Geschichten aus dem Wiener Wald. Volksstück. Textausgabe mit editorischer Notiz, Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort - Ödön von Horváth - E-Book

Geschichten aus dem Wiener Wald. Volksstück. Textausgabe mit editorischer Notiz, Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort E-Book

Ödön von Horváth

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Beschreibung

Das berühmte, 1931 uraufgeführte Stück Horváths um Marianne, den Fleischhauer Oskar, dem sie versprochen ist, und Alfred, mit dem sie kurz zusammenlebt und einen Sohn hat, enthüllt die latente Brutalität und den Opportunismus der Beteiligten durch ihre Sprache, durch pathetische Floskeln und Wiener Stereotypen, die allesamt letztlich hohl sind. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 110

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Ödön von Horváth

Geschichten aus dem Wiener Wald

Volksstück

Reclam

2009 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960927-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-018613-8

www.reclam.de

Inhalt

Geschichten aus dem Wiener WaldPersonenErster TeilZweiter TeilDritter TeilEditorische Notiz

[5]Geschichten aus dem Wiener Wald

Volksstück in drei Teilen

[6]Personen

Alfred

Die Mutter

Die Grossmutter

Der Hierlinger Ferdinand

Valerie

Oskar

Ida

Havlitschek

Rittmeister

Eine gnädige Frau

Marianne

Zauberkönig

Zwei tanten

Erich

Emma

Helene

Der Dienstbot

Baronin

Beichtvater

Der Mister

Der Conferencier

 

Das Stück spielt in unseren Tagen, und zwar in Wien, im Wiener Wald und draußen in der Wachau.

 

 

Nichts gibt so sehr dasGefühl der Unendlichkeitals wie die Dummheit.

[7]Erster Teil

IDraußen in der Wachau

Vor einem Häuschen am Fuße einer Burgruine. Alfred sitzt im Freien und verzehrt mit gesegnetem Appetit Brot, Butter und sauere Milch – seine Mutter bringt ihm gerade ein schärferes Messer.

In der Luft ist ein Klingen und Singen – als verklänge irgendwo immer wieder der Walzer »Geschichten aus dem Wiener Wald« von Johann Strauß.

Und in der Nähe fließt die schöne blaue Donau.

DIE MUTTER.

(sieht Alfred zu – plötzlich ergreift sie seine Hand, in der er das Messer hält, und schaut ihm tief in die Augen).

ALFRED.

(stockt und starrt sie mit vollem Munde mißtrauisch an. – Stille).

DIE MUTTER.

(streicht ihm langsam über das Haar). Das ist schön von dir, mein lieber Alfred – daß du nämlich deine liebe Mutter nicht total vergessen hast, lieber Alfred –

ALFRED.

Aber wieso denn total vergessen? Ich wär ja schon längst immer wieder herausgekommen, wenn ich nur dazugekommen wär – aber heutzutag kommt doch schon keiner mehr dazu, vor lauter Krise und Wirbel! Wenn mich jetzt mein Freund, der Hierlinger Ferdinand, nicht mitgenommen hätt mit seinem Kabriolett, wer weiß, wann wir uns wiedergesehen hätten!

DIE MUTTER.

Das ist sehr aufmerksam von deinem Freund, dem Herrn von Hierlinger.

ALFRED.

Er ist überhaupt ein reizender Mensch. In einer guten halben Stund holt er mich wieder ab.

[8]DIE MUTTER.

Schon?

ALFRED.

Leider!

DIE MUTTER.

Dann iß bitte nicht die ganze sauere Milch zusammen, ich hab sonst nichts da zum Antragen –

ALFRED.

Der Hierlinger Ferdinand darf ja gar keine sauere Milch essen, weil er eine chronische Nikotinvergiftung hat. Er ist ein hochanständiger Kaufmann. Ich hab öfters mit ihm zu tun.

DIE MUTTER.

Geschäftlich?

ALFRED.

Auch das.

(Stille.)

DIE MUTTER.

Bist du noch bei der Bank?

ALFRED.

Nein.

DIE MUTTER.

Sondern?

(Stille.)

ALFRED.

Ich taug nicht zum Beamten, das bietet nämlich keine Entfaltungsmöglichkeiten. Die Arbeit im alten Sinne rentiert sich nicht mehr. Wer heutzutag vorwärts kommen will, muss mit der Arbeit der anderen arbeiten. Ich hab mich selbständig gemacht. Finanzierungsgeschäfte und so – (er verschluckt sich und hustet stark).

DIE MUTTER.

Schmeckts?

ALFRED.

Jetzt wär ich aber fast erstickt.

DIE MUTTER.

Ich freu mich nur, daß es dir schmeckt.

(Stille.)

ALFRED.

Apropos ersticken: wo steckt denn die liebe Großmutter?

DIE MUTTER.

Mir scheint, sie sitzt in der Küch und betet.

ALFRED.

Betet?

DIE MUTTER.

Sie leidet halt an Angst.

ALFRED.

Angst?

(Stille.)

DIE MUTTER.

Vergiß ihr nur ja nicht zu gratulieren – nächsten Monat wird sie achtzig, und wenn du ihr nicht gratulierst, dann hab ich hier wieder die Höll auf Erden. Du bist doch ihr Liebling.

[9]ALFRED.

Ich werds mir notieren. (Er notiert es sich.) Großmutter gratulieren. Achtzig. (Er erhebt sich, da er nun satt ist.) Das ist ein biblisches Alter. (Er sieht auf seine Armbanduhr.) Ich glaub, es wird Zeit. Der Hierlinger muß jeden Moment erscheinen. Es ist auch noch eine Dame dabei.

DIE MUTTER.

Was ist das für eine Dame?

ALFRED.

Eine ältere Dame.

(Stille.)

DIE MUTTER.

Wie alt?

ALFRED.

So mittel.

DIE MUTTER.

Hat sie Geld?

ALFRED.

Ich hab nichts mit ihr zu tun.

(Stille.)

DIE MUTTER.

Eine reiche Partie ist nicht das letzte. Du hast halt die Richtige noch nicht gefunden.

ALFRED.

Möglich! Manchmal möcht ich ja schon so Kinder um mich herum haben, aber dann denk ich mir immer wieder: nein, es soll halt nicht sein –

DIE GROSSMUTTER.

(tritt mit ihrer Schale sauerer Milch aus dem Häuschen). Frieda! Frieda!

DIE MUTTER.

Na, wo brennts denn?

DIE GROSSMUTTER.

Wer hat mir denn da was von meiner saueren Milch gestohlen?

DIE MUTTER.

Ich. Weil der liebe Alfred noch so einen starken Gusto gehabt hat.

(Stille.)

DIE GROSSMUTTER.

Hat er gehabt? Hat er gehabt? – Und da werd ich gar nicht gefragt? Als ob ich schon gar nicht mehr da wär – (zur Mutter) tät dir so passen!

ALFRED.

Bäääh! (Er streckt ihr die Zunge heraus.)

(Stille.)

DIE GROSSMUTTER.

Bäääh! (Sie streckt ihm die Zunge heraus.)

(Stille.)

DIE GROSSMUTTER.

(kreischt). Jetzt möcht ich überhaupt [10]keine Milch mehr haben! Da! (Sie schüttet die Schale aus.)

DER HIERLINGER FERDINAND.

(kommt mit Valerie, einer hergerichteten Fünfzigerin im Autodreß).

ALFRED.

Darf ich bekannt machen: das ist meine Mutter und das ist mein Freund Ferdinand Hierlinger – und Frau Valerie – und das dort ist meine liebe Großmutter –

DIE MUTTER.

Das ist sehr schön von Ihnen, Herr von Hierlinger, daß Sie mir den Alfred herausgebracht haben – ich danke Ihnen, danke –

DER HIERLINGER FERDINAND.

Aber ich bitte, meine Herrschaften! Das ist doch alles nur selbstverständlich! Ich hätt Ihnen ja den Alfred schon öfters herausgebracht – der liebe Alfred hätte ja nur ein Wörterl verlauten dürfen.

DIE MUTTER.

Nur ein Wörterl?

DER HIERLINGER FERDINAND.

Wie gesagt – (er stockt, da er merkt, daß er sich irgendwie verplappert hat).

(Peinliche Stille.)

VALERIE.

Aber schön haben Sies hier heraußen –

DIE MUTTER.

Wollen die Herrschaften vielleicht mal auf den Turm?

DER HIERLINGER FERDINAND.

Auf was für einen Turm?

DIE MUTTER.

Auf unseren Turm da –

DER HIERLINGER FERDINAND.

Ich bitte, gehört denn da diese hochromantische Ruine den Herrschaften?

DIE MUTTER.

Nein, die gehört dem Staat. Wir verwalten sie nur. Wenn die Herrschaften wollen, führ ich die Herrschaften hinauf – nämlich dem Besteiger bietet sich droben eine prächtige Fernsicht und eine instruktive Rundsicht.

DER HIERLINGER FERDINAND.

Aber gern, sehr gern! Zu charmant, gnädige Frau!

DIE MUTTER.

(lächelt verlegen). Aber oh bitte! (Zu Valerie.) Die Dame kommen doch auch mit?

VALERIE.

Danke, danke – es tut mir schrecklich leid, aber [11]ich kann nicht so hoch hinauf, weil ich dann keine Luft krieg –

DIE MUTTER.

Also dann auf Wiedersehen! (Ab mit dem Hierlinger Ferdinand.)

VALERIE.

(zu Alfred). Dürft ich mal den Herrn um eine kleine Information bitten?

ALFRED.

Was gibts denn?

DIE GROSSMUTTER.

(setzt sich an das Tischchen und horcht, hört aber nichts).

VALERIE.

Du hast mich wieder mal betrogen.

ALFRED.

Sonst noch was gefällig?

VALERIE.

Der Hierlinger erzählt mir grad, daß beim letzten Rennen in Saint-Cloud nicht die Quote hundertachtundsechzig, sondern zweihundertzweiundzwanzig herausgelaufen worden ist –

ALFRED.

Der Hierlinger lügt.

VALERIE.

Und das Gedruckte da lügt auch? (Sie hält ihm eine Rennzeitung unter die Nase.)

(Stille.)

VALERIE.

(triumphierend). Na?

ALFRED.

Nein, du bist halt keine richtige Frau. Du stoßt mich ja direkt von dir – mit derartigen Methoden –

VALERIE.

Du wirst mir jetzt das geben, was mir gebührt. Siebenundzwanzig Schilling. S’il vous plaît!

ALFRED.

(gibt ihr das Geld). Voilà!

VALERIE.

Merci! (Sie zählt nach.)

ALFRED.

Kleinliche Person.

VALERIE.

Ich bin keine Person! Und von heut ab bitte ich es mir aus, daß du mir immer eine schriftliche Quittung –

ALFRED.

(unterbricht sie). Bild dir nur ja nichts ein, bitte!

(Stille.)

VALERIE.

Alfred, du sollst mich doch nicht immer betrügen –

ALFRED.

Und du sollst nicht immer so mißtrauisch zu mir sein – das untergräbt doch nur unser Verhältnis. Du [12]darfst es doch nicht übersehen, daß ein jeder Mensch Licht- und Schattenseiten hat, das ist normal. Und ich kann dir nur flüstern: eine rein menschliche Beziehung wird erst dann echt, wenn man was voneinander hat. Alles andere ist larifari. Und in diesem Sinne bin ich auch dafür, daß wir jetzt unsere freundschaftlich-geschäftlichen Beziehungen nicht deshalb abbrechen, weil die anderen für uns etwa ungesund sind –

VALERIE.

(unterbricht ihn). Nein, pfui! Pfui –

ALFRED.

Na siehst du! Jetzt hast du ja schon wieder einen anderen Kopf auf! Es wär doch auch zu leichtsinnig von dir, um nicht zu sagen, übermütig! Was mach ich denn aus deinem Ruhegehalt, Frau Kanzleiobersekretärswitwe? Dadurch, daß ich eine Rennplatzkapazität bin, wie? Durch meine glückliche Hand beziehen Frau Kanzleiobersekretärswitwe das Gehalt eines aktiven Ministerialdirigenten erster Klass! – Was ist denn schon wieder los?

VALERIE.

Ich hab jetzt nur an das Grab gedacht.

ALFRED.

An was für ein Grab?

VALERIE.

An sein Grab. Immer, wenn ich das hör: Frau Kanzleiobersekretär – dann muß ich an sein Grab denken.

(Stille.)

VALERIE.

Ich kümmer mich zu wenig um das Grab. Meiner Seel, ich glaub, es ist ganz verwildert –

ALFRED.

Valerie, wenn ich morgen in Maisons-Laffitte gewinn, dann lassen wir sein Grab mal gründlich herrichten. Halb und halb.

VALERIE.

(küßt plötzlich seine Hand).

ALFRED.

Nein, nicht so –

DIE STIMMEDES HIERLINGER FERDINAND.

(vom Turm). Alfred! Alfred! Es ist wunderschön heroben, und ich komm gleich runter!

ALFRED.

(ruft hinauf). Ich bin bereit! (Er fixiert Valerie.) Was? Du weinst?

[13]VALERIE.

(weinerlich). Aber keine Idee – (sie betrachtet sich in ihrem Taschenspiegel). Gott, bin ich wieder derangiert – höchste Zeit, daß ich mich wieder mal rasier – (sie schminkt sich mit dem Lippenstift und summt dazu den »Trauermarsch« von Chopin).

DIE GROSSMUTTER.

Alfred!

ALFRED.

(nähert sich ihr).

DIE GROSSMUTTER.

Wann kommst du denn wieder? Bald?

ALFRED.

Sicher.

DIE GROSSMUTTER.

Ich hab so Abschiede nicht gern, weißt du. – Daß dir nur nichts passiert, ich hab oft so Angst –

ALFRED.

Was soll mir denn schon passieren?

(Stille.)

DIE GROSSMUTTER.

Wann gibst du mir denn das Geld zurück?

ALFRED.

Sowie ich es hab.

DIE GROSSMUTTER.

Ich brauch es nämlich.

ALFRED.

Zu was brauchst du denn dein Geld?

DIE GROSSMUTTER.

Nächsten Monat werd ich achtzig – und ich möcht um mein eigenes Geld begraben werden, ich möcht keine milden Gaben, du kennst mich ja –

ALFRED.

Mach dir nur keine Sorgen, Großmama!

IIStille Straße im achten Bezirk

Von links nach rechts. Oskars gediegene Fleischhauerei mit halben Rindern und Kälbern, Würsten, Schinken und Schweinsköpfen in der Auslage. Daneben eine Puppenklinik mit Firmenschild »Zum Zauberkönig« – mit Scherzartikeln, Totenköpfen, Puppen, Spielwaren, Raketen, Zinnsoldaten und einem Skelett im Fenster. Endlich: eine kleine Tabak-Trafik mit Zeitungen, Zeitschriften und [14]Ansichtspostkarten vor der Tür. Über der Puppenklinik befindet sich ein Balkon mit Blumen, der zur Privatwohnung des Zauberkönigs gehört.

OSKAR.

(mit weißer Schürze; er steht in der Tür seiner Fleischhauerei und manikürt sich mit seinem Taschenmesser; ab und zu lauscht er, denn im zweiten Stock spielt jemand auf einem ausgeleierten Klavier die »Geschichten aus dem Wiener Wald« von Johann Strauß).

IDA.

(ein elfjähriges, herziges, mageres, kurzsichtiges Mäderl, verläßt mit ihrer Markttasche die Fleischhauerei und will nach rechts ab, hält aber vor der Puppenklinik und betrachtet die Auslage).

HAVLITSCHEK.

(der Gehilfe Oskars, ein Riese mit blutigen Händen und ebensolcher Schürze, erscheint in der Tür der Fleischhauerei; er frißt eine kleine Wurst und ist wütend). Dummes Luder, dummes –

OSKAR.

Wer?

HAVLITSCHEK.

(deutet mit seinem langen Messer auf Ida). Das dort! Sagt das dumme Luder nicht, daß meine Blutwurst nachgelassen hat – meiner Seel, am liebsten tät ich so was abstechen, und wenn es dann auch mit dem Messer in der Gurgel herumrennen müßt, wie die gestrige Sau, dann tät mich das nur freuen!

OSKAR.

(lächelt). Wirklich?

IDA.

(fühlt Oskars Blick, es wird ihr unheimlich; plötzlich rennt sie nach rechts ab).

HAVLITSCHEK.

(lacht).

RITTMEISTER.

(kommt von links; er ist bereits seit dem Zusammenbruch pensioniert und daher in Zivil; jetzt grüßt er Oskar).

OSKAR UND HAVLITSCHEK.

(verbeugen sich – und der Walzer ist aus).

RITTMEISTER.

Also das muß ich schon sagen: die gestrige Blutwurst – Kompliment! First class!

OSKAR.

Zart, nicht?

[15]RITTMEISTER.

Ein Gedicht!

OSKAR.

Hast du gehört, Havlitschek?

RITTMEISTER.

Ist er derjenige welcher?

HAVLITSCHEK.

Melde gehorsamst: Ja, Herr Rittmeister!

RITTMEISTER.

Alle Achtung!

HAVLITSCHEK.

Herr Rittmeister sind halt ein Kenner. Ein Gourmand. Ein Weltmann.

RITTMEISTER.

(zu Oskar). Ich bin seinerzeit viel in unserer alten Monarchie herumtransferiert worden, aber ich muß schon sagen: Niveau. Niveau!

OSKAR.

Ist alles nur Tradition, Herr Rittmeister!

RITTMEISTER.

Wenn Ihr armes Mutterl selig noch unter uns weilen würde, die hätt eine Freude an ihrem Sohn.

OSKAR.

(lächelt geschmeichelt). Es hat halt nicht sollen sein, Herr Rittmeister.

RITTMEISTER.

Wir müssen alle mal fort.

OSKAR.

Heut vor einem Jahr ist sie fort.

RITTMEISTER.

Wer?

OSKAR.

Meine Mama, Herr Rittmeister. Nach dem Essen um halb drei – da hatte sie unser Herrgott erlöst.

(Stille.)

RITTMEISTER.

Ist denn das schon ein Jahr her?

(Stille.)

OSKAR.

Entschuldigens mich bitte, Herr Rittmeister, aber ich muß mich jetzt noch in Gala werfen – für die Totenmess. (Ab.)

RITTMEISTER.

(reagiert nicht; ist anderswo).

(Stille.)

RITTMEISTER.

Wieder ein Jahr – bis zwanzig gehts im Schritt, bis vierzig im Trab, und nach vierzig im Galopp –

(Stille.)

HAVLITSCHEK.

(frißt nun wieder). Das ist ein schönes Erdbegräbnis gewesen von der alten gnädigen Frau.

RITTMEISTER.

Ja, es war sehr gelungen – (er läßt ihn stehen und nähert sich der Tabak-Trafik, hält einen Augenblick [16]vor dem Skelett in der Puppenklinik; jetzt spielt wieder jemand im zweiten Stock, und zwar den Walzer »Über den Wellen«).

HAVLITSCHEK.

(sieht dem Rittmeister nach, spuckt die Wursthaut aus und zieht sich zurück in die Fleischhauerei).

VALERIE.