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Intensive Wertediskussionen flackern überall dort auf, wo überkommene Haltungen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen in Frage gestellt werden. Angesichts einer zunehmenden Beschleunigung der Lebens- und Arbeitswelt, des Verlusts eines allgemein verbindlichen Wertekanons und der damit einhergehenden Orientierungslosigkeit ist es an der Zeit, die davon geprägten Werthaltungen der jungen Generation ins Auge zu fassen. Kennzeichnend für die Gesellschaft der Gegenwart sind die eng miteinander verbundenen Tendenzen zunehmender Individualisierung und Ökonomisierung. Das Individuum wird aus traditionellen Bindungen herausgelöst. An deren Stelle tritt vielfach der von allen Adjektiven entkleidete Markt. Dessen Denkfiguren gelten inzwischen auch in einst von ihm getrennten Sphären wie Familie, Bildung und Sozialsystem. Der oder die Einzelne hat sich in allen Lebensbereichen selbst zu vermarkten. Er oder sie muss als kreativ und unverwechselbar erscheinen, um Erfolg zu haben, ohne gleichzeitig von gesellschaftlichen Normvorstellungen abzuweichen. Man denke nur an die ausgefeilten Inszenierungspraktiken nicht nur junger Menschen in den sogenannten "Sozialen Netzwerken" oder an populäre Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar", wo die einzelnen KandidatInnen gezielt zu eigenständigen Marken aufgebaut werden und dabei um des Erfolges willen mitspielen (müssen). Das Buch "Generation Ego" widmet sich den Werthaltungen, die junge Menschen angesichts dieser gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln und den Strategien, die sie anwenden, um das prekäre Gleichgewicht zwischen individueller Selbstverwirklichung und dem Wunsch nach Sicherheit in einem Klima allgemeiner gesellschaftlicher Verunsicherung zu bewahren. Mit empirischen Daten und Beispielen bereichern die beiden Trend- und Jugendkulturforscher ihren Ansatz.
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Seitenzahl: 292
Veröffentlichungsjahr: 2013
Bernhard Heinzlmaier/Philipp Ikrath Generation Ego
© 2013 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien Lektorat: Stefan Kraft
ISBN: 978-3-85371-815-5 (ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-361-7)
Fordern Sie unsere Kataloge an: Promedia Verlag Wickenburggasse 5/12
Bernhard Heinzlmaier, geboren 1960 in Wien, Studium der Geschichte, Psychologie und Philosophie. Er ist Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien und Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens »tfactory« in Hamburg.
Philipp Ikrath, geboren 1980 in Wien, Studium der Theaterwissenschaften und Germanistik. Er leitet den Verein »jugendkulturforschung.de e. V.« in Hamburg und ist in der Geschäftsleitung von »tfactory« tätig.
Über Werte und Werteverlust wird seit mehr als 100 Jahren raisoniert, insbesondere dann, wenn von der Jugend die Rede ist. Wie ungerecht es ist, den Werteverlust gerade mit Blickrichtung auf die Jugend zu beklagen, hat schon in den 1970er-Jahren der österreichische Austropop kritisiert, als Wolfgang Ambros davon sang, dass die Erwachsenen eine Jugend ohne Ideale und Werte bejammern, gleichzeitig aber sie selbst es sind, die »immer nur kuschen, geldgierig, bestechlich san« (Wolfgang Ambros – »Zwickts mi«, 1974) Was dieser Liedtext wenig subtil als zentrales Argument ins Treffen führt: Dass die Erwachsenen durch ihr Beispiel selbst zu verantworten haben, wie sich die Jugend entwickelt. Denn Werte und Werteverlust kommen nicht aus den Nichts. Tugenden und Untugenden, so wissen wir seit Aristoteles, entstehen aus dem gelebten Beispiel. Wenn die Jugend tatsächlich keine Werte mehr hätte, dann wäre dies das Verdienst der Erwachsenen und ihres vorgelebten Beispiels.
Ein genereller Werteverlust der Jugend scheint unmöglich, würde das doch bedeuten, dass wir eine Generation vor uns haben, die völlig ohne Gewissen und Moral leben und handeln würde. Doch solche coolen Monster sind nicht einmal in der Postmoderne möglich. Selbst im abgeklärtesten Pragmatiker finden sich Restbestände von moralischen Werten.
Die jungen Leute leben heute nicht, wie es so oft suggeriert wird, in einem Wertevakuum, also völlig ohne Werte, sondern sie haben andere, neue Werte angenommen. Die Werte haben sich gewandelt, wurden umgewertet. Der Wertewandel ist der Sachverhalt, über den wir reden müssen und nicht über den Werteverlust.
»Daß die Welt im Argen liegt, ist eine Klage, die so alt wie die Geschichte ist.« Dieser Aphorismus geht auf Immanuel Kant zurück, einen Philosophen der deutschen Aufklärung, der von 1724 bis 1804 in Königsberg gelebt hat, einer relativ kleinen Stadt, aus der er sein Leben nicht hinausgekommen ist, wahrscheinlich deshalb, weil er das nicht wollte. Wie wir an diesem Zitat sehen können, sind Weltklage, Zeitkritik und Pessimismus keine modernen Phänomene. Vielmehr scheinen sie die ganze Menschheitsgeschichte zu durchziehen. Aber warum wird, um den Verfall der Welt zu beschreiben, immer exemplarisch die Jugend herangezogen? Weil sie notwendigerweise vieles anders macht als die Erwachsenen und damit die Welt der alten, sich im Abtreten befindlichen Generation nicht nur anders interpretiert, sondern auch tief greifend verändert. Das kränkt die Alten, weil ihr ganzes Herzblut in der alten Welt steckt, die jetzt vor ihren Augen umgekrempelt wird. Und so stellt das Lamento über die Jugend vielfach ein Bewältigungsritual der Alten dar, das diesen dabei hilft, das Verschwinden ihrer, der von ihnen hervorgebrachten Welt, besser auszuhalten. Es ist aus noch einem Grund nicht einfach für sie, die durch die Jugend initiierten Veränderungen zu verkraften, denn das langsame Verschwinden der alten Welt geht ihrem eigenen existenziellen Verschwinden nur ein kleines Stück voraus. Der Untergang der alten Welt ist die symbolische Vorwegnahme ihres eigenen Todes und deshalb emotional hoch aufgeladen.