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Luiz Heinrich Mann (1871-1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Ab 1930 war Heinrich Mann Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, aus der er 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ausgeschlossen wurde. Mann, der bis dahin meist in München gelebt hatte, emigrierte zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Im Exil verfasste er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Seine Werke hatten oft gesellschaftskritische Intentionen. Die Frühwerke sind oft beißende Satiren auf bürgerliche Scheinmoral. Mann analysierte in den folgenden Werken die autoritären Strukturen des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des Wilhelminismus. Resultat waren zunächst u. a. die Gesellschaftssatire "Professor Unrat", aber auch drei Romane, die heute als die Kaiserreich-Trilogie bekannt sind. Im Exil verfasste er die Romane "Die Jugend des Königs Henri Quatre" und "Die Vollendung des Königs Henri Quatre". Sein erzählerisches Werk steht neben einer reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Er tendierte schon sehr früh zur Demokratie, stellte sich von Beginn dem Ersten Weltkrieg und frühzeitig dem Nationalsozialismus entgegen, dessen Anhänger Manns Werke öffentlich verbrannten.
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Seitenzahl: 32
Der Nachmittag war heiß, nur aus Mangel an Beschäftigung hatte ich meinen Freund, den ausgezeichneten Advokaten Cavaliere Crisostomo Temaniente zu dem Spaziergang veranlaßt, um seinem Bruder guten Tag zu sagen, dem Pächter Sor Alfonso, der im Schweiße seines Angesichts seine Bauern beaufsichtigte, auf den ihm von Sr. Exzellenz dem Fürsten Tordisasso verpachteten Kukuruzfeldern, eine kleine Meile vor Rocca de' Fichi. Mehr als einen Esel, den wir abwechselnd ritten, hatte uns der gefällige Pächter in dieser Erntezeit nicht auf den Rückweg mitgeben können. Sooft an mir die Reihe war, das freundliche Tier zu besteigen, blickte ich über die Kronen der Ölbäume, die von unserer engen Bergstraße den Abhang hinabstanden, wohlgefällig in die Campagna hinein. Ihre gehaltenen, braunvioletten Töne dämpften das allzu grelle Sonnenlicht. Am Grunde kleiner Seitentäler, die ins offene Feld verliefen, lag hier und da ein grauer Steinhaufen, der ein Bauernhof war, von schwarzem Gesträuch überwuchert, schon halb im Schatten. Draußen im Felde versteckten sich die Gehöfte hinter dichten Einfriedigungen von Zypressen. Zwei stolzere Reihen derselben Bäume stiegen aus der Campagna in die herrschaftliche Villa hinein, die sich unterhalb des vor uns liegenden Städtchens die Höhe hinanzog. Diese Villa, von der ich hatte reden hören, ein theatralisches Meisterstück, mit ihren verblüffenden Parkansichten, ihren zierlich nachgeahmten Ruinen, ihren raffinierten Wasserkünsten und dem ungeheuren Barockpalast, wurde bewohnt von dem Besitzer der Kommune Rocca de' Fichi, dem Grundeigentümer und Herrn des ganzen Berges und des angrenzenden Campagnagebietes im Umkreise dreier Meilen, dem Fürsten Tordisasso.
Ich bin nun zwar eigentlich der Meinung, daß diese großen Herren, soweit sie von dem aus dem modernen Rom herüberblasenden Winde des Ruins bisher verschont blieben, unproduktive Zehrer und der wahre Hemmschuh für die gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind. Parzellierung von Grund und Boden, das ist das Wahre, wie auch der ehrenwerte Colaianni im »Messaggero« täglich versichert. Aber die agrar-sozialistischen Anschauungen seines Bruders Sor Alfonso, eines standhaften Lesers der genannten Zeitung, werden vom Cavaliere Crisostomo, der Sachwalter des Fürsten ist, erklärlicherweise nicht geteilt. Mit ihm hierüber zu streiten, ist ganz unnötig und lag mir, schon wegen der herrschenden Wärme, völlig fern. Vor allem, und ohne Rücksicht auf meine politischen Meinungen, höre ich gern Geschichten. Ich bin ein dicker Herr aus Mailand, der immer von einem Postwagen in den andern steigt, zwecklos die Leute aushorcht, und der es zu nichts Rechtem in der Welt gebracht hat, weil er sich stets um anderer Leute Angelegenheiten mehr bekümmerte als um seine eigenen. Und diejenigen der großen Campagnabarone sind manchmal hinreichend interessant, um mich mit den Herren auszusöhnen. Diese alten Geschlechter haben vielleicht den größten Teil der Jahrhunderte, auf die sie zurückblicken, in ihrer kleinen Welt als unumschränkte Selbstherrscher festgesessen, sie besitzen daher noch mitunter ihre eigensinnigen Schicksale und sind weniger, als dies bei uns kleinen Leuten der Fall ist, von den allgemeinen gesellschaftlichen und Zeitverhältnissen abhängig. Ihre eigene Überlieferung bestimmt diese Geschlechter. Wird der Name genannt, so klingt ein Ton an und niemals ein anderer.