Gerresheimer Gruselgeschichten - Stephan Peters - E-Book

Gerresheimer Gruselgeschichten E-Book

Stephan Peters

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Beschreibung

Eine ausgesuchte Sammlung bereits veröffentlichter, plus zwei neuen Geschichten. Spannung und subtile Komik, sowie brutale Verbrechen in Gerresheim, sind das Markenzeichen des Erfolgsautors Stephan Peters.  Hinzu kommt ein kräftiger Schuss Lokalkolorit vom Autor des Buches: "Die Hexe von Gerresheim"

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Stephan Peters

Gerresheimer Gruselgeschichten

Für alle Gerresheimer und meinen LesernBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Gerresheimer   Gruselgeschichten

 

The best of Stephan Peters

 

plus

 

zwei NEUE

 

Geschichten

Rechte und Impressum

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage, Herausgeber und Autoren unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

 

Impressum

Deutsche Erstveröffentlichung

Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

Stephan Peters

Covergestaltung: Wine van Velzen

Layout: Michael Schönberg

Inhaltsverzeichnis

Cool Jazz

 

Ich hasse dich

 

Oh, wie schön ist Afghanistan

 

Der schreckliche Mann

 

Der schöne Benno

 

Stirb mit Schmerzen

 

Happy Birthday

 

Friday for future

 

Vita 

Cool Jazz

Bin ich das? fragte sich Barbara von Stahl, als sie in den Spiegel starrte. Die langen, roten Haare fielen ihr wie ein Vorhang ins schmale, bleiche Gesicht. Sie war groß, schlank und trug mit Vorliebe Laura-Ashley-Kleider, natürlich nicht im Polizeidienst.

 

Ich hasse Überstunden, mein Gott, das bin tatsächlich ich. Dreiunddreißig Jahre alt, aber meine Großmutter sah im Sarg besser aus als ich, grübelte sie weiter.

„Mach‘s gut, Frau Kollegin“, verabschiedete Harry, ihr Kollege, sie.

Barbara erwiderte: „Ciao, Harry! Ich geh auch gleich. Vierzehn Stunden Verbrecherjagd mit null Ergebnis reichen mir. Du weißt gar nicht, wie ich mich auf meine Badewanne freue! Moschus, Candlelight und Frank Sinatra im Hintergrund, Zigarette in der Schnauze, Whisky auf dem Wannenrand, und …”

„Ich vermute, es gefiele dir besser, wenn Robbie Williams in der Wanne wäre und kein Gruftie aus der Konserve”, meinte Harry.

„Ciao, Bello!“, sagte Barbara. „Du bist noch sehr jung und weißt nicht, was einer Frau guttut.”

Er: „Du hast Recht. Zu zweit in der Wanne, na ja, das hört sich immer cool an, aber: wer sitzt auf dem Stöpsel?”

Sie entgegnete müde: „Wenn du so weiterredest, kannst du deinen gleich im Spülstein suchen! Vor allem lasse ich mir keine Ratschläge von Leuten geben, die im letzten Winter stundenlang ihren Dienstwagen vom Schnee befreit haben, um dann festzustellen, dass es der falsche Wagen war.“

Harry bekam rote Ohren. Dann sagte er mutig:

„Einer Frau darf man nicht widersprechen; man muss nur darauf warten, bis sie es selber macht.“

Barbara verzog den schönen Mund zu einem „Grrrrrrr!“ und zeigte ihre rot lackierten Krallen. Dann sagte sie:

„Mach dich nicht kleiner als du bist; denn so groß bist du auch wieder nicht.“

Harry versuchte verzweifelt, einen Sinn in diesem Satz zu suchen. Er war dreiunddreißig Jahre alt, klein mit roten Haaren, schmächtig und hatte einen leichten Silberblick.

 

Es war eine anstrengende Woche gewesen, und so freute sich Harry auf den Feierabend. Er wohnte dicht an der Gräulingerstraße, auf der alle paar Minuten Feuerwehr oder Krankenwagen vorbeidonnern. Harry wollte gleich in die Mayersche Buchhandlung an der Benderstraße, um für seinen kleinen Neffen Jon ein Kinderbuch zu kaufen. Es hieß „Flugsi und seine Abenteuer“ von Michael Schönberg. Harry hatte es beim Zahnarzt herumliegensehen und war von den Streichen der kleinen Fledermaus begeistert.

 

Hinterher würde er in die T-Bar gehen, um ein kräftiges und schlürfiges Guinness zu trinken. In der Kneipe ging immer die Post ab, vor allem, wenn dort Live-Bands auftraten, die so laut waren, dass selbst Duffy, dem kräftigen Wirt, die Ohren dröhnten, die zwischen den langen Haaren von undefinierbarer Farbe hervorlugten. Die Bräute dort waren auch nicht von der Bettkante zu stoßen, nur musste Harry sie erst mal dorthin bekommen … Uppsss …

 

Aber nun sagte er nachdenklich in Richtung Barbara: „Okay, okay. Du hast tatsächlich gute Arbeit geleistet. Und wenn du nach der fünften Leiche immer noch keine heiße Spur hast, ich meine …”

„Danke, Harry. Aber ich kann keine Fünfe gerade sein lassen, alles klar? Wenn ich wenigstens ein Motiv entdecken könnte. Fünf Opfer, keines hat mit dem anderen Kontakt gehabt, alles grundverschiedene Typen, egal, ob Mann oder Frau.“

Harry sagte: „Alle wurden mit einem Skalpell getötet, und zwar mit ein und demselben. Aber warum?”

 „O Harry, du störst mein Rendezvous mit Frankieboy.”

Barbara schloss müde lächelnd die Tür und kramte ihre Sachen zusammen. Vielleicht hat er Recht, dachte sie verbittert. Ich denke nur an den Dienst. „Das Leben ist endlich“, meinte einmal ihre Mutter. Dann schloss sie weise mit: „Also lebe endlich!“

Da klingelte das Telefon. Soll ich, oder soll ich? Und schon nahm sie ab.

„Hallo – ist da die Mordkommission?”

„Ja, was wünschen Sie?”

„Hören Sie, ich muss dringend mit Ihnen sprechen, es geht um die fünf entsetzlichen Morde. Ich glaube, ich habe einen wichtigen Hinweis für Sie!”

Barbara sagte: „Okay – ist es Ihnen möglich, sofort zu uns zu kommen oder wir zu Ihnen?”

„Das ist absolut unmöglich! Wissen Sie, ich hasse jede Art von unpersönlicher Atmosphäre, in einem Lokal zum Beispiel kann man wesentlich lockerer plaudern.”

„Plaudern? Na gut, was – welchen Ort schlagen Sie vor?”

„Am Alten Bahnhof hier in Gerresheim.“

Sie überlegte kurz und antwortete: „Ich komme. Übrigens: Mein Name ist Stahl. Inspektor von Stahl. Sie erkennen mich …”

„Ich erkenne Sie sofort“, sagte der Mann. „Bis gleich. Sie werden es nicht bereuen!”

Barbara zog sich an und fuhr los. Vorher vergewisserte sie sich, ob sie bewaffnet war, denn der Alte Bahnhof lag völlig verlassen an Gleisen, die mit Unkraut zugewachsen waren. Vor allem jetzt, im Winter, kurz vor Weihnachten. Schneeregen fiel aus einem Himmel auf bitteren Asphalt. Der Wind fegte zwischen blattlosen Bäumen hindurch, Krähen schrien um die Wette. Eine Mülltonne fiel klappernd um.

 

Zum letzten Mal war Barbara vor zwei Wochen in dieser Gegend, als man die Leiche des fünften Opfers, einer alten Sozialhilfeempfängerin, neben Gleis drei gefunden hatte. Man hatte ihr die Kehle mit einem Messer aufgeschlitzt, und aus dem Hals der Leiche kroch eine Ratte heraus, die Barbaras Kollegen Harry böse anglotzte. Harry hätte sich beinahe vor Grauen übergeben. Die Frau war arm, man hatte sie nicht vergewaltigt, aber warum wurde sie getötet? Sie und drei andere Personen, die nichts miteinander zu tun hatten. Die Morde waren völlig sinnlos. Die Polizistin zog nun den Mantelkragen enger um ihr aschfahles Gesicht. Sie hätte einen Kollegen mitnehmen müssen, so sagte es die Vorschrift, aber Barbara lachte darüber wie über fast jede Vorschrift.

 

Eine alte Laterne warf einen harten Schatten übers matschige Pflaster, und ein Weihnachtsmann aus schmutzigem Schnee lehnte an einer Mülltonne.  Der eisige Wind fegte um die wackeligen Mauern des Gebäudes. Die Polizistin schluckte, prüfte nochmals die Waffe in ihrer Manteltasche und ging langsam auf den alten Bahnhof zu. Nur die schummrige, gelbliche Beleuchtung über dem Tresen ließ darauf schließen, dass der Bahnhof geöffnet hatte.

Dann trat sie ein. Das Mobiliar war alt und billig, die Holzdielen knarrten unter ihren Stiefeln, und eine Katze verschwand miauend hinter einem Schrank. Auf dem Adventskranz leuchteten drei vergammelte Kerzen. Der alte Wirt stand hinter der Theke und starrte den Gast an. Er trug eine karierte Hose und hatte ein schmieriges Jackett an, das zwei Nummern zu eng war. Hier warten nur Tote auf den nächsten Zug. Das einzige Lebenszeichen war die Musikbox, die eine Platte spielte.

 

Zu ihrer Verwunderung empfing sie der, den sie eigentlich zu Hause erwartet hatte: Frank Sinatra sang „I`ve got you under my skin“. Sinatras Stimme war wie immer so kalt und hart wie die Gleise vor dem Lokal, aber auch so weich wie der Whisky, den sie gleich trinken wollte. Eine Ex-Geliebte von Frankieboy sagte einmal: Wenn er singt, hat er die kältesten Augen der Welt. Genau so waren die Augen des Fremden, der bereits am Tisch vor der Theke saß und ihr lässig zuwinkte. Groß, vollschlank, um die fünfzig, bleiches Akademikergesicht mit einem Ladykillerschal von drei Metern Länge um den Hals.

 

Freudig erregt sprang er auf: „Oh, Frau von Stahl!  Ja hier ist das gute Stück, meine geliebte Kneipe! Und welch Glanz in diesem morbiden Gemäuer! Ich heiße Sebastian Polinsky, habe die Ehre!“ Er reichte der Beamtin seine eiskalte Hand. Die Beamtin dachte: Ih … Wie eine ölige Qualle. Oder wie eine Leiche.

Die Polizistin durchschaute ihr jeweiliges Gegenüber sofort. Noch nie hatte sie sich bei der Beurteilung eines Menschen geirrt. Und so sagte sie sich nun: Ich glaube, der ist etwas verrückt, aber ziemlich harmlos. Dann zog sie ihren schwarzen Ledermantel aus, der rote Schal aber blieb an ihrem Hals, denn es war kühl. Heute ist wieder fast alles an mir schwarz, dachte sie. Die Jeans, der Pulli, aber meine roten Nägel könnten mal wieder einen Anstrich vertragen. Verdammt! Barbara ärgerte sich, denn sie legte auf ihr Äußeres sehr viel Wert. Und schon spürte sie ihr eigenes, kalkweißes Gesicht und erschrak. Spiegelt mein Outfit etwa meine Seele wider?

Der unbekannte Mann sagte: „Darf ich Ihnen Feuer geben, Frau von Stahl? Wenn es Ihnen recht ist, werde ich mir auch eine …”

„Herr Polinsky, ich habe nicht viel Zeit. Bitte sagen Sie mir …“

„Oh, natürlich. Aber ist diese Musik nicht wundervoll? Es geht doch nichts über den alten Frankieboy, auch wenn sich Robbie Williams noch so anstrengt! Er hat ein Problem, für das er nichts kann: Er ist Tenor, und Sinatra halt Bariton. Da kommt jeder Song wie Whisky rüber und nicht wie Sekt. Oder nehmen Sie Pavarotti! Eiskalt, sage ich Ihnen. Da bekommen Sie bei ‚Torna a Sorriento‘ Eisbeine, und bei Domingo – ein Spanier! – die Wärmflasche gleich mitgeliefert. Jeden Abend sitze ich hier, meistens allein und höre mir Jazz an. Cool Jazz nenne ich ihn. Als armer Autor von Horror-Stories ist man froh, nachts ungestört in the mood zu sein, wenn Sie wissen, was ich meine. Die blaue Stunde und so. Dann ab und zu die Gesellschaft einiger Gleichgesinnter – und Whisky natürlich! Unter uns gesagt: Ich halte das ganze Universum für eine einzige gegen mich gerichtete Intrige! Von diesem alten Bahnhof hier natürlich abgesehen. Hierhin ziehe ich mich zurück, wenn ich glaube, die Welt ist zu viel für mich. Obwohl manche meiner wenigen Freunde genau das Gegenteil behaupten: Ich sei zu viel für sie. Egal. Hier gibt es keinerlei Anrufe, und niemand will etwas von mir.“

Der skurrile Schriftsteller warf eine Münze in die Musikbox, aber sie blieb still. Er trat wütend gegen die Box und schlug mit den Fäusten drauf.

„Verdammtes Ding! Ich jag dich gleich in die Luft!“

 „Herr Polinsky, ich darf …“

 „Verzeihen Sie, Verehrteste. Ich bin ein alter Schwätzer, der schon lange keine Stimme mehr gehört hat, zumal nicht die einer bezaubernden, jungen Frau! Und mein Auftritt gerade war mehr als peinlich. Nur ein schwarzer Engel wie Sie, kann mich trösten, Verehrungswürdige.“

Und Barbara dachte: Upps, das hat gesessen. Ein schönes Kompliment, aber ich muss auf der Hut bleiben … trotzdem tut es gut. Aber eines, liebe Barbara, musst du korrigieren: Du bist eine verdammt schlechte Menschenkennerin! Dieser Typ vor dir ist nicht nur unterschwellig aggressiv, er ist es ganz offensichtlich. Total verrückt.

„Sie erinnern mich an Allan“, sagte sie laut.

 „Poe?!“ rief der Fremde. „Das ist zu viel der Ehre. Aber ich danke Ihnen für das Kompliment.“

„Sie glauben, mir bei den Ermittlungen behilflich sein zu können. Dann tun Sie es bitte und halten keine langatmigen Monologe.“