsche Antwort gibst, kannst du sicher sein, dass er nicht schimpft. Und wenn er eine schwierige Frage stellt, ist es richtig toll, sich anzustrengen.« Feline verzieht dasGesicht. »Wir haben im Kindergarten eine, die jetzt manchmal mit uns turnt. Vor der habe ich Angst. Manchmal schreit sie ’rum, wenn wir nicht sofort tun, was sie sagt. Ich bin immer froh, wenn Turnen vorbei ist.« Felix wundert sich. »Aber du turnst doch so gerne.« »Jetzt nicht mehr«, knurrt Feline und schlägt schnell zwei Purzelbäume.

Dann seufzt sie. »Woran liegt das nur? Alleine turne ich gerne, aber nicht mit der dummen Nuss im Kindergarten. Bei Herrn Vogel strengst du dich gerne an, bei anderen nicht. Zuerst willst du im Wasser nicht die Augen offen halten und dann tauchst du plötzlich ganz lange mit offenen Augen.« »Muss ich mal drüber nachdenken«, murmelt Felix. Dann lacht er. »Da muss meine Gehirnzwiebel mal drüber nachdenken. Aber die hat jetzt Pause. Und außerdem hat sie Hunger.« »Meine auch«, ruft Feline und läuft in die Küche.

Mit einem Teller Apfelstückchen und zwei Schokoladenkeksen kommt sie zurück. Felix und Feline stellen sich an das Fenster. »Toll, sie wächst ja immer mehr«, freut sich Felix und zeigt auf die Blumenzwiebel. »Sie hat einen richtigen Schuss gemacht und schau mal: ganz, ganz winzige Blättchen«, staunt Feline. Sie beißt in ein Apfelstück. »Vielleicht braucht sie jetzt Dünger?«, »Vielleicht braucht sie jetzt Dünger?«, überlegt Felix.

»Unser Dünger sind die Vitamine im Apfel«, sagt Feline. »Durch gute Nahrung werden wir groß und kräftig und stark. Hat die Kinderärztin gesagt. Und außerdem hat sie noch etwas zu meiner Mama gesagt, in einer fremden Sprache. Irgendetwas mit Sahne und Körper. Meine Mama hat gesagt, das war geheim. Und gemeint hat sie, wenn es dem Körper gut geht, geht es auch der Zwiebel gut.« Felix guckt ein wenig seltsam. »Hat sie wirklich Sahne gesagt? Zwiebel mit Sahne? Igitt!«

Am nächsten Tag hüpft Feline aufgeregt auf der Matratze im Kinderzimmer herum. »Ich weiß es, ich weiß es«, ruft sie Felix entgegen. »Ich habe meine Mama gefragt. Dünger brauchen wir noch nicht. Die Pflanze ist noch zu klein. Wasser, Erde, Licht und Luft reichen. Aber weißt du was? Die fremde Sprache war nicht geheim, sondern Latein. Das ist eine ganz alte Sprache. Von den Römern. Und die haben gesagt: In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist.«1

»Du meinst wohl, eine gesunde Zwiebel«, freut sich Felix. Er hat auch schon einmal von dieser fremden Sprache gehört. »Ob die klugen Römer wohl auch wissen, warum sich unser Gehirn manchmal gerne anstrengt und manchmal nicht, auch dann nicht, wenn der Körper gesund ist? Und wenn die Vitamine im Apfel wichtig sind, was ist dann mit der Schokolade?« »Die tut einfach nur gut«, ruft Feline und hüpft weiter. »Dann ist sie genauso wichtig«, sagt Felix. Er springt zu Feline auf die Matratze.

»Tut gut. Wir sind gut. – Tut gut. Wir sind gut«, rufen beide und hüpfen im Takt. Plötzlich lässt sich Feline fallen. Ihre Augen beginnen zu leuchten: »Ich weiß noch was«, sagt sie andächtig. Felix plumpst neben sie.

»Was weißt du?«, fragt er neugierig. »Ich weiß jetzt, warum sich unsere Gehirnzwiebel manchmal anstrengen kann und manchmal nicht. Warum wir manchmal etwas gerne tun und manchmal nicht. Und warum wir oft richtig gut sind.«

Felix sagt gar nichts. Er sieht sie gespannt an. Feline spricht langsam. Sie sucht die richtigen Worte. »Wenn uns etwas guttut, sind wir gut. Aber es ist nicht irgendetwas, was uns guttut. Es sind die anderen Menschen.« »Jaaa«, stimmt Felix zögernd zu. »Der Herr Vogel, der mag mich und ich mag ihn. Er mag überhaupt die Kinder in meiner Klasse.«

»Wenn meine Mama unter dem Kletterbaum steht, traue ich mich viel höher als allein«, fällt Feline noch ein. »Dann fühlst du dich sicher. So wie ich, wenn ich gut gelernt habe und mein Papa sagt, dass ich alles gut verstanden habe«, meint Felix. »Oder wie mein Trainer. Du, wenn ich ein Tor geschossen habe, kann der richtigstrahlen und nimmt mich sogar in den Arm. Das ist vielleicht cool«, schwärmt Felix. »Wenn niemand schimpft oder schreit oder mir wehtut oder sagt, ich soll mich beeilen, dann fühle ich mich gut. Dann bin ich gut, dann traue ich mich ganz viel«,sagt Feline noch einmal.

Die Blumenzwiebel wächst und wächst. Der Stängel ist höher und kräftiger geworden, die Blätter sind fester und größer. Man kann die Blattadern sehen. Und: Eine blau schimmernde Knospe hat sich gebildet. An einem Tag sagt Felix gereizt. »Mensch, du Blumenzwiebel. Du hast es gut. Auf dich passen gleich zwei Menschen auf. Du brauchst nur zu wachsen.« »Bist du ärgerlich?«, fragt Feline. Sie stellt sich neben ihn ans Fensterbrett. »Ja, bin ich. Wir sind doch auch noch klein, also ich meine, wir sind Kinder. Wir müssen doch auch noch wachsen.« »Ja, na und?«, fragt Feline.

»Heute habe ich in der Schule zu Frau Krautfass gesagt, sie soll mich nicht so drängeln, dann könnte ich nicht in Ruhe denken.« Feline legt ihm die Hand auf den Arm. »Im Kindergarten habe ich im Stuhlkreis von unserer Zwiebel im Kopf erzählt. Was glaubst du, wie die alle blöd gelacht haben.« Felines Augen werden feucht.

»Komm«, schlägt Felix vor, »wir schauen uns noch einmal das Buch an.« Sie nehmen das Buch aus dem Regal und schlagen die Seite mit der Zwiebel im Kopf auf. Sorgfältig und langsam liest Felix die schwierigen Worte und Sätze, die unter den Abbildungen stehen. »Stammhirn, Kleinhirn, Frontallappen ... Mmh«, Felix runzelt die Stirn. »Guck mal da! Was steht denn da?« Feline tippt auf einen langen Satz. Felix liest: »Lernen ist eine Schatzsuche, bei der sich das Gehirn auf die Suche nach neuen Abenteuern macht. Kinder entdecken täglich tausend Schätze. Je jünger sie sind, umso mehr.« »Toll«, freut sich Feline. »Ich bin eine Schatzsucherin.«

»Lies mal weiter«, drängelt Feline. »Was steht da noch?« Felix konzentriert sich: »Jede gelöste Aufgabe macht das Gehirn leistungsfähiger. Kinder brauchen Ermutigung und Anregungen.« Feline runzelt die Stirn. »Ermutigung ist, wenn jemand sagt, du schaffst das schon«, sagt Felix. »Und Anregung?« überlegt Feline. Felix springt auf. »Ich war mit der Klasse in einem Konzert. Danach hat die Musiklehrerin gesagt, vielleicht regt euch das an, auch ein Instrument zu lernen.« »Echt gut!« Feline ist beeindruckt. »Das ist ein schönes Buch. Das nehme ich heute Abend mit ins Bett. Da soll Papa mal draus vorlesen.«

»Und«, fragt Felix am nächsten Tag, »hat Papa das Buch gefallen?« Feline sagt nichts. Stumm zeigt sie aufdie Fensterbank. »Oh«, sagt Felix erschrocken. Ein kleiner Haufen schwarzer Blumenerde liegt dort. Ein paar Scherben vom Tontopf sind auch noch zu sehen. »Was ist passiert?«, fragt Felix. »Es war heute Nacht so warm im Zimmer. Da habe ich das Fenster aufgemacht. Und dann bin ich an den Blumentopf gestoßen.« Feline schluckt. »Und die Zwiebel?« Felix sieht Feline ängstlich an. Er hat ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Feline zeigt auf ein Regal.

Dort steht die kleine Pflanze in einem von Felines bunten Trinkgläsern, den mit den kleinen Fischen drauf. Ein wenig Wasser ist darin. »Mama hat sie ins Wasser gestellt«, sagt Feline. Zögernd geht Felix zum Regal. Er tupft mit seinem Zeigefinger gegen das durchsichtige Glas und fragt: »Igitt, was ist denn das? Sind das Würmer?«. Jetzt muss Feline lachen. »Das sind die Wurzeln.«

Felix strafft seinen Körper. »Komm, wir pflanzen sie wieder ein«, beschließt er. »Sie sieht doch noch ganz gut aus. Bestimmt wächst sie weiter. Hast du noch Blumenerde? « Feline läuft in den Keller. Mit einem Sandkasteneimer voll Blumenerde, einer kleinen Schaufel und einem leeren Tontopf kommt sie zurück. Felix hat die Pflanze in die Hand genommen. Vorsichtig befühlt er die langen, dünnen, verzweigten Wurzeln. »Wie zart so eine Pflanze ist. Und trotzdem ganz fest.«

»Darfst du an den Computer?«, fragt er, während er mit Feline die Pflanze wieder eintopft. »Muss ich fragen. Warum?« »Dann können wir suchen, wozu Wurzeln gut sind.« Felix stellt die Pflanze vorsichtig auf das Fensterbrett. Feline läuft zu ihrer Mutter. Sie darf. Wenig später sitzt sie mit Felix im Arbeitszimmer vor dem Bildschirm. Felix öffnet die Seite eines Kinderlexikons. Er tippt »Blume und Wurzel« ein. Dann liest er vor:

»Eine Blume besteht aus drei Teilen: Aus der Wurzel, dem Stängel und der Blüte. Die Wurzel steckt meistens vollständig in der Erde. Der Stängel trägt die grünen Blätter und die Blüte sitzt oben auf dem Stängel. Die Wurzel nimmt Wasser und Nahrung für die Pflanze aus dem Boden auf und speichert sie. Außerdem sorgt sie dafür, dass die Pflanze gut im Boden verankert ist und beim Wachsen Halt findet.«

»So ist das«, sagt Feline nachdenklich. »Und heute Nacht hat unsere Blume ihren Halt verloren. Kann unsere Gehirnzwiebel auch ihren Halt verlieren?« »Du stellst Fragen«, stöhnt Felix. Er fasst sich in dieHaare und wackelt mit dem Kopf hin und her. »Hallo Zwiebel«, ruft er. »Verlierst du den Halt?« Feline stößt ihn an. »Quatsch, dein Kopf kann ja nicht runterfallen. Der sitzt auf dem Hals fest.«

Feline rutscht vom Stuhl, schlackert mit Armen und Beinen, wackelt mit dem Kopf. »Unsere Gehirnzwiebel kann gar nicht fallen«, ruft sie. »Guck mal. Unser Körper ist die Wurzel.« »Puh«, sie setzt sich auf den Boden. »Schwindlig kann ihr höchstens werden.« Felix setzt sich neben sie. Er streicht sich über die Arme. »Meinst du wirklich, unser Körper ist die Wurzel für unsere Gehirnzwiebel?« Feline nickt heftig. »Ja klar. Wir essen und trinken und ernähren unser Gehirn.« Sie überlegt kurz. »Aber das ist nicht alles. Wir tun ja noch mehr.«

Felix fasst sich an die Nase: »Wir können riechen.« Feline springt auf. Sie hält Felix die Augen zu. »Und wir können sehen«, sagt sie. Dann zupft sie an seinem Ohr: »Und hören.« Ganz kurz streichelt sie Felix’ Wange. »Und fühlen.« Felix überlegt. Dann sagt er. »Das ist ja einfach. Dann ist ja alles um uns herum Nahrung fürs Gehirn.« »Ja«, stimmt Feline eifrig zu. »Eigentlich ganz einfach. Alles ist Nahrung.«

Ein paar Tage später kann Feline es kaum erwarten, bis Felix nach Hause kommt. Immer wieder läuft sie ungeduldig zum Fenster, um Ausschau zu halten. Und jedes Mal bleibt sie vor der Blumenzwiebel stehen. Aufgeregt hüpft sie auf und ab. Dick, prall und blau schimmernd reckt sich ihr die Knospe entgegen. Endlich ist Felix da. Feline zieht ihn am Arm ins Kinderzimmer.

Andächtig bleibt Felix vor der Knospe stehen. »Mensch, die platzt bald«, sagt er beeindruckt. »Ich bin so gespannt. Ich kann es kaum aushalten, so gespannt bin ich. Komm, wir spielen, bis sie platzt«, ruft Feline und läuft zu der Verkleidungstruhe.

Feline schlingt sich ein rosafarbenes Tuch mit Spitzen um die Schultern. Sie setzt sich eine goldene Krone mit blauen Glitzersteinen auf und bewundert sich im Spiegel. Felix hat einen echten Helm auf dem Kopf. Er zieht ein blaues Tuch aus der Kiste und legt es sich um. Dann greift er nach einem fast echten Schwert aus Holz undruft: »Schöne Prinzessin, zeig mir den Drachen. Ich werde ihn besiegen.« Feline wirft ihm die lange Schlange aus der Kuschelecke hin. »Ha!«, ruft Felix. Er bohrt das Schwert in den Drachen.

Copyright © 2009 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlag: fuchs_design, München Umschlagmotiv: Marlies Rieper-Bastian, Freiburg

eISBN 978-3-641-06105-0

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter www.koesel.de

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Leseprobe

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Mens sana in corpore sano ist ein lateinischer Spruch. Er bedeutet »ein gesunder Geist in einem gesunden Körper«.