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Gerechte Helden: 2 Fantasy Romane von Alfred Bekker, Konrad Carisi Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Fantsy-Abenteuer: Stadt der Helden (Alfred Bekker) Rador der Gerechte (Konrad Carisi) Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich nach Zauber City, eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen. Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin. Er muss die Welt, die er geschaffen hat vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinaus wachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereit hält, als er für möglich hielt. In Maxwells Welt existiert das Empire fort, und es gibt es Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Manche von ihnen werden Superschurken, andere Superhelden. Einer dieser Begabten tötet seine Eltern! Maxwells Welt bricht zusammen. Doch dann bietet sich ihm die Gelegenheit, Rache zu nehmen und dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, wieso seine Eltern sterben mussten.
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Seitenzahl: 324
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Gerechte Helden: 2 Fantasy Romane
Alfred Bekker and Konrad Carisi
Published by Alfred Bekker, 2021.
Title Page
Gerechte Helden: 2 Fantasy Romane
Copyright
Stadt der Helden
Stadt der Helden – All Age Fantasy
Die Stadt der Magie
Der magische Zeichner
Die veränderte Zeichnung
Dunkelauges Schreckensherrschaft
Verwirrende Träume
Eine seltsame Begegnung
Zauber City braucht Hilfe
Der Schöpfer trifft auf seine Geschöpfe
Gondolas, der Elf
In der geheimen Wohnung
Finn gegen Dunkelauge
In Sicherheit
In der Tiefenstadt
Das Duell am Weltentor
Die Entscheidung
Meine Stadt
Don't miss out!
About the Author
About the Publisher
Rador der Gerechte
Rador der Gerechte
Copyright
Kapitel 1: Alte Rache
Kapitel 2: Ein Held sein
Kapitel 3: Jagd auf den Doktor!
Kapitel 4: Die Falle
Kapitel 5: Schuld und Unschuld
Kapitel 6: Der echte Knochenbrecher
Kapitel 7: Der Bunker
Kapitel 8: Ein neuer Rador
Don't miss out!
Further Reading: Alle Orks! Sieben Fantasy Abenteuer
About the Author
About the Publisher
Gerechte Helden: 2 Fantasy Romane
von Alfred Bekker, Konrad Carisi
Über diesen Band:
Dieser Band enthält folgende Fantsy-Abenteuer:
Stadt der Helden (Alfred Bekker)
Rador der Gerechte (Konrad Carisi)
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Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich nach Zauber City, eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen.
Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin.
Er muss die Welt, die er geschaffen hat vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinaus wachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereit hält, als er für möglich hielt.
––––––––
In Maxwells Welt existiert das Empire fort, und es gibt es Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Manche von ihnen werden Superschurken, andere Superhelden. Einer dieser Begabten tötet seine Eltern!
Maxwells Welt bricht zusammen. Doch dann bietet sich ihm die Gelegenheit, Rache zu nehmen und dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, wieso seine Eltern sterben mussten.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / COVER Motiv Vernet und Oeckl - Steve Mayer 2020
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Stadt der Helden
Alfred Bekker
Published by BEKKERpublishing, 2019.
Table of Contents
UPDATE ME
Roman von Alfred Bekker
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 167 Taschenbuchseiten.
Niemand kannte seinen wahren Namen und doch wusste jedes Kind, wer er war. Er stand auf dem Dach des Wizard State Building, einem der größten Wolkenkratzer weit und breit. Von hier aus hatte man einen hervorragenden Blick über das Labyrinth aus tiefen Straßenschluchten, Hochhäusern, Wohnblocks, Geschäften, Fabriken, Hafenanlagen - kurz: über die ganze Stadt, die so gewaltig und groß war wie keine andere. Im Westen reichte sie über den Horizont hinaus. Im Osten glitzerte das Meer. Abertausende von Flugzeugen, Helikoptern und von Magie betriebene Luftschiffe schwebten über den Dächern.
Das war Zauber City - die Stadt der Magie.
Meine Stadt, dachte der junge Mann auf dem Wolkenkratzer. Die Stadt, die ich zu beschützen habe! Er schlug die Kapuze seines Umhangs nach hinten. Er lauschte dem Lärm, der aus den Straßen zu ihm hinaufdrang. Und dabei wurden seine Augen pechschwarz. Nichts Weißes war darin jetzt noch zu sehen. Das geschah immer dann, wenn er seine magischen Kräfte sammelte.
Dunkelauge - so nannte man ihn deswegen auch. Und unter diesem Namen war er nahezu allen Einwohnern von Zauber City bekannt.
Dunkelauge - der mächtigste Magier von Zauber City und ihr Beschützer gegen die Mächte des Bösen.
Er murmelte eine Formel, um seine Augen und Ohren magisch zu verstärken. Denn durch all den Lärm der Stadt hatte er noch etwa Anderes wahrgenommen. Etwas, das ihm Sorge bereitete.
Da kommt etwas aus großer Tiefe, erkannte er. Das Wasser hörte plötzlich auf, in der Sonne zu glitzern. Ein gewaltiges, drachenartiges Ungeheuer tauchte aus den Fluten empor. Dieser Drache war so gewaltig, dass sein Maul groß genug gewesen wäre, um eines der Luftschiffe zu verschlingen, die auf die Stadt zuschwebten. Die Kreatur sprang mit enormer Kraft aus dem Wasser, breitete die lederhäutigen Flügel aus und kämpfte sich mit schwungvollen Schlägen seiner Schwingen in die Lüfte empor. Ein Feuerstrahl schoss aus dem Drachenmaul hervor und verfehlte eines der Luftschiffe nur knapp. Wäre es ein gewöhnliches Luftschiff gewesen, hätte es vermutlich eine Explosion gegeben, aber so entging es der Feuersbrunst. Mehrere Flugzeuge, die sich im Anflug auf die verschiedenen Flughäfen von Zauber City befanden, gingen auf Ausweichkurs. Das Wesen ruderte heftig mit seinem Flügeln, stieß noch eine lange Flammenzunge hervor und sank dann wieder ins Wasser. Wolken aus grauem Dampf bildeten sich, als der Drache untertauchte. Das Wasser begann durch seinen heißen Atem zu kochen. Die Wellen, die der riesenhafte Körper in Bewegung setzte, brachten einige Schiffe in Schwierigkeiten. Und bei den Piers am Hafen schwappte das Wasser über die Ufer.
„Ich werde etwas tun müssen“, sagte Dunkelauge. Und dabei umfasste seine rechte Hand den Zauberstab, den er im Gürtel stecken hatte. Dunkelauge murmelte eine Formel vor sich hin. Seine Gestalt löste sich dabei in schwarzen Rauch auf.
„Hey, die Pause ist zu Ende“, flötete Annas Stimme ihm von der Seite ins Ohr. Finn zuckte regelrecht zusammen. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Anna ihm offenbar schon eine ganze Weile dabei zugesehen hatte, wie er seinen Comic fortgesetzt hatte. Finn hatte gerade noch die letzten Worte in die Sprechblase schreiben können. „Ich werde etwas tun müssen“, hatte sein Held Dunkelauge, der mächtigste Zauberer von Zauber City gesagt, nachdem er vom Dach eines Hochhauses aus gesehen hatte, wie der Drache aus dem Meer aufgetaucht war.
„Hat es wirklich schon geklingelt?“, fragte Finn.
„Ja, sicher.“
Er hatte es nicht gehört. Aber so etwas passierte nicht zum ersten Mal. Wenn Finn an seinen Comics arbeitete und der Stift nur so über das Papier tanzte, bemerkte er kaum noch etwa von dem, was in seiner Umgebung so vor sich ging. Dann versank er völlig in der Welt seiner Helden in Zauber City, dieser Stadt voller phantastischer Kreaturen, in der Magie etwas ganz Selbstverständliches war. Eine Kraft, die für das Leben dort ebenso wichtig war, wie es in der realen Welt vielleicht für die Elektrizität galt.
Wenn Finn an den Abenteuern vom Dunkelauge weiterzeichnete, dann geriet er nicht selten in einen regelrechten Rausch. Nur die Geschichte war dann wichtig und er bekam in solchen Situationen regelmäßig das Gefühl, selbst ein Teil der Geschichte zu sein. Sein Zeichenstift raste dann nur so über das Papier und er war oft selbst erstaunt, was er dann anschließend auf dem Papier hatte.
Aber jetzt hatte er erst einmal eine Stunde Mathematik. Und das war nun wirklich nicht sein stärkstes Fach. Aber wenn er die Klasse noch schaffen wollte, dann musste er sich gerade in Mathe wohl oder übel noch ziemlich anstrengen.
„Du kannst das toll“, sagte Anna, noch bevor er es geschafft hatte, seinen Block wieder in die Tasche zu packen.
Finn sah sie etwas verwirrt an. „Wie bitte?“
„Comics zeichnen, meine ich.“
„Also ehrlich gesagt...“
„Ja, ich weiß, du kannst es nicht leiden, wenn man dir über die Schulter sieht! Das hast du ja schonmal gesagt.“
„Ja, nur scheint das niemand besonders ernst zu nehmen.“
„Hast du schon eine Ahnung, wie die Geschichte weitergehen soll?“
„Keine Ahnung.“
„Greift der Drache noch einmal an? Lässt du ihn etwa Teile der Stadt in Schutt und Asche legen, bevor Dunkelauge ihn schließlich besiegen kann?“ Sie lächelte und Finn sah sie stirnrunzelnd an. „Man könnte denken, dass deine Bilder im nächsten Augenblick lebendig werden und einem aus dem Bild entgegenspringen.“
„Es könnte besser sein“, gab er bescheiden zurück.
„Nein, du hast echt Talent“, meinte Anna. „Du solltest eines Tages mal was daraus machen.“
Finn hatte seine Sachen zusammengepackt. Der Schulgong ertönte zum zweiten Mal und das bedeutete, es wurde jetzt wirklich Zeit. Wenn Herr Bartmann, sein Mathelehrer etwas wirklich hasste, dann war das, wenn jemand zu spät in seinen Unterricht kam.
„Du könntest Comic-Zeichner werden und deine eigenen Serien entwickeln. Und vielleicht wird dann sogar eine deiner Geschichten verfilmt, sowie Batman oder Superman!“
Finn seufzte, während sie den Warteraum für die Busfahrschüler verließen, wo Finn oft seine Pausen verbrachte, weil es dort Tische gab und einen meistens auch niemand störte. „Ja, eines Tages...“, murmelte er.
Eines Tages als Comic-Autor zu arbeiten und sein Geld mit dem Erfinden und Zeichnen von Geschichten zu verdienen - das war natürlich sein großer Traum. Davon abgesehen war es auch das einzige, was er anscheinend ganz gut konnte, auch wenn Finn selbst mit seinen Comics selten wirklich zufrieden war. Aber zurzeit war er noch ein Zwölfjähriger, der darum kämpfen musste, dass er das Schuljahr schaffte.
Sie rannten jetzt durch die große Pausenhalle. Dort waren kaum noch Schüler. Dann ging es eine Treppe hoch. Finn nahm immer zwei bis drei Stufen mit einem Schritt, um schneller zu sein. Anna blieb ihm auf den Fersen.
„Eine Frage könntest du mir eigentlich noch beantworten“, meinte Anna, die im Gegensatz zu Finn kaum außer Atem war. Musste wohl daran liegen, dass sie zwei bis dreimal die Woche zum Leichtathletik-Training ging.
„Wir kommen zu spät“, hielt Finn ihr entgegen.
„Wieso hast du dem Mädchen mein Gesicht gegeben?“
„Was für einem Mädchen?“
„Dem aus deiner Geschichte.”
„In dieser Geschichte spielt bisher gar kein Mädchen mit.“
„Ich habe es aber gesehen.“
„Dann hast du was mit den Augen.”
Sie erreichten den Flur an dem der Klassenraum lag. Herr Bartmann unterhielt sich noch mit einer Kollegin, sodass Finn und Anna an ihm vorbei in den Klassenraum huschen konnten. Nochmal Glück gehabt, dachte Finn.
Wenig später, als Herr Bartmann mit seinem Unterricht schon angefangen hatte, nahm Finn unterm Tisch noch einmal seinen Block hervor. Sein Blick glitt kurz über die letzten Seiten seines Comics. Tatsächlich, durchfuhr es ihn. In der Szene, als der Drache aus dem Meer aufgetauchte und dabei nach dem Luftschiff schnappte und anschließend wieder ins Wasser tauchte, flüchteten Passanten und Hafenarbeiter von den Piers und Landungsstegen am Hafen, die wenig später von Wellen überspült wurden. Unter den Flüchtenden waren auch ein paar Zwerge und Oger. Magische Kreaturen aller Art gehörten in Zauber City, so wie Finn es erfunden hatte, zum normalen Straßenbild. Es gab Elfen, Vampire, Orks, vierarmige Riesen, Echsenmenschen und unzählige anderer Geschöpfe. Und da es in der Stadt ein Weltentor gab, mit dessen Hilfe eine Verbindung zu anderen Welten und Zeiten aufgebaut werden konnte, kamen ständig weitere, bisher unbekannte Geschöpfe hinzu.
Finn runzelte die Stirn.
Das gibt es doch nicht, durchfuhr es ihn, als er das Feenmädchen entdeckte.
Das war Aylin. Sie kam in einer anderen Folge von Dunkelauges Abenteuern vor, das Finn sich schon vor einiger Zeit ausgedacht und gezeichnet hatte. Das Aylin Ähnlichkeit mit Anna hatte, war Finn bisher gar nicht bewusst gewesen. Na gut, beide hatten seidiges dunkles langes Haar, große Augen und ein feingeschnittenes Gesicht. Aber das war’s auch schon an Ähnlichkeiten, fand Finn. Anna sollte sich nur nichts einbilden. Spitze Ohren, wie sie allen Angehörigen des Feenvolks - ebenso wie Elfen und Halblingen - eigen waren, stachen bei Anna jedenfalls nicht aus dem Haar hervor.
Und dass sich ein Künstler von tatsächlich existierenden Personen inspirieren ließ, war doch schließlich nichts Ungewöhnliches.
Abgesehen davon beschäftigte ihn eine andere Frage viel mehr, als dass Anna jetzt glaubte, er hätte sie in seinem Comic verewigt.
Wie um alles in der Welt kam Aylin in dieses Bild?
Schließlich war er sicher, sie nicht dorthin gezeichnet zu haben. In dieser Geschichte spielte sie nämlich gar nicht mit.
Davon abgesehen war sie ziemlich auffällig platziert. Sie war die einzige unter all denen, die vor den herannahenden Wellen flüchteten, die trotz der Gefahr stehen blieb und sich dem Betrachter zudrehte.
Sie schien einen geradezu anzustarren. Ihr Mund war geöffnet so als wollte sie etwas sagen.
Das habe ich nicht gezeichnet, durchfuhr es ihn. Noch etwas fiel ihm auf, was ihn beunruhigte. Da war ein schwungvoller Bogen, der eigentlich nur eins sein konnte: Eine halbfertige Sprech- oder Denkblase!
Das macht doch alles keinen Sinn, ging es ihm durch den Kopf. Wieso sollte ich eine Sprech- oder Denkblase für eine Person zeichnen, die in der Geschichte gar nicht vorkommt und deswegen auch nichts zu sagen hat?
„Es wäre sehr nett, wenn du vielleicht langsam auch mal dein Heft herausnehmen würdest, damit wir die Hausaufgaben vergleichen können“, hörte er Herrn Bartmanns Stimme in seinem Nacken.
„Ich...“
Noch ehe Finn seinen Block wieder in der Tasche verschwinden lassen konnte, hatte Herr Bartmann ihn bereits in der Hand. Er betrachtete stirnrunzelnd einige der Blätter. Und während er sie sich ansah, wurde sein Stirnrunzeln immer deutlicher. „Anscheinend haben wir ja einen richtigen Künstler in der Klasse“, sagte er und der Klang seiner Stimme verhieß nichts Gutes. Herr Bartmann hielt eines der Blätter hoch. „Spannende Abenteuer mit Superhelden und Drachen. Allerdings hatte ich eigentlich erwartet, dass du anstatt dieser übernatürlichen Bedrohung erst einmal die ganz reale Katastrophe abwendest, die dich am Ende des Schuljahres erwartet, wenn es dir nicht gelingt, doch noch deine Leistungen im Fach Mathematik zu verbessern.“
Finn schluckte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Eine Gardinenpredigt von Herrn Bartmann. Er konnte sich jetzt ungefähr vorstellen, was jetzt noch kommen würde. „Es wäre wirklich seht viel besser, wenn du nicht deine sämtlichen geistigen Kräfte dafür verschwenden würdest, dir Geschichten über Gruselkreaturen und Superhelden auszudenken, anstatt vielleicht in der Realität mal etwas zu Stande zu bringen - gerne auch zum Beispiel in der nächsten Mathematikarbeit.“
––––––––
„Mach dir nichts draus“, sagte Anna, als sie nach der Stunde den Klassenraum verließen und sich wieder beeilen mussten, um rechtzeitig in den Chemieraum zu kommen. Herr Bartmann hatte nämlich mal wieder überzogen. „Man muss an sich glauben, ganz egal, was irgendwelche Idioten sagen! Auch wenn sie zufällig Lehrer sind und keine Gelegenheit verstreichen lassen, um einen glauben zu lassen, dass man niemals in seinem Leben auch nur irgend etwas Vernünftiges zustande bringen wird!“
„Danke, aber das sagt sich leichter als es ist“, gab Finn zurück.
„Na du Superheld!“, rief ihm der der rothaarige Nick grinsend hinterher. „Ich dachte eigentlich, du bist mehr als Schwachkopf bekannt!“
Ein paar Mädchen standen in der Nähe und kicherten.
„Selber Schwachkopf!“, knurrte Finn. Sie kannten sich schon seit dem Kindergarten und hatten sich vom ersten Moment an nicht leiden können. Einen richtigen Grund gab es dafür nicht. Und dass die sich mal in der Grundschule schlimm geprügelt hatten, war eigentlich auch viel zu lange her, um sich deswegen noch zu hassen.
Wann immer Nick Finn über den Weg lief, machte er irgendeine gemeine Bemerkung. Nick wusste genau, was Finn auf die Palme brachte. Und ein paar Lacher waren meistens auch genau im richtigen Moment in der Nähe. Fast wie bestellt. Finn wusste dann meistens nicht, was er darauf sagen sollte. Innerlich kochte er dann und fühlte sich wie eine Atombombe kurz vor der Explosion. Und Nick lachte nur darüber.
„Na wenigstens kannst du Anna zeichnen. Wenn man sonst schon nichts kann...
„Warte nur ab, bis er dich mal zeichnet - wahrscheinlich als großmäuligen Ork oder als stumpfsinnigen Zombie.“
„Uh, da kriege ich aber richtig Angst“, spottete Nick. Er schnitt eine Grimasse, die wohl einen entstellten Zombie nachahmen sollte.
„Ein paar Strichmännchen malen kann ja nun wirklich jeder“, meinte Nick.
„Du kannst mich mal“, murmelte Finn.
Der Chemieunterricht interessierte Finn viel mehr als die Mathestunde. Aber am liebsten hätte er sich jetzt seine Dunkelauge-Geschichte nochmal gründlich angesehen. Dass da dieses Feenmädchen in am Hafen von Zauber City auftauchte, obwohl er sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, es gezeichnet zu haben, beschäftigte ihn noch immer. Oder hatte er am Ende einfach nur vergessen, dass er Aylin doch zumindest eine kleine Nebenrolle in der Geschichte gegeben hatte? Das wäre ja noch schöner, wenn sich Comic-Figuren jetzt schon selbstständig machen, ging es ihm durch den Kopf. Oder bin ich bekloppt?
Aber Finn wagte es nicht, in der Stunde seinem Block hervorzunehmen. Es reichte schließlich, dass er heute bereits einmal mit seinen Comics aufgefallen war. Das war schon unangenehm genug gewesen. Nochmal hatte er einfach keine Nerven für so ein Theater.
War es möglich, dass sich eine Geschichte völlig selbstständig fortschrieb und derjenige, der sie sich ursprünglich ausgedacht hatte, gar nicht mehr beeinflussen konnte, wie sich die Handlung letztlich weiterentwickelte? Diese Frage schwirrte nun so sehr in Finns Kopf herum, dass er sich auf etwas anderes gar nicht mehr zu konzentrieren vermochte. Manchmal, wenn er besonders intensiv damit beschäftigt gewesen war, ein weiteres Abenteuer von Dunkelauge und den anderen magisch begabten Helden in Zauber City zu zeichnen, dann war es ihm so vorgekommen. Finn hatte dann das Gefühl gehabt, dass die Story einfach so von selbst geschah, und er nur zusehen musste, sie auch schnell genug aufzuzeichnen. Seine größte Sorge war bisher gewesen, dass er dabei irgend etwas Wichtiges vergaß. Dass die ganze Geschichte sich vielleicht in eine Richtung entwickeln könnte, die er gar nicht beabsichtigt hatte, war ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen.
Das ist doch alles kompletter Blödsinn, sagte er sich.
„Bitte macht euch Notizen!“, drang die Stimme der Chemielehrerin in sein Ohr. Sie war noch jung und meinte es eigentlich gut. Sie gab sich viel Mühe mit ihrem Unterricht und legte großen Wert darauf, dass alle Schüler sie mochten. Die nutzten das vielfach aus, indem sie in den Chemiestunden mit dem Handy spielten und außerdem ihre Hausaufgaben nicht machten. Aber selbst wenn sie sich über die Maßen darüber ärgerte, dass sich kam einer ihrer Schüler für Chemie interessierte, hörte man sie niemals schimpfen oder gar laut werden. Sie sprach immer mit derselben, monotonen Stimmlage, weswegen sie von den Schülern mitunter auch der Roboter genannt wurde, zumal ihr Nachname Robart lautete.
Finn nahm sich ein Blatt von seinem Notizblock. Einen Moment lang hatte er darüber nachgedacht, ob das nicht eine günstige Gelegenheit wäre, stattdessen einfach den Block mit dem Comic herauszunehmen, um ihn sich nochmal eingehend anzusehen. Aber dann entschied sich Finn doch dagegen. Nach dem ganzen Theater in der Mathematikstunde war es sicher besser, jetzt etwas vorsichtiger zu sein - zumal seine Note in Chemie auch nicht so gut war, dass er es sich leisten konnte, unangenehm aufzufallen.
Aber während Frau Robart von Säuren und Basen sprach, schweiften Finns Gedanken wieder an. Nichts von dem, was Frau Robart sagte, schien ihm wichtig genug, um es sich zu notieren, auch wenn einige seiner Mitschüler bereits eifrig damit beschäftigt waren, etwas zu Papier zu
bringen. Er begann mit dem Bleistift auf dem Papier herumzukritzeln, während er darüber nachgrübelte, wie es wohl sein konnte, dass er Aylin in seinen Comic hineingezeichnet hatte, obwohl es dafür eigentlich gar keinen vernünftigen Grund gab und wieso er sich nicht daran erinnern konnte, das getan zu haben.
Während seine Bleistiftspitze über das Papier kratzte, entstanden wie von selbst die ersten Formen, Gesichter und ein paar Umrisse von Hochhäusern, wie sie so typisch für Zauber City waren. Mit ein paar weiteren Strichen entstand Dunkelauge. Sein Mantel wehte in dem heftigen Wind, der durch die schnurgeraden Straßenschluchten von Zauber City fegte. Dunkelauge war gerade aus einer Rauchwolke erschienen. Er hatte die magischen Schattenpfade benutzt - Abkürzungen durch den Raum, mit denen er sich innerhalb von Augenblicken an jeden Ort in Zauber City begeben und blitzschnell überall dort erscheinen konnte, wo er gebraucht wurde. Ein großer, grünhäutiger Oger trommelte sich mit den Fäusten auf den Oberkörper, als er Dunkelauge sah. Seine riesigen Pranken waren dabei zu dicken Fäusten geballt. Fünf weitere dieser außerordentlich kräftigen Geschöpfe standen im Hintergrund und schwangen Baseballschläger wie Keulen. Einer hielt eine Maschinenpistole in der Hand. Sie bleckten die Zähne wie Raubtiere. Große, kräftige Gestalten, von denen selbst der kleinste immer noch selbst einen sehr hochgewachsenen Menschen um einen Kopf überragt hätte. Die schlauchförmigen, genau wie bei Elfen, Halblingen und den Angehörigen des Feenvolkes spitz zulaufenden Ohren bewegten sich in verschiedene Richtungen. Sie lauschten, ob irgendwo in der Nähe bereits Polizeisirenen zu hören waren. Die Oger-Bande hatte nämlich ein paar Zwerge eingekreist, die sich aus irgendeinem Grund in diese Gegend von Zauber City verirrt hatten. Eine Gegend, in der Zwerge sich besser nicht länger als unbedingt nötig aufhielten, wenn sie nicht ausgeraubt werden wollten. Vielleicht hatten sich die Zwerge einfach nur vertan und waren an der falschen U-Bahn-Station an die Oberfläche gekommen. Die meisten Zwerge lebten nämlich in der Tiefenstadt, die sich noch unterhalb der magisch angetriebenen U-Bahn erstreckte. Genauso hoch wie die höchsten Wolkenkratzer von Zauber City in die Höhe ragten, reichte das aus zahllosen Schächten, Tunneln, Höhlen, Kanälen bestehende Labyrinth der Tiefenstadt hinab. Und die Zwerge gehörten zu jenen Geschöpfen, die dafür sorgten, dass diese Schächte immer tiefer in den Untergrund hineingegraben wurden, denn sie waren ständig auf der Suche nach wertvollen Erzen oder Edelsteinen, die sie aus der Tiefe förderten.
„Dunkelauge wird uns beschützen“, schrieb Finn in eine der Sprechblasen der Zwerge.
Der Oger mit der Maschinenpistole feuerte sofort auf Dunkelauge. Knatter! Knatter!, schrieb Finn deswegen in das Bild hinein, um deutlich zu machen, dass der Oger Dunkelauge mit einem regelrechten Geschosshagel eindeckte. Die Augen des Magiers hatten sich längst vollkommen schwarz gefärbt. Er hob die Hände und bildete eine unsichtbare magische Barriere. Daran prallten die Kugeln allesamt ab - und die Oger mussten selbst hinter ein paar Müllcontainern Deckung suchen, um nicht getroffen zu werden.
Als daraufhin der Oger mit der Maschinenpistole ein Magazin mit frischen Patronen einlegte, warnte Dunkelauge ihn. „Du solltest dir gut überlegen, ob du nochmal versuchst, auf mich zu schießen!“, schrieb Finn in Dunkelauges Sprechblase. „Du könntest dich nämlich verletzen!“
Die anderen Mitglieder der Oger-Bande waren bereits auf der Flucht. Sie schienen begriffen zu haben, dass sie gegen Dunkelauges magische Kräfte einfach keine Chance hatten. Außerdem waren bereits die Sirenen der Polizei zu hören, für die Finn extra eine eigene Sprechblase gestaltete, in der allerdings kein Text, sondern nur ein Einsatzwagen der Zauber City Police zu sehen war.
Der letzte Oger richtete trotz allem seine Maschinenpistole noch einmal auf Dunkelauge. Finn hatte dem Monster ein kantiges Gesicht gegeben, wie es für Oger typisch war. Und ganz wie von selbst hatte dieses Gesicht immer mehr Ähnlichkeiten mit Nicks Gesicht bekommen.
Ehe der Oger zum zweiten Mal auf Dunkelauge schießen konnte, hatte dieser ihm die Waffe mit Hilfe seiner Magie aus der Hand gerissen. Dazu hatte Dunkelauge nur eine Formel vor sich hingesprochen und mit seiner Hand eine Bewegung ausgeführt. Die Maschinenpistole flog einfach durch die Luft, knallte gegen eine Hauswand und fiel dann zu Boden.
Der Oger wollte sich nun mit seinen bloßen Pranken auf Dunkelauge stürzen. Grelle Strahlen schossen jetzt aus Dunkelauges Händen heraus. Sie trafen den Oger und schleuderten ihn ein ganzes Stück zurück. Der Oger machte ein ziemlich fassungsloses Gesicht.
„Heh, was soll das?”, rief er und Finn machte gleich drei Ausrufungs- und ein Fragezeichen in die entsprechende Sprechblase.
„Du hast es nicht anders gewollt“, erwiderte Dunkelauge gelassen. Er murmelte erneut ein paar Worte in der uralten Sprache der Magier, die sie ausschließlich für ihre Zauberformeln verwendeten. Dann winkte er mit der linken Hand aufwärts. Daraufhin schwebte einer der Müllcontainer empor, öffnete sich wie durch Geisterhand und anschließend ergossen sich die ganzen Abfälle über den Oger, sodass er darunter begraben wurde.
Die Zwerge, die das mit ansahen, hielten sich grinsend die Nasen zu.
Im nächsten Moment schwebte bereits ein Polizeihelikopter über dem Ort des Geschehens. Außerdem brausten mehrere Einsatzfahrzeuge der Zauber City Police mit ohrenbetäubend lauten Sirenen um die nächste Straßenecke.
„Sie können den Anführer der Bande verhaften“, wandte sich Dunkelauge an die uniformierten Beamten, die mit gezogenen Waffen aus ihren Einsatzfahrzeugen schnellten.
„Dunkelauge! Was würden wir ohne ihn nur machen“, sagte einer der Uniformierten. Aber Dunkelauge horte das schon gar nicht mehr. Er hatte sich bereits in die magischen Schattenpfade begeben. Seine Gestalt löste sich innerhalb eines Augenblicks in schwarzen Rauch auf und ihm nächsten Moment war es so als wäre er nie dort gewesen.
Der Oger mit Nicks Gesichtszügen hatte sich unterdessen mühsam aus dem Müll herausgegraben. Die Polizisten nahmen ihn gleich in Empfang, um ihm Handschellen anzulegen.
„Ohne Dunkelauge wurde das Verbrechen Überhand nehmen“, meinte einer der Zwerge und strich sich erleichtert seufzend den langen Bart glatt.
––––––––
„Ey, cool!“, drang eine Stimme in Finns Gedanken.
Sören, der in der Reihe vor ihm saß, nahm einfach das Papier mit dem Comic weg und stieß seine Nachbarn an. „Das Monster im Müll - das ist doch Nick!“
„Dürfte ich vielleicht auch um eure Aufmerksamkeit bitten?“, war Frau Robarts gereizt wirkende Stimme zu hören, wobei sie sich immer noch große Mühe gab, möglichst beherrscht zu wirken.
Ehe Finn es verhindern konnte, wanderte das Blatt mit dem Comic von einem zum anderen. Es wurde gekichert und immer wieder wanderten Blicke zu Nick, der überhaupt nicht wusste, was los war.
Frau Robart bemerkte zwar die Unruhe, versuchte aber einfach in ihrem Unterricht fortzufahren und so weiter zu machen, als wäre nichts geschehen - zumal sie wohl auch nicht so genau wusste, woher diese Unruhe plötzlich kam.
Finn nahm ich schnell ein neues Blatt für seine Notizen, um ja nicht aufzufallen. Einmal so ein Theater reichte ihm nämlich für heute voll und ganz. Aber er musste sich wohl auf einiges gefasst machen, denn die Unruhe wurde immer größer. Es konnte selbst bei der roboterhaften Frau Robart eigentlich nicht mehr lange dauern, bis sie begriff, was ihr da jetzt gerade die Aufmerksamkeit stahl. Und dann würde sie unweigerlich eingreifen...
Inzwischen hatte der Comic Nick erreicht. Er starrte auf das Blatt und man konnte sehen, wie er zuerst ganz blass und anschließend dunkelrot wurde. Zornesrot war das. Er war so wütend, dass er einmal laut schnaufte - und zwar so laut, dass jeder in der Klasse es hören konnte.
Auch Frau Robart.
„Du sollst dir Notizen machen und nicht irgend etwas anderes lesen, Nick.“
„Ja, schon...“, stotterte Nick.
„Zeig mal her, was hast du denn da?“
„Nichts“, behauptete Nick.
Frau Robart sah auf das Blatt mit dem Comic. Es einfach an sich zu nehmen, wie Herr Bartmann es getan hatte, wäre gegen ihre Grundsätze gewesen. „Das war Finn!“, rief Nick. „Er hat das gemalt!“
„Aber du hast es dir doch angesehen.“
„Ja, schon, aber...“
„Also gerade von dir hätte ich das nicht gedacht. Auch wenn du zugegebenermaßen einer der besten in Chemie bist, heißt das noch lange nicht, dass du im Unterricht etwas anderes machen kannst.“
Nicks Gesichtsfarbe wurde noch dunkler, als sie ohnehin schon war. Er wirkte so, als wäre er am liebsten geplatzt. Aber im Moment blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich zusammen zu nehmen.
Als Finn später auf seinen Bus wartete, kam er endlich dazu, sich seinen Comic noch einmal anzusehen. Tatsächlich, da war das Feenmädchen Aylin, von dem Finn immer noch keine Ahnung hatte, wie sie sich in seinen Comic hineingemogelt hatte. Eine Denkblase schwebte jetzt über ihrem Kopf. Nur ein einziges Wort stand darin.
Ein Name.
Dunkelauge.
Es sah aus als würde der Rest des Textes noch fehlen.
Ich habe das nie geschrieben, war sich Finn jetzt absolut sicher. Genauso wie ich auch nie dieses Feenmädchen dort hin gezeichnet habe!
Und doch stand beides schwarz auf weiß vor ihm - das Feenmädchen Aylin und die Denkblase. Das ist unheimlich, dachte er.
Wenig später tauchte Nick an der Bushaltestelle auf. Er musste eine Station vor Finn aussteigen.
Er reichte Finn das zusammengeknüllte Blatt, auf das seine Comic-Episode um Dunkelauges Kampf gegen die Oger zu sehen war.
Er warf es Finn zu und dieser fing es auf.
„Hier, nimm das zurück“, meinte er. „Auch wenn du du sonst nichts zustande bringst, muss man dir ja eins lassen: Zeichnen kannst du.“
„Danke“, gab Finn etwas verwirrt zurück. Ein Kompliment von Nick. Das musste er sich rot im Kalender anstreichen. Er hatte mit vielem gerechnet - aber nicht damit.
Aber Finn traute dem Braten noch nicht so ganz. Nick hatte sicher noch irgendeinen Hintergedanken.
„Zeichnest du mir einen Zombie?“
„Kommt drauf an.“
„Der Zombie soll so aussehen wie ich.“
„Und was hast du damit vor?“
„Meine Mutter erschrecken. Die kann Zombies nicht leiden.“
Finn zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Du hast ja sowieso schon ziemlich große Ähnlichkeit mit einem verfaulten Untoten.“
Nick grinste schief. „Hah, hah - sehr witzig.“
Diese Bemerkung hatte gesessen und Finn tat es gut, gegen Nick mal die Oberhand behalten zu haben. Trotzdem gab er sich Mühe, sein Grinsen nicht zu breit und auffällig werden zu lassen. „Gib mir ein Blatt!“, verlangte Finn.
Das ließ sich dieser nicht zweimal sagen. Er kramte einen Notizblock aus seiner Tasche und gab ihn Finn.
Der nahm daraufhin seinen Stift hervor und begann zu zeichnen. Den Block hielt er dabei in der Linken. Mit rasender Geschwindigkeit hetzte die Spitze des Stiftes über das Blatt. Nicks Gesicht brauchte er sich dabei noch nicht einmal ansehen, damit der Zombie ihm am Ende auch wirklich ähnlich sah. Finn kannte Nick schließlich lange genug. Zombies gab es auch in Zauber City und oft genug hatte Dunkelauge gegen sie kämpfen müssen, um zu verhindern, dass sie Menschen fraßen, was diese durch Magie wiederbelebten Toten nunmal als einzige Nahrung akzeptierten.
So war Finn also gut in Übung, was das Zeichnen von schauerlichen, stumpfsinnig und blutgierig dreinschauenden Zombies anging. Er zeichnete Nicks Gesicht mit irren, weit aufgerissenen und blutunterlaufenen Augen. Ein Teil des Kiefers war schon verwest, so als wäre der Zombie gerade erst von einem verbrecherischen Gangster-Magier, der einen willigen Diener brauchte, aus dem Grab geholt und mit einem Zauber zu neuem Leben erweckt worden.
„Cool“, fand Nick, als Finn wenig später fertig war.
Dann kam der Bus und sie stiegen ein. Finn bekam einen Platz neben einer Zehntklässlerin, die nicht weiter auf ihn achtete und sich vor allem auf ihr Handygespräch konzentrierte. Er hatte immer noch das zerknüllte Blatt in der Hand, das Nick ihm gegeben hatte. Finn bewahrte grundsätzlich alles auf, was er jemals gezeichnet hatte. Für sein Archiv. Später, wenn er dann mal ein berühmter Comic-Künstler war, dann waren sicher auch seine Zettel und Skizzen mal viel wert, so glaubte er. Und noch später, wenn er tot war, dann wurden all die Blätter, auf denen er irgendwann mal herumgekritzelt hatte, sicher für sehr viel Geld versteigert.
Und auf diesem Blatt war ja immerhin eine kleine, vollständige Geschichte. Ein Dunkelauge-Kurzabenteuer sozusagen.
Auf jeden Fall zu schade, um es einfach wegzuwerfen.
Er faltete das Blatt auseinander und glättete es.
Finn runzelte ungläubig die Stirn. Die Geschichte war fortgesetzt worden. Die Rückseite des Blattes war ebenfalls mit Comiczeichnungen gefüllt. Die Geschichte ging weiter, nachdem Dunkelauge die Zwerge vor den räuberischen Ogern gerettet und deren Anführer verhaftet worden war. Finn glaubte seinen Augen nicht zu trauen. In den Bildern auf der Rückseite verfolgte Dunkelauge die Zwerge, nachdem sie von den Polizisten befragt worden waren. Der Magier nutzte wieder einmal die Schattenpfade. Er erschien aus einer Rauchwolke vor ihnen, als sie gerade auf dem Weg zum Geschäft eines uralten Elfen waren, der magische Metalle ankaufte, aus denen Elfenstahl und zauberkräftige Amulette gemacht wurden. Das war nur ein paar Blocks von der Straße entfernt, wo die Zwerge überfallen worden waren.
Zunächst waren sie höchst erfreut, ihren Retter wiederzusehen.
„Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, uns bei dir zu bedanken“, sagte einer von ihnen, der seinen Bart zu insgesamt sieben dicken Zöpfen geflochten hatte.
Dunkelauge hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass man nur den unteren Teil seines Gesichts sehen konnte. „Wenn ich es recht bedenke, könnt ihr mir sehr wohl eure Dankbarkeit zeigen“, sagte der mächtigste Magier von Zauber City. „Ihr könntet mir alles an magischem Dunkelmetall abgeben, was ihr bei euch tragt und gerade zu diesem alten Elfen da vorne tragen wolltet, damit der es in den Elfenstahl von magischen Schwertern oder in Zauberamulette einschmieden kann.“ Dunkelauges Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen, wie Finn es eigentlich ansonsten immer nur in die Gesichter seiner Bösewichte und Finsterlinge zu zeichnen pflegte. „Na, los, worauf wartet ihr noch!”, setzte Dunkelauge noch hinzu. Er griff dann zu dem Zauberstab an seinem Gürtel und warf mit einer schwungvollen Bewegung seinen Mantel zurück. Er richtete den Stab wie eine Waffe auf die Zwerge. Im nächsten Moment zischte ein greller Blitz daraus hervor und schoss dem Zwerg mit den sieben Bartzöpfen geradewegs vor die Schuhspitzen, sodass er vor Schreck einen Satz zurück machte.
Ein verrußter, dunkler Fleck war auf dem Asphalt zu sehen. „Ich hoffe, ihr habt mich richtig verstanden”, sagte Dunkelauge nun.
„Wie kann das sein? Gerade wurden wir von einer Bande Gangster-Oger überfallen und beinahe ausgeraubt - und jetzt überfällt uns unser Beschützer?”, rief ein anderer Zwerg erschrocken aus. Er war der kleinste in der Gruppe, aber wohl etwas vorwitzig. Als Dunkelauge seine Kapuze zurückstrich und die vollkommen von Finsternis erfüllten Augen des Magiers ihn anstarrten, wurde er jedenfalls ganz blass.
Dunkelauge vollführte eine schleudernde Bewegung mit seiner linken Hand. Ein pechschwarzes Tuch kam aus seinem Ärmel heraus. Es bewegte sich flatternd, wie ein Vogel und sank auch zunächst gar nicht zu Boden. Schließlich landete es geradewegs vor den Füßen des Siebenzõpfigen.
„Euer magisches Dunkelerz!“, verlangte Dunkelauge in einem harschen Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass er es ernst meinte.
So holten die Zwerge einer nach dem andern die kostbaren dunkelmetallhaltigen Brocken aus ihren Beuteln und Taschen. Keiner dieser Brocken war größer als eine Zwergenfaust. Aber selbst ein winziger Krümel davon konnte noch ein Vermögen wert sein - je nachdem, wie groß der tatsächliche Anteil an magisch aktivem Dunkelmetall jeweils war. Als schließlich jeder der Zwerge etwas von dem wertvollen Erz in das Tuch gelegt hatte, deutete Dunkelauge mit dem Zauberstab auf den Siebenzöpfigen. „Ich will alles, Zwerg!“
„Aber das war alles! Ich schwöre es!“
„Auch das, was du in deinen Stiefeln immer zu verstecken pflegst“, beharrte Dunkelauge. „Oder sollte mein magischer Blick inzwischen so eingetrübt sein, dass ich mich dermaßen irre!“ Während er diese Worte sprach, sah er mit seinen pechschwarzen Augen auf die schon ziemlich abgeschabten und an manchen Stellen auch seltsam ausgebeulten Stiefel des Siebenzöpfigen. Finn las, was in der letzten Sprechblase stand: „Oder willst du mir erzählen, dass die Beulen in deinen Stiefeln von hässlichen Fußwarzen herrühren?“
So setzte sich der Siebenzöpfige ärgerlich auf den Boden. Er schimpfte die ganze Zeit in der Zwergensprache vor sich hin, während er sich die Stiefel auszog, und den Inhalt auf das schwarze Tuch ausschüttete.
Es waren noch ein paar ziemlich dicke Erzbrocken darunter - und das schwarze Licht, das von einigen dieser Stücke abstrahlte verriet, dass ihr Dunkelmetall-Anteil ziemlich hoch sein musste und sie daher sehr wertvoll waren.
Das dunkle Tuch schloss sich über dem Dunkelmetall-Erz. Es schnürte sich vollkommen selbstständig zu einem handlichen Bündel und schwebte anschließend geradewegs in Dunkelauges ausgestreckte Linke. Schon im nächsten Moment begab sich der Held von Zauber City wieder in die Schattenpfade und löste sich in Rauch auf.
„Das ist nicht möglich!”, entfuhr es Finn viel lauter, als er beabsichtigt hatte. Im ersten Moment hatte er noch gedacht, dass dies eigentlich einer der Zwerge sagen müsste und deshalb noch irgendwo dafür eine Sprechblase Platz sein müsste.
Aber als die Zehntklässlerin neben ihm ihn genauso stirnrunzelnd ansah, wie ein paar Grundschüler, die den Bus ebenfalls benutzten, war es Finn klar, dass er derjenige war, der sich hier eigenartig benahm.
„Ey, kannst du nicht leiser sein?”, fragte die Zehntklässlerin, die immer noch telefonierte.
„Dein Dauergequatsche ist auch nicht gerade im Flüsterton”, gab Finn unwirsch zurück.
Die Zehntklässlerin konnte darauf nicht reagieren, denn ihr Gesprächspartner hielt sie offenbar in Atem und sie musste ihm auf irgend etwas antworten, hatte aber nicht alles verstanden, weil die Verbindung wohl schlecht war.
Finn starrte fassungslos den ziemlich ramponierten Comic an. Wer hat die zweite Seite gezeichnet?, ging es ihm durch den Kopf. Na, wer wohl? Du selbst natürlich!, sagte eine Stimme in ihm. Vielleicht die Stimme der Vernunft - schließlich war es wohl völlig ausgeschlossen, dass Nick diese Szenen gezeichnet hatte. Dann hätte er sich ja selbst einen blutigen Zombie erschaffen können, anstatt ausgerechnet Finn darum zu fragen! Abgesehen davon, hatten die Zeichnungen nun wirklich alle Merkmale von Finns sehr persönlichem Zeichenstil. Die Strichführung, die kleinen Besonderheiten der einzelnen Figuren, die Linie von Dunkelauges Augenbrauen, die einer ganz bestimmten, gewundenen Form folgten, der Ausdruck in den Gesichtern der Zwerge, als sie plötzlich erkannten, dass sie nun zwar der Oger-Bande entgangen waren, aber dafür von ihrem Retter ausgeraubt werden sollten - das alles war so typisch geraten, dass man nicht einmal im Traum in Erwägung ziehen konnte, dies hätte irgendjemand anders gezeichnet als Finn selbst.
Finn - der Schöpfer von Dunkelauge und Zauber City, der wie niemand sonst die Einzelheiten dieses Comic-Universums kannte. Darunter auch Dinge, über die nun wirklich niemand sonst Bescheid wissen konnte.
Zum Beispiel die Sache mit dem Schwarzlicht, das von dem in den Erzbrocken enthaltenen magischen Dunkelmetall ausging. Finn hatte das bislang in seinen Geschichten lediglich in den Sprechblasen erwähnt, aber noch nie gezeichnet, da er sich nicht ganz sicher war, ob er das überhaupt richtig gut hinbekam.
Finn hatte sich immer wieder vorgestellt, wie das schwarze Licht wohl aus dem dunklen Erz herausschimmern könnte - aber mehr auch nicht.
Umso mehr überraschte es ihn, dass die Zeichnungen ganz genau seinen Vorstellungen entsprachen. Genau so hatte er sich das gedacht.
Gespenstisch, durchfuhr es Finn.
Und davon abgesehen gefiel es ihm überhaupt nicht, wie Dunkelauge sich in dieser Geschichte verhielt! Schließlich war sein Held auf der Seite des Guten! Er raubte niemanden aus, sondern beschützte die Schwachen vor dem Verbrechen!
Aber so, wie es hier auf diesem zerknüllten Zettel weiterging, verhielt sich Dunkelauge ja selbst wie ein Verbrecher!
Als ob mir da jemand einen Streich spielen und irgend etwas in die Geschichte hineinbringen wollte, das ich ganz bestimmt niemals gewollt hätte, dachte Finn. So kam es ihm zumindest vor.
Wie war es möglich, dass sein Comic-Held Dinge tat, die völlig seinem Charakter widersprachen? Dinge, die sein Erfinder und Schöpfer ihn niemals hatte tun lassen?
Es ist nur eine Geschichte, rief sich Finn in Erinnerung. Nur eine Geschichte und sonst nichts. Und in einer Geschichte konnte immer schließlich nur das vorkommen, was der Autor sich ausgedacht hatte.