GeSalzene Morde - Sabine Hartmann - E-Book

GeSalzene Morde E-Book

Sabine Hartmann

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Tal der Innerste und der Lamme, sanfte Hügel, grüne Wiesen und üppige Laub- und Nadelwälder prägen die Landschaft rund um Bad Salzdetfurth. Doch egal ob in Wesseln, Groß Düngen, Bodenburg, Detfurth, Wehrstedt, Breinum, Heinde, Hockeln, Lechstedt, Listringen, Östrum oder Klein Düngen: Diebe, Mörder und Betrüger suchen alle Ortsteile heim. So hat Justus Kramer, Kriminalkommissar in der Lammestadt, alle Hände voll zu tun. Kaum hat er herausgefunden, wer den Toten vor der offiziellen Beerdigung in das Grab gelegt hat, wird eine Leiche am Bullenstall gefunden. Während er noch ermittelt, wer den Banker auf dem Gewissen hat, stolpert seine Frau Annabell bei einem Spaziergang über einen Toten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 281

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



GeSalzene Morde

Sabine Hartmann (Hg.)

Kurzkrimis

Bad Salzdetfurth kriminell

Hottenstein Buchverlag

An der Höhe 15

D-31079 Sibbesse

Tel. +49 5065 - 1781

Fax +49 5065 - 1824

www.hottenstein.de

[email protected]

ISBN 3-978-93598-73-1

Einbandgestaltung: Sabine Hartmann

Bearbeitung und Satz: Andreas Hartmann und Martin Hartmann

Fotos auf dem Titelbild mit freundlicher Genehmigung von: Anke Viek, Bernward Klauenberg, Martin Hartmann und Henrik Gerold Vogel über pixelio.de

Vorwort

Lieber Leserin, lieber Leser!

“GeSalzene Morde” – Das ist der Titel der Krimikurzgeschichten, die in Bad Salzdetfurth und den Ortsteilen spielen.

Seit Herbst 2011 schmieden sie hinter verschlossenen Türen Mordpläne. Ihre Waffe ist der Stift und ihr Motiv die Unterhaltung: Ein Jahr lang haben sich einige ganz normale Menschen getroffen und die Geschichten für dieses Buch geschrieben. Nach anfangs wechselnder Besetzung trafen sich sechs Frauen und Mädchen im Alter von 14 bis 53 Jahren regelmäßig und lernten in einem umfassenden theoretischen Teil, wie und was man bei Kurzkrimis schreiben darf, kann und sollte. Wie Sie anhand der Steckbriefe sehen, sind die Autoren sowohl vom Alter als auch von Wohnort und Beruf bunt gemischt. Genauso eine bunte Mischung an Kurzkrimis halten Sie jetzt in der Hand. Jede Autorin hatte den Anspruch, den besten, gruseligsten oder pfiffigsten Mord abzuliefern.

Alle Ortsteile, die meisten Plätze und einige Menschen in den Krimis gibt es wirklich (und sie haben uns die Erlaubnis gegeben, sie namentlich zu erwähnen). Sollten Sie sich in einer Person wiedererkennen und sich geschmeichelt fühlen, freuen wir uns, wenn Sie sich freuen. – Sollten Sie sich erkennen und fühlen sich auf den Schlips getreten, wissen wir leider nicht, wie Sie zu dieser Ansicht kommen. Alle weiteren Personen, Orte und Handlungen sind frei erfunden.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leser, dass Sie den einen oder anderen Ort wiedererkennen oder ihn besuchen wollen, weil unsere Geschichten Ihr Interesse geweckt haben. Und wir wünschen Ihnen beim Lesen so viel Vergnügen wie uns beim Schreiben!

Sabine Hartmann und Gisela Klauenberg

Vorwort7

Ein Grab muss anständig aussehen9

Käthes Apfeltraum16

Freundschaft18

Alte Rechnungen25

Sein letztes Eis26

Ein See von Blut27

Stacheligel gibt es nur im Herbst33

Das Rezept für Stacheligel43

Wer Wind sät44

Hartholz45

Kursschwankungen51

Späte Rache57

Gefesselt in Wesseln61

Der Schulausflug67

Ein literarischer Mord73

Du machst mich rasend76

O Sole mio80

Mein Engel81

Auf Messers Schneide87

Aneurysma um Acht93

Glück auf95

Zahltag96

Wahnwitzige Wortspiele97

Ballermann im Bullenstall98

Steckbriefe102

Ein Grab muss anständig aussehen

Detfurth

Gisela Klauenberg

9 Uhr morgens. Es wurde gerade hell, aber es war noch kalt und dunstig auf dem Friedhof. Man musste kräftig arbeiten, um warm zu werden. Der Mann nahm die Abdeckung vom Grab und stutzte. Irgendjemand hatte Erde hineingeworfen. Verärgert griff er nach der Schaufel und stieg in die Grube. Er setzte sein Werkzeug an und stieß in etwas Weiches. Der Mann schob ein bisschen Erde beiseite, schaute auf ein Stück Jeans und eine Hand, ließ erschrocken die Schaufel fallen, kletterte aus dem Grab und griff nach seinem Handy.

„Herr Pfarrer, hier Stehlenhügel, tja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber in dem Grab, dass ich für heute Nachmittag ausgehoben habe, liegt schon eine Leiche!“

Der Totengräber hörte, wie der Pfarrer die Luft einzog und sagte: „Ich komme sofort auf den Friedhof. Rufen Sie die Polizei an. Ich benachrichtige die Angehörigen, dass wir die Beerdigung verschieben müssen.“

Eine halbe Stunde später war der Detfurther Friedhof voller Leute in weißen Overalls. Es war ein ungewohntes Bild vor der schönen alten Kirche aus dem 17. Jahrhundert, die dem Heiligen Gallus gewidmet ist. Normalerweise liefen auf dem in ordentlichen Reihen angelegten Friedhof eher schwarz- statt weißgekleidete Menschen herum. Manchmal fand man auch buntgekleidete, denn etliche Detfurther hatten in diesem Gotteshaus geheiratet oder, so wie der Totengräber, ein Kind taufen lassen.

Kriminalkommissar Justus Kramer verhörte Bernd Stehlenhügel, den er vom Sehen kannte und der gerade seine Arbeitsgeräte in die Schubkarre packte. „Wie haben Sie die Leiche gefunden?“

Stehlenhügel zog seine Handschuhe aus und antwortete: „Ich wollte das Grab für die Beerdigung heute Nachmittag herrichten. Da fiel mir auf, dass es nicht tief genug war. Also stieg ich rein, um Erde raus zu schippen und … da war die Leiche.“

„Kommt es öfter vor, dass Sie kurz vor einem Begräbnis noch am Grab arbeiten?“

„Je nachdem, wie weit ich mit den Vorbereitungen bin. Aber spätestens zwei Stunden vor einer Beerdigung muss alles fertig sein“, erklärte Stehlenhügel.

Kramer hakte nach. „Was machen Sie mit Ihren Arbeitsgeräten, stellen Sie die hier ab, oder nehmen Sie sie mit nach Hause?“

„Die werden dort in der Turmkammer eingeschlossen.“ Er deutete auf den Anbau am Kirchenschiff.

Justus schrieb die letzten Stichworte in seinen Notizblock und wandte sich an Stehlenhügel: „Verdient man denn gut als Totengräber?“

„Kein bisschen“ erwiderte der, „wenn ich Hausmeister im Geschäft meiner Frau wäre, würde ich besser verdienen. Die Arbeit auf dem Friedhof ist mehr fürs Seelenheil.“

Kramer beendete die Befragung mit der Anweisung: „Fassen Sie nichts weiter an. Lassen Sie Ihre Arbeitsgeräte hier stehen. Die Beerdigung findet erst statt, nachdem die Spurensicherung fertig ist und die Leiche freigegeben wird. Wir melden uns beim Pfarrer, wenn es soweit ist.“

Der Totengräber nickte kurz und verließ den Friedhof.

Der Kommissar ging zu den Kollegen der Spurensicherung. „Habt ihr etwas gefunden, was uns weiterhilft?“

Meier, der Leiter des Spurensicherungsteams, antwortete: „Reifenspuren von einer Schubkarre; drei bis vier Fußabdrücke, davon ein paar sehr groß; und irgendwelche Fasern, zu denen ich noch nichts sagen kann. Wie weit Dr. Müller ist, müssen Sie ihn selber fragen.“

Kramer nickte und ging zu dem Mediziner, der gerade den Rücken des Toten untersuchte und missmutig vor sich hin grummelte: „Wie soll man verwertbare Spuren sichern, wenn die Banausen die Leiche einfach aus der Grube heben? Und unten ist kein Platz. Verdammt noch mal. Es ist doch unmöglich so zu arbeiten. Was wollen Sie?“, knurrte er, unwirsch über die Unterbrechung.

„Ergebnisse“, sagte Kramer kurz, „was wissen Sie bis jetzt?“

Müller antwortete: „Leiche ist männlich, knapp 60, vermutlich erwürgt, Todeszeit circa 22 Uhr gestern Abend, Rest nach der Obduktion.“

Der Mediziner drehte die Leiche auf den Rücken, um sie weiter zu untersuchen und Kramer rief erschrocken: „O Gott, das ist ja Kalle Bartz.“

Müller schaute den Kommissar an: „Sie kennen ihn?“

Traurig sah Justus auf den Toten. „Kalle war in Detfurth allgemein bekannt. Er war zu allenfreundlich, grüßte stets fröhlich, und er war immer bereit zu helfen, wenn man ihn darum bat.“Er seufzte: „Müller, sehen Sie zu, dass der Bericht so schnell wie möglich bei mir ist.“ Kopfschüttelnd ließ er einen vor sich hin murmelnden Mediziner zurück. Nach einigen Metern bückte er sich bei einem Grab und zupfte an den vertrockneten Blättern einer Blume. Wenn die Leute ihre Pflanzen nicht ordentlich pflegten, musste er zwangsweise krauten oder sie gießen oder …

„Kramer!“ kam von hinten der ironische Anpfiff von Meier. „Machen Sie das bei Ihren Büropflanzen.“

„Sie, junger Mann, Sie!“ Kramer drehte sich im Aufstehen um und stand vor einer alten Dame. Er kannte sie, aber ihr Name fiel ihm nicht ein.

„Was machen Sie denn auf dem Friedhof? Hier ist doch alles abgesperrt?“, erkundigte er sich.

„Ich will zum Grab meines Mannes, das ist ja wohl erlaubt.“

„Nein“, antwortete Kramer, „im Moment nicht!“

Die alte Frau setzte an: „Aber wir kennen uns doch …“, dann fragte sie neugierig: „Was ist denn überhaupt passiert?“

„Darüber können wir noch nichts sagen“, schwindelte Kramer, während er überlegte, wie die alte Dame hieß, doch sie fragte schon weiter: „Da drüben soll doch heute Nachmittag der Heinz beerdigt werden. Ist der das, ach nein, das kann ja nicht sein. Aber wer ist das, und warum liegt der da oben und nicht drin?“

„Das ermitteln wir gerade“, entgegnete Kramer, der über die eigenartige Fragestellung die Stirn runzelte. „Bitte kommen Sie heute Nachmittag wieder, dann können Sie zum Grab Ihres Mannes.“

Die alte Dame drehte sich missmutig um. „Nicht mal seinen Ehemann darf man besuchen. Jedermann läuft hier zu jeder Zeit auf dem Friedhof rum, nur ich darf nicht zu meinem Mann. Also Sachen gibt´s. Na, ich werd mal den Totengräber fragen, wen der da verbuddelt hat. Ich krieg schon raus, wer das ist.“

Jetzt horchte Kramer, der beinahe außer Hörweite war, auf und ging noch einmal zu der alten Frau. „Was wollen Sie den Totengräber fragen?“

„Der Herr Stehlenhügel hat mal gesagt, wenn er einen fiesen Kerl loswerden will, schaufelt er das nächste Grab einfach zwei Fuß tiefer und die Sache hat sich erledigt. Ich glaub ihm das ja nicht, das ist so ein lieber Kerl, aber vielleicht weiß er was. Ich bring ihm nämlich manchmal einen Sliwowitz, wenn er ein Grabschaufelt, zum Aufwärmen, verstehen Sie?Da schwatzen wir dann einen Augenblick, wenn er Pause macht, der Herr Stehlenhügel.“

Kramer sah, dass Meier ihn sprechen wollte, er winkte ihm mit der Hand. Eilig schrieb er in sein Notizbuch. „Wir kennen uns vom Sehen, aber Ihr Name fällt mir gerade nicht ein, Sie wohnen doch hier im Ort?“

„Ja, ich heiße Frau Römer. Ich wohne in dem Mietshaus dort drüben, direkt am Friedhof. Von meinem Balkon sehe ich immer den Herrn Stehlenhügel oder den Hofer und die Angehörigen, die …“

Kramer unterbrach den Redefluss, indem er sich bedankte, sie für das ordentlich gepflegte Grab ihres Mannes lobte und ihr einen schönen Tag wünschte. Dann eilte er zu Meier

Als Bernd Stehlenhügel nach Hause kam, schaute ihn seine Frau Margot verblüfft an. „Was machst du denn hier? Ist das Grab bereits fertig?“

„Nein, aber eine Leiche ist schon drin“, antwortete Bernd trocken und erzählte seiner Frau von dem Fund auf dem Friedhof.

„O Gott, das ist ja entsetzlich.Also dieKnochen, die du hin und wieder findest, gruseln mich ja schon, aber eine ganze Leiche - ist das abartig. Wer ist es denn?“

„Weiß ich auch nicht, ich kannnicht mal sagen, ob es Männlein oder Weiblein ist. Ich habe nur eine Hand und ein Stück Stoff gesehen und bin sofort aus dem Grab raus.“

„Wer kann das denn sein?“, spekulierte Margot. „Und wie kommt die Leiche in ein Grab hier in Detfurth?“

„Ich weiß es nicht. O Gott, das macht mir echt zu schaffen. Die Beerdigung von Heinz heute Nachmittag wird verschoben, was werden die Angehörigen denken? Ich weiß gar nicht, wie und wo ich jetzt weitermachen soll.“

Margot wusste, dass es ihrem Mann am besten ging, wenn er etwas tun konnte. „Räum doch deine Werkstatt auf, das hast du seit langem vor. Du nimmst das Telefon mit runter, dann bist du erreichbar, falls du auf dem Friedhof gebraucht wirst.“

Bernds Miene hellte sich auf. „Okay. Aber vorher muss ich erst mal Gerd anrufen, dass ich den Bagger für heute Nachmittag nicht brauche.“

„Gut, und ich fahre ins Geschäft. Ruf mich an, wenn du mich brauchst“, sagte seine Frau, umarmte ihn, ging zur Haustür und rannte beim Hinausgehen fast in einen Mann. „Oh, Entschuldigung.“

„Macht nichts“, erwiderteder. „Mein Name ist Kramer, Kripo Bad Salzdetfurth. Ich möchte ihren Mann sprechen!“

„Guten Tag Herr Kramer, treten Sie ein“, antwortete Frau Stehlenhügel, drehte sich um, küsste ihren Mann und verabschiedete sich von den Herren:„Tschüss, ich würde ja gerne noch bleiben, aber ich muss ins Geschäft.“

Bernd bat Kramer in die Wohnküche. Am großen Esstisch fanden alle Besprechungen statt und es war meistens der ordentlichste Platz im Haus, wo man Gäste empfangen konnte. „Herr Kommissar, wissen Sie schon, wer der Tote ist?“

„Darüber können wir noch keine Auskunft geben. Herr Stehlenhügel,seit wann arbeiten Sie auf dem Friedhof und was genau ist Ihre Aufgabe?“

Bernd bot Kramer einen Kaffee an, den dieser aber ablehnte und antwortete: „Seit 15 Jahren bin ich hier als Totengräber, ich habe mit meinem Vater zusammen angefangen und die Aufgabe dann übernommen. Es gibt nicht viele Beerdigungen in Detfurth. Das lässt sich mit meiner Arbeitszeit als Postbote ganz gut vereinbaren.“

Kramer machte sich Notizen und fragte weiter nach der Größe, Länge und Arbeitszeit für ein Grab.

Bei der Frage: „Wo waren Sie gestern Abend gegen 22 Uhr?“ wurde Stehlenhügel stutzig: „Verdächtigen Sie mich etwa?“

Kramer antwortete nur: „Ich verdächtige grundsätzlich jeden außer mich selbst. Beantworten Sie bitte meine Fragen.“

Stehlenhügel schüttelte sich: „Beim Elternabend meines Jüngsten. Der fing um 19.30 Uhr an, und die kamen mal wieder nicht zum Ende. Ob Salamistullen gesünder sind als Käsebrote und ob eine Klassenfahrt ins Ausland den Horizont erweitert, darüber diskutierten die geschlagene zweieinhalb Stunden. Ich hasse diesen unsinnigen Kram. Soll jeder seinem Kind zu essen geben, was er für richtig hält. Und findenSie Auslandsreisen in der fünften Klasse sinnvoll?“

„Nein“, sagte Kramer voller Überzeugung, „genauso wenig wie Elternabende mit solchen Tagesordnungspunkten.“

Stehlenhügel grinste: „Haben Sie auch Probleme mit Kindern in dem Alter?“

„Nicht mit den Kindern, aber mit den Elternabenden“, lachte Kramer zurück. Einig sahen sie sich an, bevor der Kommissar weiterfragte: „Zurück zum Thema: Sie machen die Arbeit alleine?“

„Heute Nachmittag sollte mir der Gerd mit dem Bagger beim Zuschaufeln helfen, damit wir schneller fertig sind. Ich muss abends noch zur PGR-Sitzung. Sonst ist eine Beerdigung in Detfurth reine Handarbeit.“

Kramer schaute verwundert auf: „Was ist PGR und wer ist Gerd und wo wohnt der?“

„Also PGR“, antwortete Stehlenhügel, „bedeutet Pfarrgemeinderat. Und Gerd Hofer wohnt im Ahornweg 117.“

„Okay, vielen Dank Herr Stehlenhügel, das ist vorläufig alles“, verabschiedete sich Kramer und Stehlenhügel brachte ihn zur Tür.

Dann ging Bernd zum Telefon, um Gerd anzurufen: „Hallo Gerd, hier ist Bernd, du brauchst wahrscheinlich erst morgen mit dem Bagger zu kommen, ich sag dir Bescheid.“

Erstaunt fragte Gerd: „Was ist los, bist du krank oder ist der Tote wieder lebendig?“

„Nee, im Grab liegt schon eine Leiche und jetzt ermittelt die Kripo.“

„Ist der Tote im Grab ein Feind von dir? Geschickte Entsorgung!“, lachte Gerd.

„Sehr witzig, du wirst nicht lange lachen, du bekommst auch noch Besuch von diesem Kommissar, der wird dich bestimmt erst mal nach deinen Leichen im Keller aushorchen“, grinste Bernd. „Der fragte nämlich, wer hier arbeitet, und da habe ich gesagt, dass du manchmal beim Zuschaufeln hilfst und er wollte deine Adresse haben.“

Gerd war irritiert: „Ich war doch die letzten Tage gar nicht auf dem Friedhof. Was geht mich der Kerl im Grab an?“

Bernd entgegnete nur: „Was weiß ich. Ich ruf dich wegen des Baggers an. Bis dann.“ Er legte auf und ging in seine Werkstatt.

Kurze Zeit später stand Kommissar Kramer bei Hofers vor der Tür. Auf sein Klingeln öffnete eine Frau und fragte vorsichtig: „Ja?“

„Guten Tag, Kripo Bad Salzdetfurth, Kriminalhauptkommissar Kramer, ich möchte zu Gerd Hofer.“

„Moment, ich…“, sagte Frau Hofer, da kam ihr Mann in den Hausflur und zog sie von der Tür weg.

„Wer sind Sie?“, fragte er.

Kramer wiederholte sein Sprüchlein und bat um Eintritt. Unwillig führte Hofer ihn ins Wohnzimmer. Frau Hofer setzte sich auf die Kante eines Stuhls, Gerd stand hinter ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Kramer steuerte das Sofa an. Aber er entschied sich bei dem Anblick vertrockneter Pflanzen auf und großen, schlammigen Stiefeln unter der Fensterbank für den Sessel mit dem Rücken zu dieser trostlosen Aussicht. Er fragte: „Sie helfen Herrn Stehlenhügel auf dem Friedhof?“

„Ja.“

„Wie lange schon?“

„Seit zwei Jahren.“

„Gehört der Bagger Ihnen?“

„Ja, ich habe ihn meinem Schwager abgekauft, er brauchte ihn nicht mehr.“

„Herr Stehlenhügel sagte, es gäbe nur ein paar Beerdigungen im Jahr, die er meistens von Hand macht. Das lastet ihren Bagger bestimmt nicht aus, oder?“

„Ich nutze ihn für mein Grundstück, wir haben Hanglage, da brauche ich eine Maschine, um Terrassen anzulegen. Manchmal helfe ich auf dem Friedhof, wenn Angehörige ein altes Grab wegräumen wollen oder schwere Arbeiten anfallen, wofür sie eine Maschine brauchen.“

„Herr Hofer, wo waren Sie gestern Abend gegen 22 Uhr?“

„Räum die Küche auf“, befahl Hofer.

Irritiert von dieser Antwort blickte Kramer von seinem Notizbuch auf, erkannte aber, dass die Aufforderung wohl Frau Hofer galt, die gerade in der Küche verschwand. Er musterte Hofer von oben bis unten, wobei sein Blick an den großen Füßen hängen blieb.

Hofer sagte zu Kramer: „Ich war zu Hause und habe in der Garage am Bagger gearbeitet.“

„Gibt es dafür Zeugen?“

„Meine Frau.“

„Ihnen ist schon klar, dass Sie sich verdächtig machen, wenn ich eine solche Frage stelle und Sie Ihre Frau, die Ihr Alibi bestätigen muss, in die Küche schicken?“, fragte Kramer. Erfolgte ihr in die Küche.„Frau Hofer, wo war Ihr Mann gestern Abend?“

„Hier zu Hause“, antwortete sie leise.

„Was hat er gemacht?“

„Ferngesehen.“

„In der Garage?“

Irritiert schaute Frau Hofer den Kommissar an. „Wieso in der Garage?“

Hofer kam mit hochroten Kopf hinter Kramer in die Küche und fuhr ihn an: „Sie meint natürlich, dass ich ferngesehen habe, nachdem ich in der Garage fertig war!“

„Ja, genau, so war es.“ Frau Hofer nickte schnell.

„So so“, murmelte Kramer,kringelte ein Fragezeichen in seinen Notizblock, schaute die beiden skeptisch an und ging.

Annabell Kramer hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Finn und Lena, ihre Zwillinge hatten sich mit Freunden verabredet. Natürlich jeder mit einem anderen, die an entgegengesetzten Enden von Bad Salzdetfurth wohnten. Dadurch hatte sie nach Hausputz und Einkauf nachmittags wie so oft Mamataxi gespielt, die Kinder verteilt und wieder eingesammelt. Jetzt musste sie mit Merle, ihrer Ältesten, noch für das morgige Diktat üben. Und demnächst kam ihr Mann nach Hause, wahrscheinlich mit Hunger im Bauch und einer langen Geschichte auf der Zunge.

Justus Kramer schloss die Haustür auf und die Zwillinge begrüßten ihn stürmisch. Sie erzählten ihm sofort von den Nachmittagsabenteuern bei ihren Freunden, dadurch fiel die Begrüßung seiner Frau und seiner ältesten Tochter etwas kurz aus.

Annabell grinste ihn nur an, nach dem Motto „Ich kenne die Geschichten schon – jetzt kannst du sie dir anhören.“ Sie schnappte sich Merle für die Diktatübungen.

Die Zeit für sich holten Annabell und Justus abends nach, wenn die Kinder schliefen. Entweder waren sie im Garten, wo Justus in den Blumenrabatten arbeitete und Annabell im Liegestuhl neben ihm relaxte. Oder sie machten es sich, so wie heute, im Wintergarten bequem, und Annabell strickte. Dort ging Justus, der den doppelten grünen Daumen hatte, ebenfalls seiner Lieblingsbeschäftigung nach und kümmerte sich um sämtliche Pflanzen.

Annabell sinnierte: „Weißt du, Justus, ich finde es richtig gut, dass wir uns Zeit nehmen, miteinander zu sprechen. Ich erlebe mit den Kindern, Gustav und meinen ganzen ehren- und hauptamtlichen Tätigkeiten so viel …“

„… und ich in meinem Job“, fiel Justus ihr ins Wort.

„Genau“, bestätigte Annabell. „Ich finde, unsere Gespräche sind auf alle Fälle viel interessanter als alles, was im Fernsehen seit Jahren wiederholt wird.“ Sie räkelte sich auf dem Sofa und erzählte: „Heute Nachmittag war Finn bei Leon. Es kommt selten vor, dass sein Freund mal Zeit zum Spielen hat, weil die Mutter ihn in tausend Kurse und Vereine schleppt, um ihn optimal zu fördern. Ich glaube ja, dass es die perfekte Methode ist, um ein Kind optimal zu überfordern. Vielleicht sollten wir der Mutter zum Geburtstag das Buch „Die Mütter-Mafia“ schenken, das genau dieses Thema auf die Schippe nimmt.“

Justus stimmte ihr grinsend zu: „Mach das. Wenn Leons Mutter den nötigen Humor hat, kommt es bestimmt gut an. Bei mir war es heute spannend und traurig. Ich wurde nach Detfurth auf den Friedhof gerufen. Da lag eine Leiche in einem Grab, und stell dir vor: Es war Kalle Bartz.“

Annabell sah ihren Mann erschrocken an. „Unser Kalle? Hier aus Detfurth? Wer könnte dem denn etwas Böses wollen?“

Justus schüttelte den Kopf. „Ich weiß es auch nicht. Wir stehen noch ganz am Anfang der Ermittlungen. Ich hoffe, die Ergebnisse von Dr. Müller und der Spusi liegen bald vor und helfen uns weiter.“

Annabell unterstütze ihn: „Dir gelingt es bestimmt, den Mörder von Kalle zu finden.“

Justus nickte zuversichtlich und berichtete, dass ihn seine Ermittlungen schon zuStehlenhügels und Hofers geführt hatten.

Annabell schaute ihn erstaunt an. „Du warst richtig im Haus? Bei den Hofers, im Ahornweg?“

„Ja“, entgegnete Justus, „ist das so ungewöhnlich?“

„Naja“, meinte Annabell, „wenn ich Frau Hofer zur AG in der Schule abhole, wartet sie immer vor der Tür. Ich war noch nie bei denen im Haus.“

„Der Vorteil von uns Polizisten ist der fast uneingeschränkte Zugang zu Häusern oder Personen. Wobei mir da eine ganz bestimmte Person besonders lieb ist.“ Damit rückte Justus an Annabell heran, die ihr Strickzeug in Sicherheit brachte und ihren Mann umarmte.

Gerd Hofer hatte sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen und überlegte, ob der Kommissar misstrauisch geworden war, als seine Frau bei der Frage nach seinem Alibi so einen Blödsinn erzählt hatte, obwohl er ihr schon vorher gesagt hatte, was sie antworten sollte. Er hatte sich über Kramers Fragen nach seinem Tun geärgert, schließlich brauchte er niemandem Rechenschaft ablegen, wenn er mal bis in die Nacht unterwegs war. Wobei der gestrige Abend, das musste er zugeben, nicht so verlaufen war wie geplant. In Gedanken ging er den Weg vom Küstergarten bis zum Friedhof und war sich sicher, dass er keinen Menschen gesehen hatte. Im Tenniszentrum und beim Pfarrhaus war alles dunkel und ruhig gewesen, und der Kurpark war nur schwach beleuchtet und menschenleer.

Er wollte auf andere Gedanken kommen. Heute Nachmittag hatte er frei. Da war seine Frau in der Schule. Wie man sich das antun konnte, mit so vielen nervenden Kindern zu arbeiten, war ihm schleierhaft, deshalb ließ er seine Frau dort alleine hingehen. Sonst blieb sie besser zu Hause, oder er begleitete sie. Gerd griff sich sein Handy, wählte eine Nummer und begann mit: „Hallo Süße, hast Du Zeit…?“

Als Justus Kramer am nächsten Tag ins Büro kam, lagen ihm die Ergebnisse von Dr. Müller und der KTU vor. Die Reifenspuren stammten von einer Schubkarre. Die Spurensicherung hatte sie mit den Reifen der Friedhofsschubkarre verglichen. Diese Spuren stimmten nicht überein. ZweiSchuhabdrücke hatte die Spusi zuordnen können: sie passten zu den Stiefeln des Totengräbers und den Schuhen des Pfarrers. Dann hatten sie noch Abdrücke von ein paar Schuhen in Größe 48 und Damenstiefeln sichergestellt.

Bei dem Toten handelte es sich um Kalle, amtlich Karl Heinz Bartz, 58, wohnhaft in Detfurth, langjährig als Schornsteinfeger aktiv und seit drei Jahren arbeitslos. Auch der Pfarrer, der auf dem Friedhof vorbeigeschaut hatte, als Kramer bei Stehlenhügel war, hatte Kalle als Gemeindemitglied erkannt. Meier hatte den Hinweis des Pfarrers notiert, dass „der Herr Bartz und sein Kollege“ bei den Kurparkgärtnern arbeiteten. Das musste Justus noch überprüfen. Und natürlich, wer der Kollege war. Kalle war, wie Dr. Müller gesagt hatte, erwürgt worden.

Kramer machte sich auf den Weg zum Friedhof. Er vermutete, dass er Stehlenhügel dort antreffen würde. Der machte gerade Pause und betrachtete in Gedanken vertieft die Fenster der Kirche. Auch Justus guckte hoch. Er wusste, dass sie von innen noch schöner wirkten, besonders wenn von außen die Sonne darauf schien und die Buntglasfenstermit den Abbildungen der Heiligen und die Bibelszenen ausleuchtete.

„Hallo Herr Stehlenhügel, Sie müssen ja schon wieder schaufeln“, begrüßte er den Totengräber.

Der stützte sich auf seinen Spaten, schaute den Kommissar an und sagte: „Der Pfarrer hat mir gesagt, dass der Tote Kalle ist, und als Detfurther wird er natürlich hier beerdigt. Kalle war so ein sympathischer Mensch, wer bringt den denn um?“

„Wir ermitteln noch. Herr Stehlenhügel, wissen Sie, wo Kalle gearbeitet hat? War er eventuell bei den Kurparkgärtnern beschäftigt?“

„Ja, ich glaube, die halfen da gelegentlich aus, er und der Gerd.“

„Der Gerd Hofer, den Sie gestern schon erwähnten?“, hakte Kramer nach. Stehlenhügel nickte und ergriff seine Schaufel.

„Soso, da werde ich ihn wohl nochmal besuchen“, antwortete Kramer, verabschiedete sich und ging zu seinem Auto. Auf dem Weg kam ihm die alte Frau Römer mit einer Flasche entgegen. Die wollte bestimmt zu Stehlenhügel, zum „Aufwärmen.“

Justus brauchte einen kleinen Spaziergang, um seine Gedanken zu sortieren. Er bog in die Solebadstrasse ein. Nach einigem Suchen stellte er sein Auto ab. Seit das Solebad renoviert war und die neue Saunalandschaft eröffnet hatte, war der Parkplatz besonders im Sommerhalbjahr sehr gut gefüllt. Dazu kamen noch die Gäste der Gaststätte und des Cafes „Natürlich“, das sich als Erste Wahl für gutes Essen und Feiern aller Art entwickelt hatte. Kramer schaute sich die Kennzeichen an und stellte eine große Auswahl über die Landkreisgrenzen hinaus fest. Er schlenderte in den Kurpark. Nach einer Runde um den Teich, an dem im Sommer seit einigen Jahren das Teichrockfestival stattfand, sprach er mit einem Kurparkgärtner und fragte nach Gerd Hofer und Kalle Bartz. Sie halfen gelegentlich aus, wenn viel Arbeit anlag, wurde ihm mitgeteilt. Mehr konnte der Kollege dazu nicht sagen, er hatte nicht oft mit den beiden gearbeitet. Justus ging im Kurpark bis zu den Gradierwerken und durch die Salinenstraße zurück zu seinem Auto.

Gerd Hofer war guter Laune. Er hatte einen ruhigenTag gehabt, saß in seinem Zimmer, legtedie riesigen Füße mitten auf den Schreibtisch und machte sich Gedanken, wie er zu Geld kommen könnte. Mit Kalle hatte das immer recht gut geklappt. Der war durch seine ehemalige Arbeit als Schornsteinfeger in vielen Häusern gewesen und wusste, wo man etwas Wertvolles holen konnte. Gestern wollten sie ihre nächste „Arbeitsstelle“ anschauen. Dazu trafen sie sich abends im Kurpark am Küstergarten und zogen zur Besichtigung los. Wenn Kalle ihn nicht auf die blauen Flecken seiner Frau angesprochen hätte, und meinte, er solle aufhören sie zu schlagen, sonst würde sie sich von ihm trennen, würden sie immer noch zusammenarbeiten. Aber bei solchen „Ratschlägen“ ging ihm die Hutschnur hoch. Kalle hätte wissen müssen, dass ihn die Hoferschen Privatsachen nichts, aber auch gar nichts angingen. Er wusste schon, warum er seiner Frau den Kontakt mit anderen untersagte, aber Kalle konnte er ja nicht ständig vor der Tür stehen lassen. Also war er hin und wieder Gast bei Hofers gewesen. Weiß der Geier, wann die zwei sich unterhalten hatten und auch noch auf dieses Thema kamen.

Justus war pünktlich zum Abendbrot zu Hause. Annabell merkte gleich, dass ihm etwas durch den Kopf ging, wartete aber, bis die Kinder im Bett waren, um nachzuhaken. Viel zu haken brauchte sie nicht, weil Justus sofort anfing zu reden.

„Ich habe den Verdacht,mit diesem Gerd Hofer stimmt etwas nicht. Frau Römer sieht ihn gelegentlich, dem Stehlenhügel hilft er manchmal, mit dem Bartz hat er zusammengearbeitet. Er taucht dauernd in den Erzählungen der Leute auf und ist zu allen möglichen Zeiten an unmöglichen Orten. Er hat riesige Füße und auf dem Friedhof haben wir sehr große Abdrücke gefunden. Für die Tatzeit hat er ein Alibi, an das ich nicht glaube, aber selbst, als ich Frau Hofer heute vor der Schule nochmal gefragt habe, hat sie es bestätigt. Offiziell war er also am Tatabend zu Hause.“

„Und ich habe mich schon gewundert, warum du an der Schule stehst. Ich dachte erst, es wäre was mit den Kindern, und mich hätte man nicht erreicht“, erwiderte Annabell. „Du, Justus, ich möchte dir etwas sagen.“ Man merkte ihr an, wie sie sich durchrang: „Aber du darfst dem Hofer nie etwas verraten!“

Jetzt wurde Justus stutzig. „Was hast du mit dem Hofer zu tun?“

„Mit ihm zum Glück nichts. Aber seine Frau und ich sind doch immer in der Schule zur Nachmittagsbetreuung. Und gestern wollte sie einem Mädchen helfen, ihre Sachen aufzuräumen. Beim Bücken hat sie vor Schmerzen gestöhnt, und ich habe ein kleines Stück ihres Rückens gesehen, es war vollkommen grün und blau und sah aus wie ein Stiefelabdruck. Als die Kinder weg waren, haben wir noch aufgeräumt und sie konnte nicht mal die Stühle auf die Tische stellen, so weh tat ihr Rücken. Sie ist ja Erwachsenen gegenüber sehr zurückhaltend, aber mit Kindern ist sie total lieb. Ich habe sie auf ihre Schmerzen angesprochen und ihr meine Hilfe angeboten. Daraufhin brach sie in Tränen aus und erzählte, dass ihr Mann sie schlägt. Ich wusste gar nicht, was ich sagen oder tun sollte. Dann habe ich sie nur vorsichtig in den Arm genommen. Kannst du dir sowas vorstellen?“

Justus konnte sich das nach seinem Gespräch bei den Hofers genau vorstellen, sagte es aber Annabell nicht. Die redete über Frau Hofer und wie sie dann zusammen nach Hause gegangen wären und Frau Hofer sie gebeten habe, bloß niemandem etwas zu verraten.

Justus überlegte: „Sprich doch bei eurem nächsten Treffen mit Frau Hofer über den Tatabend. Eventuell sagt sie bei dir ja etwas anderes. Und ich werde mich um Hofers Schuhe kümmern.“

„Prima, tu das. Ich rede mit Frau Hofer. Ach, und du solltest außerdem mit Frau Römer sprechen!“

Justus guckte Annabell erstaunt an. „Bis jetzt hatte ich mit den Befragungen von Stehlenhügel und Hofer zu tun. Aber es kann sein, dass Frau Römer mehr weiß, als sie bisher gesagt hat. Ich werde sie morgen früh gleich als Erstes besuchen.“

Gerd Hofer beschloss, dass er an diesem frühen Morgen alleine an der frischen Luft sein wollte. Vielleicht stellten sie heute Nachmittag das Grab von Heinz fertig, also ging er zum Friedhof. Dort konnte er sich gefahrlos aufhalten, da er ja öfter hier arbeitete und niemandem auffiel. Nicht mal der Herr Kommissar fand ihn verdächtig, grinste Gerd in sich hinein, sonst hätte der längst bei ihm auf der Matte gestanden.

Als er den Blick über den Friedhof schweifen ließ, kam die alte Frau Römer, die manchmal mit ihrem Sliwowitz beim Grabschaufeln auftauchte. Das tat sie allerdings nur, wenn der Bernd da war, mit dem trank sie scheinbar lieber. Auch heute hatte sie wieder eine Flasche in der Hand und steuerte das Grab ihres Mannes an. Jetzt hatte sie Hofer entdeckt und kam auf ihn zu.

„Guten Morgen“, grüßte sie höflich.

„Morgen“, grummelte Hofer zurück, der keinen Wert auf ein Gespräch legte.

„Sie sind aber immer zu eigenartigen Zeiten auf dem Friedhof. Mal spät nachts, mal früh am Tage.“

Alarmiert schaute Gerd auf. „Was wollen Sie damit sagen?“

„Ich sehe, was ich sehe“, lächelte ihn die alte Dame nur an und drehte sich zum Grab ihres Mannes um.

Verdammt, dachte Gerd, soweit zum Thema Alibi von seiner Frau. Die alte Schachtel hatte ihn vermutlich gesehen, als er Kalle entsorgte. Daran hatte er dummerweise nicht gedacht und solche Fehler unterliefen ihm sonst nie. Er hatte zwar niemanden gesehen, aber die alte Frau wohnte direkt am Friedhof, wahrscheinlich mit freiem Blick auf die Gräber. Gerd war der Meinung, Fehler solle man möglichst schnell korrigieren und beschloss, dass es auf eine Leiche mehr nicht ankam. Er ging hinter der alten Dame her.

Justus Kramer machte sich frisch geduscht und froh gelaunt auf den Weg zu Frau Römer. Er wollte ein Schwätzchen mit ihr halten und vielleicht bot sie ihm ja ein Gläschen von diesem Sliwowitz an. Er konnte sich anhand seiner Notizen an die Aufzählung erinnern, wen sie alles auf dem Friedhof gesehen hatte. Jetzt würde er sie nach den Zeiten fragen.

Gerd ging hinter der alten Dame her und beschloss, sie genauso schnell und effektiv wie Kalle mit den Händen zu erwürgen. Dafür brauchte er kein Werkzeug und er konnte sie in das leere Grab werfen. Nur wollte er diesmal mehr Erde lockern und danach auf die Leiche schaufeln, damit man die Alte nicht fand. Und dann würde er für eine Weile verschwinden.

Er erreichte die Frau und fasste nach ihrem Arm. Frau Römer hielt krampfhaft die Flasche fest und versteckte sie hinter ihrem Rücken. Gerd wollte ihr die Flasche wegnehmen, doch Frau Römer umklammert sie noch fester.

„Nein, das dürfen Sie nicht nehmen, das ist nicht gut für Sie.“

Er guckte sie böse an und riss ihr die Flasche aus der Hand. „Ich vertrage eine ganze Menge. Und jetzt, wo der Bernd nicht hier ist, wollen Sie mir doch bestimmt auch mal ein Schlückchen anbieten, bevor ich Sie um die Ecke bringe!“

Als Kramer sich dem Friedhof näherte, hörte er entsetzte Schreie. Er spurtete um die Ecke des Kirchturms und fand Frau Römer in einem Handgemenge mit Hofer. Beim Näherkommen sah er den Mann ins Gras gleiten, die alte Dame schrie immer noch. Kramer nahm sie am Arm, schob sie ein Stück von Hofer weg auf die Bank und ging dann zu dem am Boden Liegenden. Gerd Hofer war tot, dazu brauchte Kramer Dr. Müller nicht. Seine Augen waren verdreht, und er lag zusammengekrümmt auf dem Friedhof, die Arme um den Bauch geschlungen. Kramer drehte sich zu der schluchzenden Frau um.

„Frau Römer, was ist hier passiert?“

„Der wollte mich umbringen. Dieser gemeine Mensch wollte mich umbringen, hat er gesagt. Und er hat mir einfach die Flasche aus der Hand genommen und getrunken. Aber das durfte er nicht. Da drin ist noch das gute Zeug von meinem Vater. Ich verdünne es nicht, damit es besser wirkt. Das war doch die Flasche für meinen Mann. Wissen Sie, das Grab soll doch ordentlich aussehen, und da muss man schon mal mit Chemie arbeiten, um gegen das Unkraut anzukommen. Denn, nicht wahr, Herr Kommissar, ein Grab in Detfurth muss doch anständig aussehen?!“

Käthes Apfeltraum

Heinde

Sabine Hartmann

„Das wird die Sensation.“ Astrid kickte ihre Pumps in die Ecke und goss sich ein Glas Wasser ein. „1546, stell dir das mal vor.“ Sie trank einen großen Schluck und sah ihren Vater an, der nur fragend eine Augenbraue hob. Sie legte ihre Hand auf seine. „Du wirst sehen, dieser Wettbewerb ist eine geniale Werbeidee.“

Ihr Vater Gustav grinste ungläubig. „Wieso sollten wir mit einem Apfelkuchen von 1546 mehr Antiquitäten verkaufen?“

Astrid lachte. „Nicht irgendein Apfelkuchen, Käthes Apfeltraum.“

„Dann eben Apfeltraum, macht die Sache auch nicht besser“, brummte er.