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In 'Gesammelte Briefe von Martin Luther' taucht der Leser tief in die Gedankenwelt des berühmten deutschen Reformators ein. Der Band umfasst 323 Briefe, die einen einzigartigen Einblick in Luthers persönliche und religiöse Überzeugungen bieten. Die Briefe sind in einem klaren und direkten Stil verfasst, der die Klarheit und Entschlossenheit widerspiegelt, für die Luther bekannt ist. Dieses Werk ist nicht nur ein historisches Dokument, sondern auch ein bedeutendes literarisches Werk, das Luthers leidenschaftliche Schreibweise einfängt und den Leser fesselt. Die Briefe sind in einem historischen Kontext eingebettet, der ihre Bedeutung und ihren Einfluss auf die Reformation der Kirche verdeutlicht. Martin Luther, als Autor dieses Werkes, war ein wichtiger religiöser Denker und Beweger seiner Zeit. Seine Briefe zeugen von seiner Kühnheit, seinem Glauben und seiner Entschlossenheit, die den Leser inspirieren und zum Nachdenken anregen. 'Gesammelte Briefe von Martin Luther' ist ein Muss für jeden, der sich für die Geschichte der Reformation interessiert und einen tiefen Einblick in die Gedanken eines der einflussreichsten Denker der Reformationszeit gewinnen möchte.
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Seitenzahl: 816
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Dem heiligen und hochwürdigen Priester Christi und Maria, Johann Braun, Eisenachischem Vicar, meinem lieben Freund in Christo.
Gnade und Friede in Christo Jesu unserm Herrn! Ich müßte mich scheuen, trefflichster Freund, eure Liebe mit meinem lästigen Schreiben und Bitten zu beschweren, wenn ich nicht eures gütigen und gegen mich so wohl gesinnten Herzens aufrichtige Neigung ansähe, die ich aus so viel Ursachen und Wohlthaten sattsam erkannt habe. Darum habe ich kein Bedenken gehabt diese Zeilen euch zu schreiben im Vertrauen auf unsre gegenseitige Freundschaft und in der Hoffnung sie mochten bei euch ein günstig Gehör finden. Denn da der ruhmreiche und in allen seinen Werken heilige Gott mich unseligen und ganz unwürdigen Sünder so herrlich erhöht und zu seinem. himmlischen Dienst aus. lauter reicher Gnade und Güte zu berufen gewürdigt hat, so muß ich, daß ich für solche allerherrlichste Güte, wenigstens soviel dem armen Staube möglich ist, dankbar sei, das mir vertraute Amt ganz erfüllen.
Ist demnach auf Verordnung meiner Väter beschlossen, daß ich dasselbige mit Gottes Hülfe am Sonntag in vier Wochen, Cantate genannt, einweihen soll. Denn dieser Tag ist um der Gemächlichkeit meines Vaters willen zur Darbringung und Heiligung meiner Erstlinge vor Gott bestellt. Dazu ich auch eure Liebe demüthig, obwohl vielleicht nicht ohne Kühnheit, einlade. Nicht, daß ich mich um einiger meiner Verdienste um euch, deren ich keine weiß, würdig schätzen sollte, euch mit solcher beschwerlichen Reise zu bemühen und anzumuthen, daß ihr zu solcher meiner armen Niedrigkeit kommen möchtet, sondern weil ich eure Freundlichkeit und Willfährigkeit, da ich kürzlich bei euch gewesen, mehr als jemals verspürt habe. Ihr werdet also, geliebtester Vater, Herr und Bruder, - denn der eine Name gebührt euch Alters und Amtes, der andere des Verdienstes, der letzte aber des Ordens halber - mir die Ehre thun, wo es euch die Zeit und Kirchen- oder Hausgeschäfte zulassen, und hierher kommen, uns mit eurer lieben Gegenwart und Gebet beizustehen, damit unser Opfer vor Gott angenehm sein möge. Zuletzt erinnere ich euch, daß ihr gerade auf unser Kloster zugehet und bei uns eine Zeit verweilet - denn ich hoffe ihr werdet hier wohnen - nicht aber auswärts euch nach anderer Herberg umthut. Aber ihr müßt ein Cellarius, das ist, ein Zellenwohner werden. Gehabt euch wohl in Christo Jesu unserm Herrn. Gegeben aus unserm Kloster zu Erfurt, den 20. April im Jahre 1507.
Bruder Martin Luther von Mansfeld.
Friede sei mit dir, ehrwürdiger Herr Magister Georg! Mein Bruder Johann Lange bat mich in Deinem Namen, zu eröffnen, was ich von der Sache des unschuldigen und sehr gelehrten Johann Reuchlin wider seine kölnischen Gegner halte, ob Gefahr des Glaubens oder Aergernisses dabei wäre. Du weißt ja aber, mein lieber Magister, daß ich den Mann uach sehr liebe und hochhalte, und mein Urtheil wird also, weil ich, wie man sagt, nicht frei und unpartheiisch ibn, verdächtig sein. Doch sage ich, wie ich's denke: daß ich nehmlich in seinem ganzen geschriebenen Rath nichts Gefährliches sehe.
Ich wundere mich aber sehr über die Kölner, was sie doch so Verworrenes, ja UEberverworrenes und Räthselhaftes in einer so deutlichen Schrift suchen, da er so oft hochfeierlich versichert und betheuert, daß er keine Glaubensartikel, sondern nur seinen Rath und seine Ansicht schreibe. Welche zwei Dinge ihn dergestalt bei mir von dem großen Aberglauben frei machen, daß, wenn er gleich aller Ketzereien Schlamm in seinen Rath zusammengehäuft hätte, ich ihn doch für ganz rein und lauter in seinem Glauben hielte. Denn wenn dergleichen Betheuerungen und bloße Meinungen nicht von Gefahr frei sind, so muß man fürchten, daß solche Glaubensrichter endlich anfangen Kameele zu verschlingen und Mücken zu säugen, und die Rechtgläubigen, obwohl sie Alles versichern und betheuern, zu Ketzern machen.
Was soll ich aber davon sagen, daß sie den Beelzebub austreiben wollen, aber nicht durch den Finger Gottes? Darüber seufze und klage ich öfters. Weil wir Christen angefangen haben, von außen klug und zu Hause thöricht zu sein, so gibt es hundertfältige ärgere Gotteslästerungen durch alle Gassen Jerusalems, und Alles voll von geistlichen Götzen. Und da man diese mit allem Fleiß beseitigen muß, als innerliche Feinde, so lassen wir doch das Alles, was uns am Meisten anliegt, und wenden uns zu auswärtigen und fremden Sachen, Alles aus des Teufels Trieb, der uns beredet, daß wir das Unsrige verlassen und das Fremde doch nicht bessern.
Läßt sich, ich bitte, auch etwas Thörichteres und Unverständigeres denken, als dergleichen Eifer? Haben denn die armen Kölner nicht in der Kirche wilde und wüste Sachen, wo sie ihre Wissenschaft, ihren Eifer und ihre Liebe erzeigen können, daß sie dieselben von so weiten Enden her, da man gar nicht unseres Sinnes ist, herholen müssen? Aber was thue ich? Mein Herz ist voll solcher Gedanken mehr, als die Zunge sagen kann. Ich schließe endlich also, da durch alle Propheten verkündigt ist, daß die Juden Gott und ihren König Christum verfluchen und lästern werden, und wer dieß nicht liest oder versteht, die Theologie nicht gesehen haben muß, so glaube ich, daß die Kölner die Schrift nicht auflösen können; denn also muß es gehen, und die Schrift erfüllt werdne. Und wenn sie die Juden von Gotteslästerungen freisprechen wollen, so werden sie machen, daß die Schrift und Gott lügenhaft erscheinen. Aber sei überzeugt, daß Gott wahrhaftig bleiben werde, ob auch tausend mal tausend Kölner dawider strebten und trotzten. Denn das wird allein Gottes Werk sein, der von innen wirkt, nicht der Menschen, die von außen nur mehr spielen, als wirken. Wenn man die Dinge von ihnen nimmt, werden sie noch schlimmere fertigen. Denn sie sind dergestalt durch Gottes Zorn in verkehrten Sinn dahingegeben, daß sie nach dem Prediger unverbesserlich sind, und ein jeder, der Zucht haßt, wird durch die Züchtigung ärger, und nie gebessert. Lebe wohl im Herrn, und schweige; bete aber für meine sündige Seele bei dem Herrn. Gegeben heute aus unserem Kloster.
Dein Bruder M. Luther.
Gnade und Friede im Herrn! Hoch- und ehrwürdige auch geliebte Väter! Es nahet der Tag St. Lucae heran, da ich, gehorsam meinen Patres und ehrwürdigem Pater Vicarius, den Doctorstuhl der Theologie feierlich besteigen soll, wie ich hoffe, daß ihr aus dem Schreiben des ehrwürdigen Pater Priors zu Wittenberg ersehen werdet. Ich will mich hier nicht viel entschuldigen, noch von meinem Unwerth reden, damit ich nicht aus der Demuth Stolz und Ruhm zu suchen scheine. Gott weiß und mein Gewissen weiß es auch, wie würdig und dankbar ich für solch Gepränge der Ehre und des Ruhmes bin.
Darum bitte ich vor allen um Christi willen, daß ihr mich einmüthig Gott befehlen wollet, wie ihr wißt, daß ihr nach dem Recht der Liebe mir das schuldet, auf daß sein heiliger und gebenedeieter Wille mit mir sei. Auch daß ihr mich würdiget, wo es füglich geschehen kann, daß ihr bei meinem Aufzug, die Wahrheit zu sagen, zur Ehre und Ansehen unsres Ordens und zumeist des Vicariats zugegen sein und ihm beiwohnen wollt. Ich würde mich nicht erkühnen euch solche beschwerliche Reise und Aufwand anzumuthen, wenn mir es nicht der hochwürdige Pater Vicarius also aufgetragen und ich es auch für ungeziemend, ja ganz unwürdig und ärgerlich hielte, ohne euch Erfurter zu benachrichtigen und einzuladen, zu solcher Würde hinaufzusteigen.
Wollet euch hierin dergestalt erweisen, wie wir hoffen und hoffen dürfen. Wir werden dieser Gefälligkeit mit gutem Andenken und Dankbarkeit gedenken. Gehabt euch wohl im Herrn mit allen euren, ja unsern Brüdern, denen wir uns und die unsern zum Gebet befehlen.
Gegeben zu Wittenberg am Tage St. Moritz (22. Sept.) 1512.
Bruder Martin Luther Augustiner.
Ich würde vieles daraus mit Dir brieflich belachen, wenn man darüber nicht mehr trauern als lachen müßte, bei so großem Verderben der Seelen, von dem ich auch für die Zukunft noch mehr fürchte. Der Herr gebe, daß es bald ein Ende habe. Doch ist es mir eine besondere Freude, daß die Sache vielmehr nach Rom und an den apostolischen Stuhl gelangt ist, als daß jenen feindseligen Kölnern weiter die teilweise Erlaubnis zum Richten gegeben ist. Da Rom unter den Kardinälen sehr gelehrte Leute hat, (so wird) wenigstens mehr Gnade (für Reuchlin von diesen zu erwarten sein, als) von den unwilligen Kölnern zugestanden werden wird, mehr als diese ABC-Grammatiker haben, welche weder unterscheiden können, was ein Schriftsteller erzählt, noch was er behauptet, ja nicht einmal verstehen können, was er redet, oder richtiger gesagt, nicht verstehen wollen. Gehab Dich wohl und bete für mich. Wir wollen auch für unsem Capnio (Reuchlin) beten.
Wittenberg, den 7. April 1516
Dem andächtigen und aufrichtigen Bruder Georg Spenlein, Augustinermönch im Kloster Memmingen, den ich im Herrn zu lieben habe.
Jesus Christus!
Gnade und Friede in Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo! Theuerster Bruder Georg, ich will dir zu wissen thun, daß ich aus deinen verkauften Sachen 2 1/2 Gulden zusammengebracht habe, nehmlich 1 fl. für das Brüssel'sche Gewand, 1/2 fl. für das größere Eisenach'sche Werk und 1 fl. für die Kutte und einige Andere. Es ist nun noch etwas mehr da, z. B. die Eclogae Baptistae und deine Sammlungen, die du zu deinem Schaden liegen lassen mußt, denn wir konnten sie bisher noch nicht los werden. Wir haben daher dem ehrwürdigen Pater Vicarius die 2 1/2 fl. für dich angewiesen: wegen des andern halben Gulden, den du ihm noch schuldig bist, wirst du entweder sehen, daß du ihn bezahlst, oder um Erlassung der Schuld bitten. Denn ich merkte, daß der hochwürdige Vater dir ganz geneigt ist, und so das Uebrige leicht erlassen dürfte.
Im Uebrigen möchte ich gerne wissen, wie es um deine Seele steht, ob sie einmal ihrer eigenen Gerechtigkeit satt habe, und in der Gerechtigkeit Christi fröhlich und getrost zu sein begehre (lerne). Denn heutzutage geht die Versuchung der Vermessenheit in Vielen stark um und besonders in denen, welche aus allen Kräften gerecht und fromm sein wollen, und die Gerechtigkeit Gottes nicht kennen, die uns in Christo auf's Reichlichste und umsonst geschenkt ist, folglich in sich selbst so lange Gutes zu thun suchen, bis sie Zuversicht gewinnen, vor Gott zu bestehen, als Leute, die nun mit Tugenden und Verdiensten recht geschmückt wären, was doch unmöglich geschehen kann. Du bist bei uns in dieser Meinung, ja Irrthum gewesen, ich auch: ich streite aber auch noch wider diesen Irrthum, doch habe ich ihn noch nicht überwunden. Darum, mein lieber Bruder, lerne Christum und zwar den Gekreuzigten; lerne ihm lobsingen und an dir ganz verzweifeln, zu ihm aber sagen: Du, mein Herr Jesu, bist meine Gerechtigkeit, ich aber deine Sünde: Du hast die meinige angenommen, und mir die deinige gegeben. Du hast angenommen, was du nicht warest, und mir gegeben, was ich nicht war. Hüte dich, je nach einer so großen Reinigkeit zu trachten, darin du nicht mehr dir ein Sünder scheinen, ja sein wollest. Denn Christus wohnt nur in Sündern. Darum ist er ja vom Himmel herabgekommen, wo er in den Gerechten wohnte, daß er auch in den Sündern wohnte. Solcher seiner Liebe denke nach, so wirst du seinen süßesten Trost sehen. Denn wenn wir durch eigene Mühen und Plagen zur Ruhe des Gewissens gelangen müssen, wozu ist er dann gestorben? Du wirst also nur in ihm durch getroste Verzweiflung an dir selbst und deinen Werken Frieden finden. Lerne auch von ihm, daß, wie er selbst dich angenommen und aus deinen Sünden die seinen gemacht, und seine Gerechtigkeit zu der deinigen, also auch du ihm das fest glaubest, wie sich's gebührt, denn verflucht ist, wer das nicht glaubt. So nimm auch die unordentlichen und noch irrenden Brüder auf und trage sie mit Geduld, und mache aus ihren Sünden die deinen, und wenn du etwas Gutes hast, so laß es ihrer sein. Wie der Apostel lehrt: nehmet euch unter einander auf, wie auch Christus euch aufgenommen hat zur Ehre Gottes; und abermals: seid in euch gesinnt, wie Jesus Christus auch war, welcher, da er in göttlicher Gestalt war, erniedrigte er sich selbst rc. Also auch du, wenn du dich für besser hältst, so achte es für keinen Raub, als wenn es nur dein eigen wäre, sondern äußere dich selbst und vergiß wer du bist, und sei wie einer von ihnen, daß du ihn tragest.
Denn das ist eine unglückselige Gerechtigkeit, wenn man Andere mit sich vergleicht und als schlimmer nicht tragen will, und auf Flucht und Einsamkeit denkt, da man doch mit Geduld, Gebet und Beispiel ihnen gegenwärtig nützen sollte: das heißt das Pfund des Herrn vergraben, und den Mitknechten nicht ihren Theil geben. Wenn du nun eine Lilie und Rose Christi bist, so wisse, daß dein Wandel unter Dornen sein muß: siehe aber nur zu, daß nicht du durch Ungeduld und unbesonnenes Urtheil oder heimlichen Stolz ein Dorn werdest. Das Reich Christi ist mitten unter seinen Feinden, wie der Psalm sagt.
Was dichtest du also eine Mitte der Freunde? Was dir demnach fehlt, das suche und erbitte auf deinen Knieen von dem Herrn Jesu. Er wird dich Alles lehren: beachte nur, was er für dich und Alle gethan, daß du auch lernest, was du für Andere thun mußt. Hätte er nur unter Frommen leben und für Freunde sterben wollen, für welche wäre er doch gestorben? oder mit wem hätte er je gelebt? Thue denn also, mein Bruder, und bete für mich, der Herr aber sei mit dir! Lebe wohl im Herrn. Aus Wittenberg Mittwochs nach Misericord. Dom. 1516.
Dein Bruder M. Luther, Augustiner.
(Dresden, 1. Mai 1516)
Heil im Herrn! Ehrwürdiger und bester Vater Prior! ich habe ungern gehört, es sei bei Euch einer meiner flüchtigen Brüder, Georg Baumgartner, aus unserem Dresdner Convent, der zu Euch leider aus schändlichen Ursachen und auf dergleichen Art gekommen ist. Ich danke aber deiner Treue und willigen Dienstfertigkeit, daß du ihn aufnahmst, damit der Schande ein Ende würde. Es ist mein verlorenes Schaf: es gehört mir, ich muß es, da es verirret, suchen und wiederbringen, wenn es dem Herrn Jesu so gefällt. Ich bitte dich demnach, bei dem geimeinsamen Glauben an Christum und dem Orden St. Augustinus, deine dienstwillige Liebe wolle, so viel sie kann, ihn an mich entweder nach Dresden oder nach Wittenberg schicken, oder ihm zureden durch freundliche und gütige Vorstellungen, daß er selber komme. Ich will ihn freudig aufnehmen, er soll nur kommen, er darf sich nicht fürchten, weil er mich beleidigt hat.
Ich weiß, ich weiß, daß Aergernisse kommen müssen, und es ist kein Wunder, wenn ein Mensch fällt, aber ein Wunder ist's, wenn er wieder aufsteht und stehen bleibt. Petrus fiel, damit er wußte, daß er ein Mensch sei: so fallen auch heutigen Tags noch die Cedern von Libanon, welche mit ihrem geraden Gipfel fast bis an Himmel reichen. Ja es fiel selbst ein Engel im Himmel (was über alle Wunder ist) und adam im Paradies. Was Wunder also, wenn das Rohr vom Sturmwind bewegt wird, und der glimmende Docht auslöscht? Der Herr Jesus lehre dich, und thue und vollbringe mit dir das gute Werk. Amen. Lebe wohl.
Aus unserem Convent zu Dresden, am Tage Philippi und Jakobi, 1516. Bruder M. Luther, Professor der heiligen Theologie und Vicarius in Meißen und Thüringen, der Eremiten St. Augustins.
Jesus.
Heil. Wie ihr mir gewünscht habt, mein lieber Spalatin, so bin ich durch Gottes Gnade gesund wieder kommen, wenigstens am Leibe, Gott weiß ob auch dem Herzen nach. Also danke ich eurer Liebe. Es ist mir auch euer Schreiben gleich übergeben worden, weil die Brüder nicht wußten, wo ich war, daß sie mir es zugeschickt hätten. Ihr schreibt, unser durchlauchtigster Fürst wolle gern, daß von unserm hochwürdigen Pater Vicarius jetzo etwas Ausgezeichnetes geschehe, und auch euch braucht er, daß ihr helft dazu treiben. Ihr handelt darin als ein Freund ohne Falsch. Ich aber möchte, daß euer Zureden bei dem ehrwürdigen Vater nicht so eifrig und hitzig, sondern kälter als dürres Stroh sei: denn ich werde in meinem Schreiben euch das Widerspiel rathen, daß der, dem zugeredet wird, schwanke wozu sich entschließen.
Wundert ihr euch deß? Gewiß nicht deßhalben, daß ich euren Rath verachten sollte, der gewiß aus gutem Herzen geht und von dem ich wohl sehe, daß weil die Liebe ihn treibt, sein Urtheil befangen ist. Denn rechte Liebe hat selten ein recht Urtheil, sagt Chrysostomus. Das sage ich aber, weil des Fürsten Wohlgefallen euch bewegt hat. Denn ich will nicht, daß der ehrwürdige Vater irgend darein willige, wozu ihr ihm so sehr zuredet, weil es dem Fürsten so wohlgefällt. Es gefällt eurem Fürsten Vieles und glänzet ihm schön in den Augen, was Gott mißfällt und zuwider ist. Ich leugne nicht, daß er in weltlichen Dingen ein sehr kluger Mann sei; aber in den Dingen, die Gott angehen und das Heil der Seelen, da halte ich ihn fast siebenfach blind, ihn, wie euern Pfeffinger.
Und das sage ich nicht im Winkel als ein Verleumder, will auch nicht, daß ihr es heimlich haltet: sondern ich will bei aller Gelegenheit beiden es ins Gesicht sagen. Wenn es gewiß wäre, daß es von Gott käme, was ihr vorhabt, so wollte ich, daß euer Zureden lauter Feuer und er (der Pater) lauter Stoppel wäre. Denkt auch nicht, daß es so gar heimlich ist, was der Fürst und ihr betreibet; kürzlich, ehe ich euren Brief erhielt, hörte ich, man wünsche den ehrwürdigen Vater als Bischof nach Kimsehe.
Mein lieber Spalatin, es sind nicht mehr jene glücklichen Zeiten, daß es nicht mehr etwas glückseliges, sondern gar etwas elendes ist ein Bischof sein, das heißt schwelgen, sodomitisch und römisch leben; das wißt ihr gar wohl, wenn ihr der alten Bischöfe Thun und Leben gegen das Thun und Leben unsrer Bischöfe haltet. Das sind jetzt noch die beßten, die draußen weltliche Kriege führen mit aller Macht und Rüstung und drinnen ihr Haus zur unersättlichen Hölle des Geizes machen. Wie fern auch dieser Mann allen jenen Lastern ist, könnt ihr wohl Bürge sein, daß, wenn die Gelegenheit sich bietet, ja dazu treibt, (wie jetzt allenthalben geschieht und gesagt wird) er nicht in die Wirbel und gräßlichen Stürme der bischöflichen Höfe mit hineingezogen werde.
Aber genug hiervon! Was eure Bitte anlangt, antworte ich: wenn es wirklich eine Sache ist, die keinen Verzug leidet, so meldet mir es doch bald, weil der ehrwürdige Vater jetzt in Antwerpen ist und vor dem Herbst kaum wiederkommen wird. So will ich deßhalben gern einen eignen Boten bis Cöln schicken; denn dahin hat er uns angewiesen Briefe an ihn zu schicken. Gehabt euch wohl im Herrn und bittet für mich. Aus dem Kloster zu Wittenberg, den 8. Juni, im Jahre 1516.
Martinus Luther, Augustiner.
Jesus.
Heil! - Ich brauche fast zwei Schreiber oder Kanzler; ich thue fast nichts den Tag über als Briefe schreiben, daher weiß ich nicht, ob ich etwa ein Ding zweimal schreibe; ihr werdet es sehen. Ich bin Klosterprediger, Lehrer bei Tisch, täglich werde ich abgefordert als Pfarrprediger, bin Rector der Schule, bin Vicarius, das ist elfmal Prior, bin Fischaufseher in Leitzken, Herzbergischer Sachwalt in Torgau, Ausleger des Paulus, Mitausleger der Psalmen und außerdem, wie schon gesagt, nimmt mir die meiste Zeit das Geschäft des Briefschreibens. Sieh, was ich für ein müßiger Mann bin. Ihr schreibt, daß ihr gestern das zweite Buch der Sentenzen angefangen: ich werde morgen den Brief an die Galater anfangen, wiewohl ich fürchte, die Pest werde mich, wenn ich angefangen, nicht fortfahren lassen. Sie reißt höchstens zwei oder drei, doch nicht täglich, bei uns hin, aber dem Schmid uns gegenüber ist ein Sohn gestern noch gesund, heute todt und der andere liegt angesteckt darnieder. Ja, sie ist da und schreitet fort grimmig und schnell, zumal unter der Jugend. Ihr rathet mir zu fliehen. Wohin soll ich fliehen? Ich denke die Welt wird nicht untergehen, wenn Bruder Martin zu Grunde geht. Aber die Brüder will ich, wenn die Pest weiter um sich greift, in alle Welt aussenden: ich aber bin hieher gestellt; um des Gehorsams willen darf ich nicht fliehen bis derselbe Gehorsam, der es mir geboten, auch das mir gebietet. Nicht, daß ich den Tod nicht fürchtete, denn ich bin kein Apostel Paulus, sondern mir sein Ausleger, ich hoffe aber, der Herr wird mich auch von dieser Furcht befreien.
Gehabt euch wohl. Gedenkt unser, Amen. Den 26. Oct. im Jahr 1516.
Bruder Martin Luther Augustiner.
Wittenberg, den 14. Dezember 1516
Dem Diener Christi und Priester des Herrn, G. Spalatin, dem hochgelehrten Magister, seinem aufrichtigen Freund und redlichen Bruder.
Jesus.
Daß du schreibst, bester Spalatin! der durchlauchtigste Fürst gedenke meiner häufig und ehrenvoll, darüber freue ich mich eben nicht, bete jedoch, daß Gott der Herr ihm für seine Demuth Ruhm geben wolle. Denn ich bin nicht werth, daß irgend ein Mensch meiner gedenke, geschweige ein Fürst, und zwar ein solcher und so großer Fürst. Ja ich sehe und erfahre, daß diejenigen mir am meisten nützen, welche meiner am übelsten gedenken. Doch bitte ich, du wollest meinetwegen danken für die Gnade und das Wohlwollen unseres Fürsten, obwohl ich weder von dir noch sonst jemand gelobt werden will, da des Menschen Lob eitel ist, und allein das Lob Gottes wahrhaftig ist, wie geschrieben steht: „nicht im Menschen, sondern am Herrn soll meine Seele gelobt werden,“ und wiederum: „nicht in eurem Namen, sondern in seinem heiligen Namen werdet gelobt.“ Nicht daß unsere Lober zu strafen wären, weil sie lieber Menschen loben, als Gott, welchem sei allein Lob, Ehre und Preis. Amen.
Du verlangst mein Urtheil über dein Vorhaben, einige Werkchen in's Deutsche zu übersetzen: Du verlangst, was über meine Kräfte geht. Wer bin ich, daß ich urtheile, was allgemein gefalle und nütze? Da es allein Gnade ist, daß was irgend gefällt und nützt, dergleichen ist. Weist du nicht, daß, je heilsamer etwas ist, destoweniger es gefällt und nützt? Was ist heilsamer, als das Evangelium und Christus? Sie werden aber nicht geachtet und sind den Meisten ein Geruch des Todes zum Tode, den Wenigsten aber ein Geruch des Lebens zum Leben. Du sagst etwa: du wollest nur denen öffentlich nützen, welchen das Gute gefällt. Hier brauchst du also meinen Rath nicht: die Schafe höre allezeit jede Stimme des Hirten und verschmähen oder fliehen nur die Stimme des Fremden. Was du mithin auch thun willst, wenn es nur gut und Christi Stimme ist, so darfst du nicht zweifeln, es wird gefallen und nützen, aber wenigen und sehr selten, weil die Schafe in dieser Wolfgegend sehr selten sind.
Vor Allem aber bitte in einem demüthigen Gebetlein um Christi Rath und Willen, welchem auch das Gute nicht gefällt, welches ohne seinen Befehl und Willen geschieht, wie Jesajas C. 30 sagt: „wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, daß ihr euren Rath angefangen, aber nicht aus mir und ein Werk unternommen, aber nicht durch meinen Geist.“ Folge also nicht deiner guten und frommen Absicht, wie die gemeinen Mönche und Priester hin und wieder gröblich irren, sondern frage, ob es erlaubt, ja befohlen, in diesem deinem Werke besonders, sowie in allen andern Thaten, wenn du nicht willst, daß dein Werk zu Stoppeln werde. Laß doch aber auch meinen Rath dabei gelten. Hast du Lust, eine lautere, gründliche, der alten ganz ähnliche Gottesgelahrtheit zu lesen, in deutscher Sprache geschrieben, so kannst du dir die Predigten Joh. Taulers vom Prediger-Orden schaffen, wovon ich dir hier einen kurzen Auszug schicke. Denn ich sehe weder in der lateinischen noch deutschen Sprache eine heilsamere Theologie, die mit dem Evangelium besser übereinstimmten. Schmecke also und siehe, wie freundlich der Herr sei, wenn du zuvor geschmeckt und gesehen hast, wie bitter Alles ist, was wir sind. Aus unserem Kloster zu Wittenberg. Am Sonntag nach Lucia im J. 1516.
Br. Martin Luther.
Heil und Frieden! Aber nicht den, der nach der Menschen Sinn offenbar ist, sondern der unter dem Kreuz verborgen ist und höher ist als alle Vernunft, im Herrn.
- Ihr suchet und begehrt zwar Frieden, aber verkehrt, denn ihr suchet ihn. wie ihn die Welt giebt: nicht, wie Christus ihn giebt. Wisset ihr auch, geliebtester Vater, daß Gott darum wunderbar ist in seinem Volk, weil er seinen Frieden inmitten des Unfriedens gesetzt hat, das ist, mitten unter alle Versuchungen, wie er spricht! „Herrsche mitten unter Deinen Feinden!“ Darum nicht der hat Frieden, den niemand stört - das ist Friede der Welt - sondern der, den Alle und Alles quält und der das Alles ruhig, ja mit Freuden erträgt. Ihr sprecht mit Israel: „Friede, Friede!“ und ist doch kein Friede. Sprecht lieber mit Christo: „Kreuz, Kreuz“ und ist doch kein Kreuz. Denn alsobald ist das Kreuz nicht mehr Kreuz, so ihr fröhlich sprecht: Gebenedeietes Kreuz, unter allem Holz ist keines Dir zu gleichen!
So sehet denn, wie gnädig euch der Herr zum wahren Frieden mahnt, der euch mit soviel Kreuz umgiebt. - Den Frieden suchet, so werdet ihr ihn finden. Ihr werdet ihn aber nicht besser suchen, als wenn ihr Unruhe und Trübsal als heilige Reliquien mit Freuden annehmt, nicht aber Frieden nach eurer Meinung und Sinn suchet.
Gehabt euch wohl und bittet für mich, liebster Vater; der Herr regiere euch.
Wittenberg, am Tage der zehntausend Märtyrer, (22. Juni) 1516.
Bruder Martin Luther, Vicarius.
Heil im Herrn und seinem Tröster! Liebwerthester Vater und freundlichster Bruder im Herrn. - Ich höre, daß eure brüderliche Liebe von gewaltigen Stürmen angefochten und mit mannigfaltigen Fluthen beunruhigt werde. Aber gelobt sei Gott, der Vater der Barmherzigkeit und alles Trostes, der euch den beßten Tröster und Beistand, so unter Menschen zu finden ist, den ehrwürdigen Pater Mag. Bartholomäum bestellt hat. Sehet nur zu, daß ihr euren Sinn und Gedanken verläugnet und seinem Wort in eurem Herzen Raum gebt. Denn ich bin gewiß sowohl aus meiner als eurer, ja aller, die ich unruhig gesehen, Erfahrung und weiß, daß blos die Klugheit unsres Sinnes die Ursache und Wurzel aller unserer Unruhe ist. Denn unser Auge ist ein Schalk und daß ich von mir rede, o weh, mit was für Jammer hat er mich geplagt, ja bis aufs äußerste plagt er mich. Das Kreuz Christi ist in der ganzen Welt ausgetheilt, ein jeder bekommt immer sein Theil davon. Das werft nicht weg, sondern nehmt es auf als heilige Reliquie, nicht in güldenen oder silbernen Schrein, sondern in ein güldenes, das ist, mit sanfter Liebe geweihtes Herz. Denn wie das Holz vom Kreuz durch das Berühren des Fleisches und Blutes Christi so geheiligt ist, daß die Reliquien davon für höchst kostbar gelten, wie viel mehr wird Unrecht, Verfolgung, Leiden und Haß der Menschen, es seien gerechte oder ungerechte, heilige Reliquien sein, welche nicht durch Anrühren des Fleisches, sondern seines allerliebreichsten Herzens und seines göttlichen Willens in Liebe umfaßt, geküßt und gebenedeit und durchaus geheiligt sind? Denn der Fluch ist verwandelt in Segen, das Unrecht in Billigkeit, das Leiden in Ehre und das Kreuz in Freude.
Gehabt euch wohl, liebster Freund und Bruder, und bittet für mich.
Wittenberg, den 15. April im Jahr 1516.
Bruder Martin Luther, Augustiner.
Wittenberg, den 27. Jan. 1517
Heil! Ich habe deinen Brief empfangen, hochgelehrter und werthester Christoph, der mir sehr angenehm, aber auch sehr betrübend war. Warum bist du traurig? Was hättest du mir Lieberes schreiben können, als was du geschrieben, da du den ehrwürdigen Vater, ja Christum in seinem Werkzeug, nehmlich unsern Vicarius, mit so würdigem Lobe erhoben hast! Denn man kann mir nichts Angenehmeres erzählen, als daß die Stimme Christi gepriesen, gehört und angenommen, ja darnach gelebt, dieselbe empfunden und verstanden werde. Wiederum, was konntest du Bittereres schreiben, als da du meine Freundschaft suchtest, und mich mit so eiteln Titeln ehrtest? Ich will nicht, daß du mein Freund werdest: denn meine Freundschaft wird dir nicht zur Ehre, sondern zur Gefahr ausschlagen, wenn anders das Sprüchwort wahr ist: „Freunde haben Alles gemein.“ Wenn nun, was mein ist, durch Freundschaft das deinige wird, so wirst du nichts zum Besten haben, als Sünde, Thorheit und Schande. Denn das sind meine Sachen, die du doch an mir mit andern Namen (wie gesagt) geehrt hast. Doch ich weiß, daß du christlich gesinnt bist, und sagen wirst: ich bewundere nicht dich, sondern Christum in dir. Hierauf sage ich: wie kann Christus meine Gerechtigkeit sein in Sünden und Thorheit? Ja dieß ist eben die höchste Vermessenheit, sich einzubilden, daß man Christi Wohnung sei, und kann man solches Rühmen auch kaum dem apostolischen Stande gestatten. Ich preise dich also zwar glücklich, daß du in dieses Mannes, unseres Vaters, Freundschaft und Vertraulichkeit stehst: aber schone deine Ehre, daß du nicht zu meiner Freundschaft entartest, obwohl auch eben jener ehrwürdige Vater nicht ohne meine Furcht und Gefahr mich allenthalben rühmt und sagt: ich preise Christum in dir und ich muß es glauben. Es ist aber ein harter Glaube. Denn es ist dieses Leben so jämmerlich und elend, daß, je mehr man dergleichen Lobredner und Freunde hat, desto mehr sie schaden, wie geschrieben steht: „des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein,“ und abermal: „die mich lobten verschworen sich gegen mich“, und: „meine Freunde und Verwandten haben sich wieder mich aufgemacht und sind gegen mich gestanden.“ Denn je mehr Menschengunst zu uns nahet, desto mehr Gottesgunst weicht von uns. Denn Gott will entweder der alleinige oder kein Freund sein. Zu diesem Uebel kommt auch vollends dieß, daß, wenn man sich demüthigt, und Lob und Gunst verweigert, desto mehr einem Lob und Gunst (das ist Gefahr und Verderben) folgt. O viel heilsamer ist demnach Haß und Schmach als Aller Lob und Liebe: weil der Haß blos einfache Gefahr, die Liebe aber zweifache ist. Nichts gleicht mehr einem liebenden, ja rasenden Weibe, welches das Versagte desto wüthender begehrt, als solch zeitlich Lob und Ehre. Von solchem ehebrecherischen schlimmen Weibe, siehe, schreckt mich Salomo so ernstlich ab Spr. 7 und anderwärts, da er sie als eine Fremde, Auswärtige und Verführerin der Jugend beschreibt.Ich schreibe das nicht, lieber Christoph, daß ich dein aufrichtiges und wohlwollendes Herz verachten wollte, sondern weil ich auch für mein Gemüth zu besorgen habe. Du thust, was einem frommen und christlichen Menschen zusteht, der niemand, als sich selbst verachten soll: ich muß mich aber auch bestreben, daß ich ein Christ wie du sei (wenn die Freundschaft nachhaltig sein soll) das ist, daß ich ein Verächter meiner selbst sei. Denn das ist kein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und ihres Rufes achtet (denn das thun auch Heiden und die schwatzhaften Dichter, wie sie auch in unserer Zeit ihre Namen nennen), sondern der einen dürftigen, armen, thörichten und elenden Sünder liebt; wie auch der Psalm sagt: „wohl dem, der Einsicht hat,“ nicht über den Gelehrten, Gebildeten, Heiligen, Geförderten, sondern über den Armen und Dürftigen. Endlich bekennt Christus, daß ihm das geschehen sei, was einem seiner geringsten Brüder geschehen sei, da er hätte sagen können: seinen größten und höchsten. Denn was hoch ist bei den Menschen, ist bei Gott ein Gräuel. Zu solchem Gräuel nun bitte ich um Christi unsers Herrn willen mich nicht zwingen und nöthigen zu wollen, wenn du mein Freund sein willst. Das wirst du aber sehr leicht thun, wenn du mich weder ins Angesicht, noch vor Andern irgendwie lobst. Wenn du aber je meinst, daß Christus in mir zu loben sei, so nenne auch dabei seinen Namen und nicht meinen: weil Christi Sache durch meinen Namen befleckt, ja verkürzt und benachtheiligt wird. Wenn Jemand von Sachen redet, als mit den eigenen Namen derselben, warum preisen wir denn Christi Sachen ohne Christi Namen? Siehe, wie dein Freund so wortreich ist: lies es mit Geduld. Lebe wohl in Christo.
Aus der Clause zu Wittenberg.Br. M. Luther, Eremit des Ordens St. Augustins.
Ich lese jetzt unsern Erasmus, aber täglich gefällt er mir weniger. Das ist schon recht, daß er die Mönche und Priester so beständig und gelehrt widerlegt und sie einer eingewurzelten und schlafsüchtigen Unwissenheit beschuldigt. Aber ich fürchte er breitet Christum und die Gnade Gottes nicht genug aus, von der er gar wenig weiß. Das Menschliche gilt mehr bei ihm als das Göttliche. Wir leben in gefährlichen Zeiten und ich sehe, daß nicht jeder deshalb weil er ein guter Grieche oder Hebräer auch ein wahrer Christ ist. Anders urtheilt wer menschlichem Willen und Willkür Alles einräumt, anders der nichts kennt als die Gnade Gottes. -
Aus unsrer Wüste Wittenberg, am Sonntag Invocavit (l. März) 1517.
Euer Bruder Martin Luther Augustiner.
Jesus.
Heil! Weil mir gute Leute gesagt haben, lieber Herr Magister, daß ihr Macht hättet Namens des verstorbenen Dr. Reuther Kleidung oder Tuch für Arme auszutheilen: so hat man mich ersucht für einen jungen Menschen, genannt Wolfgang, dem auch wir um Gottes Willen Kost geben, bei euch zu bitten. Es ist ein ehrlicher Bursch, voller guten Hoffnung und Treue. Darum, wenn Andere ihm nicht zuvor gekommen sind und ihr seiner, vielmehr unserer Armuth helfen wollt, so seht ihr hier eine schöne Gelegenheit vor euch. Doch ich will euch nicht hart anliegen, weil ich versichert bin, ihr werdet von euch selbst thun, was gut ist. Gehabt euch wohl. Eilig aus unserm Kloster. Freitag nach Judica (3. April) 1517.
Bruder Martinus Luther Augustiner.
Unsre Theologie und St. Augustinus blühen und herrschen unter Gottes Beistand auf unsrer Universität. Aristoteles steigt immer mehr von seiner Höhe herab und ist dem Fall für alle Zeit gar nahe; allen sind die Vorlesungen über die Schulbücher der Sentenzen wunderbar widerwärtig und niemand kann auf Zuhörer hoffen, wenn er nicht diese Theologie, das ist die Bibel oder St. Augustinum oder über einen andern hochgeehrten Kirchenlehrer lesen will. Gehabt euch wohl und betet für mich. Dienstag nach Vocem Jucunditatis (18. Mai) Anno 1517.
Bruder Martin Luther.
Es grüßt euch Meister Christian Goldschmidt, der eben gegenwärtig ist.
Ich habe Dir durch den Magister Otto unsere Thesenreihe und meine Auslegung der Zehn Gebote gesandt. Ich hatte jedoch damals nicht so viel Zeit, um etwas dazu zu schreiben, weil mir gemeldet wurde, daß er sofort abreise. Übrigens warte ich sehr, über die Maßen, gewaltig und ängstlich darauf, was Du zu diesen unseren scheinbar widersinnigen Sätzen sagst. Denn ich vermute wirklich, daß Euren Leuten diese Sätze widersinnig, ja ketzerisch Vorkommen werden, während sie uns nicht anders als rechtgläubig sein können.
Teile es mir darum so schnell wie möglich mit und biete meinen Herrn und in Wahrheit ehrwürdigen Vätern der Theologischen Fakultät und anderen, welchen Du willst, auf meinen Wunsch hin zuverlässig an und teile ihnen mit, daß ich natürlich ganz bereit sei zu kommen und darüber in der Universität oder im Kloster öffentlich zu disputieren. Sie sollen nicht glauben, ich wolle dies in einen Winkel hineinmurmeln, wenn nämlich unsere Universität so gering ist, daß sie für einen Winkel gehalten werden könnte. Ich habe Dir die Auslegung der Zehn Gebote darum in beiden Sprachen geschickt, damit Du, wenn Du etwa willst, dem Volk darüber predigen kannst (denn dazu habe ich sie, wie ich meine, in evangelischer Weise aufgesetzt).
Heil! Kommt doch, ihr und der Beichtvater mit seinem Freund nach neun Uhr. Wenn Herr Christoph, der Gesandte bei euch ist, so bringet ihn mit, sonst hat unser Otto schon von mir Befehl ihn einzuladen. Gehabt euch wohl. Seht aber auch zu, daß ihr uns Wein verschafft, denn ihr wisset wohl, daß ihr vom Hofe zum Kloster und nicht vom Kloster zu Hofe kommen werdet.
Bruder Martinus Luther.
Gnädigster Herr und Furst. Als mir E.F.G. vor diesem die Zusagung thät durch den Hirsfelder, ein neu Kleid zu geben; so komme ich nue und bitt E.F.G. desselben eingedenk zu seyn.
Bitt aber, gnädiger Herr, wie vormals, so der Pfeffinger das ausrichten soll, daß er es mit der That und nit mit freundlicher Zusagung ausrichte; er kann fast gute Wort spinnen, wird aber nit gut Tuch daraus.
Es ist auch, gnädiger Herr, mir offenbart, nämlich durch den Prior zu Erfort, der es von E.F.G. Beichtvater verstanden, wie daß E.F.G. sollt Ungnade empfangen haben uber D. Staupitz, unsern wirdigen lieben Vatter, etlich Schreibens halben; hab ich daselb, als er hie gewest und E.F.G. zu Torgau gesucht, mit seiner Wirde geredt, und furgehalten, daß mirs nit lieb wäre, E.F.G. Unglimpf uber seine Wirden, hab ich in der Wahrheit in vielen Worten nit anders erfunden, die wir den Abend von E.F.G. hätten, dann daß E.F.G. ihm aufs Beste in seinem Herzen, und ihm der Kurfürst von Sachsen ein lieber Furst ist, und verwahr gar sonderlich E.F.G. gunstig ist, also, daß er endlich sagt: ich meine nit, daß ich mein gnädigsten Herrn je erzurnet habe, ich hätt es dann damit than, daß ich S.G. zu viel gelieb gehabt. Derhalben bitt ich, gnädiger Herr, seinethalben, als er mirs auch etlichermaß empfohlen, E.F.G. wollt sich aller Gunst und Treu zu ihm versehen, wie dann ahn Zweifel E.F.G. dieselbe oft an ihm erfunden.
Auch, gnädigster Herr, daß ich mein Treu E.F.G. auch erzeige, und mein Hofekleid verdiene: ich hab gehört, wie daß E.F.G. nach Abgang dieses Aufsatzes wollte eine andere und vielleicht schwerer aufsetzen. So E.F.G.. nit wollt verahcten eines armen Bettelers Gebet, bitt ich, wollts umb Gottes Willen nit lassen dahin kumen, dann mirs von Herzen leid ist und vielen E.F.G. Gunstigen, daß auch diese Schätzung E.F.G. letzten Tagen so viel gutes Geruchts, Namen und Gunst beraubt hat. Gott hat E.F.G. wohl mit hoher Vernunft begnadet, daß Sie in diesen Sachen weiter sieht, denn ich odder vielleicht alle E.F.G. Unterthanen; aber mag doch wohl seyn, ja Gott will es so haben, daß groß Vornunft zuweilen durch weniger Vernunft gewiesen werde, auf daß niemand auf sich selb sich verlasse, sundern alleine auf Gott unsern Herrn, welcher spar E.F.G. gesund uns zu Gute, und darnach E.F.G. Seelen zur Seligkeit, Amen.
E.F.G. unterthäniger Cappellan, D. Martinus Luther, zu Wittenberg.1517 Im November oder December
Heil! Wie ihr mir schreibt oder vielmehr vorschreibt, daß ich thun soll, das thue ich, mein werthester Spalatine! und danke durch euch dem durchlauchtigsten Fürsten für das schöne, ja ganz fürstliche Wildpretfleisch, das er unsern neuen Magistris geschenkt hat; ich habe auch erzählt, daß es der Fürst allen verehret. Es hat mir aber gar sonderlich und am allermeisten das Gemüth dieses gnädigsten und mildesten Fürsten gefallen, weil auch der Mensch einen fröhlichen Geber lieb hat.
Ihr fügt wiederum zwei kleine Fragen an. Die eine: Was einer, der opfern oder sonst ein gut Werk thun will, für Absicht oder Gedanken haben müsse? Ich antworte kürzlich: Den Gedanken der Verzweifelung und der Zuversicht muß man bei jedem Werke haben. Der Verzweifelung nämlich, dein und deines Werkes halber: der Freudigkeit aber, Gottes und seiner Barmherzigkeit wegen. Denn so spricht der Geist: „Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und die auf seine Barmherzigkeit hoffen.“ Die andere Frage war von der Kraft des Ablasses, was er vermöge. Diese Sache ist noch zweifelhaft und mein Streit davon hängt noch unter den Lästerungen: doch will ich zwei Dinge sagen. Das eine euch und unsern Freunden heimlich, bis die Sache kund werde: daß es mir dünke, es sei mit dem heutigen Ablaß nichts als Täuscherei der Seelen und daß er gar für Niemand tauge, als für die, so auf dem Wege Christi faul sind und schlafen.
Das andre, welches ganz unstreitig ist, und welches auch meine Feinde gestehen müssen und die ganze Kirche, ist nämlich, daß Almosen und Gutthat gegen den Nächsten unendlich besser sei, als Ablaß. Darum rathe ich euch, daß ihr keinen Ablaß kaufet so lang ihr arme und dürftige Nächste findet, denen ihr geben könnet, was ihr für den Ablaß geben wolltet. Wenn du anders thust, so bin ich entschuldigt und liegt es au dir. Ich glaube gewiß, daß der Zorn verdiene, der den Armen verläßt und Ablaß kauft.
Eins will ich Euch melden, was mir sehr wehe thut, nämlich: eben die Zungendrescher und andre mit haben jetzt eine neue Rüstung erdacht und bringen überall aus, unser durchlauchtigster Fürst stecke hinter Allem, was ich thue, als ob ich durch ihn bewogen sei den Erzbischof von Magdeburg verhaßt zu machen. Lieber! rathet, was hierbei zu thun. Denn daß der Fürst meinethalben in Verdacht kommen sollte, thut mir herzlich leid, und daß ich an der Uneinigkeit zwischen so großen Fürsten schuld haben sollte, davor erschrecke und fürchte ich mich. Das will ich gerne leiden, daß mich der Fürst zu einer Disputation oder einem Gericht - wenn mir nur öffentlich Geleit gegeben wird -, darbiete: nur mögen sie den unschuldigen Fürsten nicht meinetwegen verhaßt machen. Was sind das für Ungeheuer und ein Volk der Finsterniß, dem Lichte feind! Den Johann Reuchlin haben sie über drei Länder weit gefunden und wider Willen hergezogen. Mich, der sie vor der Thüre dazu bittet und fleht, mögen sie nicht und plaudern das in Winkeln, was sie wohl sehen, daß sie nicht vertheidigen können. Aber lebt endlich wohl und verzeiht mir, daß ich zu viel und lange Worte gemacht, denn ich habe mit einem Freunde zu thun gehabt. Aus unserm Kloster den 15. Februar 1518.
Br. Martin Eleutherius, Augustiner.
Dem Woledeln, hochgelahrten Herrn Christoph Scheurl, meinem in Christo achtbaren Freunde.
Jehsus!
Meinen Gruß! Ich habe von Euch, mein bester hochgelahrter Christoph zween Briefe, einen lateinischen und einen deutschen sammt dem Geschenke von Albrecht Dürer, diesem vortreflichen Manne, und meine lateinischen und deutschen Positionen empfahen. Es nahm Euch Wunder, daß ich sie den Eurigen nicht mitgetheilt habe. Allein es war nicht meine Absicht noch Wunsch, daß sie allgemein verbreitet werden sollen. Ich dachte nur sie mit einigen wenigen Gelehrten hier, und in der Nähe herum zu prüfen, um sie, würden sie nach deren Aussprache verworfen, zu unterdrücken, oder sie öffentlich durch den Druck bekannt zu machen, wenn sie sie gutheißen. Nun aber werden sie, was ich nie geglaubt hätte, allenthalben aufgeleget und übersetzet, daß es mich dieser Geburt gereuet; nicht als wär ich nicht geneigt, die Wahrheit männiglich bekannt zu machen, da ich doch nichts so sehnlich wünschte als dieses, sondern weil diese Art das Volk zu unterrichten nichts tauget. Denn ich stehe selbst noch in einigen Punkten an, andere würd ich genauer bestimmet, andere ganz weggelassen haben, wenn ich dieses voraus gesehen hätte. Obgleich ich aus dieser so schnellen Verbreitung leicht abnahm, was der größeste Theil der Nation von dieser Art Ablaße halte, ob er es gleich zurückhält, aus Furcht vor den Juden; so seh ich mich doch genöthiget, die Beweise meiner Sätze bereit zu halten, obschon ich sie noch nicht herausgeben konnte, weil der Hochwürdige und gnädige Bischof von Brandenburg, den ich hierüber zu Rath zog, durch viele Geschäfte verhindert, mich so lange aufzeucht. Ja wenn mir der Herr Muße giebt, so bin ich Willens, ein Büchlein über die Kraft des Ablasses ausgehen zu lassen, um jene berichtigten Sätze zu unterdrücken. Ich zweifle nun keines Weges mehr, daß das Volk getäuschet werde, nicht durch die Abläße, sondern durch deren Gebrauch. So bald ich diese Sätze werde vollendet haben, so will ich sie Euch zusenden.
Indeß bitt ich Euch, empfehlet mich Albrechten Dürer, diesem braven Manne, und versichert ihn meines stets dankbaren Herzens. Aber dieses forder ich von Euch und ihm, daß ihr beide eure übertriebene Meinung von mir ableget, und nicht mehr von mir verlanget, als ich zu leisten im Stande bin: ich vermag aber und bin so gar nichts, und werde tagtäglich nichtiger. Ich schrieb neulich an D. Joh. Eck und euch allen Briefe; allein ich sehe nicht, daß ihr sie erhalten habet. Mich verlangt es sehr, daß jene Schrift unsers wohlehrwürdigen Pater Vikarius, von der Liebe, die erst neulich erschien, und zu München so viel Aufhebens machte, bey euch noch einmal aufgeleget würde. Denn uns hungert und dürstet darnach ungemein. Hiermit Gott empfohlen. Wittenberg den 5ten März 1518.
Bruder Martin Luther.
Wider mich donnern die Ablaßkrämer von der Kanzel herab, daß sie fast nicht schimpfliche Namen genug haben mich damit zu nennen; sie drohen auch und verheißen dem Volk, der eine, daß ich in vierzehn Tagen, der andere ehe ein Monat vergangen, verbrannt sein solle. Auch geben sie Streitsätze aus, so daß ich fürchte, sie werden noch vor viel und großem Zorn bersten. Die Freunde rathen mir, daß ich nicht nach Heidelberg gehen soll, damit sie nicht durch Tücke und Aufpassen vollbringen, was sie mit Gewalt nicht können. Ich will aber doch gehorsamen und zu Fuße kommen und geliebt's Gott durch Erfurt reisen: wartet aber nicht auf mich, denn ich werde mich kaum die Mittwoch nach Quasimodogeniti auf die Reise machen. Unser Fürst, der dem ernstlichen Studium dieser Theologie herzlich zugethan ist, nimmt mich und Karlstadt ungebeten eifrig in Schutz und will durchaus nicht zugeben, daß sie mich nach Rom locken: welches jene wohl wissen und sich halb todt ärgern.