Geschichten aus Rocca de' Fichi - Heinrich Mann - E-Book

Geschichten aus Rocca de' Fichi E-Book

Heinrich Mann

0,0

Beschreibung

Italien im 19. Jahrhundert: Heinrich Manns "Geschichten aus Rocca de' Fichi" entführen einen in die mediterranen Gefilde der Campagna. Eine herrschaftliche Villa in den Bergen samt ihrer fürstlichen Bewohner sowie eine alte Legende um eine Kapelle inmitten von Ruinen bieten so manchen Stoff für lebhafte Geschichten. -

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 35

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heinrich Mann

Geschichten aus Rocca de' Fichi

 

Saga

Geschichten aus Rocca de' Fichi

 

Coverbid/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1897, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885149

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Geschichten aus Rocca de' Fichi

Der Nachmittag war heiß, nur aus Mangel an Beschäftigung hatte ich meinen Freund, den ausgezeichneten Advokaten Cavaliere Crisostomo Temaniente zu dem Spaziergang veranlaßt, um seinem Bruder guten Tag zu sagen, dem Pächter Sor Alfonso, der im Schweiße seines Angesichts seine Bauern beaufsichtigte, auf den ihm von Sr. Exzellenz dem Fürsten Tordisasso verpachteten Kukuruzfeldern, eine kleine Meile vor Rocca de' Fichi. Mehr als einen Esel, den wir abwechselnd ritten, hatte uns der gefällige Pächter in dieser Erntezeit nicht auf den Rückweg mitgeben können. Sooft an mir die Reihe war, das freundliche Tier zu besteigen, blickte ich über die Kronen der Ölbäume, die von unserer engen Bergstraße den Abhang hinabstanden, wohlgefällig in die Campagna hinein. Ihre gehaltenen, braunvioletten Töne dämpften das allzu grelle Sonnenlicht. Am Grunde kleiner Seitentäler, die ins offene Feld verliefen, lag hier und da ein grauer Steinhaufen, der ein Bauernhof war, von schwarzem Gesträuch überwuchert, schon halb im Schatten. Draußen im Felde versteckten sich die Gehöfte hinter dichten Einfriedigungen von Zypressen. Zwei stolzere Reihen derselben Bäume stiegen aus der Campagna in die herrschaftliche Villa hinein, die sich unterhalb des vor uns liegenden Städtchens die Höhe hinanzog. Diese Villa, von der ich hatte reden hören, ein theatralisches Meisterstück, mit ihren verblüffenden Parkansichten, ihren zierlich nachgeahmten Ruinen, ihren raffinierten Wasserkünsten und dem ungeheuren Barockpalast, wurde bewohnt von dem Besitzer der Kommune Rocca de' Fichi, dem Grundeigentümer und Herrn des ganzen Berges und des angrenzenden Campagnagebietes im Umkreise dreier Meilen, dem Fürsten Tordisasso.

Ich bin nun zwar eigentlich der Meinung, daß diese großen Herren, soweit sie von dem aus dem modernen Rom herüberblasenden Winde des Ruins bisher verschont blieben, unproduktive Zehrer und der wahre Hemmschuh für die gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind. Parzellierung von Grund und Boden, das ist das Wahre, wie auch der ehrenwerte Colaianni im »Messaggero« täglich versichert. Aber die agrar-sozialistischen Anschauungen seines Bruders Sor Alfonso, eines standhaften Lesers der genannten Zeitung, werden vom Cavaliere Crisostomo, der Sachwalter des Fürsten ist, erklärlicherweise nicht geteilt. Mit ihm hierüber zu streiten, ist ganz unnötig und lag mir, schon wegen der herrschenden Wärme, völlig fern. Vor allem, und ohne Rücksicht auf meine politischen Meinungen, höre ich gern Geschichten. Ich bin ein dicker Herr aus Mailand, der immer von einem Postwagen in den andern steigt, zwecklos die Leute aushorcht, und der es zu nichts Rechtem in der Welt gebracht hat, weil er sich stets um anderer Leute Angelegenheiten mehr bekümmerte als um seine eigenen. Und diejenigen der großen Campagnabarone sind manchmal hinreichend interessant, um mich mit den Herren auszusöhnen. Diese alten Geschlechter haben vielleicht den größten Teil der Jahrhunderte, auf die sie zurückblicken, in ihrer kleinen Welt als unumschränkte Selbstherrscher festgesessen, sie besitzen daher noch mitunter ihre eigensinnigen Schicksale und sind weniger, als dies bei uns kleinen Leuten der Fall ist, von den allgemeinen gesellschaftlichen und Zeitverhältnissen abhängig. Ihre eigene Überlieferung bestimmt diese Geschlechter. Wird der Name genannt, so klingt ein Ton an und niemals ein anderer.