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In Geisterstunde schließen drei Saufkumpane eine verhängnisvolle Wette ab. Ein nicht standesgemäßer Neuzugang mit ungewöhnlichem Abschlag sorgt in einem Golfclub für Unmut (Halali). Richter Parker im gleichnamigen Kurzkrimi plagen die Geister der Verurteilten.
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Seitenzahl: 36
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Charlie Meyer
Geisterstunde
Albträumerfreundliche Kurzkrimis, Band 4
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Geisterstunde
Halali
Richter Parker
Impressum neobooks
„Kinderkram“, bemerkte Horst Klette, Seniorpartner der Anwaltskanzlei Klette und Klette, abfällig. „Da ist doch nichts dabei.“ Er leerte sein Glas und winkte der Kellnerin. Der Bierdeckel unter dem Glas quoll von Strichen bereits über. Horst Klette feierte seinen Abschied aus den Reihen der Werktätigen. Seinen selbstgewählten Abschied, versteht sich. Niemand zwang ihn, obgleich Klette junior irgendwie erleichtert ausgesehen hatte, als er ihm seinen Entschluss mitteilte. Söhne, pah! So alt und gesetzt, wie sich Junior jetzt schon gab, hoffte er, der Senior, niemals zu werden. Er beabsichtigte, den Rest seines Lebens zu genießen. Im Winter verreisen, im Sommer auch, und dazwischen viele gemütliche Bierabende mit seinen Kumpels. Im Kreis der Junggebliebenen. So wie heute Abend. Junior war nicht eingeladen.
Was waren wir früher für ein verrückter Haufen, dachte Klette nostalgisch seufzend. Die durchgeknallten Drei, so hatte man sie allerorts genannt, Malpitz, Riskow und ihn. Wo war die Zeit nur geblieben? Nicht, dass sie heute spürbar weniger durchgeknallt waren als früher, wie Riskows Wette zur Genüge bewies, aber man war eben - nun ja - jünger gewesen. Während sich Klette senior fragte, ob er betrunken genug sei, der Kellnerin den Po zu tätscheln, wusste er, dass er betrunken genug war, die Nacht tatsächlich auf dem städtischen Friedhof zu verbringen. Warum auch nicht? Es war elf Uhr abends, sie saßen seit vier Stunden im Gasthof, und gerade erst eben hatte einer der Neuankömmlinge geklagt, draußen herrsche immer noch eine Affenhitze. Selbst wenn man den Affen als Übertreibung abzog, blieb die Hitze. Er konnte zumindest nicht erfrieren.
Riskow deklamierte Goethe. Den Totentanz. Alle sieben Strophen. Typisch Lehrer. Ein Türmer beobachtet den nächtlichen Tanz der Toten auf dem Friedhof und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Malpitz griente und orderte eine Runde Schnaps. Wenn er noch mehr trank, konnten sie seine Nase als Leuchtboje vermieten. Den Rest von ihm vielleicht auch. In letzter Zeit ging er auf wie ein Hefekloß. Riskow hingegen, eitel wie Fatzke, trainierte täglich auf dem Laufband die Kneipenkalorien ab.
„Wieviel?“, fragte Malpitz und stierte mit blutunterlaufenen Augen über den Tisch.
„Tausend?“, schlug Riskow vor.
„Peanuts“, wehrte Klette ab und erhöhte auf Fünftausend. Sie einigten sich auf die Hälfte. Lediglich aus Spaß am Feilschen, keinesfalls aus Geiz. Ihrer aller Brieftaschen waren gut gefüllt. Für zweitausendfünfhundert würde Klette senior die Geisterstunde auf dem Friedhof verbringen. Der Stundenlohn gefiel ihm.
Fünf Minuten vor Mitternacht ließ er sich ächzend von der bröckelnden Mauerkrone auf den Friedhof hinunter. Riskows und Malpitz Stimmen verloren sich in der Ferne. Sie wanderten bereits wieder zum Gasthof zurück und hatten versprochen, auf sein Wohl zu trinken. Und auf das Wohl der Geister. Auf Goethes Wohl, nur für den Fall, dass er ihm zufällig begegnen sollte. Auf das Wohl des mutigen Türmers. Klette konnte nur hoffen, dass sie nicht unter ihre Stühle rutschten, bevor sie ihm kurz nach eins wieder auf die Seite der Lebenden helfen sollten. Viele Trinksprüche, viele Schnäpse. Er wiegte bedenklich sein weißes Haupt. War es auch weise? Klette dachte an Juniors langes, durch und durch ernsthaftes Gesicht und sein tugendboldhaftes Getue, bar jeglichen Humors, und grinste breit. Was bedeutete schon weise, wenn es nur Spaß machte.
Es war - nun ja - ein Abenteuer. Zwar nur eins für Kinder und betrunkene Deppen, aber immerhin. Besser als die langweilige Alltagsroutine. Im Schein der prallen Mondkugel am Himmel konnte Klette senior seine Umgebung deutlich erkennen. Den Weg, die Grabsteine, jeden Busch und jeden Baum. Sogar den Kirchturm auf der anderen Seite von Friedhof und Mauer. Richtig duster war es nur unter den dichten Baumkronen. Wo er augenblicklich stand, konnte er selbst die Schrift auf der schwarzen Marmorplatte unter seinen Füßen entziffern. Hier ruht der Graf von ... Der Name allerdings war den Unbilden der Natur zum Opfer gefallen. Graf Dracula, ergänzte er und gnickerte leise vor sich hin. Er schielte zum Mond empor, guckte, ob die Silhouette einer Fledermaus an der weißen Scheibe vorbeiflatterte. Aber da war nichts. Natürlich nicht.