Genetische Diversität von Echinococcus multilocularis: vergleichende Untersuchungen zweier Markersysteme - Sandra Jastrzembski - E-Book

Genetische Diversität von Echinococcus multilocularis: vergleichende Untersuchungen zweier Markersysteme E-Book

Sandra Jastrzembski

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Beschreibung

Der "kleine Fuchsbandwurm" Echinococcus multilocularis Leuckart 1863 ist auf der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet. Die genetische Diversität des Parasiten wird seit den 1990er Jahren mit verschiedenen Methoden untersucht und erwies sich dabei mit mitochondrialen Markern als relativ gering, während der Mikrosatelliten-Marker EmsB eine deutlich höhere Variabilität des Parasiten abbildete. Diese Studie befasst sich mit der Fragestellung, ob sich mit mitochondrialen Markern Rückschlüsse auf eine eventuelle Ausbreitungsrichtung des Parasiten in Europa ziehen lassen, wie dies vorher bereits mit dem Mikrosatelliten EmsB möglich war. Die Ausbreitungsgeschichte von Echinococcus multilocularis scheint anhand der hier nachgewiesenen vergleichsweise hohen genetischen Diversität, sowie dem Auftreten genetischer Hotspots in einzelnen Ländern, komplexer zu sein als bisher vermutet. Die Studie wurde als Dissertationsschrift an der Universität Hohenheim angenommen.

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Sandra Jastrzembski

GENETISCHE DIVERSITÄT VON ECHINOCOCCUS MULTILOCULARIS: VERGLEICHENDE UNTERSUCHUNGEN ZWEIER MARKERSYSTEME

Sandra Jastrzembski

GENETISCHE DIVERSITÄT VON ECHINOCOCCUS MULTILOCULARIS: VERGLEICHENDE UNTERSUCHUNGEN ZWEIER MARKERSYSTEME

D100

Dissertation der Universität Hohenheim, Institut für Parasitologie 2016.

Von der Fakultät Naturwissenschaften der Universität Hohenheim zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) genehmigte Dissertation.

Dekan:

Prof. Dr. rer. nat. Heinz Breer

1. berichtende Person:

Prof. Dr. rer. nat. Ute Mackenstedt

2. berichtende Person:

Prof. Dr. rer. nat. Johannes Steidle

Eingereicht am:

23.05.2016

Mündliche Prüfung am:

24.08.2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN Paperback:

978-3-946589-12-9

ISBN E-Book:

978-3-946589-13-6

© WFA Medien Verlag, Stuttgart

WFA Medien Verlag | Patrick Haag, Uhlandstr. 65, 71299 Wimsheim

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

www.wfa-medien-verlag.de

Genetische Diversität vonEchinococcus multilocularis:

vergleichende Untersuchungen zweier Markersysteme

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)

Fakultät Naturwissenschaften Universität Hohenheim

Institut für Zoologie Fachgebiet Parasitologie

vorgelegt von Sandra Jastrzembski aus Essen 2016

Dekan:

Prof. Dr. rer. nat. Heinz Breer

1. berichtende Person:

Prof. Dr. rer. nat. Ute Mackenstedt

2. berichtende Person:

Prof. Dr. rer. nat. Johannes Steidle

Eingereicht am:

23.05.2016

Mündliche Prüfung am:

24.08.2016

A scientist in his laboratory is not only a technician: he is also a child placed before natural phenomena which impress him like a fairy tale.

(Marie Curie)

Danksagung

Eine Doktorarbeit zu schreiben ist schon schwer genug, aber noch schwerer ist es die richtigen Worte zu finden, um meinen Dank gegenüber den vielen Personen auszudrücken, die mich auf diesem langen Weg unterstützt haben.

Zunächst gilt mein Dank natürlich Frau Prof. Dr. Ute Mackenstedt, die mir das Thema zur Verfügung gestellt und es mir ermöglicht hat, in ihrer Arbeitsgruppe die Dissertation anzufertigen.

Herrn Prof. Dr. Johannes Steidle und Herrn Prof. Dr. Peter Rosenkranz vielen Dank für die Bereitschaft, als zweiter bzw. dritter Gutachter meiner Arbeit zu fungieren.

Herrn Dr. Thomas Romig, Frau Dr. Anke Dinkel und Frau Dr. Marion Wassermann möchte ich für die gute Betreuung danken. Vielen Dank, dass ihr drei mir immer alle Fragen egal ob zur Laborarbeit, dem Fuchsbandwurm und anderen Parasiten, oder sonstigen Dingen – geduldig beantwortet habt und mir bei Problemen jederzeit zur Verfügung standet.

Allen anderen Kollegen aus dem FG Parasitologie herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit und die angenehme Arbeitsatmosphäre.

Ein besonders herzlicher Dank gilt Frau Dr. Jenny Knapp, die mich in das komplexe Thema Mikrosatelliten eingearbeitet hat und mir über all die Jahre immer wieder bei ungezählten Fragen und Problemen geduldig zur Verfügung stand. Merci beaucoup Jenny!

Auch dem gesamten Team in Besançon gilt mein herzlicher Dank für die gute Zusammenarbeit, und dass sie mich während meiner Zeit dort so herzlich aufgenommen haben.

Den Mitarbeitern des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg, insbesondere Herrn Dr. Rainer Oehme, vielen Dank dafür, dass ich dort das Sequenzieren lernen durfte.

Vielen Dank den Jägern und Jagdgemeinschaften der Schwäbischen Alb, die dem FG Parasitologie seit Jahren Füchse für Untersuchungen zur Verfügung stellen.

Conny, Steffi und Daniela aus der Tierökologie: Einfach nur Danke für die schöne Zeit!

Nicht zu vergessen Nicole und alle anderen „Biologen + 1“. Ich danke euch für die vielen Diskussionen, Aufmunterungen, Ratschläge, einfach für die Freundschaft, ein Wort, dass so viel mehr ausdrückt, als sich in Worte fassen lässt!

Meiner Familie, insbesondere meinen Eltern, möchte ich sagen, dass ich euch unendlich dankbar bin für die jahrelange Unterstützung und dass ihr immer an mich geglaubt habt. Danke!

Und zum Schluss und doch nicht zu Letzt: Danke meinem Mann Daniel, danke für alles!

Abkürzungsverzeichnis

Abb.

Abbildung

Acc.-Nr.

Accession-Number

AE

alveoläre Echinokokkose

AS

Aminosäure

atp6

Adenosintriphosphatase Untereinheit 6

BLAST

Basic Local Alignment Search Tool

bp

Basenpaar

°C

Grad Celsius

CE

Zystische Echinokokkose

cm

Zentimeter

cob

Cytochrom b

cox1

Cytochrom-C-Oxidase Untereinheit 1

DNA

Desoxyribonukleinsäure (Desoxyribo Nucleic Acid)

dNTP

Desoxyribonukleosidtriphosphat

EtOH

Ethanol

EW

Endwirt

fw

forward Primer

g

Gramm

Ht

Haplotyp

IST

Intestinal Scraping Technique

kb

Kilobasen

km

Kilometer

MgCl

2

Magnesiumchlorid

Min.

Minute

mm

Millimeter

mM

Millimolar

ms

mikrosatelliten-

mt

mitochondrial

µm

Mikrometer

NaAc

Natriumacetat

NaOH

Natriumhydroxid

nd1

NADH-Dehydrogenase Untereinheit 1

nd2

NADH-Dehydrogenase Untereinheit 2

PBS

Phosphatgepufferte Salzlösung (Phosphate Buffered Saline)

PCR

Polymerase-Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction)

pmol

Pikomol

Ref.

Referenz

rev

reverse Primer

rpm

Umdrehungen pro Minute (Rotations Per Minute)

Sek.

Sekunde

spp.

species pluralis

SSCP

Single Strand Conformation Polymorphism

Tab.

Tabelle

TBE

Tris-Borat-EDTA-Puffer

UV

ultraviolett

ZW

Zwischenwirt

Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

1.  Einleitung

1.1.  Echinococcus multilocularis

1.1.1.  Taxonomische Einordnung

1.1.2.  Morphologie

1.1.3.  Lebenszyklus und Wirtsspektrum

1.1.3.1.  Lebenszyklus
1.1.3.2.  Wirtsspektrum
1.1.3.2.1.  Europa
1.1.3.2.2.  Asien
1.1.3.2.3.  Nordamerika

1.2.  Die humane alveoläre Echinokokkose

1.3.  Geographische Verbreitung und Prävalenz

1.3.1.  Weltweit

1.3.2.  Europa

1.3.3.  Asien

1.3.4.  Nordamerika

1.4.  Mögliche Verbreitungswege

1.5.  Genetische Diversität

1.5.1.  Mitochondriale Marker

1.5.2.  Mikrosatelliten-Marker

1.6.  Ziele der Arbeit

2.  Material und Methoden

2.1.  Material

2.1.1.  Probenherkunft

2.1.1.1.  Proben EchinoRisk
2.1.1.2.  Proben Hohenheim

2.2.  Methoden

2.2.1.  Probenisolierung

2.2.1.1.  Isolierung adulter Würmer aus Füchsen mittels IST
2.2.1.1.1.  Proben Hohenheim
2.2.1.1.2.  Proben EchinoRisk
2.2.1.2.  Isolierung von Metacestoden aus Bisamen und Nutria

2.2.2.  DNA-Extraktion

2.2.2.1.  Proben EchinoRisk
2.2.2.2.  Proben Hohenheim

2.2.3.  PCR

2.2.3.1.  Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
2.2.3.2.  nested-PCR
2.2.3.3.  Gelelektrophorese
2.2.3.4.  Sequenzierung nach Sanger
2.2.3.5.  Vermeidung von Kontaminationen
2.2.3.6.  Nachbearbeitung der Ergebnisse und Auswertung

2.2.4.  Verwendete mitochondriale Marker

2.2.4.1.  Amplifizierung der vollständigen Sequenz von atp6
2.2.4.2.  Partielle Amplifikation von nd1
2.2.4.3.  Partielle Amplifikation von cox1

2.2.5.  EmsB

2.2.5.1.  Vorbereitung der Sequenzierung durch PCR
2.2.5.2.  Sequenzierung
2.2.5.3.  Nachbearbeitung der Ergebnisse und Auswertung

2.3.  Verwendete Materialien und Chemikalien

3.  Ergebnisse

3.1.  Ergebnisse der mitochondrialen Marker

3.1.1.  atp6

3.1.2.  nd1

3.1.3.  cox1

3.1.4.  Konkatenierte Sequenzen

3.2.  Ergebnisse des Mikrosatelliten-Markers EmsB

3.3.  Vergleich der Ergebnisse der verwendeten Markersysteme

3.4.  Genetische Diversität in Europa

3.4.1.  Allgemeine Darstellung

3.4.2.  Darstellung der genetischen Diversität mit Diversitätsindex

3.4.3.  Vergleich der mit beiden Methoden erhaltenen genetischen Diversität

3.5.  Mischinfektionen

3.6.  Andere Wirtstiere

4.  Diskussion

4.1.  Morphologische und genetische Einordnung von Echinococcus multilocularis

4.2.  Mitochondriale Marker

4.3.  EmsB

4.4.  Die genetische Diversität von Echinococcus multilocularis in Europa

4.4.1.  Vergleich der Ergebnisse der beiden Markersysteme

4.4.2.  Mischinfektionen

4.4.3.  Andere Wirtstiere

4.4.4.  Geographische und genetische Hintergründe

5.  Zusammenfassung

6.  Abstract

Literaturverzeichnis

Tagungsbeiträge

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

Lebenslauf

1. Einleitung

1.1.Echinococcus multilocularis

1.1.1.Taxonomische Einordnung Einleitung

Der 1863 erstmals von Leuckart beschriebene „kleine Fuchsbandwurm“ Echinococcus multilocularis ist einer der kleinsten Vertreter der Cestoda.

Taxonomisch gehört er innerhalb der Plathelminthes zur Klasse der Cestoda, Ordnung Cyclophyllidea. Die Familie Taeniidae wiederum besteht aus den Gattungen Taenia, Echinococcus, Hydatigera und Versteria (Nakao et al. 2013a).

Tab. 1: Taxonomische Einordnung vonE. multilocularis

Stamm: Plathelminthes (Plattwürmer)

Klasse: Cestoda (Bandwürmer)

Ordnung: Cyclophyllidea

Familie: Taeniidae

Gattung:EchinococcusRudolphi, 1801

Art:E. multilocularisLeuckart, 1863

Innerhalb der GattungEchinococcushat es in den letzten Jahren aufgrund neuer molekularbiologischer Daten größere Umstrukturierungen gegeben. NebenE. multilocularis, welcher im Menschen die sogenannte alveoläre Echinokokkose verursacht, gibt es die in Südamerika vorkommenden ArtenE. vogeliundE. oligarthra,welche die polyzystische Echinokokkose verursachen. 2005 wurde in China eine weitere Art beschrieben,E. shiquicus,die neben dem weltweit verbreiteten Artkomplex vonE. granulosusdie zystische Echinokokkose verursacht (Xiaoet al. 2005). Außerdem wurde 2008 von Hüttneret al. betätigt, dassE. felidisals eigenständige Art angesehen werden muss und somit nicht mehr als Strain vonE. granulosusangesehen werden kann. Eine Aufzählung der nach aktuellen Erkenntnissenbestätigten Arten und Strains vonEchinococcus granulosussensu lato findet sich in Tabelle 2. Neben genetischen Unterschieden unterscheiden sich die einzelnen Arten auch morphologisch und anhand ihrer Zwischenwirte.

Tab. 2: Liste der bestätigten Arten vonE. granulosussensu lato (verändert nach Nakaoet al. 2013b)

1.1.2.Morphologie

Die Größe der Adulti vonEchinococcus multilocularisbeträgt etwa 1-4mm und sie besitzen 4-5 Proglottiden. Am Scolex sitzen vier Saugnäpfe und ein zweireihiger Hakenkranz, womit sich der Fuchsbandwurm zwischen den Darmzotten festheftet. Die Nahrungsaufnahme findet über die Körperoberfläche statt, da Cestoda keinen Darm besitzen. In den Proglottiden der zwittrigen Würmer befinden sich sowohl die männlichen als auch die weiblichen Fortpflanzungsorgane. Die letzte gravide Proglottis ist, anders als beiE. granulosus, weniger als halb so lang wie der gesamte Wurm und enthält die befruchteten Eier und löst sich ab, um dann mit dem Kot des Wirts ausgeschieden zu werden (Eckertet al. 2001, Lucius & Loos- Frank 2008).

Abb.1: AdulterEchinococcus multilocularis(Foto: FG Parasitologie, Universität Hohenheim)

Nach der Befruchtung (üblich ist beiEchinococcusdie Autogamie, also Selbstbefruchtung, während Heterogamie (Befruchtung zwischen verschiedenen Individuen) nur sehr selten auftritt) löst sich die gravide Proglottis ab und wird mitsamt den in ihr enthaltenen 200-300 embryonierten Eiern mit dem Kot des Wirtsausgeschieden. Die Eier des Parasiten haben einen Durchmesser von 30-40µm und enthalten das erste Larvenstadium, die Onkosphäre. Aufgrund ihrer keratinisierten Embryophore sind sie sehr resistent gegen Umwelteinflüsse und können unter günstigen Bedingungen (leichte Feuchtigkeit und Temperaturen zwischen 4 und 15°C) mehrere Monate überdauern. Hohe Temperaturen und Austrocknung überstehen sie dagegen nicht. Rein morphologisch lassen sich die Eier der Taeniiden nicht unterscheiden (Eckertet al. 2001, Lucius & Loos-Frank 2008).

Im Zwischenwirt werden die Onkosphären frei und gelangen über die Darmwand in den Blutstrom. Anschließend siedelt sich das zweite Larvenstadium, der so genannte Metacestode, insbesondere in der Leber an, wo eine ungeschlechtliche Vermehrung stattfindet. Es bilden sich dicht zusammenliegende, in Parasitengewebe eingebettete 2-15mm große Vesikeln, welche aus einer äußeren, azellulären Laminarschicht und einer inneren Keimschicht aufgebaut sind und das Wirtsgewebe infiltrieren. In ihnen liegen in einer gallertigen Substanz die Protoskolizes. In Gegensatz zuE. granulosusbilden sich keine flüssigkeitsgefüllten Blasen (Eckertet al. 2001).

Die Larvenmasse wächst durch exogene Knospung tumorartig immer weiter in gesundes Gewebe hinein. Diese Wachstumsform wird auch als alveolär bezeichnet, woher beim Menschen der Name der Erkrankung „alveoläre Echinokokkose“ stammt (Eckertet al. 2001).

1.1.3.Lebenszyklus und Wirtsspektrum

1.1.3.1. Lebenszyklus

Der sylvatische Lebenszyklus vonE. multilocularisist ein Räuber- Beute- Zyklus, in den Caniden als Endwirte und deren Beutetiere als Zwischenwirte involviert sind. Hunde und sehr selten Katzen kommen ebenfalls als Endwirte in Frage, wenn sie infizierte Nagetiere fressen. Der Mensch, der sich über die orale Aufnahme der Eier infizieren kann, ist aufgrund der evolutionären Sackgasse, die er für den Parasiten bildet, ein Fehlzwischenwirt.

Abb.2: Lebenszyklus vonEchinococcus multilocularis (Abbildung: Dr. T. Romig, Universität Hohenheim)

Die Adulti leben im Darm der Endwirte, wo sie zwischen den Darmzotten angeheftet über ihr Tegument Nahrung aufnehmen. Im Endwirt findet auch die Fortpflanzung über Selbstbefruchtung (selten auch Kreuzbefruchtung) statt. Die die Eier enthaltende gravide Proglottis löst sich ab und wird mit dem Kot des Wirts ausgeschieden, wobei sie aufreißt und die Eier frei werden.

Diese werden von den Zwischenwirten mit der Nahrung, oder auch über kontaminiertes Trinkwasser, aufgenommen. Im Darm des Zwischenwirts schlüpft aus den Eiern die Onkosphäre, durchdringt die Darmwand und wird mit dem Blutstrom in die Leber gespült, wo sich der Metacestode, das zweite Larvenstadium bildet. Auch im Larvenstadium findet in den sich bildenden Brutkapseln eine, in diesem Fall asexuelle, Vermehrung durch Knospung statt und es entwickeln sich Protoskolizes (Eckertet al. 2001).

Im natürlichen Zwischenwirt findet dieses Wachstum in relativ kurzer Zeit statt, während es im Menschen über viele Jahre stattfindet und es entstehen oft nur wenige, oder auch gar keine Protoskolizes. Ein möglicher Grund ist die jeweilige Lebensspanne des Wirts, wobei der Mensch generell kein geeigneter Wirt zu sein scheint, da dieser oft keine graviden Metacestoden aufweist.

Frisst nun ein Endwirt einen infizierten Zwischenwirt, so entwickeln sich in dessen Darm aus den Protoskolizes wieder adulte Würmer und der Zyklus ist geschlossen.

Im Endwirt ist die Erkrankung asymptomatisch, während sie für (Fehl-) Zwischenwirte immer tödlich verläuft. Neben dem Menschen gibt es noch weitere Fehlwirte. Dazu zählen Haushund, Pferd, Schwein, Wildschwein, Nutria, sowie verschiedene Affenarten (Eckert & Deplazes 2004).

Der Zyklus findet nicht nur in ländlichen/ wenig besiedelten Regionen statt, sondern etabliert sich durch die zunehmende Einwanderung von Füchsen immer häufiger auch in Städten. Diese finden dort zusätzlich zu ihren (im Lebenszyklus vonE. multilocularisals Zwischenwirt dienenden) Beutetieren eine große Anzahl weiterer Futterquellen, insbesondere Nahrungsabfälle des Menschen (Deplazeset al. 2004).

1.1.3.2. Wirtsspektrum

Je nach Land und Region kann ein mehr oder weniger breites Wirtsspektrum in den Zyklus involviert sein. Zusätzlich zu den im Folgenden beschriebenen Wirten können auch Neozoen als End- oder Zwischenwirte in Frage kommen.

1.1.3.2.1. Europa

Hauptendwirt vonEchinococcus multilocularisin Europa ist der Rotfuchs (Vulpes vulpes), auf der norwegischen Insel Spitzbergen dient der Eisfuchs (Vulpes lagopus)als Endwirt. Bei Haushunden (Canis familiaris) und Katzen (Felis catus) wurde nachgewiesen, dass sich durch natürliche Infektion Eier- produzierende Stadien bilden können. Hunde sind jedoch deutlich stärker empfänglich für eine Infektion als Katzen. Eine Infektion bei Hunden und Katzen ist allerdings nur möglich, wenn sie die Gelegenheit haben, mit dem Fuchsbandwurm befallene Mäuse zu fressen. Auch der aus Asien eingewanderte Marderhund dient dem Parasiten als Endwirt. Als Zwischenwirte dienen dem Fuchsbandwurm in Europa hauptsächlich Feldmaus (Microtus arvalis) und Schermaus (Arvicola terrestris), aber auch Bisame (Ondatra zibethicus) können als Zwischenwirt fungieren. Selten wurde ein Befall bei Schneemaus (Microtus nivalis), Kurzohrmaus (Pitymys subterraneus), Rötelmaus (Myodes glareolus), Hausmaus (Mus musculus) und Feldhase (Lepus europaeus) nachgewiesen (Eckertet al. 2001; Vuittonet al. 2003; Jenkinset al. 2005; Romiget al. 2006, Chaignatet al. 2015).

Zu erwähnen sei hier, dass nach aktuellem KenntnisstandArvicola terrestrisnicht mehr als einzelne Art angesehen wird, sondern sich in 2 Arten aufteilt,Arvicola schermanundArvicola amphibius(Wilson & Reeder 2005). Da im überwiegenden Teil der Literatur jedoch weiterhin vonA. terrestrisgesprochen wird und insbesondere aus älteren Studien nicht eindeutig hervorgeht, welche Art gemeint ist, wird in der vorliegenden Arbeit allgemein vonA. terrestrisgesprochen.

1.1.3.2.2. Asien

In Asien dienen neben dem Rotfuchs (Vulpes vulpes) auch Eisfuchs (Vulpes lagopus), Steppenfuchs (Vulpes corsac), Wolf (Canis lupus), Haushund (Canis lupus familiaris), Schakal (Canis aureus), Marderhund (Nyctereutes procyonoides) und Tibetfuchs (Vulpes ferrilata) als Endwirte. Auch Wild- und Hauskatzen kommen hier als Endwirte in Frage. Zwischenwirte in Asien sind etwa 30 verschiedene Arten von Säugetieren u.a. der GattungenMicrotus, Arvicola, Meriones, Clethrionomys, Lagurus, undLemmus. Weiter dienen auch der aus Amerika eingeschleppte Bisam, Erdhörnchen, Spitzmäuse, Murmeltiere und zwei Arten der Lagomorpha (Pika (Ochotona curzoniae)und Tibetanischer Wollhase (Lepus oiostolus)) als Zwischenwirte (Eckertet al.2001; Vuittonet al. 2003).

1.1.3.2.3. Nordamerika

Endwirte in Nordamerika sind Eisfüchse (Vulpes lagopus), Rotfüchse (Vulpes vulpes), Kojoten (Canis latrans), Wölfe (Canis lupus) und Graufüchse (Urocyon cinereoargenteus). Auch hier kommen Haushunde und Katzen als Endwirte in Frage. Als Zwischenwirte dienen je nach Region nordische Wühlmäuse (Microtus oeconomus), sibirischer Lemming (Lemmus sibiricus), Polarrötelmäuse (Clethrionomys rutilus), Spitzmäuse (Soricidae), Hirschmäuse (Peromyscus maniculatus), Wiesenwühlmäuse (Microtus pennsylvanicus), Buschschwanzratte(Neotoma cinerea), Hausmaus und Bisam (Eckertet al. 2001; Jenkinset al. 2005).

1.2. Die humane alveoläre Echinokokkose

Der Mensch infiziert sich nur selten mit dem Fuchsbandwurm und der genaue Infektionsweg ist nicht sicher geklärt. Eine Infektion ist nur möglich über die orale Aufnahme der Eier. Als Infektionsquelle werden immer wieder kontaminiertes Wasser, oder Nahrungsmittel, wie verschiedene Beeren, Gemüse, Salat und Kräuter, genannt, was jedoch bislang nicht belegt werden konnte. Auch der Umgang mit infizierten Endwirten und eine Hand- zu- Mund- Übertragung ist möglich, dies insbesondere bei Hundehaltern und Jägern (Eckertet al.2001).

Nachdem die Onkosphären im Magen aus den Eiern geschlüpft sind durchdringen sie die Darmwand und gelangen über die Pfortader in die Leber. Hier bilden die Metacestoden keine Zysten wie beiE. granulosus, sondern eine kompakte Larvenmasse aus kleinen Bläschen mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu hin zu 20cm. Neben der Leber können auch andere Organe befallen sein, dieskommt jedoch nur selten vor. Symptome treten meist erst nach einer Inkubationszeit von fünf bis 15 Jahren auf. Diese äußern sich in je einem Drittel der Fälle durch Gelbsucht bzw. Schmerzen im Rumpfbereich und in einem weiteren Drittel durch Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, so wie Lebervergrößerung (Eckertet al. 2001; Brunettiet al. 2010).

Die Diagnose erfolgt mit bildgebenden Verfahren, wie Ultraschall und Computertomographie und/ oder serologischen Nachweis, Histopathologie und molekularbiologische Methoden wie PCR. Unbehandelt führt die Erkrankung in den meisten Fällen zum Tod. Eine ausschließlich operative Entfernung des Metacestodengewebes ist aufgrund von dessen krebsartigem Wachstum oft nicht ausreichend. Daher erfolgt die Behandlung sowohl über eine Operation, als auch über die Verabreichung von Benzimidazol- Derivaten (Albendazol, Mebendazol). Eine vorbeugende Impfung ist bislang nicht vorhanden (Brunettiet al. 2010).

1.3. Geographische Verbreitung und Prävalenz

1.3.1.Weltweit

Das Vorkommen vonEchinococcus multilocularisist in Abhängigkeit seiner Wirte auf die Nordhalbkugel beschränkt. Die Prävalenzen sind je nach Land bzw. Region sehr unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren abhängig, z.B. von dort Dichte der Wirtspopulationen, dem Alter und der Ernährung der Wirte, aber auch von Landschaftsformen und Umwelteinflüssen. So kann der Anteil befallener Tiere sowohl über weite Gebiete als auch in eng begrenzten Regionen stark variieren. Zu beachten ist hierbei, dass Daten zum Befall oft abhängig sind von der Anzahl untersuchter Wirtsorganismen und den verwendeten Untersuchungsmethoden.

Endemische Regionen im Verbreitungsgebiet vonEchinococcus multilocularissind vor allem Teile Nordamerikas, Mitteleuropas und Nord- und Zentralasiens (Eckertet al. 2001).

Abb.3: Weltweite Verbreitung vonE. multilocularisauf der nördlichen Hemisphäre (aus Torgersonet al. 2010)

1.3.2. Europa

Der ursprüngliche Fokus des kleinen Fuchsbandwurms umfasste um 1980 Teile der Schweiz und Österreichs, so wie Süddeutschland und den Osten Nordfrankreichs (Eckertet al.2001). Dort und auch in anderen heute bekannten Endemiegebieten wie der Slowakei, Polen und Holland ist die Prävalenz in Füchsen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Dabei ist jedoch unklar, ob der Parasit in ursprünglich nicht endemischen Ländern tatsächlich nicht vorkam und erst im Laufe der Zeit von Füchsen eingeschleppt wurde. Möglich ist jedoch auch, dass er in diesen Regionen bereits lange etabliert war und nur aufgrund der steigenden Prävalenzen und gleichzeitig vermehrt durchgeführter Untersuchungen erst kürzlich nachgewiesen wurde (Romiget al. 2006).

Heute istEchinococcus multilocularis