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Dieser Band enthält folgende Romane: Moor der Angst (Frank Rehfeld) Die Rückkehr des Dämonenjägers (Alfred Bekker) Der Käfer-Gott (Alfred Bekker) Nebelschwaden hingen tief über der verwitterten Kirche von Dunbury. Das graue, windschiefe Gemäuer bildete das Zentrum der kleinen südenglischen Ortschaft. Um die Kirche herum befanden sich knorrige, grotesk verwachsene Bäume, deren Kronen die Gräber des örtlichen Friedhofs überspannten. Eine durchdringende feuchte Kühle herrschte an diesem Morgen. Das gesamte Gelände war mit Flatterband abgesperrt und ein einzelner uniformierter Polizist hielt Wache. Sein Name war Constable Kenneth Jones. Er stand noch ganz unter dem Eindruck des Grauens, das er hatte mit ansehen müssen. Jones war 45 und hatte Jahrzehnte Diensterfahrung hinter sich. Aber als der völlig verängstige Kirchendiener ihn gerufen und zu der furchtbar zugerichteten Leiche geführt hatte, war der Anblick selbst für Jones ein Schock gewesen. Ein Motorengeräusch drang durch den Nebel. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Geschöpfe der Furcht: Geisterkrimi Sammelband 3 Romane
Copyright
Moor der Angst: Grusel-Krimi
Die Rückkehr des Dämonenjägers
Der Käfer-Gott
Dieser Band enthält folgende Romane:
Moor der Angst (Frank Rehfeld)
Die Rückkehr des Dämonenjägers (Alfred Bekker)
Der Käfer-Gott (Alfred Bekker
Nebelschwaden hingen tief über der verwitterten Kirche von Dunbury. Das graue, windschiefe Gemäuer bildete das Zentrum der kleinen südenglischen Ortschaft. Um die Kirche herum befanden sich knorrige, grotesk verwachsene Bäume, deren Kronen die Gräber des örtlichen Friedhofs überspannten.
Eine durchdringende feuchte Kühle herrschte an diesem Morgen. Das gesamte Gelände war mit Flatterband abgesperrt und ein einzelner uniformierter Polizist hielt Wache. Sein Name war Constable Kenneth Jones.
Er stand noch ganz unter dem Eindruck des Grauens, das er hatte mit ansehen müssen. Jones war 45 und hatte Jahrzehnte Diensterfahrung hinter sich. Aber als der völlig verängstige Kirchendiener ihn gerufen und zu der furchtbar zugerichteten Leiche geführt hatte, war der Anblick selbst für Jones ein Schock gewesen.
Ein Motorengeräusch drang durch den Nebel.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
COVER MARA LAUE
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, ALFREDBOOKS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Mit weit geöffneten Augen lag Grace O'Brian im Bett und starrte in die Dunkelheit. Schon den ganzen Tag spürte sie, daß sich in der Nacht ihr Schicksal erfüllen würde. Bei Anbruch der Dunkelheit hatte sich die Ahnung noch verstärkt.
Mit jeder Faser ihres Körpers glaubte sie, daß das Unheil nahe. Sie hatte versucht zu lesen. Jedoch nach wenigen Sätzen begannen die Zeilen vor ihren Augen zu tanzen. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Deutlich vermeinte sie, das Verhängnis zu spüren. Ein leises Flattern schreckte sie auf. Sie fuhr hoch im Bett. Eine kalte Hand schien ihr das Herz zu pressen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. Da!
Deutlich vernahm sie das leise Schlagen, als würde ein großer Vogel seine Flügel bewegen. Das Geräusch stammte vom Fenster her.
Plötzlich sah Grace O'Brian dort zwei tanzende rote Punkte.
Zitternd tastete die junge Frau nach dem Schalter ihrer Nachttischlampe. Das Licht flammte auf und blendete sie im ersten Augenblick.
Dann jedoch entdeckte sie, was es mit den roten Punkten auf sich hatte und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.
Eine riesige Fledermaus flatterte vor ihrem Fenster. Die tanzenden Punkte waren ihre in dämonischem Rot glühenden Augen.
Ein Vampir!
Grace O'Brian wollte schreien, aber eine unsichtbare Hand verschloß ihren Mund. Sie brachte keinen Laut heraus.
»Schau in meine Augen!« ertönte eine dumpfe Stimme in ihr, von der ein starker suggestiver Zwang ausging. Grace konnte sich dem Befehl nicht entziehen.
Mit einer eckigen Bewegung erhob sie sich und trat ans Fenster.
»Öffne es!« vernahm sie wieder die Stimme.
Etwas in ihr sträubte sich, aber erneut kam sie gegen den fremden Zwang nicht an.
Rasch drehte sie den Griff. Der kühle Nachtwind stieß das Fenster auf und fuhr eisig über ihr Gesicht.
»Tritt ein«, forderte sie den Vampir mit monotoner Stimme auf.
Darauf hatte der Blutsauger nur gewartet. Ohne solche Aufforderung konnte er ein Haus nicht betreten. Später allerdings konnte er es so oft aufsuchen, wie er wollte.
Grace O'Brian trat wieder vom Fenster zurück. Ein Flügelschlag trug den Vampir ins Zimmer.
Gleichzeitig verwandelte er sich. Sein Körper wuchs, der Kopf nahm die Züge eines Menschen an, und aus den Flügeln wurde ein langer schwarzer Umhang.
Grace O'Brian sah sich einem etwa vierzigjährigen Mann gegenüber. Seine lackschwarzen Haare trug er straff zurückgekämmt. Unter buschigen Brauen
blickten zwei stechende, dunkle Augen.
Immer noch hielt der Vampir sie in hypnotischem Bann. Grace wollte sich herumwerfen und fliehen, aber ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Ohne Gegenwehr ließ sie sich von dem Blutsauger aufs Bett zurückdrängen. Eine entsprechende Geste von ihm reichte.
Hilflos sah sie mit an, wie der Vampir sich über sie beugte. Sein Mund öffnete sich zu satanischem Grinsen. Deutlich sichtbar ragten seine langen Eckzähne über die Unterlippe.
Zitternd vor Begierde tasteten seine Hände nach ihrem Hals. Mit Schaudern sah Grace, daß es sich um dürre, spinnenartige Finger handelte. Sogar auf ihrer Oberseite wuchsen Haare.
Langsam schob er ihr Nachthemd zur Seite und legte ihren Hals frei.
Gleichzeitig stöhnte er auf und wich zurück. Schützend erhob er einen Arm vor die Augen.
»Nimm es weg!« vernahm Grace seinen gellenden Befehl.
Im ersten Moment wußte sie nicht, was er meinte, aber dann fiel ihr das Kruzifix wieder ein. Es war ein Erbstück ihrer Mutter, und sie trug es ständig.
Mit einem Mal schien das silberne Kleinod tonnenschwer zu werden. Sie hatte das Gefühl, es raubte ihr den Atem.
Ihre Hände fuhren hoch, und sie spürte die Kette zwischen den Fingern. Mit kräftigem Ruck riß sie sie entzwei. Wie von schwerer Last befreit seufzte sie auf und schleuderte das Kruzifix von sich.
Der Vampir beugte sich wieder über sie. Grace O'Brian spürte noch zwei Einstiche am Hals, dann verschwamm alles um sie herum in blutigem Nebel.
*
Leise stotternd verstummte der Motor. Der schwarze Mercedes rollte noch ein paar Meter und blieb dann stehen.
Fluchend verschaffte David Harington seiner schlechten Laune Luft.
Sicher, es kam schon mal vor, daß man mit einem Auto eine Panne hatte. Aber daß das ausgerechnet ihm passieren mußte und dann auch noch in dieser Gegend, das gefiel ihm gar nicht.
Im Innern des Mercedes war es gemütlich warm, aber außerhalb der Scheiben sah es ungefähr so aus, wie ein Mensch sich die Hölle auf Erden vorstellte.
Weißgraue Nebelschwaden wanden sich um verkrüppelte Bäume und Büsche. Die kahlen Äste wiesen wie knochige Finger in Richtung des wolkenverhangenen Himmels.
Dazu der Nebel! Er war schuld daran, daß David Harington überhaupt in diese Gegend gekommen war. Er befand sich auf dem Weg nach London und wollte eigentlich in Edinburgh die Nacht verbringen.
Dann jedoch hatte sich der Nebel wie ein graues Tuch über die Landschaft gelegt.
Irgendwo mußte Harington sich verfahren haben. Er hatte auch niemand gefunden, den er nach dem richtigen Weg hätte fragen können, so war er immer tiefer in diese Einöde geraten.
Auf die gesamte Automobilindustrie, sämtliche Wegweiser und den Wettermacher Petrus persönlich schimpfend, stieg er aus dem Wagen.
Sofort griff der Nebel mit feuchten Fingern nach ihm. Fröstelnd nahm er seinen pelzgefütterten Ledermantel vom Rücksitz und schlüpfte hinein. Mißmutig schlug er den Kragen hoch.
Zwar verstand er nicht viel von Autos, aber vielleicht handelte es sich nur um eine Kleinigkeit, die er selbst beheben konnte.
Er entriegelte die Motorhaube und klappte sie zurück. Aber nachdem er fast fünf Minuten lang den Motor untersucht hatte, ohne etwas zu finden, gab er auf.
Nur - wo sollte er in dieser menschenleeren Gegend einen Mechaniker herbekommen?
Er hörte das Moor glucksen und schmatzen, als wittere es bereits ein neues Opfer. Der Wind fuhr durch die herabhängenden Zweige und untermalte die Kulisse mit schrecklicher Hintergrundmusik, die an das Stöhnen eines Menschen erinnerte.
David Harington fühlte sich regelrecht in einen Horrorfilm versetzt. Nur konnte er hier nicht den Fernseher ausschalten oder das Kino verlassen, das war blanke Realität.
Verbittert stieg er wieder ein und schlug die Tür hinter sich zu. Natürlich war die Heizung ebenfalls ausgefallen, und die verbliebene Wärme begann sich zu verflüchtigen. Deshalb behielt Harington den Mantel an.
Vergeblich drehte er den Zündschlüssel, der Anlasser reagierte nicht. Es schien, als sei die Batterie völlig leer.
Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu!
Der Wagen war vor zehn Tagen erst gründlich inspiziert worden.
Allmählich wurde Harington unwohl. Hinter dieser Panne schien etwas zu stecken, das war kein Zufall!
Unsinn, sagte er sich zur Beruhigung. Die Umgebung begann, ihm auf den Nerven zu trampeln.
Fehlte nur noch, daß gleich eine Horde Gespenster aus dem Moor schwebte.
Hier herumhocken und auf Hilfe warten, half nicht. Er konnte höchstens versuchen, ein Dorf oder zumindest ein Gehöft zu finden.
Sein Blick streifte das Handschuhfach. Darin ruhten Papiere, um derentwillen er die Reise überhaupt unternommen hatte. Harington öffnete das Fach und holte einen brauen Umschlag heraus, den er zusammenrollte und in die Innentasche des Mantels steckte. Wenn diese Papiere einem Unbefugten in die Hände fielen, konnte das üble Konsequenzen für seine Firma bedeuten.
Warum bin ich nicht geflogen? fragte er sich zum wiederholten Mal. Aber nein, er wollte unbedingt etwas von der schönen Landschaft mitbekommen.
Er stieg aus und schob den Wagen an den Straßenrand. Zusätzlich stellte er ein Warndreieck auf. So stieß im Dunkeln wenigstens keiner an seinen Wagen. Aus dem Kofferraum holte er eine Reisetasche.
Harington entschied sich dafür, die Straße in Fahrtrichtung weiterzugehen, da er auf dem Hinweg kilometerweit keine menschliche Behausung entdeckt hatte.
Eine Hand tief in der Tasche seines Mantels, in der anderen die Reisetasche und den Kragen, so weit es ging hochgeschlagen, stapfte er los. Als er sich nach einer Weile umdrehte, hatte der Nebel den Wagen bereits verschluckt.
Wie ein Band erstreckte sich die Straße vor ihm, um nach wenigen Metern bereits im milchigen Dunst zu verschwinden. David Harington kam sich wie der einzige Mensch auf Erden vor.
Er war etwa zehn Minuten unterwegs, ohne daß sich die Landschaft im geringsten verändert hätte, als er plötzlich ein Geräusch hinter sich vernahm.
Es war kein Motorengeräusch, es klang eher wie... Pferdegetrappel, verbunden mit dem Rollen von Rädern.
Eine Kutsche, dachte Harington erregt. Wer fuhr denn heutzutage noch mit so etwas durch die Gegend?
Aber der Kutscher würde ihn vielleicht mitnehmen...
Kurz darauf schob sich das Gefährt aus dem Nebel. Beim Anblick der Kutsche lief Harington unwillkürlich eine Gänsehaut über den Rücken.
Der Wagen war vollkommen schwarz und wurde von zwei ebenfalls schwarzen Pferden gezogen. Über dem Kutschbock baumelte eine kleine Laterne, in deren milchigem Schein David den Kutscher sehen konnte.
Der Mann trug einen langen, schwarzen Mantel und einen Zylinder. Dicht neben Harington zügelte er die Pferde.
»Gehört Ihnen der Wagen dort hinten?« erkundigte er sich mit unangenehm knarrender Stimme. Beim Sprechen entblößte er eine Reihe fauler Zähne. Alles in allem machte er eine nicht gerade vertrauenerweckende Erscheinung.
»Ja, ich hatte eine Panne. Können Sie mich bis ins nächste Dorf mitnehmen?« erkundigte sich Harington beherzt.
Das Gesicht des Kutschers verzog sich zu einem Grinsen.
»Es ist nicht gerade ein Vergnügen nachts allein im Moor, nicht wahr? Es ist auch gefährlich. Also gut, steigen Sie auf, wenn es sie nicht stört, mit einer Leiche zu reisen!« Er deutete nach hinten.
Erschrocken trat David Harington einen Schritt zurück. »Eine Leiche?« erkundigte er sich mit kalkweißen Gesicht.
»Ja, ich bin der Fahrer eines Bestattungsunternehmens. Sehen Sie nicht, daß dies eine - Totenkutsche ist?«
Daher also die schwarze Farbe, überlegte Harington. Dies war zwar nicht gerade die bequemste Art der Vorwärtsbewegung, aber in der Not frißt der Teufel eben Fliegen, beendete er seinen Gedankengang.
»Was ist nun, steigen Sie auf?« erkundigte der Kutscher sich ungeduldig. Er streckte seine Hand aus, und Harington ergriff sie zögernd.
Die Finger waren eiskalt, bei diesem Wetter auch kein Wunder. Er stutzte allerdings über die Kraft, die in dieser Hand steckte. Wie von einem Schraubstock wurde sein Gelenk umklammert.
Harington beobachtete den Kutscher unauffällig von der Seite. Huschte da nicht ein kurzes, triumphierendes Lächeln über seine Züge?
»Sie sagten, es wäre gefährlich nachts im Moor«, fragte er beunruhigt. »Wie meinen Sie das?«
»Nun, man kann sich leicht verirren. Das Moor ist tückisch.«
»Doch nicht auf der Straße. Sie meinten etwas anderes, oder etwa nicht?«
Der Kutscher wand sich sichtlich. Schließlich gab er sich innerlich einen Ruck und erzählte: »Sie müssen von weither kommen, sonst wüßten Sie, daß das Moor verflucht ist. Es heißt nicht umsonst Teufelsmoor. Nachts steigen die Toten aus dem Sumpf und fallen über die Lebenden her!«
Haringtons Spannung entlud sich in lautem Lachen.
»Das sind doch Ammenmärchen! Glauben Sie ernsthaft an solchen Unfug?«
»Halten Sie es ruhig für Unfug: Ich habe die Toten gesehen! Furchtbar sehen sie aus... Haut und Fleisch sind teilweise verwest, manche sind auch schon zu Skeletten geworden. Wirklich, Mister, ich habe viel mit Leichen zu tun, aber diese sind wirklich das Schlimmste, was mir je begegnet ist.«
»Und wie sind Sie ihnen entkommen?« Harington hielt das Ganze immer noch für Spinnereien. Seine Frage wurde dementsprechend auch von einem leichten Schmunzeln untermalt.
»Spotten Sie nicht! Ich weiß, was ich gesehen habe. Wenn die Toten aus dem Moor steigen und an Land kommen, gibt es keine Rettung mehr. Hätten sie mich damals entdeckt, wäre ich ebenfalls verloren gewesen.«
Über soviel Aberglaube konnte Harington nur den Kopf schütteln. Er wagte es jedoch nicht, sich weiter über das Thema lustig zu machen, deshalb schwieg er.
Eine ganze Weile fuhren sie schweigend die Straße entlang, begleitet nur vom Klappern der Hufe und vom Ächzen der Räder, sowie dem Blubbern des Moores. Schließlich jedoch ging Harington das Schweigen auf die Nerven. Schon lieber wollte er sich mit dem unheimlichen Kutscher unterhalten, der war wenigstens ein menschliches Wesen in dieser Trostlosigkeit.
»Wohin fahren wir eigentlich?« fragte er, um das Gespräch neu in Gang zu bringen.
»Nach Calgary, das ist ein zweihundertdreiundsechzig-Seelen-Dorf direkt am Moor. Dort finden Sie einen Gasthof, wo sie die Nacht über schlafen können.«
»Gibt es dort Telefon? Ich muß dringend meine Firma in London anrufen.«
»Ja, der Bürgermeister hat ein Telefon. Es ist allerdings der einzige Anschluß. Ich bezweifle jedoch, daß Sie damit nach außerhalb durchdringen.«
Das ganze Theater ging Harington allmählich gehörig gegen den Strich. Seine Nerven hatten in den letzten Stunden ohnehin gelitten, jetzt spielten sie einfach nicht mehr mit.
»Was soll das heißen?« schrie Harington fast hysterisch und packte den Kutscher am Kragen.
Der Mann streifte seine Arme mühelos ab. Ein einziger Schlag reichte, und Harington rieb sich die schmerzenden Handgelenke.
»Fassen Sie mich nicht noch mal an!« drohte der Kutscher, »sonst stehen Sie ganz schnell wieder auf der Straße und können den Rest der Strecke laufen. Wenn sie überhaupt Calgary lebend erreichen.«
»Entschuldigen Sie bitte. Aber diese Umgebung macht mich ganz krank.«
Es tat Harington wirklich leid. Schließlich war er dem Kutscher zu Dank verpflichtet, denn ohne ihn wäre er jetzt noch zu Fuß.
»Wie meinen Sie das mit dem Telefon?« erkundigte er sich freundlicher.
»Das klingt schon besser, Mister... Wie heißen Sie überhaupt?«
»David Harington.«
»Also, Mister Harington, sehen Sie, wir haben jetzt Herbst. Bis zum Frühjahr regieren hier die Untoten. Sie sind in der Lage, jede Verbindung mit der Außenwelt zu unterbrechen. Die Vampire können nicht...«
Er unterbrach sich, als hätte er etwas gesagt, das er unter allen Umständen geheim halten mußte. Haringtons Neugier war jedoch geweckt.«
»Vampire?« fragte er ungläubig.
»Hören Sie, Mister Harington, schlafen Sie diese Nacht in Calgary und kümmern Sie sich morgen um ihr Auto. Dann fahren Sie so schnell wie möglich weiter. Das Beste für Sie ist, wenn Sie sich nicht zu stark in unsere Angelegenheiten mischen!«
Seine Stimme war bei den letzten Worten merklich lauter geworden. Harington verstand die dahintersteckende Drohung.
»Wie lange fahren wir noch?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
»Keine fünf Minuten mehr. Wir sind gleich da.«
Tatsächlich erreichten sie kurz darauf einen kleinen Ort. In dem Nebel war Harington der Übergang nicht mal aufgefallen, zumal es kein Ortsschild gab. Plötzlich jedoch tauchten zu beiden Seiten der Straße Häuser auf.
Es waren einfache Backsteinbauten. Hölzerne Läden waren vor die Fenster gezogen worden, und das Licht bildete nur noch einen schmalen Strich dazwischen.
Auf einem größeren Kopfsteinpflasterplatz hielten sie. Über einem Haus brannte eine Laterne. Elektrische Beleuchtung schien es hier überhaupt nicht zu geben.
»Paddy's Inn, das einzige Gasthaus«, erklärte der Kutscher. »Dort finden Sie etwas zu essen und ein Bett für die Nacht. Morgen können Sie sich dann um das Auto kümmern.« »Danke.«
Harington sprang vom Kutschbock. Mit scheuem Blick auf den hinteren Teil der Kutsche wandte er sich ab und ging auf das Gasthaus zu.
Als er davorstand, sah er das hölzerne Schild unter der Laterne mit dem Namen des Gasthauses.
Er wollte die Eingangstür öffnen, fand sie zu seiner Überraschung jedoch verschlossen. Kräftig schlug er mit der Faust dreimal gegen das Holz.
Kurz darauf wurde eine kleine Luke geöffnet. Harington blickte in zwei dunkle Augen, die von buschigen Brauen überwölkt waren.
»Was wollen Sie?« hörte er eine brummige Stimme.
»Ich hatte eine Panne. Der Leichenbestatter hat mich mitgenommen. Wenn Sie noch ein Bett freihaben, würde ich gern hier schlafen.«
Erst jetzt fiel Harington auf, daß er den Namen des Kutschers überhaupt nicht wußte, aber diese Frage löste sich sogleich.
»So, Patrick hat Sie mitgenommen. Nur gut, kommen Sie herein...«
Harington hörte, wie zwei Riegel zur Seite gezogen wurden, dann schwang die Tür auf.
»Ich heiße Paddy O'Brian«, stellte der Mann sich vor. Jetzt konnte Harington sehen, daß zu dem Gesicht ein massiger Körper gehörte. Der lauernde Blick war aus Paddys Augen verschwunden, statt dessen strahlten sie freundliche Wärme aus.
»Sie sind ja völlig durchgefroren«, stellte er fest. »Ein heißes Bad wird Ihnen guttun.«
»Ich heiße David Harington. Wenn Sie vielleicht ein Zimmer frei hätten...«
Paddys Gesichtsmuskeln zuckten, dann zog sich sein Mund in die Breite und ließ ein donnerndes Lachen ertönen.
»Ob ich ein Zimmer frei habe? Das ist der beste Witz, den ich seit langem höre. Ich habe seit Jahren Zimmer nur noch frei. Sie sind der erste Fremde, den ich seit fünf Jahren in diesem Haus sehe, und Sie fragen, ob ich ein Zimmer frei habe... Sie können alle acht Zimmer bekommen, wenn Sie wollen!«
»Nein danke, eins reicht mir schon, wenn es nur eine Dusche oder eine Badewanne hat.«
»Aber sicher. Meine Tochter wird Sie hinaufführen.« Mit lauter Stimme rief er: »Grace!«
Kurz darauf wurde ein Vorhang hinter der Theke zur Seite geschoben und eine Zwanzigjährige betrat den Schankraum.
Sie hatte lange schwarze Haare, im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr Gesicht war offen und freundlich, die Augen strahlten wie zwei tiefblaue Bergseen.
Als sie Harington sah, blieb sie vor Überraschung einen Augenblick stehen, kam dann aber mit wiegenden Hüften näher. Ein blaues Kleid umschmeichelte ihren wohlproportionierten Körper.
»Ein Gast?« erkundigte sie sich ungläubig und betrachtete ihn eingehend. Unter ihrem Blick wurde es David abwechselnd heiß und kalt. Ein so hübsches Mädchen hatte er hier nicht vorzufinden erwartet.
»Meine Tochter Grace«, stellte Paddy vor. »Das ist Mr. Harington. Er wird diese Nacht bei uns verbringen. Zeig ihm die Zimmer, dann kann er sich selbst eines aussuchen.«
David folgte der Haustochter, die ihn in einen kleinen Flur und dann zu einer engen Treppe führte. Die Holzstiegen knarrten unter ihren Füßen.
»Ich will nicht aufdringlich sein«, richtete Grace das Wort an ihn, »aber aus welchem Grund sind Sie hierher gekommen, Mr. Harington?«
»David, nennen Sie mich einfach David. Ich hatte eine Autopanne, einige Kilometer von hier. Patrick, so nannte ihn ihr Vater, glaube ich, der Kutscher eines Bestattungsunternehmens, nahm mich bis hierher mit.«
Ihre Augen blickten plötzlich nachdenklich. »Eine Panne, so...«
»Was soll denn daran so besonders sein?«
Nun zeigte Grace O'Brian eine bemerkenswerte Übereinstimmung ihrer Reaktion mit der des Kutschers. Das Thema war ihr sichtlich unangenehm, und sie wechselte es schnell.
»Es wird schwer sein, einen Mechaniker aufzutreiben. Sie werden telefonisch einen von außerhalb bestellen müssen, denn hier in Calgary gibt es keinen. Das Geschäft würde sich auch nicht lohnen, denn hier hat niemand ein Auto.«
David wollte weiter fragen, aber da öffnete Grace eine Tür.
»Das ist das einzige Zimmer mit eigenem Bad, ich nehme an, daß Sie darauf Wert legen.«
Er sah sich in dem Zimmer um, es war zwar klein, aber gemütlich. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und zwei Stühle bildeten das Mobiliar. Außerdem gab es noch eine Badewanne in einer Nische, die sich durch einen Vorhang vom Rest des Raumes abtrennen ließ.
Das Zimmer gefiel David. »In Ordnung, hier bleibe ich«, erklärte er und stellte die Reisetasche auf den Tisch.
»In einer halben Stunde gibt es Abendessen«, sagte Grace. Sie lächelte und schloß die Zimmertür hinter sich.
*
Mit einem Kamm fuhr David Harington durch die strohblonden Haare. Das Bad hatte seine Lebensgeister wieder geweckt.
Er war fünfunddreißig, sah aber jünger aus. Seine grünen Augen kontrastierten seltsam mit der Farbe seiner Haare. Die kleinen Falten in den Mundwinkeln verrieten, daß er gern lachte.
Er blickte auf seine Armbanduhr und stellte fest, daß die halbe Stunde verstrichen war.
Ein kräftiges Essen und danach ein warmes Bad waren so ziemlich das einzige, was er noch zu seinem Glück benötigte.
Er hörte ein Klopfen an der Tür und Graces Stimme: »Das Essen ist fertig. Kommen Sie runter?«
»Sofort.«
Die junge Frau hatte es ihm angetan. Etwas an ihr faszinierte ihn.
Vielleicht war es die unnatürliche Blässe ihres Gesichts, oder der leicht abwesend wirkende, fast gequälte Ausdruck in ihren Augen.
Harington. legte den Kamm aus der Hand und erhob sich. Gemeinsam mit Grace stieg er die Treppe hinunter und betrat die Gaststube. Die Haustochter machte eine einladende Handbewegung zu einem der Tische hin.
Dort standen ein Teller mit einem Kotelett, Kartoffeln und Gemüse und eine Schüssel mit Salat sowie ein Krug Bier.
»Hm, das sieht mal lecker aus«, lobte David, setzte sich und fügte nach dem ersten Bissen hinzu: »Es schmeckt ausgezeichnet.«
Grace nahm ebenfalls am Tisch Platz. Ihr Vater war nirgendwo zu sehen.
»Warum lebt eigentlich ein so hübsches Mädchen wie Sie in so einem Nest?« erkundigte sich der Gast während des Essens.
Grace errötete leicht.
»Danke für das Kompliment.«
»Sie haben meine Frage damit aber noch nicht beantwortet.«
»Wissen Sie, David, das ist eine lange Geschichte. Bitte fragen Sie nicht. Ich kann Ihnen nur soviel sagen, daß ich hier bleiben muß. Es gibt keinen Ausweg.«
Harington schluckte und spülte mit Bier nach.
»Das ist nicht gerade eine befriedigende Antwort, aber wenn Sie nicht weiter darüber sprechen wollen, richte ich mich natürlich danach.«
Sie schwiegen eine Weile, bis David Harington sich erkundigte: »Kann ich gleich mal telefonieren?«
»Ich fürchte nein. Nur der Bürgermeister hat einen Apparat, und der Mann kommt erst morgen früh wieder.«
Das störte ihn nun zwar gewaltig, aber eigentlich war es auch wieder nicht so schlimm. Thompson, sein Firmenpartner, würde sich eben gedulden müssen.
Nach dem Essen kehrte David Harington auf sein Zimmer zurück. Er war hundemüde und wollte sich gleich schlafen legen. Am nächsten Tag hatte er eine anstrengende Autofahrt vor sich...
Bevor er sich jedoch ins Bett legte, blickte er aus dem Fenster. Sein Zimmer lag über der Gaststube, und er konnte auf den Platz, wo er aus der Kutsche gestiegen war, hinuntersehen.
Der Nebel schien sich noch verdichtet zu haben. Lediglich die Laterne über dem Hauseingang riß einen kleinen hellen Kreis aus der Dunkelheit.
Da entdeckte Harington plötzlich die Gestalt. Der Mann stand am Rand des Lichtkreises. Er starrte genau zu seinem Fenster herauf, und David fröstelte unwillkürlich bei dem Blick. Die Augen wirkten wie zwei feurige Kreisel.
Der Fremde trug einen langen schwarzen Umhang. Sein Gesicht war hager und schimmerte bleich, fast weiß, was jedoch an dem schlechten Licht liegen konnte.
Einige Sekunden starrten sie sich gegenseitig an, dann wandte der hochgewachsene Mann sich plötzlich um und war gleich darauf verschwunden.
Nachdenklich ging David Harington zu Bett. Der Anblick des Unbekannten hatte ihn aufgewühlt. Diese Augen, in denen er geglaubt hatte zu versinken! Das war doch nicht normal gewesen...
Eine ganze Weile lag er wach und grübelte nach. Irgend etwas stimmt hier nicht. Aber was soll's? Morgen würde er verschwunden sein und so schnell bestimmt nicht zurückkehren.
Schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf. Er träumte allerhand unlogisches Zeug und wachte schließlich schweißgebadet wieder auf.
Im ersten Moment fand er sich überhaupt nicht zurecht, bis ihm plötzlich bewußt wurde, was ihn geweckt hatte.
Ein Schrei!
Er lauschte, ob sich der Schrei wiederholte, oder ob er ihn vielleicht nur geträumt hatte.
Nein, da war er wieder! Ein heller Schrei gellte durch das Haus und verstummte abrupt. Eine Frau hatte ihn ausgestoßen.
Grace!
Mit einem Satz war David aus dem Bett, streifte sich Pulli, Hose und Schuhe über und rannte zur Tür.
Er riß sie auf und hetzte auf den dunklen Gang. Es war totenstill im Haus.
Harington überwand die Treppe mit mehreren Sprüngen, verfehlte eine Stufe und rollte mehrere hinab.
In der Brust verspürte er ein Ziehen, mißachtete den Schmerz jedoch und raffte sich auf.
Lichtschein drang unter einer Tür hervor. Harington preßte sein Ohr gegen das Holz, doch alles blieb ruhig.
Um sich Gewißheit zu verschaffen, blickte er durch das Schlüsselloch. Er entdeckte eine dunkle Gestalt, die sich über etwas bückte. Die langen schwarzen Haare verrieten, daß es sich um Grace handeln mußte.
Nun gab es für Harington kein Halten mehr. Entschlossen öffnete er die Tür und trat ein.
Der Unbekannte fuhr hoch. David erkannte sofort den Mann, der unter seinem Fenster gestanden hatte.
Lange Eckzähne, an denen einzelne Blutstropfen perlten, ragten über seine Lippen.
Ein Vampir, durchfuhr es Harington siedend heiß.
Im nächsten Moment wurde er sich der Unmöglichkeit dieser Feststellung bewußt. Vampire gab es höchstens im Kino, der Mann mußte sich ein künstliches Gebiß in den Mund gesteckt haben.
Fauchend sprang der Unbekannte zurück. David blickte zu Grace. Sie lag bewußtlos auf dem Bett. An ihrem Hals befanden sich zwei kleine Wunden. Offensichtlich hatte der Fremde versucht, sie wie ein richtiger Vampir zu beißen.
Dieser hatte die Zeit genutzt, die Harington abgelenkt war. Mit einem gewaltigen Satz sprang er aus dem Fenster.
Doch so einfach wollte der Gast des Hauses ihn nicht entkommen lassen. Der Mann ist ja gemeingefährlich in seinem Wahn, dachte er bei sich. Entschlossen kletterte er dem Flüchtigen nach.
Sofort griff der Nebel wie mit feuchten Fingern nach ihm. Der Unheimliche war nur noch schemenhaft auszumachen.
Harington rannte los, doch der Fremde war zu schnell für ihn. Scheinbar mühelos hielt er immer den gleichen Abstand.
Der Boden bestand aus Kopfsteinpflaster. Harington hörte seine Schritte seltsam hohl durch die schmalen Gassen hallen. Der Fremde verursachte überhaupt kein Geräusch, wahrscheinlich wurde es vom Nebel verschluckt.
Wie eine weiße Fahne hing Harington der Atem vor dem Mund. Keuchend sog er die kalte Luft ein.
Plötzlich war der Unheimliche verschwunden. Ermattet blieb Harington stehen. Diesem Tempo war er nicht gewachsen. Er beschloß, die aussichtslose Verfolgung aufzugeben.
Während des Laufens hatte er zu schwitzen begonnen und die Kälte nicht gespürt. Nun machte sie sich um so nachdrücklicher bemerkbar.
Harington fröstelte. Mit raschen Schritten machte er sich auf den Rückweg.
Einmal glaubte er, Flügelschläge über sich zu vernehmen. Doch als er aufblickte, konnte er nichts entdecken.
Wie angewurzelt blieb er stehen, als er plötzlich eine dunkle Gestalt wenige Schritte vor sich sah. Zögernd trat er näher.
Obwohl er fast damit gerechnet hatte, wagte er seinen Augen nicht zu trauen, als er den nachgemachten Vampir erkannte.
Wie hatte dieser ihn überholen können, ohne daß er ihn entdeckte?
Hören Sie«, begann Harington, doch mit einer herrischen Geste schnitt sein Gegenüber ihm das Wort ab. In der knappen Handbewegung lag eine geradezu suggestive Kraft, die ihn verstummen ließ.
Der Fremde überragte Harington um mehr als einen halben Kopf. Der Geschäftsmann begann zu zittern, aber er bemerkte es kaum. Wie gelähmt starrte er in die nachtschwarzen Augen seines Gegners.
»Ich bin Faran, der Fürst aller Vampire«, richtete dieser das Wort an ihn. »Folge mir! Ich werde dir etwas zeigen, was noch nie ein Sterblicher vor dir gesehen hat!«
Ohne eine Bestätigung abzuwarten, wandte er sich um. Harington folgte ihm. Ein Teil seines Bewußtseins war ausgeschaltet. Er hatte seinen freien Willen verloren.
Der Blick des Vampirs schien ihn aus seiner Seele gebrannt zu haben.
*
Ihr Weg führte sie mitten durch das Moor, doch das nahm David Harington kaum wahr. Sein Blick war starr auf die Gestalt des vor ihm gehenden Vampirfürsten gerichtet.
Es gab,für ihn keinen Zweifel mehr daran, daß es sich tatsächlich um einen echten Dämon handelte, obwohl er jeden Gedanken daran noch vor einer halben Stunde weit von sich gewiesen hätte.
Vor einem niedrigen Turm blieben sie stehen. Faran öffnete eine Tür, und sie traten ins Innere des Gemäuers.
»Willkommen in meinem Reich«, spottete der Vampir und entzündete eine Fackel. Gleichzeitig ließ der Druck auf Haringtons Gehirn etwas los. Er gewann wieder Interesse an seiner Umgebung. Dennoch spürte er nicht die schreckliche Aura, die dieses Gemäuer erfüllte. Jeder Gedanke an Furcht oder gar an Flucht wurde sofort unterdrückt.
Der Vampir trat zu einer Wand und tippte das Mauerstück nur kurz mit den Fingern an. Sofort schwang es zurück und gab einen dunklen Eingang frei.
Faran reichte Harington die Fackel. In ihrem Licht konnte der Geschäftsmann erkennen, daß sie am Beginn einer steilen Wendeltreppe standen.
Schweigend folgte er dem Vampir die glitschigen Stufen hinab. Ein dünnes Moosgeflecht hatte sie stellenweise überzogen, und er mußte höllisch aufpassen, um nicht auszurutschen.
Harington hatte jedes Zeitgefühl verloren. Doch was bedeutete Zeit schon für ihn. Seit er dem Vampir begegnet war, galten für ihn ganz andere Begriffe.
Irgendwann erreichten sie das Ende der Treppe. Ein Gang erstreckte sich vor ihnen. Über unzählige weitere Gänge, durch große Hallen und steile Treppen hinab führte ihn der Vampir.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Kraftvoll stieß Faran eine letzte Tür auf.
Sie traten in einen großen Raum. Verwesungsgeruch schlug Harington entgegen, der Gestank von Moder und Fäulnis.
Der Raum war eine gigantische Gruft!
Zahlreiche steinerne Sarkophage standen nebeneinander an den Wänden. Darüber waren Marmorplatten in die Wand eingelassen, auf denen die Namen der Verstorbenen eingraviert waren.
»Hier liegen sie scheinbar tot zusammen, die einst so Mächtigen aus dem Geschlecht der von Darkhield«, schwärmte Faran. »Aber bald schon werden sie auferstehen, um mich bei meinen großen Plänen zu unterstützen, denn ihr Geschlecht ist unsterblich. Noch wenige Tage, und der Bann wird von ihnen fallen. Ich werde es sein, der ihnen zu neuem Leben verhilft.«
»Verzeih, Meister, doch welche Aufgabe fällt mir dabei zu? Warum zeigt ihr mir das alles?« erkundigte sich Harington.
Diabolisches Grinsen überzog das Gesicht des Vampirfürsten. Im flackernden Licht der Fackel wirkte es wie das Antlitz des Satans persönlich.
»Du wirst mir helfen, meine Rache zu erfüllen. Ein grenzenloser Verrat wurde an der Gräfin Lilian von Darkhield verübt. Damals, vor fast dreihundert Jahren. Anläßlich ihrer Wiedererweckung soll er nun endlich gerächt werden!«
David Harington verstand kein Wort, doch er wagte es nicht, dem Vampir weitere Fragen zu stellen. Statt dessen zählte er die Sarkophage. Es waren genau sechsunddreißig...
Sechsunddreißig Vampire, die darin lagen und auf ihre Wiedererweckung warteten!
Faran trat an die Tür zurück.
»Folge mir jetzt«, befahl er. »Ich werde dir alles Notwendige erklären.«
*
Noch in der gleichen Nacht verließ David Harington das Schloß wieder. Seine Gedanken kreisten ausschließlich um den zu erfüllenden Auftrag. Auch in der Ferne wirkte Farans hypnotischer Bann.
In der Tasche trug er ein Fläschchen. Farans Befehl hallte in seinen Gedanken nach.
»Mitten im Moor haust Arthena mit ihren Untoten. Du mußt bis zu ihr vordringen. Jahrhunderte trügerischer Sicherheit werden ihren Argwohn eingeschläfert haben. Sie hat sich mit einem Schutzschild umgeben, der es uns unmöglich macht, direkt gegen sie vorzugehen. Du wirst unsere Rache erfüllen. Übergieße sie mit dem Inhalt dieses Fläschchens!«
Mit traumwandlerischer Sicherheit fand Harington den Weg durch das Moor. Auch dieses Wissen war eine Folge von Farans Bann.
Er wußte, daß seine Chancen, diesen Auftrag lebend zu überstehen, äußerst gering waren. Dennoch war er entschlossen, ihn auszuführen. Es gab keine Auflehnung gegen den Willen des Meisters.
Wie aus dem Boden gewachsen, standen plötzlich zwei Gestalten vor ihm.
Die beiden Männer mußten schon lange tot sein. Ihr Fleisch war größtenteils bereits der Verwesung anheimgefallen. Der Geruch schien unerträglich.
Doch auch der Anblick konnte David Harington nicht aus der Fassung bringen. Faran hatte ihn auf diese Begegnung vorbereitet.
Mit eckigen Schritten kamen die beiden Zombies näher.
»Halt!« rief Harington und sagte den auswendig gelernten Text auf. »Ich bringe eine wichtige Nachricht für Arthena. Führt mich zu ihr!«
Einen Augenblick schien es, als würden die Untoten auf seine Worte überhaupt nicht reagieren. Unbeirrt stelzten sie weiter auf ihn zu. Einer streckte bereits seinen Arm nach Davids Kehle aus.
Plötzlich jedoch ließ er ihn wieder sinken.
»Meine Nachricht ist wirklich von höchster Wichtigkeit«, hakte Harington nach. »Es haben sich bedeutende Veränderungen in Calgary ereignet.«
Der Untote stieß einen gurgelnden Laut aus. Beide wandten sich um. Harington verstand die Aufforderung und schloß sich ihnen an.
Beunruhigt registrierte er, daß sich ihnen weitere Zombies anschlossen. Manche waren fast schon zu Skeletten geworden.
Schließlich erreichten sie eine niedrige Hütte. Harington ließ den Schein der Fackel über die Bretter wandern. Sie sahen morsch und brüchig aus. Geradezu ein Wunder, daß sie nicht auseinanderfielen...
Einer der Zombies öffnete eine Tür. Gleichzeitig entriß ein weiterer Harington die Fackel. Noch bevor er sich zur Wehr setzen konnte, wurde er von hinten gepackt.
Der Griff der Untoten war wie ein Schraubstock. Obwohl Harington alle Kraft einsetzte, bekam er die Arme nicht mehr frei.
So wurde er in die Hütte geführt. Im Inneren war es hell, mehrere Öllampen spendeten einen warmen Lichtschein.
Harington sah eine unglaublich alte Frau, die an einem Tisch saß. Völlig verfilzte schlohweiße Haare umrahmten ihr runzeliges Gesicht. Mit dunklen Augen musterte die Greisin ihn.
Das war sie, das war Arthena von Darkhield. Die Schwester der Vampirgräfin Lilian von Darkhield, die so schändlichen Verrat begangen hatte.
»Was willst du?« fragte sie mit schriller Stimme.
»Ich habe eine Nachricht für Euch.«
Es war zum Verrücktwerden! Da saß sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt, und er kam nicht an das Fläschchen heran.
»Lügner!« kreischte die Greisin. »Für wie naiv hält mich Faran? Ich spüre sofort seine Ausstrahlung, die in dir steckt. Schließlich bin ich eine Hexe und besitze Satans Vermächtnis. Greift in seine Tasche und nehmt ihm das Fläschchen ab!«
Sofort folgten die Untoten ihrem Befehl. Ohnmächtig mußte Harington mitansehen, wie ihm seine Waffe entwendet wurde. Ein Zombie reichte der Hexe das Fläschchen.
Vorsichtig öffnete sie den Verschluß und roch an der dunklen Flüssigkeit.
»Drachenblut aus Kaarn«, geiferte sie und verschraubte den Verschluß wieder. »Es wirkt absolut tödlich auf Dämonen. Ich habe dich von Anfang an beobachtet. Dank Satans Vermächtnis habe ich meine Augen überall. Ich hätte dich sofort umbringen lassen können. Wahrscheinlich wollte Faran auch nur meine Macht auf die Probe stellen. Nun, ich werde ihn mit seiner eigenen Waffe konfrontieren!«
Ruhig hörte Harington ihr zu. Jedes Gefühl war in ihm gestorben. Der Plan des Meisters war gescheitert. Dadurch verlor er als sein Diener seine Lebensberechtigung. Der Fürst der Vampire duldete keinen Versager.
Auf einen Wink der Hexe hin packten ihn nun auch die anderen Untoten. Innerhalb weniger Sekunden lag er auf dem Boden und konnte keinen Muskel mehr rühren.
Dicht vor seinen Augen sah er das Fläschchen. Skelettierte Finger rissen seine Lippen auseinander, dann spürte er eine scharfe Flüssigkeit auf der Zunge.
Widerwillig mußte er schlucken. Die Flüssigkeit rann wie Feuer in seine Kehle und schien im Magen zu explodieren.
Das Feuer fraß ihn auf. Alles begann sich um ihn herum zu drehen. Harington schnappte nach Luft, keuchte, spuckte, und plötzlich konnte er sich wieder bewegen.
Die Zombies hatten ihn losgelassen. Mühsam quälte er sich auf die Beine und taumelte ins Freie.
Wie aus weiter Ferne drang Arthenas Stimme an seine Ohren.
»Kehr jetzt zu Faran zurück und überbring ihm meinen höllischen Gruß!« Ein schrilles Lachen folgte ihren Worten.
Wie er das Schloß erreichte, wußte er selbst nicht. Wuchtig schlug er gegen das Tor des Turmes.
Geifer rann über seine Lippen. In den Mundwinkeln bildete sich Schaum.
Harington kicherte.
Nach wenigen Minuten öffnete Faran das Portal. Mit einem Schrei des Entsetzens wich er zurück, als er Harington sah.
Immer noch kichernd schob sich der ehemalige Handelsreisende in den Turm.
»Meister, da bin ich wieder«, stieß er lallend hervor. »Warum begrüßt du mich nicht? Nein, lauf nicht weg!«
Er wollte nach dem Umhang des Vampirs greifen, doch seine Arme gehorchten ihm nur noch widerwillig.
Als er auf seine Hände blickte, entdeckte er, daß sie zu unförmigen Klumpen geworden waren.
Mit entsetztem Gesicht starrte Faran ihn an. Schritt für Schritt wich er zurück, doch unerbittlich folgte Harington ihm.
»Bleib stehen!« befahl er, doch dann sah er ein, daß er die Gewalt über Harington endgültig verloren hatte.
Er wandte sich um und stürmte die Treppe hinunter. Die gefährliche Ausstrahlung Haringtons hatte ihn bereits geschwächt.
Sein Plan war gescheitert. Doch nicht nur das, er war zu einem Bumerang geworden.
Haringtons veränderte geistige Ausstrahlung bereitete ihm körperliche Schmerzen. Sie war fast so schlimm, wie die eines Kreuzes.
Es war die Ausstrahlung eines Wahnsinnigen. Harington hatte den Verstand verloren.
Zusammenhanglose Worte vor sich hinmurmelnd folgte Harington langsam dem Vampir.
*
Einige Tage später:
Mark Strange war Privatdetektiv. Früher hatte er als Stuntman gearbeitet, aber nach einem Unfall dem Filmgeschäft Lebewohl sagen müssen. Seit dieser Zeit war er kriminalistisch tätig.