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Im Kurzkrimi "Der Schriftsteller" trifft eine verzweifelte Ehefrau eine verhängnisvolle Entscheidung. Im Schloss des alten Grafen von Hohensteins verselbständigt sich ein Mörderspiel, und in "Auferstehung" findet sich ein Bestsellerautor, von Haus und Hof gejagt, vor seinem eigenen Grab wieder.
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Seitenzahl: 53
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Charlie Meyer
Gute-Nacht-Krimis
Albträumerfreundlich, Band 2
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Der Schriftsteller
Das Mörderspiel
Auferstehung
Impressum neobooks
Else schnippelte grüne Bohnen und horchte beunruhigt auf die Stille in der Wohnung. Was in Dreiteufelsnamen tat Hannes in dieser Rumpelkammer, die er seit neustem Arbeitszimmer nannte? Schrieb er etwa wieder an seinem Buch? Derselbe Hannes, der zu träge war, im Urlaub auch nur seine Unterschrift auf eine Ansichtskarte zu kritzeln?
Zumindest behauptete er, ein Buch zu schreiben, und gestern, als sie den Flur hinunterschlich und klopfenden Herzens durchs Schlüsselloch schielte, hatte sie zwar nur seinen Rücken sehen können, aber ja, es hatte so ausgesehen, als ob ihr Hannes fleißig schriebe.
»Au, au, au!« Else sprang auf und hielt ihren blutenden Finger unter kaltes Wasser. Daumen und Mittelfinger waren bereits verpflastert, und daran trug nur Hannes Schuld. Immer öfter schnippelte sie an ihren Fingern herum statt an grünen Bohnen, Paprika oder Wirsingkohl. Sie war abgelenkt und grübelte zu viel. Irgendetwas störte sie an der unbestreitbaren Tatsache, dass Hannes von einem Tag zum anderen ein Hobby gefunden hatte und sein Rentnerdasein plötzlich genoss. Nur was? Vermisste sie sein morgendliches Genöle? Sein Meckern zum Mittagessen? Sein muffliges Schweigen am Abend? So beschämend dies auch wäre, sie konnte es zumindest nicht ausschließen. Dank seiner plötzlichen Zufriedenheit war ihr eigener Tagesablauf trister geworden. Es fehlte der Pfeffer der Wut auf ihren nörgeligen, meckernden und muffligen Ehemann.
Während er eine beinahe unanständige Ausgeglichenheit ausstrahlte und sogar die geraspelten Möhren zum Essen lobte, waren Else nichts als die rein mechanische Hausarbeit und das Grübeln geblieben. Das Schnippeln von Bohnen, Paprika und Wirsingkohl. Das Saugen, Spülen und Abtrocknen. Dazwischen das zermürbende Brüten, bis sie erneut Bohnen, Paprika und Wirsingkohl schnippeln und saugen, spülen und abtrocknen durfte. Dabei stammte die Idee, in der Rumpelkammer einen Hobbyraum einzurichten, von ihr. Eben weil sie sein Nörgeln, Meckern und muffliges Schweigen unerträglich fand. Besser gesagt: zu finden geglaubt hatte. Nur sollte er nach ihrem Plan Vogelhäuschen basteln.
Er aber schrieb. Seit nunmehr sieben Wochen. Während sie schnippelte und ihre Finger verpflasterte, schrieb er. Während sie saugte und putzte, schrieb er. Er schrieb, während sie in dumpfes Brüten versunken untätig am Küchentisch hockte. Er schrieb sogar noch abends um acht, wenn anständige Menschen die Nachrichten sahen. Es war kaum zu fassen, doch je zufriedener ihr Hannes aus der Wäsche schaute, desto unzufriedener fühlte sie sich. Sie begann morgens an seinem Trainingsanzug - Arbeitskluft, sagte er - herumzunörgeln, meckerte mittags über die Bartstoppeln an seinem Kinn und versank abends in muffliges Schweigen.
Über allem anderen jedoch quälte sie die Frage nach dem Was. Was schrieb er in seiner Abgeschlossenheit? Tagebuch? Nein oder zumindest doch unwahrscheinlich. Was sollte er auch schreiben? Ich stehe auf, sitze zwölf Stunden in meinem neuen Arbeitszimmer am Schreibtisch, und abends höre ich mir Elses muffliges Schweigen an. Schließlich gehe ich zu Bett. Punkt! Nein. Er selbst sprach mit wenig Bescheidenheit von einem größeren Werk, ohne sich aber weiter festnageln zu lassen. Versuchte er sich etwa an einer Autobiografie? Mein Leben als Klempner? Aber wie viele Seiten vermochte er damit zu füllen? Wenn sie so darüber nachdachte, fielen ihr nur zwei aufregende Ereignisse ein, von denen er ihr nach Feierabend erzählt hatte. Die Ratte in der Toilettenschüssel und der verzweifelte Versuch einer frustrierten Hausfrau, ihn in Stimmung zu bringen, als er hilflos unter ihrer Spüle lag.
Worüber also schrieb er, wenn nicht über sich selbst? Vielleicht - über sie, seine Ehegattin seit einem knappen halben Jahrhundert? Else knabberte nervös an ihrer Unterlippe herum und begann Bratkartoffeln zu schnippeln. Diese Stille war kaum zu ertragen. Die Unsicherheit noch weniger. Was, wenn er tatsächlich über sie schrieb? Einen Enthüllungsbericht gewissermaßen. Pünktlich zur goldenen Hochzeit im Herbst. Was, wenn es durch einen dummen Zufall ein Bestseller wurde? Einer, der in der Buchhandlung Matthes auf dem Büchertisch landete. Einer, der in der Stadtbücherei auszuleihen war. Was, wenn sie nicht mehr durch die Fußgängerzone gehen konnte, ohne dass die Leute mit Fingern auf sie zeigten und hinter ihrem Rücken hämisch grinsten?
Else stellten sich die Nackenhaare auf vor Entsetzen. Nicht, dass ihreigenes Leben von aufregenden Highlights nur so gestrotzt hätte, oh nein, wahrlich nicht, aber es gab da ein paar unbedeutende Kleinigkeiten ...
Sie stand entschlossen auf und klopfte an die Tür der Rumpelkammer. »Hannes?«
»Später - ich arbeite.« Seine Stimme klang munter. Zu munter für ihren Geschmack.
»Was machst du da drinnen?« Sie drückte energisch die Türklinke hinunter. Verschlossen!
»Schreiben«, tönte es dumpf von drüben.
»Warum schließt dudich ein?«, fragte sie argwöhnisch.
»Damit mich niemand stört«, erwiderte er lakonisch. »Ich komme erst raus, wenn das Mittagessen auf dem Tisch steht. Hebe dich von dannen.«
Hebe dich von dannen! So etwas sagte doch kein normaler Mensch! Else stapfte mit zusammengepressten Lippen in die Küche zurück. Sie setzte sich an den Tisch und begann mit Wut im Bauch Obstsalat zum Nachtisch zu schnippeln. Er schloss sich ein! Er weigerte sich zu sagen, woran er schrieb! Es gab nur eine Lösung des Rätsels. Er schrieb über sie!
»Falls du über mich schreibst, vergiss es besser«, stieß sie beim Mittagessen hervor.
Er starrte sie an. Zu lange. »Über dich?« Er brach in ein brüllendes Gelächter aus. Zu brüllend. Zu aufgesetzt. Sie beobachtete ihn genau. Es stimmte also. Er schrieb über sie. Ihr Magen krampfte sich zusammen, die Kehle wurde ihr eng.
»Wenn du nicht über mich schreibst, dann lass mich dein Geschreibsel sehen«, forderte sie zwei Tage später mit rauer Stimme.
Er schaufelte sich Grünkohl in den Mund. »Kommt gar nicht infrage.«
Zur gleichen Uhrzeit, am gleichen Ort, nur einen Tag später versuchte sie es erneut: »Wenndu mir dein Geschreibsel nicht zeigen willst, schreibst du also doch über mich.«
»Großer Gott, Else, ich ...« Er stockte, die Gabel voll geraspelter Möhren. Blickte zu ihr hinüber. Ein kleiner Schelm tanzte in seinem Blick. Dann setzte er neu an: »Gut, okay, ich gebe mich geschlagen. Ich schreibe über dich. Über meine geliebte Gattin Else Bömelburg. Und jetzt erschieß mich.« Er grinste über Gabel und Möhren hinweg und sah unerträglich zufrieden aus.
Sie wurde blass. Sie presste die Lippen zusammen. »Und nichts kann dich