Geriatrisches Assessment - Helmut Frohnhofen - E-Book

Geriatrisches Assessment E-Book

Helmut Frohnhofen

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Beschreibung

Das vorliegende Buch gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand des geriatrischen Assessments. Zunächst erfolgt eine kritische Einführung in die Methodik von Testungen und der Einsatz des geriatrischen Assessments in der Hausarztpraxis, im Pflegeheim, in der stationären Geriatrie und in nicht geriatrischen Fachdisziplinen wird diskutiert. Dies ermöglicht dem Leser, auch nicht in diesem Buch aufgeführte Testverfahren zu bewerten. Im zweiten Teil werden die wichtigsten geriatrischen Testverfahren vorgestellt, die nach den Domänen basale und instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens, Kognition, Emotion, Mobilität, Ernährung, Schmerz und Schlaf geordnet sind.

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Die Reihenherausgeber

Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Pantel ist Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinischer Gerontologie am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt. Zuvor war er viele Jahre in leitenden klinischen Funktionen an den Universitätskliniken Heidelberg und Frankfurt am Main tätig. Er ist Mitbegründer und stellvertretender Vorstandssprecher des Frankfurter Forums für Interdisziplinäre Alternsforschung (FFIA). Als Autor und Herausgeber publizierte er über 20 einschlägige Sach- und Fachbücher und ist Co-Chief-Editor der Zeitschrift »GeroPsych – The Journal of Gerontopsychology and Geriatric Psychiatry«.

Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Pantel

Leiter Arbeitsbereich AltersmedizinInstitut für AllgemeinmedizinJohann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt

PD Dr. med. Rupert Püllen ist Chefarzt der Medizinisch-Geriatrischen Klinik am AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS in Frankfurt am Main. Er ist an der Goethe-Universität Frankfurt zuständig für den Querschnittsbereich Medizin des Alterns und des alten Menschen und darüber hinaus Honorarprofessor an der Universität Pecs. Als ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist er jetzt Vertreter im Fullboard der European Geriatric Medicine Society (EuGMS) sowie Mitherausgeber der »Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie«.

PD Dr. med. Rupert Püllen

Chefarzt Medizinisch-Geriatrische KlinikPräsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie 2014–2016AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUSWilhelm-Epstein-Straße 460431 Frankfurt am Main

Helmut Frohnhofen

Geriatrisches Assessment

Grundlagen und Handlungsanweisungen für die Praxis

Verlag W. Kohlhammer

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Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034182-1

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-034183-8

epub:     ISBN 978-3-17-034184-5

 

Der Autor

Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen ist Arzt für Innere Medizin, Geriatrie, Palliativmedizin und Schlafmedizin. Er ist zudem Somnologe (DGSM) und Mitglied der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke. Am Universitätsklinikum Düsseldorf leitet er den Bereich Altersmedizin.

Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen

Universität Witten/Herdecke

Fakultät für Gesundheit, Department für Humanmedizin

Lehrstuhl für Geriatrie

Alfred-Herrhausen-Str. 50

58448 Witten

E-Mail: [email protected]

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Vorwort zur Reihe

Vorwort

Teil A Theoretischer Hintergrund

1   Assessment

1.1 Geschichtliche Entwicklung des Assessments

1.2 Assessment in der Altersmedizin

1.3 Geriatrisches Assessment wirkt

2   Epidemiologische und statistische Begriffe

3   Das Assessment in der Geriatrie

3.1 Allgemeines zum geriatrischen Assessment

3.2 Geriatrisches Assessment bei zu Hause lebenden älteren Menschen

3.3 Geriatrisches Assessment bei Heimbewohnern

3.4 Geriatrisches Assessment in einer geriatrischen Fachabteilung

3.5 Geriatrisches Assessment in nichtgeriatrischen Fachabteilungen

3.6 Geriatrisches Assessment in der Notaufnahme

3.7 Geriatrisches Assessment in der Hausarztpraxis

3.8 Geriatrisches Assessment in besonderen Situationen

3.9 Ausgewählte geriatrische Domänen und Assessmentinstrumente

Teil B Assessmentverfahren

4   Die Domänen des geriatrischen Assessments

4.1 Screening in der Geriatrie

4.2 Screeninginstrumente in der Geriatrie

4.2.1 Geriatrisches Screening nach Lachs

4.2.2 Identification of Seniors at Risk (ISAR)

4.2.3 Care Complexity Prediction Instrument (COMPRI)

4.2.4 Geriatrie-Check

4.3 Domänen des geriatrischen Assessments

4.3.1 Die Aktivitäten des täglichen Lebens

4.3.2 Assessmentinstrumente zur Erfassung der basalen Aktivitäten des täglichen Lebens

4.3.3 Assessmentinstrumente für die instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens

4.3.4 Mobilität und Sturzrisiko

4.4 Assessment der Hirnleistung

4.4.1 Allgemeines zum Assessment der Hirnleistung

4.4.2 Testverfahren zum Assessment der Hirnleistung

4.5 Depression und Emotion

4.5.1 Assessment depressiver Episoden im höheren Lebensalter

4.5.2 Assessmentinstrumente zur Erfassung von Emotion und Depressivität

4.6 Assessment des Ernährungsstatus

4.6.1 Globale Einschätzung der Ernährung

4.6.2 Assessmentinstrumente zur Erfassung der Ernährungssituation

4.7 Assessment der Lebensqualität

4.7.1 Probleme bei der Erfassung der Lebensqualität

4.7.2 Instrumente zur Erfassung der Lebensqualität

4.8 Assessment von Frailty

4.8.1 Der Begriff Frailty

4.8.2 Assessmentinstrumente zur Erfassung von Frailty

4.9 Assessment des Schlafes

4.9.1 Schlafanamnese

4.9.2 Instrumente zum Assessment des Schlafes

4.10 Schmerz

4.10.1 Schmerz bei alten Menschen

4.10.2 Skalen zur Erfassung von Schmerzen

4.10.3 Die Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD)-Skala

4.11 Die soziale Situation

4.12 Delir

4.12.1 Diagnose eines Delirs

Literatur

Sachregister

 

Vorwort zur Reihe

 

 

 

Altersmedizin dient dem älteren Patienten, indem sie wie kein zweites Fach seine Besonderheiten und Bedürfnisse ganzheitlich in den Blick nimmt. Sie ist aber auch vielseitig, spannend und effektiv.

Dies anhand ausgewählter Handlungsfelder deutlich zu machen, ist ein wichtiges Anliegen der Reihe »Altersmedizin in der Praxis«. Das wichtigste Ziel ist es jedoch, das auch in der Altersmedizin exponentiell anwachsende Wissen für den Versorgungsalltag kompakt und praxisnah aufzubereiten.

Doch braucht man dazu heute noch Bücher? Haben nicht Internet und Zeitschriften das Buch längst abgelöst, weil sie häufig einen rascheren Zugriff auf manchmal schnell veraltendes Fachwissen erlauben? Das mag in einzelnen Bereichen und zu manchen Fragestellungen zutreffen; doch wer sich vertieft mit einem Thema auseinandersetzen möchte, wer nicht nur Fachinformationen, sondern auch ausgewogene Bewertungen sucht, wer sich durch einen erfahrenen Autor fundiert in ein Thema hineinführen lassen möchte, der greift besser zu einem Buch. Nicht zuletzt bieten Bücher eher Sponsor-unabhängige Informationen als kostenlos zugängige Publikationen.

Die Reihe »Altersmedizin in der Praxis« erhebt nicht den Anspruch, das weite und wachsende Gebiet der Altersmedizin vollständig darzustellen. Es geht vielmehr darum, einzelne für die altersmedizinische Praxis wichtige Themen aufzuarbeiten und in einer didaktisch gut aufbereiteten Form auf dem neuesten Wissensstand zu präsentieren.

An wen richtet sich die Reihe? Natürlich in erster Linie an Ärzte jeglicher Fachrichtung, die regelmäßig ältere Patienten in der Praxis, dem Krankenhaus oder in einem anderen Kontext betreuen. Die Bücher richten sich ebenfalls an Ärzte in Weiterbildung und an Studenten, aber auch an andere Professionelle des Gesundheitswesens, die Umgang mit älteren Patienten haben. Die einzelnen Bände können dabei sowohl als fundierte Einführungen und Übersichten zu den jeweiligen Themen gelesen werden als auch als kompakte Nachschlagewerke für den Einsatz in der täglichen Praxis dienen.

Die Herausgeber

Johannes Pantel und Rupert Püllen

 

Vorwort

 

 

 

Das Ziel dieses Buches ist es, Grundbegriffe des geriatrischen Assessments und den Assessmentprozess in wichtigen Bereichen darzustellen. In den nach Themen geordneten Kapiteln werden nach einer allgemeinen Einführung eine Auswahl wichtiger Assessmentinstrumente vorgestellt.

Der kompakte Umfang dieses Buches erlaubt keine erschöpfende Darstellung aller Aspekte des geriatrischen Assessments. Dem auch in der Geriatrie wichtigen Thema der Fahreignung wurde ein eigener Band in dieser Reihe gewidmet. Darauf sei verwiesen.

Zudem können nicht alle verfügbaren Assessments angesichts der Fülle an Testverfahren hier vorgestellt und diskutiert werden. Wurden Assessmentinstrumente oder Testbatterien nicht aufgeführt oder diskutiert, so bedeutet dies nicht, dass diese Instrumente weniger geeignet sind.

Zudem entwickelt sich das Angebot an Assessmentverfahren weiter, da einerseits schon verfügbare Instrumente nun auch für alte Menschen validiert werden und andererseits durch Fortschritte in der Wissenschaft neue Instrumente geschaffen werden.

Dieses Buch kann daher nur eine Momentaufnahme sein. Es soll zu einer weiteren Beschäftigung mit dem wichtigen Bereich Assessment in der Geriatrie anregen und dazu beitragen, dass Assessmentinstrumente auch außerhalb der Altersmedizin häufiger Anwendung finden.

Im Mai 2021

Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen

 

 

 

Teil A Theoretischer Hintergrund

 

1          Assessment

 

 

 

1.1       Geschichtliche Entwicklung des Assessments

Der aus dem Englischen stammende Begriff »Assessment« bedeutet Einschätzung. Den meisten ist dieser Begriff aus der Personalpsychologie in der Wirtschaft bekannt. Assessment bedeutet hier eine umfangreiche Testung – häufig in einem sog. Assessment-Center –, um vor der Einstellung eines Bewerbers dessen Eignung durch Aufdecken seiner Stärken und Schwächen einschätzen zu können.

Ursprünglich stammt diese Methode aus dem Militärbereich. Die ersten Assessmentverfahren entstanden in Deutschland. Schon im ersten Weltkrieg wurden psychologische Testungen zur Auswahl von Funkern, Piloten, Kraftfahrern und ab 1920 auch von Offizieren angewandt. Während die Offiziersanwärter früher fast ausschließlich aus dem Adel rekrutiert wurden, war es nun erforderlich, aus einer großen Menge von Bewerbern unterschiedlichster Vorbildung eine von der Herkunft unabhängige, optimale Auswahl zu treffen.

Zunächst widmete sich das Verfahren nur den Einzelfähigkeiten der Teilnehmer, aber schon nach kurzer Zeit wurde deutlich, dass nur die verschiedenen »isoliert gedachten seelischen Fähigkeiten innerhalb der seelischen Gesamtveranlagung« (Simoneit 1933, S. 44), also die verschiedenen Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften in der Zusammenschau eindeutigere Schlüsse auf zukünftige Verhaltensweisen zuließen.

Die Offiziersanwärterauswahl basierte fortan auf einem charakterologischen Verfahren, das bereits viele seiner heutigen Elemente, wie z. B. eine Gruppendiskussion, beinhaltete. Der zweite Weltkrieg beendete in Deutschland zunächst die von der Herkunft unabhängige Auswahl beim Militär. Aber die durch diesen Kontext entstandene organisatorische und methodische Grundkonzeption der Beurteilungsverfahren ist bis zum heutigen Tage erhalten geblieben.

In Großbritannien wurden ab 1941 ähnliche Methoden der Offiziersanwärterauswahl angewendet. Auch hier stand das Ziel einer von der gesellschaftlichen Herkunft unabhängigen, effizienten Auswahl qualifizierten Personals im Vordergrund. Kurze Zeit später begannen die USA jene psychologischen Testverfahren zur Auswahl von Bewerbern für den Geheimdienst OSS (Office of Strategic Services) einzusetzen, nachdem sie von den Erfolgen der britischen Armee in Kenntnis gesetzt worden waren. Der Psychologe Henry H. Murray von der Harvard-Universität, der führend an der Konzeption beteiligt war, prägte hier den Begriff Assessment-Center.

Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des OSS-Stabes setzte eine weite Verbreitung dieser Verfahren in den USA ein. Das erste Assessment Center im wirtschaftlichen Bereich wurde – zunächst versuchsweise und unter strikter Geheimhaltung der Ergebnisse – 1956 von der American Telephon & Telegraph Company (AT & T) gegründet. Da die dort erstellten Prognosen später hohe Übereinstimmungen mit den tatsächlichen Karriereverläufen der Teilnehmer aufwiesen, begann AT & T ab 1958 die erlangten Kenntnisse zur Auswahl von Führungskräften anzuwenden. Bis 1969 verbreitete sich die Assessment-Center-Methode nur zögerlich im Bereich der Wirtschaft; dann setzte jedoch eine stetig zunehmende, weltweite Verbreitung ein.

1.2       Assessment in der Altersmedizin

Der Ursprung der Geriatrie liegt schon lange zurück. Ende des 19. Jahrhunderts (1881) inaugurierte Jean-Martin Charcot (1825–1893) am Hôpital de la Salpêtrière an der Universität Paris als erster Mediziner die »geriatrische« Disziplin und Ignatz Leo Nascher (1863–1944) forderte als »Vater der modernen Geriatrie« – ähnlich der Pädiatrie –, die Geriatrie als eigenständige Disziplin zu etablieren.

Eine weitere herausragende Rolle spielte die britische Ärztin Dr. Marjory Warren. Sie etablierte als Erste die multiprofessionelle teambasierte Betreuung multimorbider älterer Menschen. Sie forcierte den Teamgedanken mit Einbinden von Physio- und Ergotherapie, mit der Einrichtung von Tagesräumen, einer speziellen Ernährung für Patienten mit Kauproblemen und einem angepassten Pflegeschlüssel.

Ein wichtiges Anliegen der Medizin des alten Menschen ist es zudem, durch die Anwendung spezifischer Testverfahren für die weitere Behandlung wichtige Informationen zu gewinnen.

Grundsätzlich werden verschiedene Testverfahren so kombiniert, dass unterschiedliche Problembereiche fokussiert werden können. Die Testverfahren werden verwendet zum

•  Screening,

•  zur umfassenden Diagnostik,

•  zur Schweregradeurteilung und

•  zur Verlaufsbeurteilung.

Das geriatrische Assessment besteht aus einer Kombination verschiedener Testverfahren, welche die für den jeweiligen Patienten relevanten Bereiche (Domänen) abdecken.

Bei der Verwendung von Assessmentinstrumenten müssen die Gütekriterien und die Validierung des Instruments bekannt sein.

Zudem muss bekannt sein, ob ein Instrument wiederholt verwendet werden darf, ob es also »retestfähig« ist. Dazu muss ein Instrument in verschiedenen Versionen vorliegen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Verlaufsergebnis nicht durch eine Voruntersuchung zu sehr beeinflusst wird.

1.3       Geriatrisches Assessment wirkt

Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien aus dem Jahre 1993 zeigte eine Senkung der Mortalität um 35 % bei den Patienten, die ein geriatrisches Assessment erhielten. Daneben konnten positive Effekte hinsichtlich Diagnostik sowie funktionellem, kognitivem und emotionalem Zustand der Patienten nachgewiesen werden. Der Medikamentenverbrauch und die Krankenhausverweildauer lagen bei der Behandlungsgruppe niedriger, ebenso die Rate an Alten- und Pflegeheimeinweisungen (Stuck et al. 1993).

Aktuelle Übersichten zeigen auch, dass ältere Krankenhauspatienten eine bessere Prognose quo ad vitam und eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für die Rückkehr in ihre häusliche Umgebung hatten, wenn ein geriatrisches Assessment durchgeführt wurde und dessen Ergebnisse für die weitere Behandlung berücksichtigt wurden (Harding 2020).

Der sich aus einem korrekt durchgeführten geriatrischen Assessment ergebende Nutzen für den Patienten konnte in zahlreichen Studien für Heimbewohner, Krankenhauspatienten und zu Hause lebende, ambulant betreute Menschen belegt werden (Faul et al. 2009). Weniger gut belegt ist bisher die Wirksamkeit des geriatrischen Assessments in der klinischen Notaufnahme (Harding 2020).

Für den hausärztlichen Bereich ließ sich zeigen, dass ein älterer Patient dann von einem geriatrischen Assessment profitiert, wenn der Hausarzt diesen Patienten noch nicht lange – etwa weniger als zwei Jahre – betreut hat (Faul et al. 2009).

 

2          Epidemiologische und statistische Begriffe

 

 

 

Immer dann, wenn Testverfahren angewendet werden, sollten epidemiologische und statistische Grundbegriffe klar sein. Als Prävalenz wird die Häufigkeit eines Merkmals in einer vorgegebenen Population bezeichnet. Die Prävalenz errechnet sich aus dem Quotienten der Anzahl der Betroffenen und der Gesamtpopulation. Die Inzidenz beschreibt den Anteil der Neuerkrankungen bezogen auf einen festgelegten Zeitraum, in der Regel ein Jahr. Die Sensitivität gibt an, bei welchem Anteil erkrankter Patienten die jeweilige Krankheit durch die Anwendung des Tests tatsächlich erkannt wird. Die Spezifität gibt an, wie wahrscheinlich tatsächlich Gesunde im Test als gesund erkannt werden. Der positive prädiktiveWert (positive predictive value, PPV) ist ein Parameter zur Einschätzung der Aussagekraft von medizinischen Testverfahren. Er gibt an, wie viele Personen, bei denen eine bestimmte Krankheit mittels eines Testverfahrens festgestellt wurde, auch tatsächlich krank sind. Der negative prädiktiveWert (negative predictive value, NPV) gibt an, wie viele Personen, bei denen eine bestimmte Krankheit mittels eines Testverfahrens nicht festgestellt wurde, auch tatsächlich gesund sind.

Die beiden wichtigsten Maßzahlen für einen Screeningtest sind der positive und der negative prädiktive Wert. Bezüglich der erforderlichen Höhe von Sensitivität und Spezifität eines Testverfahrens gibt es keine allgemein verbindlichen Kriterien. Daher gilt es in der klinischen Praxis, einen Kompromiss zwischen diesen beiden Größen zu finden. Zudem muss eine Nutzenabwägung erfolgen, die die gesuchte Störung und deren Relevanz berücksichtigt (Maxim et al. 2014).

Von einem Bodeneffekt und einem Deckeneffekt spricht man in der Testpsychologie dann, wenn die zu messende Größe den Empfindlichkeitsbereich eines Messverfahrens unter- bzw. überschreitet. Ein sehr eingängiges Beispiel sei die Prüfung der Mobilität durch z. B. den Timed-up-and-go-Test. Dieser valide Test würde bei Bettlägerigen oder immobilen Patienten immer einen zeitlich unendlich hohen Wert ergeben. Soll bei diesen Patienten die verbliebene Mobilität bestimmt werden, dann werden Testverfahren benötigt, die eine geringere Mobilität – z. B. das selbstständige Drehen im Bett – erfassen. Boden- oder Deckeneffekte lassen sich leicht erkennen. Dazu wird in einem Patientenkollektiv die Verteilung der Testergebnisse untersucht. Der Anteil der minimalen und maximalen Werte darf dabei einen Anteil von jeweils 15 % nicht überschreiten. Die Messung von Veränderungen macht zudem die Festlegung einer minimal bedeutsamen Veränderung erforderlich. Nur so kann ein klinisch relevanter Effekt erfasst werden.

Eine relevante Veränderung wird als minimal clinical importantdifference (MCID) bezeichnet. Hier sind verschiedene Bestimmungsmethoden verfügbar. Der am häufigsten verwendete Parameter ist eine Veränderung eines Testergebnisses um wenigstens eine halbe Standardabweichung aller Testergebnisse in einer Population.

Unter der Reliabilität (Zuverlässigkeit) wird die formale Genauigkeit eines Testverfahrens verstanden. Die Reliabilität beschreibt den Anteil an der Varianz, der durch tatsächliche Unterschiede im zu messenden Merkmal und nicht durch Messfehler erklärt werden kann.

Die Validität (Gültigkeit) ist ein Maß dafür, ob die bei der Messung erzeugten Daten die zu messende Größe repräsentieren, denn nur dann können die Daten sinnvoll interpretiert werden. Validität bezeichnet also die inhaltliche Übereinstimmung einer empirischen Messung mit einem logischen Messkonzept. Allgemein ist dies der Grad an Genauigkeit, mit der das Merkmal tatsächlich gemessen wird, welches auch gemessen werden soll.

Normierung bezeichnet in der medizinischen Diagnostik ein Verfahren, das es ermöglicht, die individuellen Testergebnisse mit denen einer größeren und meist repräsentativen Stichprobe zu vergleichen. Durch die Normierung eines Testverfahrens können zum Beispiel Perzentilen erstellt werden, die dann ein individuelles Testergebnis einordnen lassen. Das Gütekriterium der Objektivität bezeichnet die Unabhängigkeit der Ergebnisse von den Personen, die bei der Ergebniserstellung beteiligt sind.

 

3          Das Assessment in der Geriatrie

 

 

 

3.1       Allgemeines zum geriatrischen Assessment

Das Assessment ist ein längerer diagnostischer Prozess, der eine umfassendere Abbildung der Probleme und Ressourcen eines alten Menschen ermöglicht. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil Symptome und gesundheitliche Probleme im höheren Lebensalter oft atypisch präsentiert oder bagatellisiert werden. Damit besteht die Gefahr, dass im Rahmen der üblicherweise durchgeführten medizinischen Diagnostik relevante Probleme übersehen werden.

Das geriatrische Assessment wurde als ein umfassender multidimensionaler und strukturierter Prozess entwickelt. Es soll bei der Entscheidungsfindung helfen, in wieweit therapeutisch präventiv, restituierend oder kompensatorisch erfolgsversprechend behandelt werden kann. Dabei werden die Wünsche und Ziele des Patienten immer mit in ein umfassendes Behandlungskonzept integriert.

Ein so aufgebauter strukturierter Prozess benötigt Zeit und dauert im Durchschnitt ca. 60 Minuten pro Patient. Daher müssen bei der Durchführung eines geriatrischen Assessments immer auch die Belastung des Patienten und seine Ausdauer berücksichtigt werden. Nicht immer kann eine Abklärung als Ganzes erfolgen, sondern muss unterbrochen werden und in kleineren Einheiten erfolgen (sog. rollingassessment), um valide Ergebnisse zu liefern.

Diese Problematik muss unbedingt erkannt und dokumentiert werden, denn ein unter starren äußeren Vorgaben zeitlich komprimierter Assessmentprozess kann falsche Eindrücke liefern und zu falschen Konsequenzen führen.

Nicht jeder ältere Mensch benötigt ein umfassendes geriatrisches Assessment. Die Auswahl der Patienten basiert auf der Zielsetzung des Assessments. Das Spektrum reicht dabei vom Erhalt der Funktionalität bei bisher nicht eingeschränkten Personen über die Aufdeckung latenter Defizite bis hin zur Quantifizierung prävalenter Einschränkungen.

Ältere Menschen, die im Alltag komplett selbstständig sind und keine relevanten Einschränkungen haben, sind eine ideale Zielgruppe für eine Prävention. Hier wäre ein umfassendes geriatrisches Assessment zu umfangreich. Auch die Konsequenzen des Assessments wären gering. Daher ist die Herangehensweise hier ein gezieltes Screening mit sich anschließendem umfassenderen Assessment nur bei Auffälligkeiten.

Auch Personen mit andauernder erheblicher Pflegebedürftigkeit würden im ambulanten Bereich weniger vom Ergebnis eines umfassenden geriatrischen Assessments profitieren. Die älteren Personen mit dem höchsten Benefit leiden typischerweise an mehreren Erkrankungen und therapiebaren funktionellen Einschränkungen (Stijnen et al. 2014).

Eine weitere Gruppe mit Benefit sind elektive chirurgische oder onkologische Patienten vor einer Intervention. Das Ziel ist hier, im Vorfeld Risikofaktoren für einen ungünstigen periinterventionellen Verlauf zu identifizieren und präventiv zu behandeln (Partridge et al. 2014).

Die entscheidende Frage lautet, welchen Benefit der Patient von einem geriatrischen Assessment hat? Studien zeigen zum Beispiel, dass ältere Menschen mit Multimorbidität von einem faktorisolierenden medizinischen Ansatz, der sich nur auf eine einzelne Erkrankung konzentriert, nicht profitieren (Gates und Mills 2005). Ein geriatrisches Assessment ist hingegen umfassender und thematisiert die für den alten Menschen relevanten Probleme unabhängig von der vorliegenden Multimorbidität.

So ließ sich zeigen, dass zu Hause lebende Personen mit pflegerischer Versorgung eine höhere Lebensqualität hatten und seltener in ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim aufgenommen werden mussten, wenn zuvor ein geriatrisches Assessment mit entsprechenden gezielten Interventionen erfolgte. Auch die Mehrkosten für diese Intervention waren durch diese günstigen Effekte mehr als ausgeglichen (Ekdahl et al. 2016).

Eine weitere wichtige Frage ist die, welche Inhalte ein umfassendes geriatrisches Assessment haben muss, um einerseits effektiv zu sein und andererseits nicht durch unnötige Ausdehnung den Patienten und den Untersucher zu überfordern.

Folgende Risikofaktoren für Funktionsverlust muss ein Assessment adressieren:

•  Funktionelle Probleme

•  Kognitive Probleme

•  Emotionale Probleme

•  Soziale Probleme

•  Probleme mit der Sinneswahrnehmung

•  Ungünstige und ungesunde Lebensweise

Eine Untersuchung alter Menschen lieferte durch deren Befragung die Bereiche (Domänen), die diesen Menschen aus ihrer Perspektive wichtig waren und bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden (sog. unmet needs). Hierzu gehörten Einschränkungen von Hör- und Sehvermögen, physische Fähigkeiten einschließlich der Aktivitäten des täglichen Lebens, Inkontinenz, Hirnleistung (Kognition), Mobilität, Sturzrisiko sowie Stimmung (Iliffe et al. 2004).

Von Experten wurden die Domänen Ernährung und soziales Umfeld ergänzt (Barkhausen et al. 2015). Die Domänen Mobilität, Ernährung, Sehen, Hören, Hirnleistung und Depression sowie die geriatrischen Syndrome Sturz und Inkontinenz wurden auch durch ein Expertengremium der WHO als elementar für ein umfassendes geriatrisches Assessment identifiziert (World Health Organization 2017).

Weitere wichtige Domänen, die noch nicht als Standard in ein umfassendes geriatrisches Assessment aufgenommen wurden, sind die Domänen Schmerz, Schlaf und Schluckfähigkeit.

Domänen eines umfassenden geriatrischen Assessments:

•  Basale und instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

•  Hirnleistung (Kognition)

•  Psychische Verfassung (Stimmung, Depression)

•  Mobilität

•  Soziales Umfeld

•  Sinneswahrnehmung (Hören, Sehen)

•  Inkontinenz

•  Schmerz

•  Schlaf

•  Schluckfähigkeit

•  Ernährung

•  Polypharmazie-Management

•  Patientenwunsch

Die Arbeitsgruppe Geriatrisches Assessment (AGAST) hat das geriatrische Assessment in drei Stufen eingeteilt, die aufeinander aufbauen (Hofmann et al. 1995).

Als Stufe 1 wird ein multidimensionales Screening zur Identifikation geriatrischer Patienten empfohlen. Hierzu zählt zum Beispiel das geriatrische Screening nach Lachs (Kap. 4.2.1). Die Stufe 2 umfasst das geriatrische Basisassessment mit den Domänen Selbsthilfefähigkeit, Mobilität, Kognition und Emotion. Die Stufe 2 unterscheidet zusätzlich eine Stufe 2a mit Ausschluss oder Nachweis einer relevanten Störung von einer Stufe 2b zur Erfassung der Ausprägung (Schweregrad) einer Störung. Stufe 3 dient der vertiefenden Abklärung von Störungen. Diese Instrumente werden nur bei klar gegebener Indikation verwendet.

3.2       Geriatrisches Assessment bei zu Hause lebenden älteren Menschen

Die Durchführung eines geriatrischen Assessments zu Hause ermöglicht einen tiefen Einblick in die Selbstversorgungsfähigkeit und Alltagsorganisation. Der Hausbesuch ist ein sehr intimes Assessment, da die Privatsphäre tangiert wird. Bei der Durchführung eines Hausbesuches gelten Regeln, die nie verletzt werden sollten.

Die Dauer eines zu Hause durchgeführten Assessments beträgt ohne Anfahrt etwa zwei Stunden.

Regeln für einen Hausbesuch bei einem älteren Menschen:

1.  Vermeiden Sie Unruhe und Eile:

•  Unterhalten Sie sich in Ruhe, der ältere Mensch wird mehr Informationen und tiefer Einsicht in seine persönliche Situation geben.

2.  Fragen Sie um Erlaubnis:

•  Dies vermittelt dem älteren Menschen das wichtige Gefühl, die Kontrolle zu behalten.

3.  Schauen Sie mit den Augen des älteren Menschen:

•  Lösen Sie sich von ihrer eigenen Sichtweise und versetzen Sie sich in die Situation des Patienten.

4.  Verifizieren Sie die Aussagen des älteren Menschen:

•  Wird Hilfe nicht gewünscht, aber die Wohnung ist in einem schlechten Zustand, dann sollte dies unbedingt thematisiert werden.