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Dieser Band enthält folgende Romane: (349XE) Schach dem Großmeister (W.A.Castell) Magierblut (Alfred Bekker) Kann der Tod leibhaftig auftauchen und ausgewählte Menschen sterben lassen? So jedenfalls sieht es aus, als zwei berühmte Schachspieler sterben, auch Inspector Green von Scotland wird Zeuge dieses unglaublichen Vorgangs. Doch bei seinen Nachforschungen muss er erkennen, dass ein Mensch dafür verantwortlich ist – ein Mensch, der weder Hemmungen noch Skrupel kennt und auch nicht vor Scotland Yard Halt macht.
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Geisterblut und Magier-Schach: Zwei Gruselkrimis
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Schach dem Großmeister
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Magierblut
Dieser Band enthält folgende Romane:
Schach dem Großmeister (W.A.Castell)
Magierblut (Alfred Bekker)
Kann der Tod leibhaftig auftauchen und ausgewählte Menschen sterben lassen? So jedenfalls sieht es aus, als zwei berühmte Schachspieler sterben, auch Inspector Green von Scotland wird Zeuge dieses unglaublichen Vorgangs. Doch bei seinen Nachforschungen muss er erkennen, dass ein Mensch dafür verantwortlich ist – ein Mensch, der weder Hemmungen noch Skrupel kennt und auch nicht vor Scotland Yard Halt macht.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Roman von W. A. Castell
Der Umfang dieses Buchs entspricht 117 Taschenbuchseiten.
Kann der Tod leibhaftig auftauchen und ausgewählte Menschen sterben lassen? So jedenfalls sieht es aus, als zwei berühmte Schachspieler sterben, auch Inspector Green von Scotland wird Zeuge dieses unglaublichen Vorgangs. Doch bei seinen Nachforschungen muss er erkennen, dass ein Mensch dafür verantwortlich ist – ein Mensch, der weder Hemmungen noch Skrupel kennt und auch nicht vor Scotland Yard Halt macht.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Das Turnier lief seit vier Tagen. An langen Tischen saßen sich jeden Tag von siebzehn bis dreiundzwanzig Uhr die dreißig besten Schachspieler Europas gegenüber.
Monatelang hatte es gedauert, ehe der Veranstalter die Zusagen der einzelnen Spieler erhalten hatte. Allein fünf Großmeister aus der Sowjetunion waren angereist, und jeder, der sich für dieses Turnier interessierte, war davon überzeugt, dass sich unter den Sowjets der künftige Turniersieger befand.
Aber man hatte sich gründlich getäuscht. Nach der zweiten Runde lag ein junger Mann an der Spitze – Franklin Bryce. Er war bis dahin als Schachspieler völlig unbekannt. Ein junger Mann, hier in London geboren. Die Experten staunten.
Mit einer forschen, fast an Leichtsinn grenzenden Taktik überrollte Bryce seine Gegner, in der dritten Runde musste der erste Russe gegen ihn die Waffen strecken.
Der Erfolg des Engländers füllte dem Veranstalter den Saal. Man witterte eine Sensation, wollte dabei sein.
Am heutigen Abend traf Bryce auf den in der Turniertabelle dicht hinter ihm liegenden Boris Pagodin. Ein Mann aus Riga, dem es vor wenigen Jahren fast gelungen wäre, Weltmeister zu werden. Wenn nicht damals dieser Amerikaner …
Nun, das waren Gedanken, die sich Pagodin in diesem Augenblick bestimmt nicht machte. Seit Minuten starrte er auf die vor ihm stehenden Schachfiguren. Auf seiner Stirn hatten sich kleine Schweißtropfen gebildet, perlten ihm über das Gesicht. Der Russe bemerkte sie nicht, in seinem Kopf arbeitete es. Sein ganzer, in unzähligen Turnieren geschulter Intellekt suchte einen Ausweg aus der Situation, in die ihn der junge Engländer manövriert hatte. Pagodins Blick ging zur Schachuhr. Ihm blieb genügend Zeit, eine ausreichende Verteidigung zu finden.
Um den Tisch hatte sich eine Menschentraube gebildet. Mit gespannter Erwartung verfolgte man das Spiel.
Franklin Bryce, der gemächlich durch den Saal schlenderte, an manchem Tisch stehenblieb, um sich über den jeweiligen Spielstand zu informieren, überzeugte sich jetzt mit einem Blick, dass sein Gegner noch nicht gezogen hatte. Dabei lag der Anflug eines Lächelns um den Mund des jungen Mannes.
In diesem Moment trat ein Herr mittleren Alters auf ihn zu. Dicht beugte er sich zu Bryce hin, um die anderen Spieler durch lautes Reden nicht zu stören.
»Ein Anruf für dich, Franklin. Ein Mann wünscht dich zu sprechen. Da er mir nicht seinen Namen nannte, wollte ich ihn abwimmeln. Aber er meinte, es ginge für dich um Leben und Tod.«
Franklin Bryce sah seinen Sekundanten erstaunt an. Dann grinste er.
»Wahrscheinlich ein Witzbold. Oder vielleicht eine Finte der Russen, um mich aus der Ruhe zu bringen.«
Der Sekundant schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht. Ich denke, du musst schon …«
»Bin unterwegs«, beendete Bryce die Unterredung und lenkte seine Schritte auf den Ausgang zu.
Die Telefonzelle befand sich eine Etage tiefer, direkt neben der Portiersloge. Der Portier, ein älterer Mann, deutete freundlich auf den Zelleneingang. Bryce nahm den Hörer und meldete sich.
»Hören Sie mir genau zu.« Die Stimme kam hell wispernd, verstellt. »Wenn Sie das Ende des Turniers erleben wollen, tun Sie genau das, was ich Ihnen jetzt sagen werde. Sie erklären sich bereit, innerhalb der nächsten Tage zweihunderttausend Pfund an mich zu zahlen. Wie und wo Sie das Geld übergeben, erfahren Sie um Mitternacht. Sie befinden sich dann in Ihrem Hotelzimmer. Ich werde Sie pünktlich anrufen.«
Franklin Bryce wollte den Anrufer unterbrechen, dieser fuhr aber unbeirrt fort: »Sie können sich Ihren Kommentar bis Mitternacht aufheben. Und falls Sie meine Möglichkeiten unterschätzen, verfolgen Sie genau, was mit Ihrem Gegner, Boris Pagodin, genau eine Stunde vor Mitternacht geschehen wird.«
Ein Knacken in der Leitung. Der unheimliche Anrufer harte aufgelegt.
Sekundenlang stand Franklin Bryce wie erstarrt. Dann stieg in ihm Zorn auf. Zorn gegen diesen Wahnsinnigen, denn nur um einen solchen konnte es sich handeln, der ihn auf diese simple Weise erpressen wollte.
Der Portier schaute kurz auf, als Bryce die Telefonzelle verließ.
»Nun, war es eine erfreuliche Nachricht?«, fragte er beflissen.
Der junge Mann schüttelte geistesabwesend den Kopf. Seine Gedanken beschäftigten sich mit dem mysteriösen Telefonat. Es war nicht der erste Versuch, ihn um einen Teil seines beträchtlichen Vermögens zu bringen, das er vor drei Jahren von seinen Eltern geerbt hatte, nachdem diese bei einem Verkehrsunfall den Tod gefunden hatten. Aber mit einer solch gemeinen Erpressungsart war er noch nicht konfrontiert worden. Denn was sollte die Anspielung auf seinen heutigen Gegner Pagodin? Franklin Bryce schüttelte den Kopf, sah auf seine Armbanduhr. In wenig mehr als einer Stunde würde feststehen, dass das Gerede des Erpressers leeres Gewäsch bedeutete.
Mit diesem Gedanken betrat Franklin Bryce den Spielsaal.
Franklin Bryces Sekundant versuchte in der Folgezeit vergeblich, den Inhalt des Telefongesprächs zu erfahren. Bryce war darauf nicht ansprechbar. Mit der kurzen Bemerkung »Falsch verbunden« tat er die Sache ab, und nur die schwache Leistung, die er seit dem Anruf auf dem Schachbrett bot, drückte seine Gemütsverfassung aus.
Pagodin gewann langsam die Überhand. Ab und zu, meist nach einem überaus schwachen Zug des Engländers, warf der Russe seinem Kontrahenten einen fragenden, prüfenden Blick zu, als könnte er so die momentane Schwäche seines Gegners ergründen.
Unter den Zuschauern, die um den Tisch standen, war durch Franklin Bryces miserable Spielweise eine leichte Unruhe entstanden. Zwischenrufe wie »Das gibt es doch nicht!« oder »Der schläft ja!« wurden laut.
Der junge Engländer hörte von alldem nichts. Eine innere Unruhe hatte ihn ergriffen. Immer öfter schweifte sein Blick zur Wanduhr, die im Saal hing. Langsam rückten die Zeiger auf dreiundzwanzig Uhr, zerhackte das rhythmische Ticken der Schachuhr unaufhaltsam die Zeit.
Was würde in wenigen Minuten mit Boris Pagodin geschehen? Bryce war jetzt fest davon überzeugt, dass der Anrufer recht behalten würde, und nur er, Franklin Bryce, konnte das kommende Unheil verhindern.
Wie unter einem Zwang sprang der junge Mann von seinem Stuhl auf, wollte irgend etwas tun. Er sah sich um. Verständnisvolle Mienen waren um ihn herum. Jeder hatte Mitleid mit dem jungen Schachspieler, der, nachdem er den Gewinn der Partie verspielt hatte, offensichtlich am Ende seiner Nervenkraft war.
Jack Millais legte seinem Schützling beruhigend die Hand auf die Schulter. Dann zog er ihn zur Seite, musterte ihn kritisch.
»Was ist mit dir? Los, raus mit der Sprache! Du weißt, dass du mir vertrauen kannst.«
Franklin Bryce schüttelte den Kopf. Sein Blick mied die Augen seines Sekundanten und Freundes.
»Ich kann es dir nicht sagen.«
Die Stimme war leise, unsicher. »Vielleicht später.« Er sah auf die Uhr. »Vielleicht schon in ein paar Minuten.«
Es war Jack Millais anzusehen, dass er mit der Antwort nicht zufrieden war. Er zuckte die Achsel.
»Es ist deine Entscheidung, Franklin. Aber versprich mir eines – konzentriere dich auf deinen Abgabezug! Mit Gottes Hilfe und Sachverstand werden wir in der häuslichen Analyse versuchen, deine Partie zu retten.«
Bryce verstand die Ironie in Millais’ Worten. Er nickte und begab sich wieder an den Tisch.
In diesem Augenblick dröhnte das Schlagen von Big Ben in den Saal herüber. Unwillkürlich zählte Franklin Bryce mit.
Nach dem letzten Ton starrte er auf sein Gegenüber. Pagodin stand langsam, wie unter Zwang, auf, blickte sich verwirrt um und strebte schließlich dem Ausgang zu.
Bryce gab seinem Sekundanten einen Wink. Leise flüsterte er: »Ich werde dem Russen nachgehen. Du wartest hier auf mich.« Er sah Millais beschwörend an.»Folge mir nicht. Es könnte unangenehm werden – für uns beide.«
Der Freund blickte verständnislos. Bryce ließ ihn stehen und setzte Pagodin nach, der bereits den Saal verlassen hatte.
Draußen stakste der Russe mit marionettenhaft wirkenden Schritten den Flur entlang, Bryce folge ihm. Der Flur war nur schwach beleuchtet. Links und rechts reihten sich die Hotelzimmer aneinander.
Pagodin hatte jetzt anscheinend sein Ziel erreicht. Er kramte einen Schlüssel aus der Tasche und war wenig später in einem Zimmer verschwunden.
Der Engländer wartete. Dann trat er unschlüssig vor. Sollte er anklopfen? Wenn Pagodin öffnete, konnte er, Bryce, einen Grund für sein Verhalten angeben.
Plötzlich fühlte der junge Mann, dass er sich nicht allein im Flur befand. Etwas kam durch den Gang – kroch auf ihn zu. Bryce riss die Augen auf, konnte aber niemanden sehen. Jetzt spürte er eisige Kälte. Sie ergriff Besitz von allen Fasern seines Körpers. Grauen stieg in ihm auf, Todesangst. Irgendwann in seiner Kindheit hatte er dieses Gefühl schon einmal durchlebt, konnte sich aber an die damalige Situation nicht mehr erinnern.
Die Kälte wich. Wich, als wäre sie nur an ihm vorbeigezogen, um einen anderen zu treffen.
Bryces Finger griffen nach der Türklinke, drückten sie nach unten. Die Tür war unverschlossen.
Franklin Bryce öffnete sie einen Spalt. Ihm wurde nicht bewusst, dass er nicht einmal angeklopft hatte.
Jetzt kam von drinnen eine Stimme. Sie klang tief, als käme sie aus einem Grab. Einzelne Worte konnte der junge Mann nicht verstehen. Dann ein Geräusch. Ein Scheppern. Ein dumpfer Fall, Stille.
Bryce öffnete die Tür vollends. Sein Blick fiel in ein Hotelzimmer, das zu der gehobenen Preisklasse zählte und doch weniger komfortabel war als seines, das eine Etage höher lag.
Bryce trat ein. Trotz der sommerlichen Temperaturen, die am Tag draußen geherrscht hatten, war der Raum kühl. Bryce zog die Schultern ein. Er hatte eine Vorstellung, woher diese Unterkühlung kommen konnte.
Dann erblickte er Boris Pagodin. Er lag auf dem Boden, mit dem Oberkörper halb unter dem Tisch. Neben ihm ein umgekippter Stuhl. Der Russe war tot. Seine gebrochenen Augen starrten Bryce wie anklagend an. Sein Gesicht war zur Fratze verzerrt. Der Mann musste in den letzten Sekunden seines Lebens Schreckliches erlebt haben.
Bryce wusste nicht, wie lange er in das von Angst und Grauen entstellte Antlitz des Toten geschaut hatte. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren.
Es war Millais. Kreidebleich stand er in der Tür. Mit einer hilflos anmutenden Geste deutete er auf den Toten.
»Was? Wer?«
Franklin Bryce begriff. Heftig schüttelte er den Kopf.
»Nicht, was du denkst. Er war bereits tot, als ich ihn gefunden habe. Wie es geschehen ist?« Er hob die Schultern, »Vielleicht Herzschlag?«
Es stand ihm im Gesicht geschrieben, dass er selbst nicht an seine Worte glaubte.
»Aber Pagodin war doch vorhin im Saal noch quicklebendig«, fasste Jack Millais nach. Seine Stimme wurde eindringlicher. »Du musst mir schon erzählen, was hier geschehen ist – und zwar die Wahrheit!«
Kurz darauf war Millais über alles informiert. Bryce hatte nichts verschwiegen. Vom seltsamen Telefongespräch bis zum entsetzlichen Erlebnis, das ihm im Flur fast den Verstand geraubt hatte. Millais runzelte die Stirn.
»Du hattest schon immer eine rege Phantasie.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Warten wir also ab, ob sich der mysteriöse Anrufer noch einmal meldet. Jetzt müssen wir einen Arzt holen und die Polizei verständigen.«
Inspektor Green vom Yard hatte alles vorbereitet. In unglaublich kurzer Zeit hatten seine Spezialisten in Franklin Bryces Hotelzimmer ein Tonbandgerät und einen Verstärker an das Telefon angeschlossen. Automatisch würde jeder Anruf auf Band aufgenommen und über einen Lautsprecher verstärkt werden.
Die Uhr stand auf zwei Minuten vor Mitternacht. Die Spannung in den Gesichtern der Männer, die in dem Hotelzimmer auf den geheimnisvollen Anruf warteten, wuchs.
Inspektor Frederic Green blinzelte zu Franklin Bryce. Green war skeptisch, was die Geschichte des jungen Mannes anbetraf. Das Ganze konnte ein Vorwand sein, um von den tatsächlichen Begebenheiten abzulenken. Denn unter den Zuschauern, die hier im Hotel die Partie Pagodin – Bryce verfolgt hatten, war mancher der Meinung, Franklin Bryce hätte sich gegen Ende des Spiels in einem nervlichen Zustand befunden, der ihn zu allem befähigte. So viel hatte die Polizei in der kurzen Zeit, die sie im Hotel war, erfahren können.
Das Schrillen des Telefons unterbrach Greens Gedankengang. Bryce nahm, wie vorher verabredet, den Hörer ab.
»Sie sind ein Narr«, schnarrte es aus dem Lautsprecher. »Es war Ihr entscheidender Fehler, Scotland Yard in unser kleines Geheimnis einzuweihen. Dadurch haben Sie die Möglichkeit verspielt, durch Zahlung von zweihunderttausend Pfund Ihr Leben zu verlängern. Sie werden in genau vierundzwanzig Stunden sterben.« Die Stimme hob sich. »Nun zu Ihnen, Inspektor Green. Franklin Bryce war der erste, der Scotland Yard eingeschaltet hat. Alle anderen vor ihm haben es vorgezogen, zu zahlen. Einen guten Tipp gebe ich Ihnen, Inspektor. Suchen Sie nach Franklin Bryces Tod nicht nach seinem Mörder. Sie werden keinen finden.« Es folgte ein höhnisches Lachen, dann unterbrach mit einem lauten Knacken im Lautsprecher die Verbindung.
Die Männer saßen wie versteinert, Franklin Bryce hielt nach wie vor den Hörer. Seine Hand zitterte. Abrupt wandte er sich an Jack Millais. Seine Augen blitzten.
»Es war deine Idee, Scotland Yard einzuschalten! Niemand hätte von dem Telefongespräch erfahren! Zweihunderttausend Pfund!« Bryce lachte schrill. »Was sind zweihunderttausend Pfund,
wenn man, wie ich, nur noch wenige Stunden zu leben hat? Du bist ein Mörder, Jack Millais – ein ganz gemeiner Mörder!«
Bryce wollte sich auf seinen Sekundanten stürzen.
Green und seine beiden Sergeanten griffen ein. Nur mit Mühe überwältigten sie den wild um sich schlagenden Bryce.
»Der benötigt einen Arzt, aber schnell«, konstatierte einer der beiden Sergeanten.
Green nickte und drückte Bryce, der sich scheinbar wieder etwas gefangen hatte, in den Stuhl zurück.
Bis in den Morgen hinein recherchierte Green im Hotel. Diskret natürlich, wie er es der Hoteldirektion versprochen hatte. Das Schwierigste an der Geschichte war, dass Pagodin Ausländer war, noch dazu russischer Staatsbürger. Green hatte von höchster Stelle Anweisung bekommen, einen feststehenden Mord an Boris Pagodin sofort nach oben zu melden.
Doch von Mord konnte bisher keine Rede sein, Der Arzt hatte bei Pagodin als Todesursache Herzversagen festgestellt, wollte sich aber darauf nicht festnageln lassen, Ein endgültiges Urteil würde erst die Obduktion ergeben, welche erst von höherer Stelle genehmigt werden musste. Jedenfalls wies Pagodins Leiche äußerlich keinerlei Gewalteinwirkung auf.
Im Moment war Green gerade auf dem Weg zu Franklin Bryce. Der junge Mann befand sich in seinem Hotelzimmer. Green hatte vor seiner Tür zwei Konstabler postiert.
Der Inspektor schüttelte den Kopf.
Das Ganze war grotesk. Wenn der Anrufer, was Green sehr bezweifelte, tatsächlich den Tod Pagodins auf die Minute vorausgesagt hatte, dann waren übernatürliche Kräfte im Spiel. Und dann, der Inspektor war sich darüber im Klaren, war Franklin Bryces Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Green lachte laut vor sich hin, was ein vorbeihuschendes Zimmermädchen erstaunt aufblicken ließ. Wie kam er auf den Gedanken »übernatürliche Kräfte«? So etwas gab es nicht, und man würde Mittel und Wege finden, Franklin Bryce zu schützen. Falls es überhaupt jemand auf sein Leben abgesehen hatte. Den mitternächtlichen Anruf zählte Green nicht als ausreichenden Beweis dafür.
Green erreichte Bryces Hotelzimmer. Die beiden Konstabler grinsten ihm entgegen.
»Der spielt verrückt, Inspektor«, bemerkte einer und deutete mit dem Daumen auf Bryces Zimmertür. »Er hat von uns verlangt, wir sollten die Fenster verbarrikadieren – dabei befinden wir uns in der dritten Etage.«
»Außerdem will er noch einmal die Tonbandaufnahme hören. Jetzt ist er plötzlich davon überzeugt, die Stimme schon einmal gehört zu haben«, warf sein Kollege ein.
Franklin Bryce befand sich in einem bedauernswerten Zustand. Übernächtigt und völlig apathisch saß er auf dem Bettrand. Der junge Mann wirkte innerhalb weniger Stunden um Jahre gealtert.
Jetzt bemerkte er den Inspektor – und zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.
»Warum so schreckhaft?« Green lächelte. »Sie wissen, wir haben alles getan, um Ihre Sicherheit zu garantieren.«
»Alles getan«, echote Bryce mit flacher Stimme. »Sie haben gut reden. Ihr Leben ist nicht bedroht. Ich verlange von Ihnen …«
»Reißen Sie sich zusammen, Mann«, unterbrach ihn Green unwirsch. »Und erinnern Sie sich lieber an den Namen des Mannes, der Sie in diese missliche Lage gebracht hat.«
»Das Tonbandgerät.« Bryce war aufgestanden und lief unruhig im Raum auf und ab. Offenbar hatte er durch das Auftreten des Inspektors einen Teil seines Selbstvertrauens wiedergefunden. »Irgendwann habe ich die Stimme schon einmal gehört. Sie klang zwar durch das Telefon verzerrt, war verstellt. Trotzdem … Kann ich die Aufnahme noch einmal hören?«
Green nickte. »Selbstverständlich, so oft Sie es wünschen. Hoffentlich kommen wir in der Sache jetzt ein Stück weiter.«
Greens Hoffnung erwies sich als trügerisch. Seit über einer Stunde saßen Franklin Bryce, Inspektor Green und seine beiden Assistenten um das Tonbandgerät. Immer wieder spielten sie die Worte ab, die um Mitternacht aufgezeichnet worden waren.
Auf Bryces Stirn standen Schweißtropfen. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sie ab. Resigniert schüttelte er den Kopf.
»Es ist sinnlos. Ich kann damit nichts anfangen. Es ist, als riegle mir jemand mein Gedächtnis ab. Sie …«
Weiter kam Bryce nicht. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Mit weit aufgerissenen Augen lauschte er in sich hinein. Jetzt formten seine Lippen Worte. Worte, die er selbst nicht zu denken schien, die ihm in den Mund gelegt wurden.
»Inspektor, ich sehe es als persönliche Beleidigung an, wenn Sie gegen Bryces Tod nicht mehr unternehmen, als Sie bisher getan haben. Kann denn in diesem Lande ein Mensch ermordet werden, ohne auf den Schutz von Scotland Yard zu rechnen? Wenn ja, muss der Polizeiarzt um Mitternacht bei Franklin Bryce ebenfalls Herzinfarkt feststellen.«
Bryces Miene entspannte sich. Sein Blick wurde klar.
»Was?«
Green winkte ab. »Sie haben ein wenig geträumt. Aber es war interessant zu hören.«
Er wandte sich an den Sergeanten.
»Sie, Smith, bleiben hier. Schließen Sie die Tür hinter uns, und öffnen Sie niemandem außer mir. Obgleich ich der Meinung bin, dass es vor Mitternacht hier nicht gefährlich wird.«
Green stand auf.
»Fraser, Sie kommen mit mir! Wir werden uns Verstärkung holen.«
Bryce blickte erstaunt. »Nanu, Inspektor, woher plötzlich dieser Gesinnungswechsel?«
Über Greens Nasenwurzel bildete sich eine steile Falte. »Das kann ich Ihnen sagen. Nur der Unbekannte konnte wissen, was der Arzt bei Pagodin als Todesursache festgestellt hat. Alles andere kann ich mir zusammenreimen.«
Ohne auf den mit offenem Mund dasitzenden Franklin Bryce zu achten, verließen Frederic Green und Jeff Fraser das Hotelzimmer.
Das Hotel war hermetisch abgeriegelt. Eine Dutzendschaft Polizisten sorgte dafür, dass kein Fremder unbemerkt das Gebäude betreten konnte.
In Bryces Hotelzimmer hatten sich die vier Männer eingeschlossen, die am Morgen immer wieder das Tonband abgehört hatten.
Franklin Bryce sah nervös zur Uhr, die mitten auf dem Tisch stand. Sie zeigte zehn Minuten vor Mitternacht. Unaufhaltsam – für Bryce jedoch mit wahnsinniger Geschwindigkeit – bewegte sich der Sekundenzeiger rund um das Zifferblatt.
Irgendwo im Hotel flog eine Tür zu.
Die Männer zuckten zusammen.
»Verdammt, wir benehmen uns wie feige Memmen«, knurrte Jeff Fraser. »Dabei hat er es nicht auf die Polizei abgesehen, sondern …«
Er sah Bryce an und bemerkte, dass er einen Fehler gemacht hatte. Mit einem Lächeln, das sein Gesicht zur Grimasse verzog, versuchte er sich zu entschuldigen.
Die Spannung im Raum wuchs, war fast greifbar.
Frederic Green wehrte sich verzweifelt dagegen, von der allgemeinen Stimmung erfasst zu werden. Schließlich war er Inspektor vom Yard und hatte schon manche brenzlige Situation erlebt. Aber das hier …
Langsam krochen die Zeiger der Uhr auf die Mitternachtsstunde. Bryce, der direkt neben dem Inspektor saß, hatte seine Hände auf die Tischplatte gelegt.
Gebannt verfolgte er den Sekundenzeiger.
Jetzt, da die Uhr fast die volle Stunde anzeigte, rutschten Bryces Hände vom Tisch, blieben seine Finger klauenartig in der Luft hängen.
In diesem Moment konnte man das Schlagen von Big Ben hören.
Die Mitternachtsstunde.
Da geschah es. Bryce stand auf, tat ein paar Schritte auf die Tür zu, und streckte wie abwehrend beide Hände von sich.
Angst zeichnete sich in seinem Gesicht ab, unsägliche Angst.
»Nein!« Er schrie es hinaus. »Ich will nicht sterben!«
Plötzlich fuhr er herum, drehte sich den Männern zu, die, wie von einer unsichtbaren Kraft festgehalten, auf ihren Plätzen saßen.
»Dort«, stieß Bryce hervor und deutete zur Tür. Die Augen schienen ihm aus dem Kopf zu quellen. »Dort steht er – der Tod!«
Die Männer sahen nichts.
Doch!
An der Tür tauchte eine schemenhafte Gestalt auf. Mit ihr breitete sich im Hotelzimmer eine eisige Kälte aus.
Die Gestalt nahm Formen an. Ein Totenschädel, das dazugehörige Knochenskelett.
Der Tod stand im Raum!
Lähmendes Entsetzen packte die Anwesenden. Jeder reagierte verschieden.
Jeff Fraser bemühte sich, mit grotesk anmutenden Bewegungen vom Stuhl wegzukommen. Dabei starrte er unverwandt in Richtung der furchterregenden Erscheinung. Seine Gesichtsfarbe wechselte ins Gelbgrünliche.
Für George Smith waren die Ereignisse der letzten Minuten zu viel gewesen. Er registrierte nichts mehr. Teilnahmslos, mit gesenktem Blick, saß er am Tisch.
Dem Inspektor gelang es verhältnismäßig leicht, sich zu erheben. Mühsam, als kämpfte er gegen einen Sturm an, strebte er auf den Unheimlichen zu. Unbeugsamer Wille, gemischt mit Neugierde, blickten ihm aus den Augen.
Die Erscheinung war inzwischen auf Franklin Bryce zugekommen. Dabei bewegten sich die Skelettbeine, berührten aber den Boden nicht.
Bryce wollte sich umdrehen, wegrennen. Weg von diesem Ort, an dem er sterben sollte. Es gelang ihm nicht.
»Ihr habt richtig vermutet, ich bin der Tod.«
Die Stimme, die aus dem Totenschädel kam, war sachlich, kühl, klang wie aus einem Grab.
»Dein Leben ist verwirkt, Franklin Bryce.«
Die Knochenfinger berührten Bryces Arm. Er taumelte und fiel dann wie vom Blitz getroffen zu Boden.
Green stand jetzt direkt vor dem Skelett. Seine Hände zuckten vor und – griffen ins Leere. Der Tod, oder wer auch immer es gewesen war, war verschwunden, hatte sich in Nichts aufgelöst.
Der Bann fiel von den Männern ab. Die unangenehme Kälte im Hotelzimmer wich. Frederic Green war als erster wieder Herr seiner Sinne. Er beugte sich über Bryce – und fuhr erschrocken zurück.
Die gleichen entstellten Gesichtszüge hatte er bei Boris Pagodin schon einmal gesehen.
Bryce war tot. Green hatte sich wenige Sekunden später davon überzeugt.
»Haben Sie eine Erklärung, Chef?«
Es war Fraser, der mit brüchiger Stimme diese Frage gestellt hatte. Auch Smith stand vor der Leiche des jungen Bryce und schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf.
Green verzog die Mundwinkel.
»Nein, ich habe keine Erklärung«, presste er hervor. »Wenn mir vor Tagen jemand eine solche Geschichte erzählt hätte, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Heute aber …«
Mit Gewalt riss er sich vom Anblick des Toten los.
»Wir müssen unsere Leute verständigen – und anschließend dem Superintendenten klarmachen, dass in unserem Beisein der Tod einen Menschen zu sich geholt hat. Und zwar der Tod in leiblicher Gestalt.«
Letzteres war als Scherz gedacht, wurde aber von den Sergeanten nicht als solcher empfunden.
Daniel Tomasin legte ärgerlich die Akte zur Seite. Der Summton, den der Apparat auf seinem Schreibtisch von sich gab, bedeutete, dass der Chef ihn sprechen wollte. Und wenn Bill Curtis, Direktor einer der größten Versicherungsgesellschaften auf der Insel, diesen Wunsch auf solche Weise zu verstehen gab, war Eile geboten. Tomasin wusste das, denn sein Chef hielt auch nicht viel von den kleinen summenden Dingern, die irgendein Genie erfunden hatte.
Minuten später stand Tomasin vor Mr. Curtis. Dieser deutete ihm freundlich an, Platz zu nehmen.
»Wie alt sind Sie?«, eröffnete der Direktor schließlich das Gespräch, nachdem er sein Gegenüber eine Zeitlang gemustert hatte.
Tomasin musste lächeln.
»Siebenundzwanzig. Sie wissen …«
»Natürlich.« Curtis nickte. »Können Sie sich vorstellen, dass ein junger Mensch, jünger als Sie, auf die Minute genau seinen Tod vorausgesagt bekommt? Und dass die Voraussage in Verbindung steht mit einer handfesten Erpressung?«
Tomasin ließ die Worte sekundenlang auf sich einwirken.
»Und jetzt ist der Erpresste tot?«
Es war mehr eine Feststellung, denn eine Frage.
»Hat der Zeitpunkt …«
»Auf die Minute genau. Dabei soll der Tod persönlich erschienen sein. Jedenfalls nach Aussage der anwesenden Personen. Aber lassen wir das. Zu den Fakten: Franklin Bryce, der Tote, ist bei uns mit dreihunderttausend Pfund versichert. Sie haben die Aufgabe, herauszufinden, ob es sich um einen Mord handelt. Wenn ja, sparen wir eine Menge Geld. Sie kennen unsere Bestimmungen bei solchen Versicherungssummen! Wenden Sie sich an Scotland Yard. Ein Inspektor Frederic Green bearbeitet dort den Fall. Er wird Ihnen die nötigen Informationen geben.«
Curtis reichte Tomasin die Hand.
»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Sie kennen Ihr übliches Honorar. Zehn Prozent der Summe, die wir einsparen.«
Tomasin kannte die knappe, präzise Art seines Chefs. Er wusste, jede weitere Nachfrage war sinnlos. Mit wenigen Worten verabschiedete er sich von Mr. Curtis,
Superintendent Henry Charter tobte.
»Es ist völlig unglaublich, was Sie sich geleistet haben. Da sind drei meiner Beamten in einem Hotelzimmer und sehen tatenlos zu, wie ein Mord geschieht. Damit nicht genug, sehen sie auch noch zu, wie der Mörder entflieht. Ich frage Sie, was Sie sich dabei gedacht haben?«
Charter, der wütend im Raum auf und ab gegangen war, blieb jetzt direkt vor Green stehen.
»Was glauben Sie, was passiert, wenn die Presse davon Wind bekommt?«
Der Super erstickte fast an dieser Möglichkeit.
Green ließ sich äußerlich nicht aus der Ruhe bringen.
»Sie vergessen, Sir, dass als Todesursache keine Gewaltanwendung festgestellt werden konnte, und dass der sogenannte Mörder durch eine geschlossene Tür gekommen und auch durch eine solche geflüchtet ist.«
»Schweigen Sie«, bellte Charter. »Ich kann diesen Unsinn nicht mehr hören. Sie würden noch behaupten, die Morddrohung, die Sie auf Band aufgenommen haben, wäre auch von einem Geist gesprochen. Und was die Todesursache angeht, es gibt viele linke Arten, einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Kümmern Sie sich um die Sache! In einigen Tagen will ich Ihren Bericht sehen.«
Damit war Green aus dem Büro seines Chefs entlassen. Ab dieser Stunde suchten zwei Männer – ein Inspektor von Scotland Yard und ein Versicherungsdetektiv – einen Mörder, der mit dem Tod identisch zu sein schien,
Daniel Tomasin fuhr mit einem Taxi quer durch die Londoner City. Scotland Yard lag etwa zehn Autominuten vom Versicherungsgebäude entfernt. Tomasin hatte Inspektor Green von seinem Kommen nicht informiert. Er wollte Green überraschen. Aus verschiedenen Gründen. Vor allem, weil es sehr darauf ankam, wie der erste persönliche Kontakt zwischen ihm, Tomasin, und dem Inspektor ausfiel. Es war nämlich durchaus vorstellbar, dass Green auf die Einmischung der Versicherungsgesellschaft sauer reagierte.
Das Taxi hielt vor dem Dreieck mit der Aufschrift New Scotland Yard. Dahinter erhebt sich das imposante Gebäude der obersten Londoner Polizeibehörde.
Tomasin bezahlte den Taxipreis, dazu die in London üblichen zehn Prozent Trinkgeld und fragte sich anschließend nach Inspektor Green durch.
Greens Reaktion war anders, als Tomasin im Stillen befürchtet hatte. Der Inspektor gab sich freundlich. Fast hatte es den Anschein, als wäre er froh, dass er sich nicht allein mit dem mehr als merkwürdigen Fall herumschlagen musste.
Bald war Daniel Tomasin in die Geschehnisse, die sich im Hotel abgespielt hatten, eingeweiht. Der Versicherungsdetektiv runzelte die Stirn.
»Ich kann den Super verstehen. Um Ihnen zu glauben, muss man eine ganze Menge Vorurteile über Bord werfen. Unterstellen wir das, was Sie und Ihre Sergeanten gesehen haben, als Tatsache, dann gibt es nur eine Möglichkeit, weiterzukommen: Wir müssen nach einer Verbindung suchen, die zwischen Franklin Bryce und Boris Pagodin bestanden hat.«
»Was versprechen Sie sich davon?« Green sah Tomasin verständnislos an.
Dieser lehnte sich im Stuhl zurück. Seine Augen hefteten sich an einen imaginären Punkt an der Decke.
»Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage, Inspektor: Glauben Sie, es war Bryces Verdienst, dass er in diesem hervorragend besetzten Turnier mitspielen durfte?«
Greens Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Ich glaube nicht«, fuhr Tomasin fort. »Aber fragen wir den Veranstalter. Er kann uns sicher darauf eine Antwort geben. Ich schätze, wir erleben eine Überraschung.«
John Divine wand sich wie eine Schlange. Die beiden Männer blieben unerbittlich.
»Wenn Sie nach einer Minute immer noch behaupten, Franklin Bryce sei auf Grund seiner hervorragenden Leistungen zu dem Turnier eingeladen worden, werde ich dafür sorgen, dass man innerhalb von vierundzwanzig Stunden Ihre Geschäftsbücher durchsieht. Gegen Sie …«
»Hören Sie auf.« John Divine, Veranstalter des Schachturniers, ansonsten angesehener Geschäftsmann, wechselte die Farbe. »Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen: Ein alter Geschäftsfreund hat mir klargemacht, dass ich ihm noch eine Gefälligkeit schulde. Mit anderen Worten, er hat darauf bestanden, dass Franklin Bryce an dem Turnier teilnimmt. Nun, Bryce war ein guter Spieler, und es war für mich kein Problem, meinem Freund den Wunsch zu erfüllen.«
Frederic Green gratulierte sich heimlich. Dem uralten Kriminalistentrick »Drohen mit amtlichen Maßnahmen« war ein voller Erfolg beschieden.
»Nennen Sie uns Adresse und Anschrift Ihres Freundes«, bohrte er weiter.
»William Hopkins, ein bekannter Immobilienmakler. Er wohnt …«
»Ich kenne ihn«, mischte sich Tomasin ein. »Vor zwei Jahren hatte ich mit ihm zu tun. Ein unangenehmer Mensch. Wann genau hat er die Teilnahme von Franklin Bryce von Ihnen verlangt?«
Divine überlegte angestrengt.
»Etwa vor vier Wochen.«
»Als feststand, dass Boris Pagodin anreisen würde?«, ergänzte Tomasin.
Divine tat erstaunt. »Woher wissen Sie?«
»Mir ist jetzt manches klar. Ich bin gespannt, ob sich Hopkins diesmal wieder so glimpflich aus der Affäre ziehen kann.«
»Sie werden ihn zu Hause nicht antreffen. Er kehrt erst gegen Abend von einer Geschäftsreise zurück.«
»Wir werden da sein, und er wird uns manches erklären müssen«, entgegnete Green.
Vor ihnen tauchte an der rechten Straßenseite eine langgezogene Mauer auf. Trotz der Dunkelheit konnte man die Wipfel der Bäume erkennen, die zu dem ausgedehnten Park gehörten, der an die Mauer anschloss.
Die Straße war leer. Hier in dieser Gegend Londons, am Rande der Stadt, war von dem hektischen Betrieb der City nichts zu merken.
»Wir sind in einer Minute da.«
Tomasin blendete die Scheinwerfer auf. Die Mauer wich einige Meter zurück, gab eine breite Front frei, die von einem eisernen Tor eingenommen wurde.
Der Versicherungsdetektiv parkte den Wagen etwas abseits.
»Wenn der Hausherr auf stur schaltet, kommen wir in Schwierigkeiten«, sagte Green. Er verzog den Mund. »Die Aussage Divines hat keine große Beweiskraft.«
»Sie irren, Sie irren.« Tomasin stieß die Wagentür zu und schloss sorgfältig ab. »Lassen Sie mich mit Hopkins reden. Sie werden sich wundern.«
Das Tor war verschlossen. Tomasin betätigte den Knopf der Sprechanlage. Nichts. Erneut drückte er den Knopf nach unten.
»Der ist doch auf Geschäftsreise«, unkte Green. »Wir …«
Ein Knacken im Lautsprecher ließ ihn verstummen.
»Wer sind Sie, und was wünschen Sie?«, schnarrte eine Männerstimme.
»Inspektor Green von Scotland Yard. Spreche ich mit William Hopkins?«
»Sie haben richtig geraten.«
»Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Wir?«
»Ich habe einen Kollegen mitgebracht.«
»Treten Sie ein.«
Der Türöffner summte. Die Männer betraten einen Weg, der links und rechts von Bäumen begrenzt war. Nach wenigen Metern tauchte vor ihnen das Haus auf. Kein Fenster war beleuchtet.
Jetzt lugte der Mond hinter einer Wolke hervor, warf sein bleiches Licht über die Szenerie.
Das Gebäude war ein Herrenhaus, wie sie vor hundert Jahren gebaut wurden.
Es war großzügig angelegt, was der gepflegte Rasen, der im Halbkreis das Haus einschloss, und der geschmackvoll angelegte Springbrunnen nur noch unterstrichen.
»Die Sache gefällt mir nicht«, knurrte Green. »Ich bin seit über zwanzig Jahren Polizist, da bekommt man für solche Situationen ein untrügliches Gefühl.«
Tomasin, der einige Schritte vorausgegangen war, drehte sich um.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung. Was schlagen Sie also vor?«
»Ich sehe keinen anderen Weg. Wir müssen ins Haus. Im Übrigen ist es ausgeschlossen, dass Hopkins weiß, warum wir hier sind.«
Es war beiden Männer anzusehen, dass sie daran nicht mehr so recht glaubten.
Das Eingangsportal stand offen. Dahinter öffnete sich ein dunkler Flur.
Tomasin suchte vergeblich nach einem Lichtschalter. Gerade wollte er seinem Unmut Luft machen, als er hinter sich ein dumpfes Geräusch vernahm.
Tomasin wirbelte herum. Zu spät. Der Schlag traf ihn genau auf den Hinterkopf. »Wie dumme Jungs sind wir in die Falle getappt«, waren seine letzten Gedanken. Dann schwanden ihm die Sinne.