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Manchmal sind die Menschen, die einen am meisten prägen, bereits tot: Es ist tiefe Nacht, als Helena zum ersten Mal vom Drang zu schreiben erfasst wird. Ihre Hand saust förmlich über das Papier und hinterlässt einen stilistisch ausgefeilten Text. Helena spürt, dass jemand von ihr Besitz ergriffen hat, beschließt aber, niemandem davon zu erzählen. Fortan verlässt sich die bisher durchschnittliche Schülerin bei Hausaufgaben und Tests auf ihre 'Gabe' und staubt eine gute Note nach der anderen ab. Erst als ein fremder Name auf ihrer Geschichtsarbeit erscheint, bekommt es die 16-Jährige mit der Angst zu tun. Wer ist dieser Oskar Schiller, der ihre Hand führt, und was will er von ihr? Helena beginnt nachzuforschen und schon bald taucht ein weiterer Geist auf, der ihr Herz höher schlagen lässt.
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Seitenzahl: 379
Janina Ebert
FÜR MEINE ELTERN, DIE MICH IMMER BEI ALLEM UNTERSTÜTZT HABEN. JAHRELANG HABT IHR VERSUCHT, MICH MIT EURER BÜCHERBEGEISTERUNG ANZUSTECKEN – UND ES IST EUCH GELUNGEN.
1. KAPITEL
Hier sitze ich. Ich sitze vor dem Laptop und sammle meine Gedanken. Und wieder einmal wird mir klar, dass ich nicht die bin, für die mich alle halten, nämlich die begabteste junge Schriftstellerin meiner Zeit. Dennoch wage ich mich an diese Zeilen, denn das, was ich erlebt habe, ist zu außergewöhnlich, um es Ihnen vorzuenthalten. Sicherlich wundert es Sie, dass ich Sie persönlich anspreche. Doch ich bin nun einmal eine Frau und brauche ein offenes Ohr, dem ich alles erzählen kann. Für meine Geschichte muss ich allerdings etwas ausholen.
Ich war gerade blutjunge 16, als meine erste große Liebe zerbrach. Zumindest hielt ich sie damals für die große Liebe – oder, besser gesagt, ihn. Sein Name war Marc. Wir waren bis über beide Ohren verliebt. Ich korrigiere: Ich war es. Denn nach etwa einem halben Jahr war es mit der Liebe bei ihm vorbei, was mich anging. Anderen schenkte er dagegen gern seine Aufmerksamkeit.
»Warum muss Liebe nur so wehtun?«, jammerte ich und warf mich aufs Bett – in meinem Zimmer mit den rosafarbenen Tapeten, das noch immer so aussah, wie meine Mutter es vor Jahren eingerichtet hatte.
»Ich sterbe!«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt!«, forderte meine beste Freundin Maxi.
Wie froh ich war, sie als beste Freundin zu haben. Ihr richtiger Name ist Maxima. Ich frage mich immer wieder, wie ihre Eltern bloß auf diesen Namen gekommen waren. Aber das ist jetzt unwichtig. Tatsache war, dass Maxi sich schon seit Tagen damit beschäftigte, meine Tränen zu trocknen und sich mein Gejammer anzuhören. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Doch allmählich ging mein Selbstmitleid sogar ihr auf die Nerven.
»Kann man an gebrochenem Herzen sterben?«, fragte ich schniefend und knüllte das Taschentuch in meiner Hand zusammen.
Sie verdrehte die Augen. »Das mit Marc ist vorbei. Schluss, aus, Ende!«
Als Antwort erhielt sie nur ein hemmungsloses Schluchzen.
»Okay, das war jetzt vielleicht ein bisschen ungeschickt ausgedrückt«, gab sie zu. »Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass du endlich über ihn hinwegkommen musst! Tut mir leid, dass ich diesen Satz jetzt sagen muss, aber andere Mütter haben auch schöne Söhne.«
Verzweifelt griff ich mir ein neues Taschentuch. »Ich will aber nur ihn!«, versicherte ich nach einem kräftigen Schnäuzen. »Er ist doch meine große Liebe.«
Wie schon erwähnt, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, was die große Liebe überhaupt bedeutet, von der wahren ganz zu schweigen.
Maxi stand entschlossen auf. »Na, komm schon, lass uns irgendetwas unternehmen!«
Ich schüttelte schnell den Kopf. »Nein, nein, ich bleibe hier.« Dann vergrub ich das Gesicht in meinem Kopfkissen. Wie viele Tränen hatte ich in den vergangenen Tagen schon hineingeweint. »Ich will hierbleiben und warten, bis mich dieser elende Herzschmerz endlich dahingerafft hat …«
Maxi schlug sich stöhnend gegen die Stirn. »Du spinnst!«
»Ich meine es ernst – nicht einmal der Tod selbst kann so grausam sein. Wie kann Marc mir nur so etwas antun?«
»Denkst du, beim tausendsten Mal weiß ich eine Antwort auf diese Frage?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Kann doch sein. Auf jeden Fall gehe ich nirgendwohin.«
»Willst du so gerne in deinem Selbstmitleid versinken?«
»Oh, glaub mir, da stecke ich schon so tief drin, dass ich fast ertrinke!«
Sie seufzte, dann nahm sie ihre Jacke von meinem Schreibtischstuhl. »Es tut mir leid, aber ich gehe. Du weißt, dass ich immer für dich da bin. Doch das geht nun schon seit Tagen so. Und die Depressionen in diesem Zimmer ersticken mich noch!«
Ich nickte verständnisvoll. »Geh ruhig!«
Natürlich konnte ich nachvollziehen, dass sie es in meinem Zimmer nicht länger aushielt. Aber mir kamen diese Depressionen wie die Luft zum Atmen vor.
Maxi warf mir einen letzten, besorgten Blick zu.
»Bist du sicher, dass du klarkommst?«
Ich nickte wieder, dieses Mal entschieden tapfer.
»Okay … Dann mach’s gut und vergiss deine Hausaufgaben nicht! In der letzten Zeit hast du dich ganz schön hängen lassen.«
Kaum war Maxi aus dem Zimmer, brach ich wieder hemmungslos in Tränen aus. Ob dieser Schmerz jemals nachlassen würde? Ich schniefte.
Kurz darauf schleppte ich mich aus meinem Zimmer und ging in gekrümmter Haltung nach unten. Gequält setzte ich einen Fuß vor den anderen, bei jedem Schritt stöhnte ich. Den Kopf ließ ich hängen, den todtraurigen Blick stets auf den Boden gerichtet. Jeder sollte mein Leid sehen.
Als ich in der Küche stand und mein Vater nicht auf mich reagierte, stieß ich einen langen, tiefen Seufzer aus, der selbst Chuck Norris zum Weinen gebracht hätte. Er reagierte noch immer nicht. Ich schniefte. Wieder nichts. Dann versuchte ich es mit einem leisen, schmerzvollen Schluchzen, das mehr die fehlende Anteilnahme anprangerte, als den riesigen inneren Schmerz auszudrücken. Ja, genau so theatralisch ist man mit 16. Und das sollte bitte entsprechend gewürdigt werden.
»Geht’s?«, fragte mein Vater.
Nicht schlecht für den Anfang. Aber es war verbesserungsfähig.
»Mir geht es so schlecht, ich fühle mich furchtbar!«, jammerte ich mit weinerlicher Stimme.
Er seufzte.
Warum seufzte er? Ich war diejenige, die das Leid fast zerriss!
»Willst du nicht endlich darüber hinwegkommen?«, wollte er von mir wissen.
Ich sah ihn empört an. Wie kam er darauf?
»Er hat einfach so Schluss gemacht und gesagt, es sei langweilig geworden und er wolle sich lieber mit anderen Mädchen treffen!«, machte ich ihm meine Lage noch einmal deutlich. Dass er die Geschichte mehr als gut kannte, ließ ich außer Acht.
»Ich weiß. Marc war ein netter Kerl und du bist sehr verliebt in ihn. Aber du findest auch wieder jemand anderen.«
Niemand verstand mich. Wie oft sich ein Teenager diesen Satz wohl denkt?
Ich füllte ein Glas mit Wasser und schleppte mich langsam zurück in mein Zimmer. Auf dem Flur rannte mich mein kleiner Bruder Kevin beinahe um.
»Pass doch auf!«, keifte ich ihn sofort an.
Kevin grinste. »Immer noch halb tot, weil dein Macker weg ist?«
Mir klappte die Kinnlade herunter. Musste man sich das wirklich von seinem zehnjährigen Bruder gefallen lassen?
»Na warte!«, rief ich und wollte ihm hinterher, denn er hatte bereits den Ernst der Lage erfasst und war auf der Flucht. Doch zum einen ließ das Wasserglas in meiner Hand eine wilde Verfolgungsjagd nicht zu und zum anderen wäre ja nicht mehr zu erkennen gewesen, wie schlecht es mir ging, wenn ich wie eine Irre durch das Haus rennen würde. Also unterdrückte ich meinen Zorn und schleppte mich wieder die Treppe hinauf.
In meinem Zimmer kam der nächste Tränenschub. Gut, dass ich mein Wasserglas hatte, denn so langsam brauchte mein Körper wohl wieder Nachschub an Flüssigkeit. Während ich trank, fragte ich mich, wie viele Tränen ein Mensch denn durchschnittlich weinte. Egal, wie viele es waren, ich hatte in meinem zarten Alter mit Sicherheit schon mehr geweint.
Stöhnend schaltete ich den Fernseher ein. Ich zappte durch die Kanäle, doch nichts konnte mich ablenken. Also nahm ich ein Buch zur Hand, dann eine Zeitschrift, eine Bedienungsanleitung … Es half nichts. Mit einem wütenden Schrei warf ich alles von mir weg. Wie sollte das nur weitergehen?
Nach etwa zwei weiteren Stunden des Leids und des Schmerzes beschloss ich, statt in meinem Selbstmitleid in einer Wanne voll heißem Wasser und Schaum zu baden. Danach putzte ich mir die Zähne, zog eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Gähnend legte ich mich ins Bett. Obwohl ich hundemüde war, konnte ich nicht einschlafen. Wieder einmal grübelte ich über den stechenden Schmerz in meiner Brust nach.
Wenn Liebe so wehtut, dann will ich nicht mehr lieben, dachte ich traurig. Wenn mein Herz so schnell zerspringt, dann will ich es nicht mehr verschenken. Ich behalte es lieber und passe selbst darauf auf. So kann mir auch niemand mehr wehtun und ich bin endlich wieder frei …
Kaum hatte ich diesen Gedanken beendet, übermannte mich der Schlaf. Es war, als hätte ich mich tatsächlich befreit. Doch nicht viel später wachte ich wieder auf. Es war 1 Uhr. Ich wünschte, es wäre 6:30 Uhr gewesen, dann hätte ich aufstehen können.
Plötzlich traf es mich wie ein Blitz:
die Hausaufgaben!
Stöhnend knipste ich meine Nachttischlampe an und setzte mich auf. Ich hatte keine Wahl. Die beste Schülerin war ich nie gewesen. Aber so konnte es nicht weitergehen. In der letzten Zeit war ich noch schlechter geworden als zuvor.
Also zwang ich mich, zu meinem Schreibtisch zu gehen. Und da geschah es zum ersten Mal – das, was ich mir bis heute nicht genau erklären kann.
Ich kramte meine Bücher aus dem Rucksack und öffnete sie lustlos. Was hatten wir eigentlich auf? Eine Gedichtinterpretation in Deutsch. Na klasse! Das war wohl das Fach, das mir am wenigsten lag.
Genervt nahm ich das Gedicht und las es durch. Es war, wie ich vermutet hatte: Es sagte mir überhaupt nichts. Ich sah genau das, was da stand, nicht mehr und nicht weniger. Dummerweise wollte meine Lehrerin aber ganz andere Dinge von mir wissen. Dinge, bei denen ich mich fragte, ob Hermann Hesse sie sich wirklich alle so gedacht hatte.
Gähnend drückte ich den Knopf an meinem Computer. Das war immer die beste Lösung: eine Interpretation aus dem Internet.
»Das gibt’s doch nicht …«, murmelte ich, als ich feststellte, dass ich keinen Internetzugang hatte. Damit fiel besagte Strategie weg. Außerdem war ich so müde, dass ich fast über meinem leeren Blatt einschlief.
Dann geschah es: In einer Art Dämmerschlaf erkannte ich nicht, was meine fleißige Hand so schrieb. Sie flog über das Papier, schwenkte fröhlich Bögen und setzte Punkte. Eilig, fordernd und jedes Wort bewusst wählend, verfasste sie eine Interpretation.
Als ich mit müden Augen aus dem Dämmerschlaf erwachte, blinzelte ich. Staunend las ich durch, was ich geschrieben hatte. Die herausgearbeiteten Kernaussagen hatte ich vorher nicht erkannt, aber als ich sie las, konnte auch ich sie in dem Gedicht wiederfinden. Verglichen mit den Interpretationen, die ich für gewöhnlich aus dem Internet zog, oder mit denen, für die meine Mitschüler mit Lob überschüttet wurden, konnten sich meine Hausaufgaben dieses Mal wirklich sehen lassen.
Aber woher kamen diese Worte? Jeder, der mich kannte, würde sofort wissen, dass ich sie nicht geschrieben hatte. Dazu war ich überhaupt nicht in der Lage! Oder doch?
Fassungslos starrte ich auf das Blatt, dann zwickte ich mich. Alle Zweifel beseitigt, ich war wach!
»Okay, das ist echt unheimlich«, murmelte ich und stand auf.
Nervös begann ich, in meinem Zimmer auf und ab zu gehen.
»Wie kann so etwas sein? Habe ich geschlafwandelt? Bin ich in Wahrheit doch nicht so schlecht in Deutsch, wie ich immer denke?«, fragte ich mich laut.
Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. So sehr ich auch versuchte, eine Erklärung für diesen mysteriösen Vorfall zu finden, es wollte mir nicht gelingen.
»Was soll ich nur tun?«, jammerte ich und presste die Hände gegen meinen Kopf, während ich auf die Hausaufgaben starrte.
Plötzlich kam mir ein anderer Gedanke:
Warum mache ich mich so verrückt?, schoss es mir durch den Kopf. Jeder erlebt doch mal seltsame Sachen. Vielleicht sollte ich nicht weiter darüber nachdenken, sondern mich einfach freuen. Immerhin sind meine Hausaufgaben erledigt und ich kann wieder ins Bett gehen …
Obwohl ich es geschafft hatte, mich einigermaßen zu beruhigen, war ich mir sicher, nicht einschlafen zu können. Doch ich irrte mich und tiefer Schlaf übermannte mich wenige Minuten später.
2. KAPITEL
»Hey, wie geht’s dir?«, begrüßte mich Maxi am nächsten Morgen besorgt. »Es geht, ich bin nur ein bisschen müde.« An ihrem erstaunten Gesicht konnte ich gut erkennen, dass ich auf diese Frage wohl schon lange nicht mehr mit »Es geht« geantwortet hatte.
Maxi und ich gingen in die 11. Klasse. Die Oberstufe – ein gewaltiger Grund mehr, sich anzustrengen.
Ich kratzte mich am Kopf. Seltsamerweise fühlte ich mich an dem Tag wirklich nicht schlecht. War ich über Marc hinweg? Konnte man sich vornehmen, nicht mehr zu lieben, und schon klappte es?
»Hast du deine Hausaufgaben gemacht?«, riss mich die stets besorgte Maxi aus meinen Gedanken.
Ich nickte. »Ich glaube, sie sind sogar gut geworden.«
Bereits in der ersten Stunde hatte ich Deutsch. Und zum ersten Mal hatte ich keine Angst davor, zum Vorlesen aufgerufen zu werden. Trotzdem war ich schon zu Beginn nicht sonderlich aufmerksam. Ich starrte auf meinen aufgeschlagenen Block und kritzelte auf der leeren Seite herum. Dabei bemerkte ich, wie müde ich tatsächlich war.
Unbemerkt wurden aus den Linien und Kreisen, die ich auf dem Papier zog, Buchstaben und Wörter. Ehe ich michs versah, stand auf meinem Blatt »Das Leben kann so schön sein« geschrieben.
»Wer schreibt das nur?«, murmelte ich mehr als verwundert, denn an diesen Satz hatte ich gerade überhaupt nicht gedacht. Woher kam er also?
»Helena, hast du uns etwas zu sagen?«
Verdammt! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Frau Schmidt stand vor mir und sah mich auffordernd an.
»Äh, nein, es ist nichts«, versicherte ich ihr und hoffte, sie würde es dabei belassen. Das tat sie natürlich nicht.
»Dann lies uns doch deine Hausaufgaben vor!«, meinte sie mit einem gespielt freundlichen Lächeln.
Na klar! Sie rechnete damit, dass ich völligen Blödsinn geschrieben hatte und mich nun zum Gespött der Klasse machte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass an dieser Stelle der Zusatz »Wie üblich« gut passen würde.
Entschlossen schlug ich den Block mit meinen Hausaufgaben auf. Ich würde es Frau Schmidt schon zeigen!
Und ich zeigte es ihr. Allerdings glaubte sie es mir nicht.
»Das ist sehr interessant«, setzte sie an. Sie musste sich wohl erst einmal etwas sammeln. »Die Frage ist nur: Woher hast du das?«
»Das habe ich selbst geschrieben«, behauptete ich einfach mal. Im Grunde stimmte es doch: Die Worte waren aus meinem Füller gekommen. Nur nicht aus meinem Kopf … Aber das musste ja niemand wissen.
»Helena, ich mag es nicht, wenn man versucht, mich auf den Arm zu nehmen. Diese Arbeit ist mit deinen sonstigen überhaupt nicht zu vergleichen. Das hört sich eher nach einem erfahrenen Interpreten an als nach einer 16-Jährigen.«
Nun war ich empört. Was hatte mein Alter damit zu tun?
»Frau Schmidt, ich schwöre Ihnen, dass ich das geschrieben habe!«
Meine ehrlichen Worte stießen auf taube Ohren. Allerdings konnte die Schmidt auch nicht das Gegenteil beweisen.
Nach einer Weile stand sie erneut süffisant lächelnd vor mir. Was wollte sie schon wieder?
»Wenn du das wirklich geschrieben hast, kannst du es ja jetzt unter Beweis stellen!«
Sie drückte mir ein Blatt in die Hand.
Ich warf einen kurzen Blick darauf: Es war wieder ein Gedicht. Oh nein!
»Ihr werdet das als Übung interpretieren.«
»Jetzt?«, fragte ich Böses ahnend.
»Ja, jetzt und hier. Nicht zu Hause, wo man schnell mal im Internet nachsehen kann.«
Ihre Anspielung war eindeutig. Dabei war das so unfair! Da hatte ich meine Hausaufgaben einmal ohne Internet erledigt und schon wurde mir solch ein Betrug unterstellt. Das Leben ist manchmal wirklich paradox. Vorher hatte die Schmidt nie Verdacht geschöpft und jetzt so etwas!
Ein wenig ängstlich sah ich auf das Blatt. Ich las es durch und es war wie eh und je: Ich verstand einfach nichts. Gar nichts! Doch in meiner Hand zuckte es fast schmerzhaft. Sie begann zu kribbeln; es war, als fließe Strom durch meinen Arm bis in die eifrigen Fingerspitzen.
Motiviert griff ich nach meinem Füller. Kaum hatte ich dessen Feder auf das Papier gesetzt, ging es auch schon los. Der Stift huschte über das Blatt, die Wörter schrieben sich von alleine. Und das so schnell, dass meine Augen ihnen kaum folgen konnten. Es war deutlich zu spüren, dass die Worte geschrieben werden mussten.
Innerhalb weniger Minuten war ich fertig. Meine Hand brannte und fühlte sich erschöpft an. Der unbeschreibliche Drang war verschwunden. Dafür war ich sehr dankbar, denn langsam wurde mir das Ganze unheimlich – trotz der klaren Vorteile. Schon nach den ersten zwei Zeilen, die ich geschrieben hatte, war selbst mir klar gewesen, dass es perfekt werden würde: eine Mischung aus Gefühl und knallharter, treffender Analyse. Wer konnte nur so schreiben? Selbst jemand wie ich, die absolut keine Ahnung von Literatur hatte, konnte erkennen, dass dies ein mehr als außergewöhnlicher Stil war.
Ich starrte so voller Verwunderung auf mein Geschriebenes, dass Maxi auf mich aufmerksam wurde.
»Kommst du klar?«, flüsterte sie mir zu.
»Ja …«, entgegnete ich, noch immer etwas verstört.
»Helena und Maxima!«
Ach, wie sehr ich Frau Schmidt doch mochte!
»Ich erwische euch immer beim Schwatzen! Ich gehe davon aus, dass ihr etwas zu tun habt, oder irre ich mich?«
Ich atmete tief ein. »Ja, Sie irren sich. Ich bin fertig!«
So sehr mich diese Sache auch verwirrte und so unheimlich sie war, dieses Mal konnte die Schmidt nicht behaupten, dass ich meinen Text aus dem Internet hatte. Sie kam mit hochgezogenen Augenbrauen auf mich zu.
»Dann zeig mal, was du hast!«
Ich drückte ihr meinen Block in die Hand. Sie lächelte siegessicher, als sie ihre Augen auf das Blatt richtete. Doch mit jeder Zeile verlor das Lächeln an Substanz, bis es schließlich einem vor Staunen weit geöffneten Mund wich.
»Helena, das ist ja …«
Ja genau, Frau Schmidt, das ist es, dachte ich mir schadenfroh.
»Wie … wie kommt es, dass du so schreiben kannst?« Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Diese Reaktion fand ich übertrieben. Selbstverständlich war meine Entwicklung innerhalb eines Tages unglaublich, aber es schien mehr die Interpretation zu sein als diese Tatsache, die sie so vom Hocker riss.
»Das ist fantastisch«, murmelte sie und schien nicht länger im selben Raum mit uns zu sein. Ich runzelte die Stirn. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie aufsah.
»Helena, ich muss mich bei dir entschuldigen.«
Das klang sehr aufrichtig. Nun war ich wirklich überrascht.
»Ich habe dich die ganze Zeit über maßlos unterschätzt. Es tut mir leid.«
Jetzt wurde ich verlegen. »Das … äh … ist schon gut …«, versicherte ich ihr.
»Wieso hast du das denn bisher versteckt?«, wollte sie wissen. »Das ist eine Gabe, die du da hast, ein Talent. Wieso hast du es nicht eher gezeigt?«
Zaghaft zuckte ich mit den Schultern. »Ich war etwas abgelenkt in letzter Zeit …«
Ich merkte, wie ich immer tiefer in diese Situation hineinrutschte. Was, wenn ich am Vortag nur etwas Falsches gegessen hatte und deswegen nun so schreiben konnte? Okay, das war ein abwegiger Gedanke. Aber trotzdem: Was, wenn das alles am nächsten Tag wieder vorbei sein würde? Dann würde mich die Schmidt wohl zerreißen.
Sie lächelte mich freundlich an. Und dieses Mal war es wirklich freundlich.
»Die Pubertät ist nicht einfach, da steht jeder ein bisschen neben der Spur. Hauptsache, du hast jetzt zu dir selbst gefunden.«
Hatte ich das?
Sie stand auf und ging wieder nach vorn. »Egal, machen wir weiter!«
Ich seufzte dankbar. Meine Klassenkameraden musterten mich misstrauisch. Das konnte ich ihnen nicht verdenken. Gerade war ich noch die mittelmäßige, eher schlechte Schülerin gewesen und nun die Spitzeninterpretin? War ja klar, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte – trotz Pubertät und Selbstfindung und dem ganzen Kram!
»Was war das denn?«, flüsterte Maxi mir zu.
Ich zuckte ratlos mit den Schultern.
In der Pause saß ich schweigend neben ihr. Sie war immer noch irritiert.
»Bist … bist du jetzt eigentlich über Marc hinweg?«, setzte sie an.
»So schnell geht das nicht«, erklärte ich ihr, obwohl ich mir nicht sicher war, was ich da eigentlich sagte. In dem Moment tat es wirklich nicht mehr weh. Es ging mir zwar auch nicht gut, aber mein Herz schlug. Und das ohne Schmerzen. War das nicht ein Anfang?
»Na, Helena«, sprach mich plötzlich jemand an.
Freddy. Freddy ist allerdings eine Sie. Ihr richtiger Name ist Frederike.In diesem Moment frage ich mich, wieso so viele meiner damaligen Freundinnen männliche Spitznamen hatten … Dabei kann man nicht wirklich behaupten, dass Freddy meine Freundin war. Eher das Gegenteil.
»Hast du zu Hause einen kleinen Schiller in dir entdeckt?«, witzelte sie. Ihr war deutlich anzumerken, dass meine Interpretation sie wurmte. Freddy war die Beste in unserer Klasse und Deutsch ihr absolutes Lieblingsfach. Es musste für sie wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein.
»Wer weiß?«, gab ich als Antwort, weil mir nichts Besseres einfiel.
»Na ja, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«, erklärte sie meine geistige Meisterleistung.
Aber in diesem Fall handelte es sich wohl nicht um ein Korn, sondern um einen ganzen Sack voller Getreide!
»Das wird es sein«, antwortete ich schwach.
Eigentlich hätte ich mir einen frechen Spruch einfallen lassen und ihn ihr an den Kopf werfen sollen, aber ich hatte keine Lust dazu. Mit einer arroganten Bewegung warf Freddy ihre langen blonden Haare nach hinten, dann drehte sie sich um und stolzierte von dannen.
Oh, Freddy war ja so toll! Dafür hielt sie sich zumindest. Zugegeben, sie sah gut aus. Sie hatte lange blonde Haare, stechend blaue Augen, ein hübsches Gesicht mit einer geraden Nase und zwei weitere große, schlagende Argumente.
Da konnte ich nicht mithalten. Ich war klein und zierlich, hatte dunkelbraune, leicht gewellte Haare, braune Augen und immer einen gebräunten Teint. Ich fand mich nicht hässlich, aber an Freddy kam ich einfach nicht heran.
»Hast du für Geschichte gelernt?« Maxi hatte es drauf, mich eiskalt zu erwischen.
»Hätte ich das tun sollen?«, fragte ich vorsichtig nach.
Sie seufzte. »Mensch, Helena! Wir schreiben gleich einen Test!«
Ich spürte, wie ich blass wurde. Und das nicht zu Unrecht. »Äh … und worüber?«
»Über das, was wir letzte Stunde besprochen haben.«
Ich lächelte gequält.
»Du hast keine Ahnung, was das war, oder?«, erkannte sie.
Ich nickte langsam und war mir meiner Schande bewusst.
»Es geht um das Dritte Reich.«
»Toll. Ganz toll. Mein absolutes Lieblingsthema!«, machte ich meinem Ärger ironisch Luft. Meine wirklich beste Freundin verbrachte den Rest ihrer Pause damit, mir möglichst viele Fakten zu vermitteln. Und das, obwohl wir beide wussten, dass es nicht helfen würde.
Ich wünschte mir, im Boden zu versinken und mich irgendwo in der Karibik wieder auszugraben, als der Geschichtstest auf meinem Tisch lag. Böses ahnend nahm ich ihn in die Hand. Wann Hitler an die Macht gekommen war? Ob die Antwort »in den 1930er-Jahren« wohl reichte?
Plötzlich fühlte ich Empörung. Und so schnell diese gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Was sollte das? Das hatte ich nicht selbst gefühlt!
Ich schüttelte den Kopf und nahm seufzend meinen Stift. Die nächsten fünf Minuten grübelte ich über der ersten Aufgabe.
Auf einmal erfasste mich wieder diese unglaubliche Empörung. Aber ich war nicht sauer, weil ich eine schlechte Note bekommen würde, sondern weil ich es nicht wusste.
Dann bebte meine Hand. Ging das etwa schon wieder los? Ich setzte den Stift aufs Blatt. Tatsächlich, er schrieb von allein! Jedoch fühlte es sich dieses Mal anders an. Vorher war da eine Art Freude am Schreiben gewesen. Dieses Mal waren es Wut und Zorn. Schreckliche Gefühle bohrten sich in mein Herz, während meine Hand sich durch die Beantwortung der Fragen kämpfte. Auch meine Schrift hatte sich verändert. Sie war krakelig und unsauber – so, als wollte sie dem Zorn eine Form geben. Zeigen, dass man das, was da stand, nicht durch schöne Bögen und Schwünge ausdrücken konnte, sondern nur durch krumme und zerbrochene Zeichen, die so der Hässlichkeit des Geschehenen ähnelten.
Als ich die letzte Frage beantwortet hatte, war ich völlig erschöpft. Sorgfältig las ich mir die Antworten durch. Ich überlegte, ob ich einige besonders krakelige Wörter neu schreiben sollte. Es war mit Sicherheit auffällig, dass meine Schrift so unordentlich war. Aber andererseits hatte ich das Gefühl, ich würde den Worten dadurch ihre Ausdruckskraft nehmen und die Botschaft meines Schreibens verfälschen.
Als ich aufstehen wollte, fiel mir auf, dass mein Name fehlte. Ich kritzelte ihn schnell hin, dann gab ich die Arbeit ab.
Nach der Stunde sprach mich Maxi an. »Hat’s wenigstens ein bisschen geklappt?«
»Ich glaube, es war ganz gut. Aber es war wirklich schrecklich, was diese Schweine damals getrieben haben, oder nicht?«
Sie schien verwundert. »Ja … ja, da hast du recht.«
»Hoffentlich passiert so etwas nie wieder!«
Ich hatte mich nie mit diesem Thema beschäftigt, doch nach diesem Erlebnis sollte mir für immer klar sein, wie wichtig es war.
Leider musste ich wenig später feststellen, dass mir meine neue Begabung in Mathematik und Physik wenig helfen konnte. Meine Hand verhielt sich wie immer. Nämlich unwissend.
3. KAPITEL
Meine Befürchtungen, das alles könnte am nächsten Tag wieder vorbei sein, bewahrheiteten sich nicht. In Deutsch entwickelte meine Hand regelmäßig ein Eigenleben. Sie brachte Gedanken zu Papier, deretwegen die Schmidt beinahe über ihrem Pult zusammenbrach, während sie »Großartig, großartig, einfach großartig …« murmelte. Das wiederum brachte Freddy fast zum Platzen.
In anderen Fächern tat sich nichts. Unser Geschichtslehrer, der schon ein wenig älter war, saß wie eine Glucke auf dem Test. Und dabei war ich auf das Ergebnis so gespannt!
Was Marc anging, hatte ich das Gefühl, endlich über ihn hinwegzukommen. Doch ich hatte mich gewaltig geirrt, wie ich eines Abends oder, besser gesagt, Nachts feststellen sollte.
Ich war mit Maxi auf einer Feier. Ein Mädchen aus meiner Stufe hatte Geburtstag und fast meine ganze Klasse eingeladen. Ihre Eltern hatten angekündigt, sich nur bis Mitternacht zu verkrümeln, daher lief es verhältnismäßig ruhig ab. Dennoch gab es einige wenige, zu denen ich leider zählte, die es schafften, sich mit Radler ziemlich zu betrinken.
Warum ich so gebechert hatte? Vielleicht war es der missglückte Versuch, kurzzeitig zu verdrängen, was mir neuerdings Seltsames widerfuhr.
Jedenfalls musste ich irgendwann einmal frische Luft schnappen. Treuherzig wie Maxi war, kam sie mit mir nach draußen. Dort traute ich meinen Augen kaum, als Marcs Wagen vorfuhr. Soweit ich wusste, war er nicht eingeladen. Was wollte er also?
Kaum hatte ich mir hoffnungsvoll diese Frage gestellt, bekam ich auch schon eine klare und schmerzhafte Antwort: Freddy stürmte übertrieben fröhlich an mir vorbei.
Das kann doch nicht …, dachte ich noch schockiert, da war es schon passiert: Sie riss die Tür von Marcs Wagen auf und setzte sich hinein. Kaum war sein Auto um die Ecke gebogen, riss ich mir mein letztes bisschen Selbstachtung wie eine Jacke vom Leib und brach in Tränen aus. Gott sei Dank war Maxi da, um die Selbstachtung aufzuheben und sie mir hinterherzutragen.
»Hey, Helena …«, setzte sie an und legte ihren Arm um mich.
Ach, Maxi!
»Lass dich nicht so hängen«, bat sie verzweifelt.
»Hast du das nicht gesehen?«, fragte ich.
»Freddy ist bei ihm eingestiegen! Er hat schon eine andere, während ich vor Schmerz vergehe … Das macht diese Schlampe nur, um mir eins reinzuwürgen!«, war augenblicklich meine Theorie. Es konnte gar nicht anders sein.
Maxi suchte hastig nach irgendeiner Möglichkeit, um mich abzulenken. »Ich würde ja sagen, wir trinken noch einen zusammen, aber ich glaube, dann müsstest du dich übergeben …«
»Das muss ich auch so! Freddy!« Ich vergrub mein verweintes Gesicht in den Händen.
Das war die lausigste Geburtstagsfeier seit Langem.
»Komm, ich bringe dich nach Hause«, entschied Maxi und nahm mich in den Arm. Schniefend ließ ich mich von ihr begleiten.
*
Ich weinte das ganze Wochenende durch und konnte mich erst am Sonntagabend an den Schreibtisch schleppen. Zwar war mir noch immer eher danach, meine Tränen in mein Kopfkissen fließen zu lassen anstatt meine geistigen Ergüsse auf das Papier, aber ich durfte die Schule nicht weiter schleifen lassen. Ich war mittlerweile der absolute Liebling von Frau Schmidt – ganz zu Freddys Ärger. Ob sie deswegen etwas mit Marc angefangen hatte?
Ach, Marc. Ich seufzte. Schon war ich mit meinen Gedanken wieder bei ihm. Ich schaute auf meinen Block, auf dem ich ein wenig herumgekritzelt hatte. Das machte ich oft, wenn ich nachdachte. Meist entstanden dabei Sternchen, Kringel, Linien … Doch zwischen all dem üblichen Wirrwarr stand »Vergiss ihn!« geschrieben.
Was war nur los mit mir in letzter Zeit? Schrieb ich unbewusst all diese Sachen? Das wäre möglicherweise eine Erklärung gewesen, doch ich wusste genau, dass diese Worte nicht von mir stammten – auch nicht aus meinem Unterbewusstsein.
Ich schlug mein Hausaufgabenheft auf: Schreibe einen Aufsatz zum Thema »Zirkus«. Kaum hatte ich den Stift aufs Blatt gesetzt, erfasste mich wieder dieser Drang zu schreiben. Und erneut war ich verblüfft. Sie wollen wissen, was ich geschrieben habe? Gerne, ich will es Ihnen nicht vorenthalten.
Die geliebten Lügen meiner Kindheit
Vorhang auf, die Show geht los! Endlich sehen meine gierigen Augen wieder das, wonach sie sich so lange gesehnt haben. Eine Stunde lang lasse ich mich mitreißen von dieser verzaubernden Welt des Zirkus – eine Welt aus Trug und Schein. Natürlich ist mir das bewusst, doch diese Erkenntnis muss vor dem Zirkuszelt auf mich warten. Ich lasse mir den letzten Zauber meiner Kindheit nicht nehmen.
Alle haben sie nach wie vor ihre Magie, die Figuren, die mich von jeher begeistert haben. Da ist zum Beispiel das Liebespaar, das gemeinsam am Trapez schwingt. Sie lässt los, voller Hoffnung, voller Vertrauen zu ihrem Liebsten. In dem Denken, dass seine Liebe selbst die Schwerkraft überwindet, um sie in seinen starken Armen zu halten. Wird er sie fangen? Ich halte den Atem an – natürlich fängt er sie. Er wird sie wohl immer fangen und selbst wenn er sie nicht fangen würde: Sie würde auf dem harten Boden nicht zerschellen, sondern langsam und weich wie Schnee herabsinken und dann für uns als wunderschöne Blume erblühen – als Blume, deren Stängel niemals bricht. Und es ist auch völlig bedeutungslos, ob sie sich wirklich lieben. Selbst wenn sie es nicht täten, blieben sie für uns doch immer das Liebespaar, das sich bedingungslos vertraut und dessen Sehnsucht alle Höhen überwindet. Ja, für uns werden sie genau das bis an ihr Ende tun.
Jetzt kommt die Seiltänzerin. In dem Moment, in dem sie die Manege betritt, schlüpft sie in ihre Rolle. Sie nimmt ein anderes Leben an, das sie uns mit strahlendem Lächeln präsentiert. Und obwohl wir wissen, dass ihr Lächeln nur eine Fassade ist, lächeln wir mit. Wir blicken niemals hinter ihre wunderschöne Maske, schließlich hat sie diese doch nur für uns aufgesetzt. Nur für uns verbirgt sie ihren Schmerz dahinter. Wäre es daher nicht grausam, sie ihr vom Gesicht zu reißen? Zart und zerbrechlich wirkt sie dort, hoch oben auf dem Seil. Sie wird jedoch nie zerbrechen, denn sie ist unsere Seiltänzerin, die uns durch ihren schwebenden Tanz dem sorgenvollen Alltag entzieht.
Nun folgt der Höhepunkt des Spektakels: das kleine Mädchen, das auf einem Elefanten turnt und seinen kleinen, viel zu jungen und verletzlichen Körper über die riesigen Zähne des starken Tiers schwingt, die es noch viel kleiner und schwächer erscheinen lassen. Ich bange aus vollem Herzen, jedoch nicht so, als ginge es um mein eigenes Kind. Denn wenn es so wäre, dann würde ich aufstehen und ihr zurufen, dass sie von dem Elefanten absteigen solle. Dass sie das nicht für mich tun müsse. Stattdessen weiden sich meine Augen an ihrer drohenden Gefahr. Doch sie schafft es. Sie steht aufrecht auf dem Kopf des Tieres und streckt uns ihre kleinen Händchen entgegen. Und selbst mit ihren traurigen, ängstlichen Kinderaugen spielt sie ihre Rolle schon perfekt. Sie lächelt. Ich stehe auf und schenke ihr wie alle anderen meinen tosenden Beifall, wofür ich mit einem weiteren Lächeln belohnt werde.
Das war’s. Die Stunde ist um. Meine Stunde ist um. Ich verlasse das Zirkuszelt und gehe nach draußen, wo die Erkenntnis schon auf mich wartet.
Sehen Sie, was ich meine? So konnte ich nicht schreiben. Ich schlug meinen Block zu und gähnte. Dann legte ich mich ins Bett. Dieses ungewollte Schreiben erschöpfte mich sehr. Meine Hand verkrampfte sich dabei total. Und danach schmerzte sie meist pochend.
*
Natürlich rief die Schmidt wieder mich auf, als es darum ging, die Hausaufgaben vorzulesen. Auch dieses Mal zeigte sie sich begeistert.
»Wo hast du dieses Talent nur die ganze Zeit über versteckt? Du schreibst voller Gefühl und gleichzeitig ernst. Trotz der emotionalen Schreibweise bleibt immer ein Bezug zur Realität gewahrt. Sehr schön.«
Ich spürte Freddys neidische Blicke auf meiner Haut. Dabei hatte eher ich Grund, eifersüchtig zu sein.
»Wegen der nächsten Kursarbeit musst du dir jedenfalls keine Sorgen machen.«
Wenn das so weiterging, musste ich mir wirklich keine Sorgen machen. Aber was, wenn das alles eines Tages genauso plötzlich enden würde, wie es begonnen hatte? Dann hätte ich ein ziemliches Problem.
In der Pause sprach mich auch Maxi auf mein »Talent« an.
»Ich finde es unglaublich, wie du auf einmal schreiben kannst«, staunte sie.
»Und ich frage mich, warum alle so eine große Sache daraus machen?«
»Weil das nicht jeder kann«, wollte Maxi mir klarmachen. »Schreiben ist etwas Tolles! Es macht wirklich Spaß, dir zuzuhören. Mach etwas daraus!«
Ich sah sie erstaunt an. »Was soll ich daraus machen?«
»Schreib Bücher! Du schreibst so gut, es wäre schade, wenn du das den Leuten vorenthalten würdest. Schreib wenigstens mal etwas für mich.«
»Okay. Ich kann ein bisschen was für dich schreiben, wenn dir so viel daran liegt.«
Es klingelte zur dritten Stunde. Nun hatten wir Geschichte. Ich hoffte inständig, dass der Lehrer uns endlich den Test zurückgeben würde. Und tatsächlich, er war mit seiner Korrektur fertig.
Nachdem er gefühlt stundenlang in seiner Tasche nach den Arbeiten gekramt hatte, schrieb er die Notenverteilung an die Tafel. Der Test war nicht sonderlich gut ausgefallen. Hätte meine Hand sich nicht verselbstständigt, hätte ich mit Sicherheit zu den schlechteren Kandidaten gezählt.
Unser Lehrer begann, die Blätter auszuteilen. Ungeduldig saß ich auf meinem Platz und wartete. Und wartete. Ich wurde immer unruhiger und begann, mit meinem Kugelschreiber nervös auf den Tisch zu klopfen. Irgendwann wippte ich mit meinem Bein. Jeder schien inzwischen seinen Test zu haben, nur ich nicht. Früher wäre es mir sehr recht gewesen, wenn er meinen Test behalten hätte, und nun wollte er nicht damit herausrücken!
Er blieb vor meinem Tisch stehen und sah mich ernst an. »Helena?«
Ich platzte fast vor Spannung.
»Ich gehe davon aus, dass das hier dein Test ist. Er ist als einziger übrig und ich weiß, dass du mitgeschrieben hast. Ich habe deine Anwesenheit im Klassenbuch überprüft. Es muss also deiner sein.«
»Wo ist das Problem?«
Er legte mir den Test vor die Nase. 15 Punkte! Für diejenigen, die mit dem Punktesystem nicht vertraut sind: Das entspricht einer Eins plus, also dem besten Ergebnis, das erzielt werden kann.
Meine riesige Freude darüber verhinderte zunächst, dass ich bemerkte, was meinen Lehrer so verwunderte. Erst nach einiger Zeit fiel es mir auf – und es jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. An der Stelle, an der ich meinen Namen geschrieben hatte, stand nicht »Helena Kögel«, sondern »Oskar Schiller«.
»Wer ist Oskar Schiller?«, fragte ich verwirrt.
»Das habe ich mich auch gefragt«, erklärte der Lehrer. »Der Test ist sehr, sehr gut. Deine Antworten enthalten zum Teil Dinge, die nicht einmal im Buch stehen. Die hättest du nicht lernen müssen. Ich weiß nicht, woher du sie hast … Zudem ist alles sehr gut formuliert. Du bringst Gefühle in einen Test, in dem es im Grunde nur um Fakten geht. Es ist doch dein Test, oder nicht?«, fragte er ein wenig kritisch nach, was ich ihm nicht verdenken konnte.
»Ja, das sind meine Antworten, glauben Sie mir bitte!«
»Das tue ich. Es ist deine Schrift, wenn auch ein wenig unordentlich. Und es kann nur dein Test sein.«
Ich starrte noch immer auf das Feld mit dem Namen.
»Na ja, ich wollte noch mal nachfragen. Denn ich habe es in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt, dass ein Schüler den falschen Namen auf seinen Test schreibt. Und vor allem noch sein Geschlecht ändert!« Er lachte.
Ich fand das weniger witzig. »Kennen Sie jemanden, der Oskar Schiller heißt?«, fragte ich ihn hoffnungsvoll.
Mein Lehrer schüttelte den Kopf. »Diesen Namen habe ich noch nie gehört.«
Ich wusste, dass ich ihn ebenfalls noch nie zuvor gehört hatte.
Schnell packte ich den Test ein, denn er machte mir Angst.
Als mein Geschichtslehrer wieder nach vorn ging, schüttelte er den Kopf. »Verrückt, was sich diese Jugendlichen ausdenken, um ihren alten Lehrer auf den Arm zu nehmen …«
Er war wohl zu der Überzeugung gekommen, das Ganze sei nur ein schlechter Scherz.
Ich wünschte mir, es wäre so gewesen.
4. KAPITEL
»Hey Maxi«, sprach ich meine Freundin an, als wir das Schulgebäude verließen. »Können wir uns am Nachmittag treffen?«
»Heute? Das ist schlecht, ich muss Hausaufgaben machen …«
»Bitte!«, flehte ich sie verzweifelt an.
»Wieso? Hast du einen neuen Liebeskummer-Schub?«
»Nein, das ist es nicht! Ich müsste nur mit dir reden …«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Kannst du das nicht hier tun?«
Freddy stolzierte an uns vorbei und warf mir einen arroganten Blick zu.
»Nein, es darf niemand mitbekommen.«
Sie seufzte. »Weil du es bist.«
Ich fiel ihr vor Freude um den Hals. »Danke, das ist echt lieb von dir!«
Da lachte sie. »Schön, dass ich dir so leicht eine Freude machen kann.«
*
Maxi und ich wollten uns in unserem Lieblingscafé treffen. Ich war vor ihr da und starrte nervös auf die Tür. Der Name Oskar Schiller ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Langsam, aber sicher wurde mir das alles zu viel. Es kam mir wie eine Erlösung vor, als Maxi endlich eintrat.
»Da bist du ja!«, begrüßte ich sie erleichtert und sah mich dann misstrauisch um. Ich wollte sichergehen, dass niemand aus unserer Klasse da war und uns belauschte.
»Leidest du unter Verfolgungswahn oder so?«, wollte Maxi wissen, der das nicht entging.
Ich stutzte. Vielleicht war ich wirklich kurz davor, verrückt zu werden.
Maxi stand noch immer vor dem Tisch und war damit beschäftigt, sich aus ihrer Jacke zu befreien.
»Los, setz dich!«, drängte ich sie. »Sonst haut es dich um, was ich dir erzähle.«
»Aha. Bist du wieder mit Marc zusammen?«
»Was? Natürlich nicht! Es geht um etwas ganz anderes.«
Sie sah mich gespannt an. »Dann schieß los!«
Ich atmete tief ein. »Okay … Wo fange ich nur an?«
Ihr die Wahrheit zu sagen gestaltete sich schwieriger, als ich gedacht hatte. Ich erzählte ihr, dass meine Hand die Hausaufgaben neuerdings von allein schrieb und die Worte definitiv nicht aus meinem Kopf stammten.
»Helena, das ist doch Unsinn!«
Ich seufzte verzweifelt. Wer würde so etwas auch für möglich halten?
»Du hast ein Talent in dir entdeckt, das du dir nicht erklären kannst, das ist alles«, deutete Maxi mein Geständnis.
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Das ist es nicht! Wie kann es sein, dass ich im Unterricht sitze, auf meinem Blatt herumkritzle, dabei über die Schmidt nachdenke und auf meinem Blatt plötzlich ›Das Leben kann so schön sein‹ steht? Diese Worte hatte ich nicht im Kopf und auf einmal waren sie da.«
»Ach, das hast du unterbewusst gedacht.«
Gut, dass ich mit so etwas gerechnet hatte. Ich kramte meinen Geschichtstest aus meiner Handtasche.
»Und wie erklärst du dir das?«, fragte ich, hielt ihr das Blatt unter die Nase und tippte auf das Feld, in dem der fremde Name stand.
Ihre Augen wurden groß. »Wer ist Oskar Schiller?«
»Wenn ich das wüsste! Ich habe den Namen noch nie zuvor gehört. Es ist unmöglich, dass ich ihn unterbewusst im Kopf hatte!«
Maxi sah mich nachdenklich an. »Glaubst du, dass dieser Oskar Schiller für dich den Test geschrieben hat?«
Ich lachte: »Bei dem Ergebnis liegt das nahe! Da stehen Dinge drin, die du mir nicht gesagt hast.«
Sie überflog die Antworten, dann nickte sie. »Du hast recht. Davon habe ich nie ein Wort erwähnt.«
Ich seufzte. »Vielleicht hat das Ganze etwas mit Telepathie zu tun?«
»Du meinst, dass es eine Art Gedankenübertragung zwischen dir und Oskar Schiller gibt?«
»Ja, vielleicht kann man das sogar wissenschaftlich erklären.«
Maxi überlegte. »Dann sollten wir am besten nach ihm suchen.«
»Meinst du das ernst?« Irgendwie machte mir dieser Gedanke Angst.
»Klar. Sonst kriegen wir nie raus, was es damit auf sich hat.«
»Aber … Wo fangen wir mit unserer Suche an?«
Wir gingen zu mir nach Hause und probierten alles aus, was uns einfiel, suchten im Telefonbuch, im Internet und diskutierten sogar darüber, in eine Bibliothek zu gehen. Doch Oskar Schiller blieb ein Phantom. Je länger wir rätselten, desto deprimierter wurde ich. Wieder einmal zog ich Linien und Kreise auf einem Blatt, als mein Vater eintrat.
»Papa, gut, dass du kommst«, begrüßte ich ihn. »Kennst du einen Oskar Schiller?«
Er überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.
»Noch nie gehört. Wieso?«
»Ach, nur so.«
»Helena, was ich eigentlich sagen wollte: Du musst das Katzenklo sauber machen.«
Ich nickte gequält. Als mein Vater den Raum verlassen hatte, drehte ich mich wieder zu meinem Schreibtisch um und bekam einen Schreck, der mir noch Stunden später in den Knochen steckte. Auf dem Blatt, das vor mir lag, stand: »Hört auf, nach mir zu suchen! Ich will nicht gefunden werden!«
»Ma … Maxi …«, stotterte ich und wurde kreidebleich.
Sie sprang auf und kam zu mir gelaufen. »Was ist los?«
Mit zitternder Hand wies ich auf das Geschriebene.
Auch meiner Freundin wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. »Das ist eine klare Anweisung …«, meinte sie langsam.
Mir traten vor Angst Tränen in die Augen. »Maxi … Wer ist dieser Mann? Und was will er von mir?«
Sie legte den Arm um mich. »Beruhige dich, Süße! Sieh es mal so: Er kann dir nichts tun. Wer immer das ist, er schreibt nur für dich.«
Damit hatte sie recht, dennoch heiterte mich das nicht auf.
»Ich will eine Antwort! Sag mir gefälligst, wer du bist!«, schrieb ich auf das Blatt.
»Denkst du, das kommt bei ihm an?«
»Einen Versuch ist es wert.«
Maxis Blick fiel auf ihre Uhr. »Oh Gott, schon so spät? Helena, bist du sauer auf mich, wenn ich jetzt gehe?«
Ich schüttelte den Kopf. Sie nahm ihre Jacke, dann verabschiedete sie sich.
Als sie gegangen war, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und starrte fassungslos auf das Blatt, das dort noch immer lag. Ich nahm den Stift und kritzelte darauf herum, in der Hoffnung, meine Hand würde sich wieder selbstständig machen und ich endlich meine ersehnte Antwort erhalten. Doch es tat sich nichts. Nachdem das ganze Blatt mit Kreisen und Linien bemalt war, gab ich seufzend auf. Dieser verdammte Oskar Schiller wollte mir nicht antworten, sonst hätte er es längst getan.
*
In Deutsch führte meine Hand weiterhin ihr Eigenleben, was mich wütend machte. Dieser Mann antwortete nicht auf meine Frage, nutzte mich aber aus, um aufs Papier zu bringen, was ihm wohl auf der Seele brannte. Warum schrieb er es nicht selbst auf? Warum musste er mich dazu benutzen?
Der Gedanke, dass er dazu vielleicht nicht in der Lage war, kam mir zu diesem Zeitpunkt nicht. Außerdem konnte ich ihm dankbar sein. Wenn er eingeschnappt gewesen wäre, weil ich ihn gegen seinen Willen gesucht hatte, dann hätte ich bei der Schmidt schön blöd dagestanden. Und auch die anderen aus meiner Klasse hätten mich wohl für total irre gehalten. Es war schon eine seltsame Beziehung zwischen mir und diesem Oskar Schiller. Einerseits war da mein enormer Zorn und die Angst vor ihm, andererseits Dankbarkeit.
Aber auch dieses Gefühl sollte umschlagen – und zwar an dem Tag, als wir unsere Kursarbeit schrieben. Doch zuvor musste ich noch etwas anderes verkraften.
Ich packte gerade mein Mäppchen aus, als ich unfreiwillig ein Gespräch mitbekam. Die Schmidt hatte noch einmal den Raum verlassen, um die Arbeiten zu holen, die sie im Lehrerzimmer vergessen hatte. Währenddessen hatten sich einige Schüler zusammengesetzt und plauderten.
»Marc ist ja soooo lieb zu mir«, schnappte ich auf.
Alles in mir verkrampfte sich. Hatte ich das richtig verstanden? Mein Blick ging langsam zu Maxi, die mich mitleidvoll ansah. Also hatte ich es richtig verstanden.
»Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie zärtlich er sein kann …«
Mich warf es fast von meinem Stuhl. Freddy besaß wirklich die Unverschämtheit, in meiner Anwesenheit laut von ihrer Beziehung zu Marc zu schwärmen. Tränen schossen mir in die Augen. Warum tat sie mir so etwas an?
»Immer, wenn er mich küsst, dann …«
Ich hatte das Gefühl, es würde mich in der Mitte zerreißen, als Maxi plötzlich entschlossen aufstand. Es wurde ruhig in der Klasse; alle starrten sie an, als sie wütend auf Freddy zuging. Sie baute sich vor ihr auf und holte tief Luft.
»Willst du mir etwas sagen, Maxi?«, fragte Freddy mit unschuldigem Augenaufschlag.
»Ja: Halt einfach deine Fresse!«
Freddys Kinnlade klappte herunter. Maxi drehte sich um und kam grinsend zu mir zurück.
Alle in der Klasse begannen zu lachen, nur Freddy nicht. Die hatte mit so einer klaren Ansage wohl nicht gerechnet. Ehe sie sich eine gemeine Antwort ausdenken konnte, kam die Schmidt abgehetzt wieder ins Zimmer.
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte. »Jetzt kann es endlich losgehen.« Dann teilte sie die Blätter aus, während sie fröhlich verkündete: »Ich habe ein modernes Gedicht ausgewählt. Ich denke, damit tut ihr euch leichter. Als Schülerin habe ich es gehasst, wenn ich Gedichte interpretieren musste, zu denen ich nicht den geringsten Bezug hatte.«
Aha. Ich nahm das Blatt und las es mir durch. Dieses Mal schrieb ich als Erstes sorgfältig meinen Namen auf die Arbeit: Helena Kögel. Dann setzte ich voller Tatendrang den Stift aufs Papier. Zu meinem Entsetzen tat sich nichts. Panisch schüttelte ich meine Hand. Warum zum Teufel packte mich nicht dieser überwältigende Drang zu schreiben?
Ich las das Gedicht ein zweites Mal, in der Hoffnung, das würde irgendetwas bewegen. Das tat es aber nicht. Nachdem zehn Minuten verstrichen waren und nicht ein einziges Wort auf meinem Blatt stand, geriet ich wirklich in Panik. In meiner Verzweiflung änderte ich den Namen auf der Arbeit in Oskar Schiller. Dann wartete ich auf die fabelhafte Interpretation, für die 15 Punkte das einzig akzeptable Ergebnis waren. Doch nicht einmal die Wahrheit über den unsichtbaren Autor konnte diesen dazu bewegen, etwas von seiner Weisheit preiszugeben. Es war zum Verrücktwerden.