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Geistersegel: 2 Romane Von Alfred Bekker Dieser Band enthält folgende Romane von Alfred Bekker: Patricia und die Fahrt ins Jenseits Geisterschiff Ein Schiff taucht aus dem Nichts auf - und bringt den Tod. Und die Kreuzfahrt einer jungen Frau führt in die unheimliche Sargasso-See des Bermuda-Dreiecks - und ins Jenseits, wo sie um ihre Liebe kämpfen muss.
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Geistersegel: 2 Romane
Alfred Bekker
Published by Alfred Bekker, 2020.
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Geistersegel: 2 Romane
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Patricia und die Fahrt ins Jenseits
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Von Alfred Bekker
Dieser Band enthält folgende Romane
von Alfred Bekker:
Patricia und die Fahrt ins Jenseits
Geisterschiff
Ein Schiff taucht aus dem Nichts auf - und bringt den Tod. Und die Kreuzfahrt einer jungen Frau führt in die unheimliche Sargasso-See des Bermuda-Dreiecks - und ins Jenseits, wo sie um ihre Liebe kämpfen muss.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author /Titelbild WERNER ÖCKL
© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 105 Taschenbuchseiten.
Ein Schiff taucht aus dem Nichts auf - und bringt den Tod. Und die Kreuzfahrt einer jungen Frau führt in die unheimliche Sargasso-See des Bermuda-Dreiecks - und ins Jenseits, wo sie um ihre Liebe kämpfen muss.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author /COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
"Dieser verfluchte Nebel!", schimpfte Pedro, während er an der Reling des kleinen Fischkutters stand und hinaus auf das Meer blickte. Der Motor knatterte durch die spiegelglatte See.
"Was ist mit dem Funkgerät?", rief Esteban, der zweite Mann an Bord.
"Immer noch defekt!"
"Das ist doch unmöglich!"
"Du kannst es ja selbst überprüfen..."
"Ich habe alles durchgecheckt, bevor wir ausgelaufen sind!" Pedro zuckte die Schultern. "Ich sage dir doch immer, dass es falsch ist, an der Ausrüstung zu sparen."
"Das habe ich auch nie getan!"
"Hey, sieh mal!"
Die beiden Männer starrten mit offenen Mündern in den dichten Nebel, der sie von allen Seiten umgab und in dem sich nun auf Steuerbord ein geradezu riesenhaft wirkender Schatten abhob. Lautlos war dieses dunkle Ungetüm aufgetaucht und je weiter es sich näherte, desto höher ragte es hinauf. Ein Schiff! das war Pedros erster Gedanke, und Esteban drehte instinktiv etwas bei.
Schließlich wollte er es nicht auf eine Kollision ankommen lassen. Einige Augenblicke lang warteten Sie ab, dann schälten sich die Umrisse des Schiffes deutlich heraus. Masten wurden sichtbar. Schlaff hingen die Segel herab und als das Schiff sich noch weiter näherte, wurde sichtbar, wie zerrissen die Segel waren. Kaum mehr als Fetzen. Eine Aura ungeheuren Alters schien auf diesem Segler zu lasten. An den äußeren Wanten hatten sich Muscheln festgesaugt, und Seetang hing an der Reling und in den Tauen, die wie angefressen und halbvermodert aussahen. Es erschien, als ob es direkt vom Grund des Meeres hinaufgezogen worden wäre...
"Kein Wind", stellte Pedro flüsternd fest. Und doch bewegte sich dieses seltsame Schiff. Seine Augen wurden schmaler und er dachte: Irgendetwas stimmt mit diesem Segler nicht!
Esteban veränderte den Kurs ein wenig, so dass der Abstand zu dem geheimnisvollen Segelschiff etwas größer wurde.
"Sieht fast so aus, als wäre niemand an Bord!", meinte Esteban dann.
"Aber dafür, dass es nur steuerlos dahindümpelt, hat es zuviel Fahrt drauf!", gab Pedro zu bedenken. Sein Blick glitt dabei über die großen Luken, aus denen die blanken Läufe der Kanonen herausragten. Dann las er die verwitterten Buchstaben an der Außenwand des Seglers. LA MUERTE NEGRA stand dort in großen Lettern: Der schwarze Tod!
"Kein besonders optimistischer Name für ein Schiff!", rief Pedro, der sich jetzt herumdrehte, die Reling verließ und zu Esteban auf die Brücke kam.
"Alles Geschmackssache!", erwiderte Esteban. Pedro fragte: "Siehst du die Piratenflagge dort oben?"
"Der Skipper des SCHWARZEN TODES muss ein Witzbold sein!"
"Mag sein. Aber ich weiß nicht, ob ich diese Art von Witzen mag..."
"Mal im Ernst, irgendetwas stimmt doch da nicht! Ein Segelschiff, das aussieht, wie halb zerfallen - niemand an Deck - kein Wind, aber dennoch Fahrt..."
"Sie werden einen Motor haben... Noch nichts von einem Flautenschieber gehört?" Das Lachen blieb Esteban buchstäblich im Halse stecken, als im nächsten Moment eine der Kanonen loskrachte. Eine Wolke aus Pulverdampf vermischte sich mit dem Nebel, während die schwere Bleikugel dicht neben dem Fischkutter ins Wasser ging. Eine Wasserfontäne spritzte hoch auf, und das klatschende Geräusch vermischte sich bereits mit dem donnergleichen, dumpfen Knall, mit dem die nächste Kanone loskrachte.
"Mein Gott!", rief Esteban. "Der ist verrückt geworden!" Er riss das Ruder herum und gab volle Kraft. Der Motor des Kutters ächzte, aber immerhin sorgte er für etwas Beschleunigung. Pedro blickte zurück! Angstschweiß stand ihm auf der Stirn. Was für einem unheimlichen Phantomschiff waren sie in diesem gespenstischen Nebel nur begegnet! Er schluckte und beobachtete dann mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, wie der SCHWARZE TOD wendete.
Wie von Geisterhand gesteuert!, durchzuckte es ihn.
"Schneller!", rief er. "Dieser Wahnsinnige kommt hinter uns her!"
"Aus der Maschine ist nicht mehr herauszuholen!"
"Los! Wir müssen alles versuchen!"
"Immerhin können sie nicht auf uns schießen, solange sie uns folgen, und der Bug in unsere Richtung zeigt..." Der SCHWARZE TOD holte auf. Esteban versuchte das letzte aus der Maschine herauszuholen, aber es handelte sich nunmal um einen Fischkutter und nicht um ein Rennboot. Pedro blickte schreckensbleich zurück und sah den unheimlichen Verfolger immer näherkommen. Und dann hörten sie beide die Stimmen. Sie drangen sogar durch das Knattern des Motors hindurch. Wilde, kampflustige Stimmen waren es, wie von hundert Männern! Und kein einziger davon war zu sehen.
Pedro schluckte.
Wir haben keine Chance diesem Geisterschiff zu entkommen!, ging es ihm bitter durch den Kopf. Keine...
Der SCHWARZE TOD hatte sich jetzt bereits auf eine halbe Schiffslänge neben den Kutter geschoben.
Ungläubig starrte Pedro zu dem Schiff mit der Piratenflagge hinüber. An Deck waren nun transparente Gestalten zu sehen, die immer mehr an Substanz zu gewinnen schienen. Sie trugen wild zusammengewürfelte Uniformteile und weite Hosen. In den Händen hielten sie altertümlich wirkende Pistolen, Musketen und Säbel...
Piraten!
Pedro schluckte, während sich auf dem SCHWARZEN TOD ein wildes Kriegsgeheul erhob.
"Mein Gott, was geht hier vor sich!", rief Esteban indessen bleich vor Schreck aus.
"Wenn ich das nur wüsste..."
"Wenn sie jetzt schießen, sind wir erledigt!"
"Sie haben wohl etwas anderes vor..." Der gespenstische Segler holte weiter auf und hatte sich nun in voller Länge seitlich an den Kutter herangeschoben. Esteban riss erneut das Ruder herum, aber der SCHWARZE TOD blieb an ihrer Seite und näherte sich noch. Nur noch wenige Meter trennte sie vom hohen Bauch des unheimlichen Schiffs, das so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war. Ein Wrack, das eigentlich gar nicht hätte fahren dürfen...
Pedro sah faustgroße Löcher in der Außenhaut des SCHWARZEN TODES. Nein, das geht nicht mit rechten Dingen zu!, dachte er zitternd, während sich die ersten, jener grimmigen Gestalten mit langen Seilen auf den Kutter herabließen und mit katzenhafter Eleganz auf die Planken sprangen. Jetzt waren sie nicht mehr transparent, sondern so real und lebensecht, wie man es sich nur vorstellen konnte. Da war nur dieses eigenartige, grünliche Leuchten, das sie wie eine Aura umgab und ihnen ein geisterhaftes Aussehen gab... Nur Augenblicke vergingen und ein gutes Dutzend dieser gespenstischen Gestalten befanden sich an Deck des Kutters.
"Sie sind überall!", rief Pedro, während Esteban einen Revolver aus einem Schubfach herausriss, der sich neben dem Ruder befand. Er feuerte in wilder Panik auf die geisterhaften Piraten, doch keiner der Schüsse hatte auch nur die die geringste Wirkung. Die Kugeln gingen einfach durch durch die Angreifer hindurch. Ein höhnisches Gelächter war die Antwort. Mit schnellen, katzenhaften Bewegungen kamen die Piraten auf die beiden Fischer zu. Und in den hasserfüllten Gesichtern dieser wilden Gestalten war nichts als der Tod zu lesen...
FISCHKUTTER IM BERMUDA-DREIECK VERSCHWUNDEN!, so lautete die Schlagzeile jener englischsprachigen Zeitung, die ich am Tag zuvor bei unserem Aufenthalt in Port of Spain gekauft hatte. Ich war noch nicht dazu gekommen, die zwei Tage alte Ausgabe zu lesen. Jetzt lag sie auf dem Tisch, den Tante Lizzy und ich im mondänen Speisesaal der CARIBEAN QUEEN bekommen hatten.
"Na, bereust du es schon, mit mir auf diese Kreuzfahrt gegangen zu sein, Patricia?", fragte sie mich lächelnd, nachdem der Ober uns eingeschenkt hatte.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Es ist wundervoll!"
"Nicht einmal über das Wetter kann man meckern - oder, Patti?"
"Du hast recht."
"Und gib' es zu: Nicht nur mir tut die Sonne der Karibik und der frische Seewind gut... Schließlich warst du in letzter Zeit in deinem Job ganz schlimm angespannt!"
"Sicher!", lächelte ich.
Da hatte sie natürlich recht.
Ich war Reporterin bei den LONDON EXPRESS NEWS, einer großen englischen Boulevardzeitung, deren Chefredakteur Michael T. Swann auf dem Standpunkt beharrte, dass ein Journalist rund um die Uhr nur für sein Blatt und die nächste Story da war. Wenn man seinen Job gerne macht, ist das kein Problem. Und bei mir war das der Fall.
Ich liebte diesen aufregenden Beruf sehr, auch wenn oft eine Menge Stress und Hektik damit verbunden war. Aber wenn ich dann eine gut recherchierte Story von mir auf den bunten Seiten der NEWS sah, dann entschädigte das für alles. Mein Spezialgebiet waren dabei Berichte über ungewöhnliche Phänomene, Übersinnliches und dergleichen. Das war eine Gemeinsamkeit zwischen Tante Lizzy und mir, denn auch sie hatte ein starkes Interesse an diesen Themen. In ihrer Londoner Villa befand sich eines der größten Privatarchive auf dem Gebiet des Okkultismus. Jeder Winkel dieses im viktorianischen Stil gehaltenen Hauses schien mit seltenen Schriften, staubigen Folianten und ihrer Sammlung von Presseartikeln angefüllt zu sein.
Eine Ausnahme war nur die obere Etage.
In der wohnte nämlich ich.
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von „van Helsing“ in „Vanhelsing“ änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muss es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen?
Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle. In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.
Meine Großtante Elizabeth Vanhelsing - Tante Lizzy, wie ich sie nannte - hatte mich nach dem frühen Tod meiner Eltern wie eine eigene Tochter aufgezogen. Inzwischen hatte sich unser Verhältnis natürlich etwas gewandelt. Jene Frau, die mir die Mutter ersetzt hatte, war mehr und mehr zu einer erfahrenen Freundin und Beraterin geworden. Und nicht selten half sie mir sogar im Beruf weiter, wenn ich für eine Story zusätzliche Informationen aus den Bereichen Okkultismus oder Parapsychologie brauchte.
In letzter Zeit war Tante Lizzy etwas übel mitgespielt worden. Sie hatte eine geheimnisvolle Kristallkugel aus einem Nachlass untersucht. Diese Kristallkugel war ein Fenster in eine bizarre Alptraumwelt gewesen, in der ein grauenerregendes Schattenwesen existierte, das Tante Lizzy mit seinen übernatürlichen Kräften zu sich geholt hatte... Von den Folgen dieses Aufenthalts in jener Schattenwelt hatte Tante Lizzy sich noch immer nicht ganz erholt. Immer noch fühlte sie sich entkräftet und matt. Nachdem es mir gelungen war, sie zurück in unsere Welt zu holen, hatte sie zeitweilig sogar stationär behandelt werden müssen. Doch nun, seit sie die frische Meeresbrise der Karibik in der Nase fühlte, kehrten ihre Kräfte mehr und mehr zurück, und sie wurde wieder alte Tante Lizzy, wie ich sie kannte. Energiegeladen und voller Tatendrang.
"Ich habe dich zu dieser Kreuzfahrt ja erst sehr überreden müssen, Patti!", meinte sie dann.
"Aber jetzt bin ich froh, dass wir hier sind!", erklärte ich.
"Wirklich?"
"Ja."
Sie deutete auf die Zeitung. "Ich hoffe, dass diese Schlagzeile kein schlechtes Omen für unsere Fahrt ist!" Ich lächelte.
"Meinst du, das könnte auch uns passieren?" Sie zuckte die Achseln. "Tatsache ist, dass es immer wieder zu seltsamen Begebenheiten in jenem Seegebiet kommt, dass gemeinhin als das Bermuda-Dreieck bekannt ist!"
"Du hast den Artikel schon gelesen?", fragte ich.
"Sicher. Und ich möchte dich bitten, die Zeitung nicht wegzuschmeißen."
Ich hob die Augenbrauen und nippte dann an meinem Glas.
"Du willst ihn für das Archiv!"
"Erraten", nickte sie.
"Ich dachte, du wolltest hier Urlaub machen."
"Oh, spricht das etwa dagegen, Patti?" Wir lachten beide und sie zwinkerte mir wohlwollend zu. Ihr Interesse am Übersinnlichen grenzte bereits an Besessenheit. Sie war dabei allerdings durchaus nicht leichtgläubig, sondern hatte sich immer eine gesunde Skepsis gegenüber allem bewahrt, was auf diesem Gebiet so durch die Medien geisterte. Und ihr war sehr wohl bewusst, dass sich auf diesem Terrain überwiegend Scharlatane und Geschäftemacher tummelten. Und doch...
Ein gewisser Rest an ungewöhnlichen Phänomenen war dadurch nicht zu erklären. Sowohl Tante Lizzy als auch ich selbst waren wiederholt Zeuge übernatürlicher Ereignisse geworden und hatten daher nicht den geringsten Zweifel daran, dass es Dinge gab, die mit den Möglichkeiten der modernen Wissenschaft nicht erklärbar waren.
Noch nicht.
Aber eine Voraussetzung, um sich überhaupt ernsthaft mit diese Dingen auseinandersetzen zu können, war das Sammeln entsprechender Fälle.
Und genau dieser Aufgabe hatte Elizabeth Vanhelsing sich mit Leib und Seele verschrieben.
Inzwischen wurde unser Essen serviert. Es war etwas Leichtes. Schließlich war es einfach zu warm, um sich den Magen zu sehr vollzufüllen.
"Ich glaube übrigens nicht, dass an der Geschichte von dem Fischkutter viel dran ist" meinte Tante Lizzy dann, nachdem sie den ersten Bissen genommen hatte.
"Wie kommst du darauf?", erwiderte ich überrascht. Sie zuckte die Achseln.
"Ein Fischkutter verschwindet spurlos auf hoher See. Patti, ich bitte dich, dafür gibt es Dutzende von sehr naheliegenden Erklärungen, die nichts mit dem Bermuda-Dreieck oder einem Dimensionsloch oder was immer auch sonst darüber geschrieben wird, zu tun haben."
"Sondern?"
"Es gab eine Nebelfront in dem Gebiet, in dem der Kutter verschwand."
Ich war ziemlich überrascht.
"Stand das in dem Artikel?"
"Natürlich nicht. Ich habe mich beim Wetterdienst erkundigt! Außerdem sind dort tückische Riffs und ich schätze, dass der Kutter vom Kurs abgekommen und dort aufgelaufen ist!"
"Tante Lizzy, es gibt heutzutage Radar und Echolot!"
"Auch auf einem kleinen Kutter aus der Dominikanischen Republik?"
Ich atmete tief durch und schüttelte dann leicht den Kopf.
"Wenn dich ein verschwundener Fischkutter schon wieder derart beschäftigt, scheint es dir ja wirklich wieder richtig gut zu gehen!", stellte ich dann fest.
"Da könntest du recht haben", nickte sie. "Aber auch wenn mir ein übernatürliches Phänomen in diesem Fall sehr unwahrscheinlich erscheint: Sicher ist sicher, deswegen will ich den Artikel aufbewahren..."
"Ich verstehe..."
Sie seufzte.
"Ach, wenn diese herrlichen Tage doch nie vorübergehen würden!", seufzte sie dann.
Aber irgendwie glaubte ich nicht daran, dass sie diesen Wunsch wirklich ernst meinte.
Den größten Teil des Tages hatten wir mit Nichtstun, gutem Essen und der Benutzung des Bord Pools verbracht, dessen Wasser genau die richtige Temperatur hatte. Und in den Liegestühlen an Deck war ich auch endlich einmal wieder dazu gekommen, ein dickeres Buch zu lesen, das nichts mit meinem Beruf und irgendwelchen Recherchen zu tun hatte. Am Abend sollte das sogenannte Captain's Diner stattfinden, zu dem Abendgarderobe angeraten wurde. Ich hatte mich für ein hellblaues, knielanges Kleid von schlichter Eleganz entschieden, dazu eine dezente Perlenkette mit passenden Ohrringen. In meinem Job muss man einigermaßen praktisch angezogen sein. Da war es fast ein wenig ungewohnt, mich so herauszuputzen.
Aber auch das musste mal wieder sein, fand ich. Ich betrachtete kritisch meine Frisur im Spiegel. Ich hatte versucht, meine brünetten, schulterlangen Haare auf eine Weise hochzustecken, die ich zuvor noch nicht ausprobiert hatte und war mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden. Tante Lizzy wird der Sache den letzten Schliff geben müssen!, dachte ich. Schließlich war sie in einer Zeit großgeworden, in der die Kunst des Frisierens noch etwas weiter verbreitet gewesen war. Eine Zeit bevor Lockenwickler und Wasserwelle die Haarschöpfe allgemein erobert hatten... Ich atmete tief durch, nahm die kleine Handtasche, die im selben Farbton wie das Kleid war und verließ meine Kabine. Tante Lizzys Kabine lag direkt daneben.
Ich klopfte an ihrer Tür.
"Tante Lizzy? Bist du soweit?"
"Einen Augenblick, Patti!", kam es zurück. Als sie mir öffnete, sah ich meine Großtante dann erstaunlicherweise im Morgenmantel dastehen.
"Es ist etwas Schreckliches passiert", sagte sie.
"Was?"
"Ich weiß nicht, was ich anziehen soll..." Sie deutete auf ihre auf dem Bett ausgebreitete Garderobe.
"Tante Lizzy..."
"Ich kann mich einfach nicht entscheiden! Soll ich das schlichte Grüne nehmen oder das Rote mit den Pailletten. Aber ob ich das in meinem Alter noch tragen kann? Ich hätte es längst weggeben sollen..."
"Ich sehe schon, es wird noch etwas dauern", seufzte ich. Und auf Hilfe bei meiner Frisur würde ich wohl auch verzichten müssen, denn wenn Tante Lizzy derart intensiv mit einer Sache beschäftigt war, war es nahezu aussichtslos, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Wenn es darum ging, irgendwelche Hinweise in obskuren Schriften ans Tageslicht zu bringen und komplizierte Recherchen durchzuführen, war das eine ihre Stärken.
Doch in diesem Moment...
Ich gab ihr diesen und jenen Ratschlag, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass das hoffnungslos war. Plädierte ich für das Rote, brachte sie Argumente für das Grüne und wenn ich für das Grüne sprach, kam ihr der Gedanke, ob es nicht vielleicht doch am besten sei, einfach nur Rock und Bluse zu tragen.
"Kind", sagte sie schließlich. "Es ist doch noch früh!"
"Ich weiß..."
"Es besteht überhaupt kein Grund zur Eile!"
"Nein, das nicht..."
"Am besten, du lässt mich jetzt ein bisschen allein, Patti. In einer Viertelstunde bin ich soweit."
"Versprochen?"
"Versprochen, Patti!"
Ich nickte in der Gewissheit, dass es mindestens eine halbe Stunde dauern würde, und wir vermutlich den schlechtesten Tisch bekommen würden.
"Gut", sagte ich. "Ich werde mir mal ein bisschen die Beine vertreten!"
"Tu das!"
"Bis gleich!"
Ich verließ ihre Kabine und gelangte in den Flur. Er war typisch für ein Schiff: eng und schmal. An den Wänden hingen Bilder mit Schiffsmotiven. Und am Ende des Ganges war ein rotes Hinweisschild zu sehen, dass auf den Notausgang hinwies.
Ich überlegte, was ich tun sollte und ging ein paar Schritte auf und ab.
Dumpf grollten die Motoren der CARIBEAN QUEEN, die sich irgendwo tief unter meinen Füßen im Bauch dieses gewaltigen Kreuzfahrtschiffs befanden. Im Grunde war die QUEEN eine Art schwimmende Kleinstadt. Es gab Friseur und Boutiquen, kleine Restaurants und Geschäfte. Auch einen Arzt und einen Zahnarzt. Für alle nur erdenklichen Eventualitäten war gesorgt. Und die Stewards und Hostessen versuchten einem jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
Von meinem Reportergehalt hätte ich mir eine solche Luxusfahrt kaum erlauben können, aber Tante Lizzy war recht vermögend und hatte einiges auf der hohen Kante liegen. Und sie hatte darauf bestanden, dass ich sie bei dieser Fahrt begleitete. "Sonst hätte ich selbst keine Freude daran!" hatte ich ihre Worte noch im Ohr. "Was ist schon ein Erlebnis wert, das man mit niemandem teilen kann?"
Ich atmete tief durch.
Nein, diese Fahrt hatte ich ihr nicht abschlagen können. Und bis jetzt schien ja auch alles bestens zu sein. In meinem Rücken hörte ich in diesem Moment schwere Schritte. Ich drehte mich herum und sah einen hochgewachsenen, beinahe riesenhaften Mann, der gerade die Treppe vom Deck herabstieg.
Sein Alter war schwer zu schätzen. Alles zwischen 50 und 60 Jahren schien mir möglich zu sein.
Sein Kopf war vollkommen kahlrasiert, und er trug einen doppelreihigen Leinenanzug, der relativ eng saß und seine breiten Schultern noch betonte.
Der Kahlkopf bedachte mich mit einen undeutbaren Blick und stutzte. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Seine Gesichtszüge wirkten grob. Seine Augenbrauen waren kräftig und gaben seinem Gesicht eine düstere Note. Um den Hals trug er ein eigenartiges Amulett aus Silber, das zwei miteinander gekreuzte Dreizacke zeigte. Ich hatte sofort das Gefühl eines tiefen Unbehagens, ohne, dass ich das näher erklären konnte. So wich ich einen Schritt zurück. Er ging auf mich zu.
Seine Lippen waren ein dünner Strich und fest aufeinandergepresst.
"Guten Abend", sagte ich, nur, um überhaupt etwas zu sagen. Ich hatte diesen Mann bereits mehrfach gesehen. Allerdings schien er erst immer gegen Abend auf die Beine zu kommen. Jedenfalls war er mir weder beim Frühstück noch am Pool je begegnet - von anderen Aktivitäten ganz zu schweigen. Eigentlich wusste ich über ihn nur, dass er "Mr. Mortimer" hieß, weil einer der anderen Gäste ihn einmal so genannt hatte.
Das war alles.
Er erwiderte meinen Gruß nicht, sondern ging wortlos an mir vorüber und drehte sich auch nicht mehr nach mir um, bis er hinter der nächsten Biegung verschwand. Ich hörte noch das Geräusch, mit dem er seine Kabinentür öffnete und zuckte die Schultern.
Ich werde mir an Deck noch ein bisschen die Beine vertreten!, entschloss ich mich und ging zur Treppe.
Die abendliche Meeresbrise war sicher herrlich erfrischend.
Ich hatte gerade die erste Stufe jener Treppe betreten, die hinauf an Deck führte, da stutzte ich.
Ein Schrei!
Er kam von irgendwo aus dem riesigen Schiffsbauch und einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich mich nicht geirrt hatte.
Doch dann hörte ich diesen schauerlichen Laut erneut. Ganz leise nur...
Ein Schrei, der sich mit dem dumpfen Grollen der Schiffsmotoren vermischte.
Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich einfach weitergehen sollte, aber dann entschied ich mich anders. Ich hatte das untrügliche Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Ich ging den Flur ein Stück entlang und die Schreie wurden lauter und besser hörbar. Es waren verschiedene Stimmen. Mindestens drei, so glaubte ich zu erkennen. Aber vielleicht waren es auch noch mehr.
Ich ging weiter und als ich um die nächste Biegung kam, schlug eine Tür heftig hin und her.
Ich stand einen Augenblick lang wie angewurzelt da. An dieser Tür war ich schon oft vorbeigelaufen. Der Zutritt war für Passagiere verboten.
Die Schreie...
Ich konnte sie nun deutlicher hören und rieb mir unwillkürlich die Schläfen.
Es waren eigenartige, klagende Laute, die nur entfernt menschlich klangen.
Ich fühlte einen leichten Schauder.
Was war das?
Zuerst hatte ich gedacht, dass sich vielleicht irgendwo dort unten ein Unfall ereignet und sich jemand verletzt hatte. Aber es war etwas am Klang dieser Schreie, was mich stutzen ließ. Etwas Unheimliches, Irreales... Ich war mir einen Augenblick lang nicht einmal sicher, ob ich die Schreie wirklich gehört hatte oder ob sie aus meinen Kopf gekommen waren...
Eine Vorstellung, die mich frösteln ließ.
Was geht hier vor?, dachte ich mit wachsender Beunruhigung. Wenn in diesem Moment nur jemand in meiner Nähe gewesen wäre. Jemand, der diese geisterhaften Schreie hätte bestätigen können!
Einer plötzlichen Eingebung folgend ging zu der Tür, die gerade noch geklappert hatte. Einen Augenblick lang zögerte ich, ehe ich die Klinke hinunterdrückte und sie dann mit einer entschlossenen Bewegung öffnete.
Eine steile Treppe führte tief hinab. Ich konnte nur bis zum nächsten Absatz hinabblicken.
Die Schreie...
Wie Todesschreie beim Schlachtgetümmel!, kam mir plötzlich ein Gedanke.
Sie schienen tatsächlich von dort unten zu kommen. Schauerlich klang es.
Ein Kloß saß mir im Hals. Eine leichte Gänsehaut hatte meine Unterarme bereits überzogen, die von dem hellblauen Kleid freigelassen wurden.
Im nächsten Moment schien die Tür von einer unheimlichen Kraft bewegt zu werden. Ich wurde die Treppe ein paar Stufen hinabgeschleudert und taumelte, während sich die Tür hinter mir schloss.
Das Licht ging im selben Moment aus.
Es war stockdunkel und ich versuchte verzweifelt, mich irgendwo festzuhalten. Grauenvolle Sekunden folgten, ehe ich gegen irgendetwas prallte. Es war ein menschlicher Körper. Ich konnte den Geruch eines After Shave in der Nase wahrnehmen.
Zwei kräftige Hände hielten mich an den Oberarmen. Ich blickte ins Nichts.
Eigentlich hätte ich schreien können, aber in diesem Augenblick versagte mein Stimme. Ich hatte den Mund halb geöffnet, ohne, dass auch nur ein einziger Laut über meine Lippen kam.
Und ich konnte den Atem des anderen in meinem Gesicht fühlen...